Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des M C, vertreten durch Mag. Eva Velibeyoglu, Rechtsanwältin in 1100 Wien, Columbusgasse 65/22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2024, L508 22981501/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber ist türkischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Kurden. Er stellte am 16. Mai 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er im Wesentlichen vor, von den Mitgliedern der AKP zwangsweise zu einer Kämpfergruppe einberufen worden zu sein. Er sei geflüchtet und befürchte, auf Grund seiner Weigerung, der Einberufung Folge zu leisten, als Terrorist zu gelten und verhaftet oder umgebracht zu werden.
2Mit Bescheid vom 25. Juli 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei. Zudem wurde einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt, keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
3 Mit Teilerkenntnis vom 5. September 2024, L508 22981501/6Z, gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte VI. (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde) und VII. (keine Frist für die freiwillige Ausreise) statt, behob den angefochtenen Bescheid hinsichtlich dieser Spruchpunkte und erkannte der Beschwerde gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zu. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig erklärt.
4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis V. des Bescheides als unbegründet ab, legte eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung für die freiwillige Ausreise fest, gab der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt VIII. (Einreiseverbot) statt und behob den Bescheid in dieser Hinsicht ersatzlos. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig erklärt.
5 Begründend führte es im Zusammenhang mit dem vorgebrachten Fluchtgrund aus, es könne mangels Glaubwürdigkeit des Revisionswerbers nicht festgestellt werden, dass der Revisionswerber wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei verfolgt werde. Selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens würde es keine Asylrelevanz entfalten, weil der Revisionswerber eine innerstaatliche Fluchtalternative in Anspruch nehmen könne und ihm die Rückkehr nach Istanbul möglich und zumutbar sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese mit Beschluss vom 11. Dezember 2024, E 4104/2024 7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
7 Daraufhin erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision richtet sich der Sache nach im Wesentlichen gegen die Beweiswürdigung und nimmt dabei pauschal Bezug auf die allgemeine Situation von politisch Verfolgten in der Türkei.
10Im Fall der Erhebung einer außerordentlichen Revision obliegt es gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dem Revisionswerber, gesondert jene Gründe in hinreichend konkreter Weise anzuführen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 24 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 4.9.2024, Ra 2024/19/0249, mwN).
11 Die vorliegende Revision legt nicht dar, in welchen Punkten das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Damit gelingt es der Revision nicht, die Gründe für ihre Zulässigkeit wie von der Rechtsprechung gefordert in einer gesonderten Zulässigkeitsbegründung sowie konkret aufzuzeigen.
12Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG richtet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. In Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. zuletzt etwa VwGH 24.10.2024, Ra 2024/19/0315, mwN).
13Dass die beweiswürdigenden Erwägungen in ihrer Gesamtheit unvertretbar wären, vermag der Revisionswerber, der in erster Linie seine eigenen beweiswürdigenden Überlegungen an die Stelle derjenigen des BVwG gesetzt wissen möchte, nicht darzutun, zumal es hier nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht darauf ankommt, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. dazu erneut VwGH Ra 2024/19/0315, mwN).
14 Weiters rügt die Revision, das BVwG habe zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen, weil es der Überzeugung gewesen sei, dass „kein entscheidungswesentlicher Sachverhalt klärungsbedürftig war“.
15 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum auch hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA VG ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. VwGH 29.5.2024, Ra 2024/19/0106, mwN).
16Die Revision legt mit ihrem pauschalen Vorbringen, das BVwG sei zu Unrecht von einem nicht klärungsbedürftigen Sachverhalt ausgegangen, nicht dar, inwiefern das BVwG von den oben wiedergegebenen Leitlinien abgewichen wäre (vgl. erneut VwGH Ra 2024/19/0106, mwN).
17Soweit die Revision vorbringt, der Revisionswerber sei „gegenüber anderen Fremden in sachlicher Weise relevant schlechter behandelt“ sowie in seinem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK verletzt worden, ist ihr entgegen zu halten, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung einer Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, die gemäß Art. 144 Abs. 1 B VG als Prozessvoraussetzungen für ein Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof umschrieben sind, gemäß Art. 133 Abs. 5 BVG nicht berufen ist. Insbesondere sind solche Behauptungen nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision darzutun (vgl. VwGH 12.3.2024, Ra 2023/19/0235, mwN).
18 Schließlich moniert die Revision, dass das BVwG „die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes außer Acht gelassen“ habe. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Einreiseverbot mit dem angefochtenen Erkenntnis ersatzlos behoben wurde und diesem Vorbringen somit der Boden entzogen ist.
19 In der Revision (die im Übrigen auch keine tauglichen Revisionspunkte enthält) werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 6. Februar 2025