JudikaturVwGH

Ra 2023/12/0054 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
23. Juli 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede als Richter und Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des Dachverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger in Wien, vertreten durch die Schmidt Pirker Podoschek Rechtsanwälte OG in 1100 Wien, Quartier Belvedere Central 3 (QBC 3), gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2023, W270 2256409 1/11E, betreffend Änderung der Verwendung einer Arzneispezialität im Erstattungskodex (mitbeteiligte Partei: G B.V. in A (Niederlande), vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei ist verpflichtet, der mitbeteiligten Partei EUR 1.106,40 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

1 Unstrittig ist im vorliegenden Verfahren, dass die Arzneispezialität Epidyolex mit dem Wirkstoff Cannabidiol seit 1. April 2021 für die Indikationen Lennox Gastaut Syndrom (LGS) und Dravet Syndrom (DS) im „Gelben Bereich“ des Erstattungskodex (EKO) zur adjuvanten Therapie (Zusatztherapie) von Krampfanfällen in Zusammenhang mit dem LGS oder dem DS in Kombination mit Clobazam bei Patienten ab dem Alter von zwei Jahren angeführt ist. Die Zulassung durch die Europäische Arzneimittel Agentur (EMA) erfolgte am 19. September 2019 für die Indikationen LGS und DS, eine Ausweitung der Zulassung auf Krampfanfälle im Zusammenhang mit Tuberöser Sklerose (TSC) erfolgte am 16. April 2021.

2Mit Eingabe vom 14. Dezember 2021 beantragte die mitbeteiligte Partei beim Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (Dachverband) eine Änderung der Verwendung der Arzneispezialität durch Erweiterung um die Indikation TSC. Die Mitbeteiligte stufte die Arzneispezialität in pharmakologischer Hinsicht gemäß § 23 Abs. 2 Z 1 der Verfahrensordnung zur Herausgabe des EKO nach § 351g ASVG (VO EKO) ein („Die beantragte Arzneispezialität hat den gleichen Wirkstoff, die gleiche Wirkstoffstärke und die gleiche oder praktisch gleiche Darreichungsform wie bereits eine oder mehrere im Erstattungskodex angeführte Arzneispezialitäten.“). Sie legte zwei klinische Studien vor und den European Public Assessment Report zur Arzneispezialität. Weiters stufte die mitbeteiligte Partei die Arzneispezialität gemäß § 24 Abs. 2 Z 6 VO EKO ein („Die beantragte Arzneispezialität hat einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen.“). Sie führte weiters aus, betreffend die neu beantragte Indikation TSC befänden sich im EKO keine Arzneispezialitäten oder therapeutische Alternativen.

3 In seinen vorläufigen Feststellungen vom 3. März 2022 führte der Dachverband aus, die beantragte Änderung sei aus pharmakologischer Sicht nachvollziehbar. Im „Grünen Bereich“ des EKO seien Arzneispezialitäten (Sabril mit dem Wirkstoff Vigabatrin und Synacthen Depot Amp. mit dem Wirkstoff Tetracosactid [ACTH]) angeführt, die zur Therapie von pharmakoresistenten Anfällen bzw infantilen Spasmen zugelassen und empfohlen worden seien. Diese kämen daher als vorrangige therapeutische Alternativen in Frage.

4 Mit Eingabe vom 14. April 2022 und ein weiteres Mal mit Eingabe vom 19. April 2022 änderte die mitbeteiligte Partei den verfahrenseinleitenden Antrag auf Änderung der Verwendung, und zwar zuletzt in Form eines Haupt und eines Eventualantrags. In dem gemäß der Beschwerde der Mitbeteiligten im vorliegenden Verfahren letztlich weiter verfolgten Eventualantrag wurde die Aufnahme der Arzneispezialität in den EKO bei TSC für „PatientInnen ab 2 Jahren zur adjuvanten Therapie von Krampfanfällen, die trotz adäquater antiepileptischer Therapie mit zumindest 2 Antiepileptika nicht ausreichend einzustellen sind“ beantragt.

5 Die Heilmittel Evaluierungs Kommission (HEK) empfahl in ihrer Sitzung vom 5. Mai 2022, die beantragte Verwendung nicht zu ändern. Sie gelangte betreffend die Festlegung der therapeutischen Alternativen zum selben Ergebnis wie der Dachverband. Die beantragte Arzneispezialität sei eine weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten / Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten (§ 24 Abs. 2 Z 2 VO EKO).

