Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie den Hofrat Dr. Lukasser und die Hofrätin Mag. Zehetner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision des S I, vertreten durch Mag. Guido Sartori in Graz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 24. April 2024, Zl. LVwG 47.31 3252/2023 18, betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung von Sozialunterstützung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeisterin der Stadt Graz), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 24. April 2024 wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark im Beschwerdeverfahren einen Antrag des Revisionswerbers vom 6. Juli 2023 auf Gewährung von Leistungen der Sozialunterstützung (insbesondere) gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 Steiermärkisches Sozialunterstützungsgesetz StSUG ab, wobei es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zuließ.
2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung soweit für den vorliegenden Revisionsfall von Relevanz zugrunde, der Revisionswerber, ein rumänischer Staatsangehöriger, sei im September 2014 in Österreich eingereist; er habe sich seitdem bis auf einen Zeitraum von einigen Monaten in den Jahren 2016 und 2017 an verschiedenen (näher genannten) Anschriften in Graz aufgehalten. Im November 2014 habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet; diese Ehe sei im Juli 2018 einvernehmlich „mit wechselseitigem Unterhaltsverzicht“ geschieden worden.
3 Nach den (in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht bestrittenen) Versicherungsdatenauszügen des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger sei der Revisionswerber lediglich im Zeitraum vom 26. Februar 2018 bis zum 25. Juni 2018 als Arbeiter gemeldet gewesen; sonst sei er (in jeweils näher festgestellten Zeiträumen) ohne Einkommen und Versicherung oder aber als Bezieher von Krankengeld oder Mindestsicherung gemeldet gewesen. (Die erwähnten Leistungen von Mindestsicherung seien jeweils lediglich als „Überbrückungshilfe“ ohne Erlassung eines Zuerkennungsbescheides gewährt worden.) Der Revisionswerber sei derzeit nicht beim Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend gemeldet.
4 Ein Antrag des Revisionswerbers auf Ausstellung einer Bescheinigung des Daueraufenthaltes für EWR Bürger sei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 6. Juni 2023 rechtskräftig abgewiesen worden, dies mit der näher ausgeführten Begründung, dass beim Revisionswerber „kein durchgehender fünfjähriger rechtmäßiger Aufenthalt gemäß der Richtlinie 2004/38/EG“ bestehe.
5 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht auf das für den Revisionsfall Wesentliche zusammengefasst aus, beim Revisionswerber seien aufgrund des festgestellten Sachverhaltes die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Unionsbürgerrichtlinie), nicht gegeben; er verfüge somit nicht über die persönlichen Voraussetzungen gemäß § 3 StSUG, „um als bezugsberechtigte Person im Sinne dieses Gesetzes zu gelten“ (vgl. dazu § 3 Abs. 1 Z 2, Abs. 2 Z 2 sowie Abs. 3 Z 1 StSUG).
6 In Bezug auf das in der Beschwerde des Revisionswerbers ins Treffen geführte Urteil des EuGH vom 15. Juli 2021, Rechtssache C 709/20, Fall CG gegen The Department for Communities in Northern Ireland , hob das Verwaltungsgericht zunächst hervor, dass dieser Rechtssache eine besondere Fallkonstellation „vor dem Hintergrund des Brexit des Vereinigten Königreiches (VK)“ zugrunde liege, die auf den vom Verwaltungsgericht zu entscheidenden Beschwerdefall nicht übertragen werden könne:
7 Das VK habe nämlich zur Regelung der aufenthaltsrechtlichen Situation von Unionsbürgern, die sich bereits vor dem 31. Dezember 2020 (Ende der vereinbarten Übergangsphase des „Brexit“) im VK aufgehalten hätten, das „ EU Settlement Scheme Immigration Rules Appendix EU “ erlassen und damit für Personen mit einem Aufenthalt von mindestens fünf Jahren einen „ Settled Status “, sowie für Personen, die diese Voraussetzung noch nicht erfüllten, aber schon vor dem 31. Dezember 2020 ihren Aufenthalt im VK gehabt hätten, einen „ Pre Settled Status “ geschaffen. Der „ Pre Settled Status “ unterscheide sich von den aufenthaltsrechtlichen Regelungen in der EU dadurch, dass dieser Status ohne weitere Voraussetzungen gegeben sei; insbesondere würden hierfür ausreichende Existenzmittel nicht verlangt.
