Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Doblinger sowie den Hofrat Mag. Feiel und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Rieder, über die außerordentliche Revision des Bundesdenkmalamts in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 17. März 2025, LVwG 2025/22/0583 5, betreffend Antrag auf Sicherungsmaßnahmen nach § 31 Abs. 1 Denkmalschutzgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck; mitbeteiligte Partei: A B in C), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid des Bundesdenkmalamts vom 18. Dezember 1995 war festgestellt worden, dass die Erhaltung des in Gries am Brenner gelegenen Gasthofs und Hotels „Weißes Rössl“ gemäß §§ 1 und 3 Denkmalschutzgesetz (DMSG) im öffentlichen Interesse gelegen ist.
2 Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 12. Februar 2025, LVwG 2023/31/2508 9, wurde dem Mitbeteiligten als Eigentümer gemäß § 47 Abs. 2 Tiroler Bauordnung 2022 (TBO 2022) der Totalabbruch dieses nach einem Brand am 11. Mai 2023 beschädigten Gebäudes bis 30. April 2025 aufgetragen.
3 Das Bundesdenkmalamt (nunmehr: revisionswerbende Partei) beantragte mit Schriftsatz vom 17. Februar 2025 gemäß § 31 Abs. 1 DMSG, die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde) möge einen sofortigen Baustopp und geeignete Maßnahmen zur Sicherung der Denkmalcharakteristika (Wappenkartuschen und Stuckkehlen im ersten Obergeschoß sowie das Ritzbild „Mobilität“ von Paul Flora) veranlassen.
4 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde wies diesen Antrag „auf Verhängung eines ‚Baustopps‘“ mit Bescheid vom 5. März 2025 gemäß §§ 4, 31 Abs. 1 DMSG ab.
5 Die von der revisionswerbenden Partei dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Tirol mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 17. März 2025, LVwG 2025/22/0583 5, ab.
Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die auf Art. 133 Abs. 8 B VG in Verbindung mit § 26 Abs. 4 DMSG gestützte außerordentliche (Amts )Revision des Bundesdenkmalamts wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Nach ihrem dahingehenden Vorbringen beabsichtigt die revisionswerbende Partei mit dieser, obwohl das Denkmal nach dem Abbruch des Gebäudes im März 2025 im Wesentlichen zerstört sei (die Prachensky Stube sei ausgebaut, der Wirtshausausleger noch vorhanden), vor allem „die Herstellung der Rechtsicherheit aufgrund der hohen Wiederkehrwahrscheinlichkeit sowie der daraus resultierenden Bedeutung für das öffentliche Interesse und die Allgemeinheit.“
7 Der Revision mangelt es an der Berechtigung zu ihrer Erhebung:
8 Die Revisionsberechtigung (Revisionslegitimation) ist Voraussetzung für eine Sachentscheidung (VwGH 16.11.2023, Ro 2023/09/0007).
9 Ein Rechtsschutzbedürfnis welches eine der Prozessvoraussetzungen für ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof darstellt liegt dann nicht vor, wenn eine Entscheidung lediglich über abstrakt theoretische Rechtsfragen herbeigeführt werden soll, denen keine praktische Relevanz mehr zukommen kann. Das Rechtsschutzinteresse ist immer dann zu verneinen, wenn es (aufgrund von geänderten Umständen) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben. Diese Rechtsprechung hat auch für eine Amtsrevision Gültigkeit (vgl. VwGH 7.12.2023, Ro 2022/10/0016, mwN, ebenfalls eine Amtsrevision nach Art. 133 Abs. 8 B VG betreffend).
10 Es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, in einer Revisionssache zu entscheiden, wenn der Entscheidung nach der Sachlage praktisch überhaupt keine Bedeutung mehr zukommt und letztlich bloß eine Entscheidung über theoretische Rechtsfragen ergehen könnte. Dies gilt auch dann, wenn die einem Revisionsfall zugrundeliegende Rechtsfrage für künftige Verwaltungsverfahren bzw. verwaltungsgerichtliche Verfahren von Interesse sein könnte (siehe auch dazu VwGH 7.12.2023, Ro 2022/10/0016, mwN).
11 Der dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zugrundeliegende Antrag der revisionswerbenden Partei nach § 31 Abs. 1 DMSG zielte darauf ab, dass die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde geeignete Maßnahmen zur Abwendung der Gefahr, dass das Denkmal zerstört werde, treffen solle. Namentlich wurde die Anordnung eines sofortigen Baustopps (bezogen auf den angeordneten Totalabbruch des Gebäudes) und der Absicherung der oben erwähnten Denkmalcharakteristika begehrt. Beides ist nach Abbruch des Bauwerks und Untergang der genannten Wappenkartuschen und Stuckkehlen im ersten Obergeschoß sowie des Ritzbilds „Mobilität“ von Paul Flora nicht mehr möglich.