6 Mit Bescheid vom 23. Mai 2022 wies der Dachverband den Antrag auf Änderung der Verwendung der Arzneispezialität Epidyolex ab. Er stützte sich dabei auf die Empfehlungen der HEK. Als therapeutische Alternative zog der Dachverband Vigabatrin heran. Unter Hinweis auf die von der Mitbeteiligten vorgelegte klinische Studie 1 wurde ausgeführt, dass es für die in Frage kommende Population keinen „Standard of Care“ gäbe, sondern die antiepileptische Therapie symptomatisch und orientiert an den klinisch auftretenden Anfallsformen erfolge. Vortherapien wären die Verabreichung von Vigabatrin und anderen Antiepileptika. Darüber hinaus sei Vigabatrin von insgesamt 33 % der Patienten als laufende antiepileptische Therapie in der Studie eingenommen worden. Vigabatrin sei in der Studienpopulation sowohl vor Studieneinschluss als auch als laufende Therapie verabreicht worden, was einerseits den Zulassungsstatus und andererseits auch aktuelle Leitlinien Empfehlungen sowie die klinische Praxis wiederspiegle. Der Dachverband zog Vigabatrin und den dafür erstatteten Preis auch bei der gesundheitsökonomischen Evaluation als Vergleichsprodukt für die Arzneispezialität heran und gelangte zu dem Ergebnis, dass die Wirtschaftlichkeit der beantragten Arzneispezialität gemäß den sich aus § 30 iVm § 25 VO EKO ergebenden Vorgaben nicht vorliege.

7 In der dagegen erhobenen Beschwerde vertrat die Mitbeteiligte den Standpunkt, dass es für die verfahrensgegenständliche Epilepsieform TSC keine behördlich zugelassene Arzneispezialität außer Epidyolex gebe. Daher müssten alle anderen Antiepileptika für die Epilepsieform TSC „off label“ angewendet werden. Es gebe daher keine therapeutische Alternative zu Epidyolex. Für TSC assoziierte Epilepsie gebe es keine Standardbehandlung. Wegen des sehr ungünstigen Nebenwirkungsprofiles könne Sabril mit Epidyolex nicht verglichen werden (Gesichtsfeldeinschränkungen von mehr als 40 %, die nach verfügbaren Daten auch nach dem Absetzen des Wirkstoffes Vigabatrin irreversibel sein können, was in schweren Fällen bis zur Erblindung führen könne). Auf Grund dieses ungünstigen Nebenwirkungsprofils sei Sabril/Vigabatrin auch nur als ultima ratio bei behandlungsresistenten fokalen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung indiziert, also wenn alle anderen geeigneten Arzneimittel( Kombinationen) nicht ausreichend wirksam gewesen oder nicht vertragen worden seien. Weiters wurden umfangreiche Ausführungen zur gesundheitsökonomischen Evaluation gemacht, wobei unter anderem vorgebracht wurde, dass für den Fall, dass die bereits im „Gelben Bereich“ des EKO gelistete Arzneispezialität auch nach Indikations Erweiterung im „Gelben Bereich“ gelistet bleiben soll, ein gesundheitsökonomischer Vergleich mit Arzneispezialitäten im „Grünen Bereich“ unzulässig sei.

8 Der Dachverband äußerte sich zur Beschwerde in Form einer medizinischen, rechtlichen und ökonomischen Stellungnahme. Er trat den Beschwerdeausführungen entgegen und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Hinsichtlich der Feststellung von therapeutischen Alternativen stimmte der Dachverband der mitbeteiligten Partei zu, dass für therapierefraktäre TSC Patienten keine Standardbehandlung existiere, sondern in Abhängigkeit von den auftretenden Anfallsformen Kombinationen verschiedener Antiepileptika eingesetzt würden, um eine Anfallskontrolle zu erzielen. Im Rahmen der pharmakologischen Evaluation seien vom Dachverband vorrangig Arzneispezialitäten aus dem „Grünen Bereich“ des EKO herangezogen worden, die für die Therapie von pharmakoresistenten Anfällen bzw infantilen Spasmen zugelassen seien und international empfohlen würden. Daher sei Vigabatrin unbestritten eine relevante therapeutische Alternative. Betreffend das Nebenwirkungsprofil von Vigabatrin sollte sich der Verschreibende der möglichen Nebenwirkungen bewusst sein, insbesondere die potentielle Netzhauttoxizität, die mit peripherem Sehverlust assoziiert sei, und wie man diese überwache. In diesem Zusammenhang sollten die relativen Risiken einer unkontrollierten Epilepsie und von therapiebedingten unerwünschten Ereignissen von den Behandlern und Eltern/Betreuungspersonen gemeinsam diskutiert und abgewogen werden. Somit sei der Einsatz von Vigabatrin keinesfalls von vornherein ausgeschlossen, sondern jeweils das Ergebnis einer im Einzelfall zu treffenden Entscheidung. Darüber hinaus sei Vigabatrin in der klinischen Studie 1 als Vortherapie und/oder zusätzliche Therapie bei einem großen Teil der Patienten verabreicht worden, was zeige, dass es für diese Patientenpopulation sehr wohl eine therapeutische Alternative darstelle, die auch in der Praxis regelmäßig eingesetzt werde. Nachdem es sich bei der gegenständlichen Arzneispezialität um eine adjuvante Therapie handle, sei davon auszugehen, dass bisher verwendete Antiepileptika durch diese meist nicht ersetzt, sondern vielfach um eine weitere Therapieoption ergänzt würden. Die am 14. April 2022 beantragte und mit Schreiben vom 19. April 2022 bestätigte (und nunmehr in der Beschwerde geforderte) in eventu Verwendung sei aus medizinischer Sicht im angefochtenen Bescheid akzeptiert worden.