8 In dem der Rechtssache C 709/20 zugrunde liegenden Fall sei Frau CG , welche einen „ Pre Settled Status “ gehabt habe, von der (britischen) Behörde die „Universalbeihilfe“ (eine steuerfinanzierte Sozialleistung) versagt worden.
9 Aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des angerufenen Berufungsgerichtes für Nordirland habe der EuGH in seinem Urteil vom 15. Juli 2021 ausgesprochen, das VK habe durch den „ Pre Settled Status“ ein „spezielles nationales Aufenthaltsrecht“ für Unionsbürger anerkannt und damit national eine Regelung geschaffen, welche günstiger als die Unionsbürgerrichtlinie sei. Dies bedeute eine „nationale Anerkennungsmaßnahme des Freizügigkeitsrechtes gemäß Art. 21 AEUV“ (Hinweis insbesondere auf Rz 87 ff des Urteils vom 15. Juli 2021), weshalb im konkreten Fall von Frau CG bestimmte in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EGRC) enthaltene Grundrechte zu beachten seien; der Antrag von Frau CG auf „Universalbeihilfe“ könne daher nur dann abgelehnt werden, wenn dadurch bei ihr und ihren Kindern keine Verletzung dieser Grundrechte befürchtet werden müsse.
10 Diese Aussagen des EuGH so das Verwaltungsgericht abschließend seien auf das zu erledigende Beschwerdeverfahren nicht übertragbar, weil der Revisionswerber gerade nicht über einen nationalen Aufenthaltsstatus vergleichbar dem vom britischen Gesetzgeber geschaffenen „ Pre Settled Status “ verfüge (vgl. wiederum oben Rz 5).
11 Aus diesen Gründen bestätigte das Verwaltungsgericht den abweisenden Bescheid der belangten Behörde.
12 Die Zulassung der (ordentlichen) Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass zur „Rechtsfrage, inwieweit aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 15.07.2021, C 709/20, in der Rs ‚ CG gegen The Department for Communities in Northern Ireland ‘, im konkreten Fall ein Anspruch auf Sozialunterstützung nach dem StSUG besteht, obwohl die Voraussetzungen der RL 2004/38/EG und des § 3 StSUG nicht vorliegen“, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.
13 1.2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (ordentliche) Revision.
14 Die belangte Behörde hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
15 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein Beschluss nach § 34 Abs. 1 VwGG ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
17Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
18 3. Für den Revisionsfall sind folgende Bestimmungen des § 3 Steiermärkisches Sozialunterstützungsgesetz StSUG, LGBl. Nr. 51/2021 idF LGBl. Nr. 18/2022, von Interesse:
„2. Abschnitt
Voraussetzungen für die Leistungen
§ 3
Persönliche Voraussetzungen
(1) Bezugsberechtigt sind Personen, die
1. ihren Hauptwohnsitz und ihren tatsächlichen Aufenthalt in der Steiermark haben und
2. zu einem dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhalten, sofern nicht abweichende unionsrechtliche oder völkerrechtliche Bestimmungen anderes festlegen.
(2) Zum bezugsberechtigten Personenkreis nach Abs. 1 Z 2 zählen jedenfalls:
[...]
2. EWR Bürgerinnen/ Bürger und Schweizer Bürgerinnen/Bürger sowie deren Familienangehörige im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG;
[...]
