JudikaturVwGH

Ra 2023/19/0270 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
18. Januar 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des I A, vertreten durch Dr. Matthias Brand, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brahmsplatz 7/7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. Juni 2023, W228 2268731 1/7E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 12. Mai 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, Syrien wegen des Krieges verlassen zu haben. Darüber hinaus habe er seinen Militärdienst nicht abgeleistet. Er befürchte, bei einer Rückkehr getötet oder inhaftiert zu werden.

2 Mit Bescheid vom 13. Februar 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung zunächst gegen die beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG und bringt im Wesentlichen vor, das BVwG habe die Prüfung der Frage, ob der Revisionswerber seinen Militärdienst in Syrien abgeleistet habe und er im Fall seiner Rückkehr wieder rekrutiert werden würde, unvertretbar vorgenommen. Das BVwG habe teils irrelevante Umstände für die Beurteilung der Verfolgungsgefahr des Revisionswerbers herangezogen und geringfügige Abweichungen in seinem Vorbringen übermäßig zu seinen Lasten gewertet.

7 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. In Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 5.9.2023, Ra 2023/19/0304, mwN).

8 Im vorliegenden Fall führte das BVwG eine mündliche Verhandlung durch, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffte und ihn zu seinen Fluchtgründen befragte. Das BVwG setzte sich beweiswürdigend mit dem Fluchtvorbringen auseinander und verwies im Besonderen darauf, dass der Revisionswerber den Wehrdienst abgeleistet und sein Fluchtvorbringen teilweise widersprüchlich und nicht nachvollziehbar geschildert habe. In Hinblick auf ein vom Revisionswerber als Beleg vorgelegtes Schriftstück sei so das BVwG nicht von dessen Echtheit auszugehen, zumal es nicht den offiziellen vom Revisionswerber in seinem Reisepass geführten Namen getragen habe, sondern den zu Beginn des Asylverfahrens vom Revisionswerber geführten „Alias Namen“. Darüber hinaus habe der Revisionswerber auch kein Wehrbuch vorgelegt. Es sei daher nach Ansicht des BVwG nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass der Revisionswerber bei einer Rückkehr nach Syrien zwangsrekrutiert oder dass ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden würde.

9 Dass die beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG in ihrer Gesamtheit unvertretbar wären, vermag der Revisionswerber, der in erster Linie seine eigenen beweiswürdigenden Überlegungen an die Stelle des BVwG gesetzt wissen möchte, nicht darzutun, zumal es hier nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht darauf ankommt, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 12.4.2022, Ra 2022/19/0055, mwN).

10 Darüber hinaus macht die Revision geltend, das BVwG habe keine Ausführungen dahingehend getroffen, ob dem Revisionswerber bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat angesichts des erhöhten Rekrutierungsdrucks mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Einziehung zum Wehrdienst und damit eine asylrelevante Verfolgung drohe.

11 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (vgl.zuletzt etwa VwGH 31.10.2023, Ro 2023/19/0002, mwN).

12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen (vgl. VwGH 21.5.2021, Ro 2020/19/0001, mwN). Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen wie etwa der Anwendung von Folter jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. erneut VwGH Ro 2020/19/0001, mwN).

13 Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. nochmals VwGH Ra 2023/19/0002, mwN).

14 Im vorliegenden Fall zeigt die Revision nicht auf und ist auch nicht ersichtlich, dass der Revisionswerber in Bezug auf die ihm drohende Einziehung zum Wehrdienst im Verfahren vor dem BFA oder im Beschwerdeverfahren ein Vorbringen erstattet hätte, das einen kausalen Zusammenhang zu einem Konventionsgrund im oben beschriebenen Sinn erkennen lässt.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 18. Jänner 2024

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