9 In der rechtlichen Stellungnahme wurde ausgeführt, es sei durch die Rechtsprechung bereits klargestellt, dass es im Einzelfall zweckmäßig bzw sogar erforderlich sein könne bei der Festlegung der therapeutischen Alternativen die vierte Ebene des ATC Codes (gleicher Wirkstoff) zu verlassen. So lägen auch im vorliegenden Fall Umstände vor, die ein Abweichen vom sogenannten Regelfall der vierten Ebene rechtfertigten, etwa wegen der Diversität und Komplexität der verschiedenen epileptischen Anfallsformen bei TSC, wegen des Fehlens einer wissenschaftlich anerkannten Standardbehandlung für diese, wegen der Vielzahl an gleichzeitig oder auch als Vortherapie in der Indikation TSC verabreichten therapeutischen Alternativen sowie wegen des Fehlens einer kausalen Behandlung für TSC. Der behauptete alleinige Drittlinien Einsatz von Epidyolex sei nicht nachvollziehbar, weil die Arzneispezialität ohne Einschränkung in der Therapielinie für Patienten ab zwei Jahren für die adjuvante Behandlung von Krampfanfällen im Zusammenhang mit TSC zugelassen sei. Somit sei Epidyolex jedenfalls mit anderen Arzneispezialitäten zu kombinieren, so wie es auch bei Vigabatrin möglich sei.

10 Die mitbeteiligte Partei erstattete zu den Stellungnahmen des Dachverbands eine mit 7. Dezember 2022 datierte Replik.

11Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten Folge, hob den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Dachverband zurück. Weiters verpflichtete es den Dachverband zur Bezahlung der Kosten des Beschwerdeverfahrens.

12 Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sei ein Antrag auf Änderung der Verwendung der Arzneispezialität im EKO. Auf Grund der Anfechtungserklärung in der Beschwerde sei nur mehr der verfahrenseinleitende Antrag in der Fassung der mit Eingabe vom 19. April 2022 eventualiter beschriebenen bestimmten Verwendung Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Strittig sei unter anderem, ob das vom Dachverband zur pharmakologischen Evaluation herangezogene Tatsachensubstrat rechtmäßig ermittelt worden sei.

13Nach § 351e Abs. 1 erster Satz ASVG könne das vertriebsberechtigte Unternehmen die Änderung der Verschreibbarkeit seiner im „Gelben“ und „Grünen Bereich“ des EKO angeführten Arzneispezialität (entweder allgemein oder nur für bestimmte Verwendungen) beantragen. Der Dachverband habe nach § 351e Abs. 1 zweiter Satz ASVG schriftlich über den Antrag innerhalb von 180 Tagen im Rahmen des in diesem Bundesgesetz eingeräumten Ermessens zu entscheiden.

14Auf Grund von § 351g Abs. 1 erster Satz ASVG regle der Dachverband die nähere Organisation zur Aufnahme einer Arzneispezialität und das Verfahren zur Herausgabe des EKO durch Verordnung. Gemäß der dargestellten Ermächtigung habe der Dachverband die VO EKO erlassen, deren V. Abschnitt sich u.a. der Änderung bei Verwendung widme. Gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 der VO EKO richte sich das Verfahren zur Änderung der Verwendung einer Arzneispezialität sinngemäß nach den Vorschriften des IV. Abschnittes dieser Verordnung.