(3) Nicht bezugsberechtigt sind:
1. EWR Bürgerinnen/ Bürger und Schweizer Bürgerinnen/Bürger sowie deren Familienangehörige im Sinne der Richtlinie 2004/38/EG in der Zeit ihres Aufenthaltes im Inland bevor sie das Recht auf Daueraufenthalt erworben haben und
a) ihnen keine Arbeitnehmerinnen /Arbeitnehmer oder Selbstständigeneigenschaft zukommt oder
b) die Erwerbstätigeneigenschaft nicht aufrecht ist;
[...]“
19 4. Die oben (unter Rz 12) wiedergegebene Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulassung der (ordentlichen) Revision vermag deren Zulässigkeit nicht zu begründen:
20 Die Darlegungen des EuGH in dem erwähnten Urteil vom 15. Juli 2021, Rechtssache C 709/20, knüpfen wie im angefochtenen Erkenntnis richtig aufgezeigt wirdan einen (britischen) Rechtsakt an, mit dem die „Behörden des Vereinigten Königreichs im Hinblick auf den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union für die im Vereinigten Königreich lebenden Staatsangehörigen des Europäischen Wirtschaftsraums (EWG) und damit auch für die dort lebenden Unionsbürger eine neue rechtliche Regelung getroffen“ hatten; in dieser (nationalen) Regelung ist (unter anderem) vorgesehen, dass Unionsbürger, „die seit weniger als fünf Jahren im Vereinigten Königreich leben, den Status einer sich nicht dauerhaft im Vereinigten Königreich aufhaltenden Person ( Pre Settled Status ) erhalten, der für sie ein Recht auf einen vorübergehenden Aufenthalt von fünf Jahren begründet“ (Rz 27 und 28 des Urteils; vgl. etwa auch dessen Rz 72).
21 Dass Frau CG ein derartiger Status zuerkannt worden war, wertete der EuGH „nicht als Durchführung der“ Unionsbürgerrichtlinie, sondern als von deren „Bedingungen und Beschränkungen“ unabhängige Anerkennung des durch Art. 21 Abs. 1 AEUV verliehenen Freizügigkeitsrechtes. Daraus folgerte der EuGH, dass „die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats, wenn sie dieses Recht unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens gewähren, die Bestimmungen des AEU‑Vertrags über den Unionsbürgerstatus durchführen [...] und dass sie daher verpflichtet sind, die Vorschriften der [EGRC] zu beachten“ (Rz 87 und 88 des Urteils).
22 Daraus leitete der EuGH schließlich (ausschließlich) für den Fall eines Unionsbürgers, der „sich nach innerstaatlichem Recht rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt“, aufhält die im Tenor seines Urteiles dargestellten Prüfpflichten mit Blick auf bestimmte Grundrechte der EGRC ab (Rz 93 des Urteils).
23 Aus dem Urteil des EuGH ergibt sich somit eindeutig, dass die darin ausgesprochenen Prüfpflichten der zuständigen nationalen Behörden einen nach dem innerstaatlichen Recht rechtmäßigen Aufenthalt eines Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedstaat voraussetzen.
24 Da die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage daher durch ein Urteil des EuGH gelöst ist, liegt ungeachtet fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofeskeine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. etwa VwGH 20.5.2015, Ra 2014/20/0164, sowie 27.5.2024, Ra 2021/13/0056, jeweils mwN).
25 Im vorliegenden Fall besteht nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen [vgl. oben unter Rz 2 bis 4] kein Anhaltspunkt für einen rechtmäßigen Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich.
265. Ein Revisionswerber hat auch in einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeitsgründe gesondert darzulegen, wenn die Begründung der Zulässigkeit der Revision durch das Verwaltungsgericht für die Beurteilung deren Zulässigkeit nicht ausreicht oder der Revisionswerber andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für gegeben erachtet (vgl. etwa VwGH 31.5.2021, Ro 2020/10/0010, mwN).
27 Die vorliegende ordentliche Revision enthält zwar einen Abschnitt mit der Überschrift „ E.) Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision “, verweist darin allerdings zunächst lediglich auf die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichtes.
28Mit der darüber hinaus unterbreiteten Behauptung, das angefochtene Erkenntnis widerspreche „dem Gleichheitsgrundsatz für Unionsbürger (Art 18 und Art 20 AEUV)“, wird nicht im Ansatz eine konkrete Rechtsfrage dargelegt (vgl. zu diesem Erfordernis etwa VwGH 18.12.2018, Ra 2017/10/0201, mwN).
29 6. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 3. Dezember 2025
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