12 Angesichts dessen käme der Beantwortung der in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen für das vorliegende Revisionsverfahren nur mehr theoretische Bedeutung zu.
13 Anders als in dem im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1992, 92/09/0103, VwSlg. 13760 A, behandelten Fall, wo auch nach Abbruch des Gebäudes ein Interesse an der Rechtmäßigkeit der Unterschutzstellung bejaht wurde, ist im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft, dass das in Rede stehende Bauwerk unter Denkmalschutz stand.
14 Ebenso wie nach dem Untergang des Denkmals kein subjektiv öffentliches Recht auf eine Entscheidung darüber besteht, ob für die Zerstörung des Denkmals eine Bewilligung nach § 5 DMSG hätte erteilt werden können (siehe VwGH 21.9.2005, 2002/09/0210), besteht im vorliegenden Fall nach der Zerstörung des Denkmals kein Rechtsschutzinteresse mehr an einer Entscheidung darüber, ob (und welche) Sicherungsmaßnahmen nach § 31 Abs. 1 DMSG anzuordnen gewesen wären.
15 Liegt das Rechtsschutzbedürfnis schon bei Einbringung der Revision nicht mehr vor, ist die Revision unzulässig und deshalb zurückzuweisen (vgl. auch dazu VwGH 7.12.2023, Ro 2022/10/0016; 16.11.2023, Ro 2023/09/0007, jeweils mwN).
16 Es kommt nach Zerstörung des Denkmals auf die aufgeworfene Frage, ob sich das Landesverwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung ausreichend mit der aktuellen Fassung des § 4 DMSG auseinandergesetzt hat, auch nicht mehr an. Abgesehen davon, dass ein Antrag auf Sicherungsmaßnahmen nach § 31 Abs. 1 DMSG gegenständlich war, besteht nach § 4 Abs. 1 DMSG die ausschließlich den Eigentümer treffende Erhaltungspflicht (nur) soweit, als dies einem bestehenden Baukonsens entspricht. Der Baukonsens geht jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch den Abbruch des Gebäudes unter (vgl. VwGH 29.6.2017, Ra 2017/06/0108, zur Tiroler Bauordnung 2011).
17 Die inhaltliche Richtigkeit des baubehördlichen Abbruchauftrags war im Verfahren nach § 31 Abs. 1 DMSG (selbst unter dem Blickwinkel des § 4 Abs. 3 DMSG) nicht zu prüfen. Dahingehende Rechtsfragen können daher schon von vornherein keine grundsätzliche Rechtsfrage im gegenständlichen Revisionsverfahren darstellen.
18 Das Vorbringen zum Abweichen von der Rechtsprechung zum Kumulationsprinzip (siehe dazu etwa VwGH 13.12.2024, Ra 2024/10/0165) übersieht, dass weder dem Abbruchauftrag infolge von Baugebrechen ein Antrag des Eigentümers zugrunde lag, noch im gegenständlichen Verfahren über eine Bewilligung aufgrund eines Antrags nach § 5 Abs. 1 DMSG abzusprechen war.
19 Dass die Tatsache, dass ein Gebäude unter Denkmalschutz steht, der Erlassung eines baubehördlichen Abbruchauftrags nicht entgegensteht, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen (VwGH 28.1.1963, 2182/61, VwSlg. 5949 A; 29.11.1965, 1573/65, VwSlg. 6810 A); ebenso, dass sich der in den §§ 4 und 5 DMSG enthaltene Gesetzesbefehl die Zerstörung oder Veränderung von Denkmalen zu unterlassen ausschließlich gegen den Eigentümer oder Besitzer eines solchen Denkmals richtet (VwGH 22.5.1969, 1668/68, zum Verhältnis eines baubehördlichen Abbruchauftrags zur Anordnung denkmalschutzrechtlicher Sicherungsmaßnahmen); auch wenn eine Abbruchbewilligung einer späteren Unterschutzstellung nicht entgegensteht (siehe dazu VwGH 19.9.1988, 86/12/0070; 24.3.2009, 2008/09/0378; 11.3.2011, 2010/09/0144; 11.3.2011, 2010/09/0241, VwSlg. 18075 A). Der zuletzt genannte Fall lag hier jedoch nicht vor, stand das Objekt doch bereits vor der Erlassung des baubehördlichen Abbruchauftrags unter Denkmalschutz.
20 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 3. Juni 2025