15Unter Zitierung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führte das Bundesverwaltungsgericht weiters aus, dass der Gesetzgeber mit den §§ 351c ff ASVG als tragenden Grundsatz zum Ausdruck gebracht habe, dass eine Arzneispezialität nur dann in den EKO aufgenommen werden solle, wenn sie entweder einen medizinischen oder zumindest einen ökonomischen Zusatznutzen gegenüber anderen darin angeführten Arzneispezialitäten aufweise. Ein Vorteil für die gesetzliche Krankenversicherung und darauf kommen es beim EKO entscheidend an bestehe nur dann, wenn entweder eine wesentliche Verbesserung in den therapeutischen Wirkungen für die Behandlung krankenversicherter Patienten entstehe oder wenn sich Vorteile auf der Finanzierungsseite ergäben, weil es sich im Verhältnis zu den am Markt und nach dem EKO verfügbaren Alternativen um ein signifikant kostengünstigeres Medikament handle.

16Die Aufnahme oder Nichtaufnahme von Arzneispezialitäten in den EKO stelle gemäß § 351d Abs. 1 ASVG eine Ermessensentscheidung des Dachverbands im Rahmen der Hoheitsverwaltung dar. Dies treffe schon angesichts des Wortlauts des § 351e ASVG auch auf die Änderung einer Verwendung zu. Doch liege dabei nur die Entscheidung, die sich aus der pharmakologischen, medizinisch therapeutischen und gesundheitsökonomischen Evaluation ergebe, im Ermessen des Dachverbandes. Die Evaluation diene somit der Ermittlung und rechtlichen Aufbereitung der Entscheidungsgrundlagen auf Grund von Tatsachenfeststellungen und sei daher vom Ermessensspielraum des Dachverbands ausgenommen. Unrichtige Einstufungen oder Festlegungen im Zuge der Evaluation könnten etwa im Beschwerdeverfahren korrigiert werden. Eine Abänderung durch das Bundesverwaltungsgericht scheide hingegen aus, wenn die Ermessensentscheidung durch den Dachverband nicht im Rahmen der Gesetze getroffen worden sei.

17Gemäß § 351g Abs. 2 ASVG seien alle Änderungsanträge einer Arzneispezialität der HEK vorzulegen; Ebenso eine falls vorhanden vorläufige Feststellung sowie die Stellungnahme des antragstellenden Unternehmens (§ 26 Abs. 3 VOEKO). Die HEK habe gemäß § 351g Abs. 2 ASVG insbesondere Empfehlungen abzugeben, ob und für welche Indikationen und Gruppen von Patienten ein wesentlicher zusätzlicher therapeutischer Nutzen einer Arzneispezialität vorliege und wie dieser ökonomisch bewertet werden könne, damit die Arzneispezialität in den „Gelben Bereich“ des EKO aufgenommen werden oder dort verbleiben könne. Nach § 26 Abs. 4 VO EKO habe die Empfehlung der HEK den Kriterien der Wissenschaft, der Transparenz und der gesundheitsökonomischen Bewertung zu entsprechen und sei nur dann zu begründen, wenn dem Antrag nicht entsprochen werde.

18 Im vorliegenden Fall habe die HEK begründete Empfehlungen u.a. hinsichtlich der pharmakologischen Evaluation und der Beurteilung der therapeutischen Alternativen abgegeben. Diese habe der Dachverband erkennbar als festgestellten maßgeblichen Sachverhalt seiner Beurteilung im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt.

19 Sei die Beurteilung der HEK schlüssig, so komme ihr hinsichtlich der einzelnen festzustellenden Tatsachen die Beweiskraft eines Sachverständigengutachtens zu. Einem schlüssigen Sachverständigengutachten könne nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit bloßen Behauptungen und ohne Argumentation auf gleicher fachlicher Ebene in tauglicher Art und Weise nicht entgegengetreten werden. Ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht im Widerspruch stehendes Gutachten könne in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden.

20 Zu Recht habe die Beschwerde eine Unschlüssigkeit des Gutachtens der HEK aufgezeigt:

21 Gemäß § 23 Abs. 1 VO EKO sei Ziel der pharmakologischen Evaluation (1.) die Zuordnung und Bewertung der beantragten Arzneispezialität aus pharmakologischer Sicht im Kontext der verfügbaren therapeutischen Alternativen und (2.) die Festlegung der therapeutischen Alternativen und deren Dosierung als Grundlage für die medizinisch therapeutische Evaluation, wobei dabei soweit zweckmäßig therapeutische Alternativen mit der gleichen oder praktisch gleichen Darreichungsform auf Basis der vierten Ebene des ATC Codes festzulegen seien.

