JudikaturVwGH

Ra 2014/12/0021 4 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz

Rechtssatz
27. Mai 2015

Im Allgemeinen führt eine Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn die belBeh bei deren Einhaltung zu einem anders lautenden Bescheid hätte kommen können, also nur dann, wenn dieser Verfahrensmangel relevant im Sinne eines möglichen Einflusses auf den angefochtenen Bescheid sein könnte, wobei es Sache eines Bf ist, eine solche Relevanz aufzuzeigen. Außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 47 GRC bzw. des Art. 6 MRK entspricht dies auch der hg. Rechtsprechung zum Verfahrensmangel der unterbliebenen mündlichen Verhandlung (Hinweis E 27. Februar 2002, 97/13/0201; E 29. Juli 2010, 2006/15/0215; E 4. März 2009, 2006/15/0175). Die Rechtsprechung des EGMR zum Erfordernis der mündlichen Verhandlung nach Art. 6 MRK sieht allerdings eine solche Relevanzprüfung nicht vor:

Unterbleibt die mündliche Verhandlung, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen, liegt eine zur Bescheidaufhebung führende Rechtsverletzung vor (vgl. E 26. Jänner 2012, 2009/07/0039; E 12. August 2010, 2008/10/0315). Diese zu Art. 6 MRK entwickelte Rechtsprechung findet in gleicher Weise für das auf Art. 47 GRC gestützte Recht auf mündliche Verhandlung Anwendung (vgl. E 23. Jänner 2013, 2010/15/0196). Die in diesem Erkenntnis umschriebenen Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die aus Art. 6 MRK abgeleitete Verhandlungspflicht durch eine als "Tribunal" zu qualifizierende unabhängige Verwaltungsbehörde sind auch auf Verstöße gegen eine solche Verhandlungspflicht durch ein VwG zu übertragen. Unterbleibt die mündliche Verhandlung, ohne dass die gesetzlichenVoraussetzungen dafür vorliegen, liegt eine zur Bescheidaufhebung führende Rechtsverletzung vor.

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