22 Die medizinisch therapeutische Evaluation habe die Einordnung des beantragten Produkts in Fallgruppen vorzunehmen, die je nach der Größe des therapeutischen Nutzens für Patienten im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten (den therapeutischen Alternativen gemäß § 23 Abs. 1 VO EKO) in Kategorien gelistet seien (§ 24 Abs. 2 Z 1 bis 6 VO EKO). Daraus folge eindeutig, dass die festzulegenden therapeutischen Alternativen nur solche Arzneispezialitäten sein könnten, welche für eine Behandlung der im Antragsgegenstand zutreffenden Indikation und Patientengruppe alternativ in Frage kämen und zusätzlich dem antragsgegenständlichen Produkt pharmakologisch bezüglich des Wirkprinzips so ähnlich wie möglich seien.

23 Für die Vergleichbarkeit sei somit primär auf die gleiche Wirkung im Sinne therapeutischer Substituierbarkeit und nicht bloß auf die pharmakologische Zusammensetzung abzustellen. Es seien somit jene pharmakologisch verwandten Produkte als therapeutische Alternative heranzuziehen, die für die Behandlung der beantragten Indikation in der gleichen Gruppe von Patienten in Betracht kämen. Die Zulassung des Vergleichsprodukts müsse dabei die beantragte Indikation umfassen. Es gehe um die Behandlung, die für das betreffende Patientenkollektiv die nächstliegende therapeutische Option darstelle.

24 Gegenständlich werde in der Indikation TSC somit abweichend von der Zulassung, in der kein Bezug auf die Vortherapie genommen werde für die Verordnung einschränkend bestimmt, dass die Patienten trotz adäquater Therapie mit zumindest zwei Antiepileptika nicht ausreichend einzustellen seien. Die Erstattung sei im EKO, anders gewendet, nur für therapierefraktäre (pharmakoresistente) Patienten vorgesehen.

25 Vigabatrin sei vom Dachverband als therapeutische Alternative festgelegt und für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit herangezogen worden. Vigabatrin zähle was als unstrittig angesehen werden könne zu den am häufigsten in der Indikation TSC verwendeten Antiepileptika. So seien in der klinischen Studie 1 33 % der Patienten aktuell mit Vigabatrin behandelt worden, 43 % hätten eine frühere Behandlung mit Vigabatrin hinter sich gehabt. Es sei davon auszugehen, dass für die letztgenannte Gruppe eine Weiterbehandlung mit Vigabatrin nicht in Frage komme (sonst wäre sie nicht beendet worden). Vigabatrin sei im „Grünen Bereich“ des EKO angeführt. Folglich sei davon auszugehen, dass es auch in der Praxis als erste Therapieoption verordnet werde und Cannabidiol gemäß der beantragten bestimmten Verwendung nur in Frage komme, wenn Vigabatrin sich als nicht geeignet erweise (sei es aus Gründen der Wirksamkeit oder der Sicherheit).

26 Daher sei die Anführung von Vigabatrin als maßgebliche therapeutische Alternative zu Cannabidiol nicht schlüssig wiewohl die grundsätzliche Anführung von Vigabatrin in der pharmakologischen Evaluation im Sinne einer vollständigen Beleuchtung des therapeutischen Umfelds grundsätzlich zulässig und geboten sei. Jedoch könne eine Behandlung mit Vigabatrin dessen unzureichende Wirksamkeit oder Sicherheit die Voraussetzung für die Erstattung nach der beantragten Verwendung („... adäquater antiepileptischer Therapie mit zumindest 2 Antiepileptika...“) sei, keine therapeutische Alternative iSd § 23 Abs. 1 VO EKO sein.

27 Ebenso sei angesichts der hier beantragten bestimmten Verwendung für die Arzneispezialität entgegen der Ansicht des Dachverbands aus der arzneimittelbehördlichen Zulassung von Vigabatrin für pharmakoresistente Anfälle bzw infantile Spasmen für die Festlegung als therapeutische Alternative iSd § 23 Abs. 1 Z 2 VO EKO kein unterstützendes Argument zu gewinnen. Vigabatrin könnte allenfalls als therapeutische Alternative für nach den von der Mitbeteiligten vorgelegten und dahin auch unbestritten gebliebenen Informationen wesentlich seltenere nicht therapierefraktäre Patienten mit TSC herangezogen werden, wobei diese Patientengruppe durch den Wortlaut der beantragten bestimmten Verwendung nicht erfasst werde.

28 Auch Synacthen (Tetracosactid, ACTH) sei als therapeutische Alternative zur chronischen Therapie mit Cannabidiol nicht heranzuziehen: es sei zwar seit Jahrzehnten in Verwendung, werde jedoch nur für eine kurzfristige Behandlung (meist zwei Wochen, gefolgt von einer Ausschleichphase) eingesetzt. Bei Cannabidiol handle es sich jedoch um eine chronische Therapie.

29 Weitere, für die Beurteilung des vorliegenden Falls nach den dargestellten gesetzlichen Vorgaben brauchbare Ermittlungsergebnisse seien den vorgelegten Akten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens nicht zu entnehmen bzw seien solche auch sonst nicht ersichtlich. Es liege also mangels schlüssiger (sachverständiger) Grundlagen im Ergebnis eine Lücke hinsichtlich jenes Tatsachensubstrats vor, welches die Festlegung der therapeutischen Alternativen und der Dosierung nach § 23 Abs. 1 Z 2 VO EKO erlaube.

30Nach § 28 Abs. 2 VwGVG sei über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B VG vom Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststehe (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden sei (Z 2).

31 Habe die Behörde bei ihrer Entscheidung wie vorliegendErmessen zu üben, habe das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden habe und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen sei, gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückzuverweisen. Eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 4 VwGVG sei jedoch immer nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG nicht erfüllt seien. Der Sachentscheidung komme also der Vorrang zu.

32Wie bereits dargelegt stehe die pharmakologische Evaluation (auch) bei einem Verfahren gemäß § 351e Abs. 1 ASVG am Beginn eines umfangreichen Prozesses der Tatsachenermittlung zur Beurteilung nach § 28 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 VwGVG iVm den entsprechenden Vorgaben nach dem IV. Abschnitt VO EKO. Es sei somit im konkreten Fall im Interesse der Raschheit gelegen und auch mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, wenn der Dachverband unter Beiziehung der HEK als vorgesehenem (Sachverständigen )Gremium die einzelnen auf einander aufbauendenEvaluationsschritte ordnungsgemäß und rechtskonform durchführe. Fallbezogen lägen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sohin nicht vor.

33 Im fortgesetzten Verfahren werde der Dachverband die zur Beurteilung der Arzneispezialität nach § 23 Abs. 1 VO EKO erforderlichen Tatsachen aufgrund entsprechender Beweisergebnisse insbesondere von vollständigen und schlüssigen Empfehlungen der HEK und unter Beachtung der zuvor dargelegten Grundsätze zu ermitteln haben. Darauf aufbauend seien die übrigen, insbesondere zur medizinisch therapeutischen und zur gesundheitsökonomischen Evaluation gesetzten Ermittlungsschritte auf einen allfälligen Anpassungs oder Ergänzungsbedarf zu prüfen seien. Weiters machte das Bundesverwaltungsgericht umfangreiche Ausführungen zur gesundheitsökonomischen Evaluation.

34 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision des Dachverbands mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben. Die mitbeteiligte Partei erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

35 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).

36Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG nicht zur Behandlung eigenen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

37Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

38 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wendet sich der Dachverband gegen die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass Vigabatrin nicht als therapeutische Alternative zur beantragten Arzneispezialität Epidyolex heranzuziehen sei. Sabril mit dem Wirkstoff Vigabatrin sei laut Fachinformation zugelassen in Kombination mit anderen Antiepileptika zur Behandlung von Patienten mit pharmakoresistenten fokalen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung, bei denen alle anderen adäquaten Arzneimittelkombinationen nicht ausreichend wirksam gewesen oder nicht vertragen worden seien, sowie als Monotherapie zur Behandlung infantiler Spasmen (West Syndrom). Die bestimmte Verwendung im EKO laute: Zusatzbehandlung bei Epilepsien, die durch andere Antiepileptika ungenügend kontrolliert seien. Ein Vergleich der Zulassungen bzw Verwendungen zwischen Sabril und Epidyolex zeige eine gemeinsame Patientengruppe und die Eignung als Vergleichsprodukt. Beide Produkte bzw Wirkstoffe würden als Zusatztherapie von Krampfanfällen, die trotz adäquater antiepileptischer Therapien nicht ausreichend einzustellen seien, verwendet. Zulassung und Verwendung schlössen sich daher, anders als das Bundesverwaltungsgericht unrichtig annehme, nicht aus. Für therapierefraktäre TSC Patienten existiere keine Standardbehandlung. Um eine Anfallskontrolle zu erzielen, würden daher in Abhängigkeit von den auftretenden Anfallsformen Kombinationen verschiedener Antiepileptika eingesetzt. Der Einsatz von Sabril bzw Vigabatrin sei keinesfalls von vornherein ausgeschlossen, sondern jeweils Ergebnis einer im Einzelfall zu treffenden Abwägung. Indem das Bundesverwaltungsgericht Vigabatrin als therapeutische Alternative ausschließe, obwohl es für die Behandlung der beantragten Indikation in der gleichen Gruppe von Patienten in Betracht komme, weiche es von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

39 Mit diesem Vorbringen, in dem die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, gegen die das Bundesverwaltungsgericht verstoßen haben soll, nicht näher angeführt ist, wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.

40 Vor dem Hintergrund der Regelungszwecke des EKO ist insbesondere für die hier maßgebliche Frage der Aufnahme der Arzneispezialität in den „Gelben Bereich“ der Begriff der wesentlichen therapeutischen Innovation (des wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzens) für Patienten bzw für eine bestimmte Untergruppe von Patienten im Sinne einer deutlich günstigeren therapeutischen Wirkung zu verstehen. Es handelt sich um die höchstmögliche Einstufung im Rahmen der medizinisch therapeutischen Evaluation, die nur dann in Betracht kommt, wenn (allenfalls durch anerkannte Surrogatparameter) bedeutende Verbesserungen gegenüber vorhandenen therapeutischen Alternativen nachweisbar sind, etwa je nach Art der Erkrankung der (deutlich raschere und/oder vollständigere) Rückgang der Symptome, die Verlängerung der Überlebensdauer, das Vermeiden bzw Hinauszögern von Folgeschäden oder das Ausbleiben von schweren Nebenwirkungen; bei chronischen Erkrankungen kann auch eine eindeutig objektivierbare erhebliche Verbesserung der Lebensqualität einen wesentlichen therapeutischen Zusatznutzen begründen. Liegen derart gewichtige Vorteile im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen nicht vor, kommt die Bejahung eines wesentlichen therapeutischen Zusatznutzens für eine Mehrzahl von Patienten bzw für eine bestimmte Untergruppe von Patienten nicht in Betracht. Zur Beurteilung des medizinischtherapeutischen Nutzens ist zu ermitteln, welche positiven Effekte mit der Anwendung der Arzneispezialität verbunden sind, insoweit ihnen klinische Relevanz zukommt und wie sich die neue Arzneispezialität insofern von allfälligen vergleichbaren Arzneispezialitäten unterscheidet (vgl zum Ganzen das hg Erkenntnis vom 6. Juli 2016, Ro 2016/08/0012, unter Hinweis auf VwGH 27.1.2016, Ro 2015/08/0017).

41 Der für eine Aufnahme einer beantragten Arzneispezialität in den „Gelben Bereich“ erforderlichen Nachweis eines „wesentlichen therapeutischen Zusatznutzens für Patienten“ ist (mangels konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte) auch erbracht, wenn im „Gelben Bereich“ allenfalls eingeschränkt auf eine bestimmte Patientengruppe bzw Verschreibungsregel eine oder mehrere „vergleichbare“ Arzneispezialitäten angeführt sind, also der in der beantragten Arzneispezialität enthaltene Wirkstoff mit einem bereits im „Gelben Bereich“ angeführten Wirkstoff ident ist bzw er diesem gegenüber eine therapeutische Wirksamkeit iSd § 24 Abs. 2 Z 1 VO EKO oder höher besitzt an diese „Vergleichbarkeit“ knüpft im Übrigen bei den nachfolgenden gesundheitsökonomischen Evaluation auch § 25 Abs. 5 VOEKO an (vgl VwGH 14.9.2016, Ra 2016/08/0090, 7.9.2017, Ra 2017/08/0024).

42 Ausgehend von der wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vermag der Dachverband mit seiner Zulässigkeitsbegründung nicht aufzuzeigen, dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass das Gutachten der HEK unschlüssig sei, einzelfallbezogen unvertretbar sei. Weiters wurde in der Zulässigkeitsbegründung nicht darauf eingegangen, dass Epidyolex (auch) als Zusatztherapie zu Vigabatrin anzuwenden ist.

43 Weiters wird zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht, es sei entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht zulässig, die Auswahl der therapeutischen Alternativen nur anhand der im Antrag genannten, gegenüber der Zulassung (Behandlung von Krampfanfällen ohne Bezug auf eine Vorbehandlung) eingeschränkten Verwendung (nur für pharmakoresistente Patienten) vorzunehmen. Dazu liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

44 Dem ist zu entgegnen, dass gemäß obiger Ausführungen die Beurteilung der Frage, ob Vigabatrin eine therapeutische Alternative zu Cannabidiol darstellt, nicht davon abhängt, ob Cannabidiol nur bei pharmakoresistenten Patienten, also solchen Patienten, die mit zwei Antiepileptika nicht ausreichend einzustellen waren, anzuwenden ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG wird daher in diesem Zusammenhang nicht aufgezeigt.

45 Weiters wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht hätte eine mündliche Verhandlung durchführen müssen, damit der revisionswerbende Dachverband seinen Standpunkt zur Festlegung der therapeutischen Alternativen hätte darstellen können und zwar auch in Beantwortung der ihm nicht zugestellten Replik der Mitbeteiligten vom 7. Dezember 2022. Die mündliche Verhandlung hätte eine weitere Klärung der Rechtssache herbeigeführt.

46Zur Geltendmachung der Unterlassung einer mündlichen Verhandlung durch eine Amtspartei hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 30. April 2019, Ra 2018/12/0059, (darauf gestützt VwGH 18.7.2023, Ra 2020/12/0049) Folgendes ausgeführt:

„21 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht hätte eine mündliche Verhandlung durchführen oder zumindest der revisionswerbenden Partei die Möglichkeit der Einbringung einer schriftlichen Stellungnahme einräumen müssen. Auf Art. 6 EMRK oder Art. 47 GRC vermag sich die revisionswerbende Amtspartei in diesem Zusammenhang nicht zu stützen:

22 Die Vertragsstaaten sind die aus der EMRK und der Grundrechtecharta Verpflichteten, die ihrer Staatsgewalt unterstehenden Personen die Berechtigten. Die revisionswerbende Amtspartei ist als Behörde dem Staat zuzuordnen, sodass ihr Rechte wie das Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder sonstiger Verfahrensschritteauf Grundlage des Art. 6 EMRK und des Art. 47 GRC nicht zustehen.

Im Rahmen ihrer Aufgabe der Wahrung der objektiven Rechtmäßigkeit des Verfahrens wäre die Amtspartei auch berechtigt gewesen, in der Amtsrevision die Verletzung von Art. 6 EMRK oder Art. 47 GRC zugunsten der Mitbeteiligten geltend zu machen. Dies ist im vorliegenden Revisionsfall nicht geschehen. Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC wären nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fallbezogen einer Abstandnahme von einer Verhandlung durch das Verwaltungsgericht allerdings nicht entgegengestanden, weil dem Rechtsstandpunkt der einzigen durch Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC geschützten Partei, nämlich der Mitbeteiligten, zur Gänze Rechnung getragen wurde (vgl. z.B. VwGH 18.12.2014, Ro 2014/12/0023,19.12.2012, 2011/12/0143; 22.5.2012, 2011/12/0181; 17.10.2011, 2010/12/0170; 27.2.2009, 2008/17/0019; 23.6.2008, 2006/05/0015).

23 Im Allgemeinen führt eine Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses (oder Beschlusses), wenn das Verwaltungsgericht bei deren Einhaltung zu einem anders lautenden Erkenntnis (oder Beschluss) hätte gelangen können, also nur dann, wenn dieser Verfahrensmangel relevant im Sinne eines möglichen Einflusses auf das Ergebnis des angefochtenen Erkenntnisses (oder Beschlusses) des Verwaltungsgerichts sein könnte, wobei es Sache der revisionswerbenden Partei ist, eine solche Relevanz aufzuzeigen. Außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 47 GRC bzw. des Art. 6 EMRK entspricht dies auch der hg. Rechtsprechung zum Verfahrensmangel der vor dem Verwaltungsgericht unterbliebenen mündlichen Verhandlung (vgl. VwGH 27.5.2015, Ra 2014/12/0021, unter Berufung auf VwGH 23.1.2013, 2010/15/0196, 27.3.2018, Ra 2015/06/0118, mwN).

24 Die revisionswerbende Amtspartei hätte daher im Sinne obiger Ausführungen die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel, nämlich der Nichtdurchführung einernach dem Vorgesagten zwar nicht nach Art. 6 EMRK oder Art. 47 GRC, allenfalls jedoch gemäß § 24 VwGVG zur Wahrung der öffentlichen Interessen gebotenen mündlichen Verhandlung und der Nichteinräumung einer schriftlichen Stellungnahme aufzeigen müssen. Dass ihr mit ihrem im Zulässigkeitsvorbringen zum Nichtvorliegen einer Diskriminierung gemäß der RL erstatteten Vorbringen kein Erfolg beschieden gewesen wäre, wurde bereits dargelegt. Im Zulässigkeitsvorbringen der Revision wurde somit die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel nicht aufgezeigt.“

47 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wurde ausgeführt, der Dachverband hätte in der seiner Ansicht nach durchzuführenden mündlichen Verhandlung seinen Standpunkt zur Festlegung der therapeutischen Alternativen dargestellt. In diesem Zusammenhang kann auf die obigen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit der Festlegung der therapeutischen Alternativen verwiesen werden, wonach diesem Vorbringen kein Erfolg beschieden gewesen wäre. Die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wurde daher nicht dargelegt.

48 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

49Der Spruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47ff VwGG und der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 23. Juli 2025