JudikaturVwGH

Ra 2024/04/0309 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
06. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des W H, vertreten durch Dr. Tassilo Wallentin, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2023, Zl. W292 2273362 1/10E, betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz; mitbeteiligte Partei: R R), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 1. Mit Bescheid vom 7. April 2023 gab die belangte Behörde der - gegen den Revisionswerber als Beschwerdegegner gerichteten - Datenschutzbeschwerde der Mitbeteiligten statt und stellte fest, der Revisionswerber habe sie im Recht auf Geheimhaltung verletzt, indem er ihren vollständigen Vor und Nachnamen am 9. Februar 2023 im Rahmen einer Beantwortung einer Google Rezension veröffentlicht habe.

2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

3 2.1. Das BVwG stellte soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz fest, die Mitbeteiligte habe beim Revisionswerber ein (näher bezeichnetes) Produkt bestellt, diese Bestellung aber im Anschluss an ein Telefonat mit dem Revisionswerber wieder storniert. Anschließend habe die Mitbeteiligte eine Google Rezension veröffentlicht. Hierauf habe der Revisionswerber repliziert und dabei ihren vollständigen Vor und Nachnamen im Internet offengelegt. Gestützt auf die als glaubwürdig erachteten Angaben der Mitbeteiligten sowie die vorgelegten Beweisurkunden (Screenshots) hielt das BVwG zudem fest, es habe nicht festgestellt werden können, dass die Mitbeteiligte während des fraglichen Zeitraums ihr Google Konto derart eingestellt gehabt habe, dass ihr vollständiger Name bei der Veröffentlichung von Google Rezensionen für alle Internetnutzer ersichtlich gewesen sei.

4 2.2. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das BVwG zunächst aus, es sei unzweifelhaft, dass der Revisionswerber als Verantwortlicher im Sinn des Art. 4 Z 7 DSGVO zu qualifizieren und die vorgenommene Veröffentlichung als Verarbeitung personenbezogener Daten der Mitbeteiligten im Sinn des Art. 4 Z 2 DSGVO zu werten sei.

5 Zu den Erlaubnistatbeständen des Art. 6 DSGVO hielt das BVwG zusammengefasst fest, es liege keine Einwilligung der Mitbeteiligten in die Datenverarbeitung vor (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO). Die Veröffentlichung des Vor- und Nachnamens der Mitbeteiligten sei auch nicht erforderlich gewesen, um den zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag zu erfüllen oder vorvertragliche Leistungen zu erbringen, weshalb die gegenständliche Veröffentlichung auch nicht auf Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO gestützt werden könne. Hinsichtlich des Erlaubnistatbestandes des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO führte das BVwG aus, die Offenlegung des Vor und Nachnamens der Mitbeteiligten bei der Beantwortung ihrer Google Rezension sei auch nicht zur Wahrung eines allfälligen ideellen oder wirtschaftlichen Interesses des Revisionswerbers erforderlich gewesen. Der Mitbeteiligten sei zudem ein legitimes Interesse daran zuzubilligen, eine wenn auch für den Verantwortlichen unerfreuliche Google Bewertung betreffend die von ihr gemachten Erfahrungen zu veröffentlichen und dabei ihre Identität nicht offenzulegen. Der Inhalt der von der Mitbeteiligten veröffentlichten Bewertung stelle sich weder als unsachlich noch als Wertungsexzess dar. Die Datenverarbeitung sei daher von keinem Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 DSGVO gedeckt. Die verfahrensgegenständliche Veröffentlichung verstoße gegen den Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung nach Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO.

6 3. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 B VG, deren Behandlung vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 26. Februar 2024, E 364/2024, abgelehnt und die in der Folge über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde.

7 In der Folge wurde die vorliegende außerordentliche Revision erhoben.

8 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 5.1. Der Revisionswerber macht zur Begründung der Zulässigkeit der Revision zunächst unter Bezugnahme auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO geltend, er sei dazu berechtigt, zur Wahrung seiner berechtigten Interessen (nämlich zur Abwehr von kreditschädigenden Behauptungen) die „anwerfende Person namentlich anzuschreiben.“ Die Interessen der Mitbeteiligten hätten fallbezogen nicht überwogen, zumal es ihre alleinige Entscheidung gewesen sei, den Schritt in die Öffentlichkeit zu machen.

12 Nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig ist: erstens muss von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von einem Dritten ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden, zweitens muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und drittens dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden sollen, nicht überwiegen (vgl. etwa VwGH 17.5.2024, Ro 2022/04/0026-0027, Rn. 16, mwN).

13 Bei der Beurteilung, ob eine bestimmte Datenverarbeitung im Lichte des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO als gerechtfertigt angesehen werden kann, handelt es sich um eine fallbezogene Interessenabwägung, die eine Beurteilung im Einzelfall unter Heranziehung sämtlicher maßgeblicher Umstände erfordert. Wie auch bei anderen einzelfallbezogenen Beurteilungen liegt eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG nur dann vor, wenn diese Einschätzung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise, also krass fehlerhaft, vorgenommen wurde (vgl. etwa VwGH 24.7.2024, Ra 2024/04/0376, Rn. 14, mwN).

14 Dass das BVwG im vorliegenden Fall diese Abwägung in einer unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, die aus Gründen der Rechtssicherheit eine Korrektur erfordern würde, vermag der Revisionswerber nicht darzulegen, zumal sich auch aus der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht ergibt, aus welchem Grund die Offenlegung des Vor und Nachnamens der Mitbeteiligten zur Wahrung des vom Revisionswerber ins Treffen geführten Interesses im Sinn des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erforderlich gewesen sei.

15 5.2. Mit dem Vorbringen, das BVwG habe es unterlassen, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu stellen, zeigt die Revision eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung schon deshalb nicht auf, weil ein Verwaltungsgericht nicht als letztinstanzliches Gericht im Sinn des Art. 267 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) anzusehen ist, wenn seine Entscheidungen zulässigerweise noch mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, sodass das Verwaltungsgericht schon aus diesem Grund nicht vorlagepflichtig gewesen wäre (vgl. etwa VwGH 9.5.2025, Ra 2025/12/0013, Rn. 31, mwN).

16 Grundsätzlich besteht für den Verwaltungsgerichtshof zwar die Möglichkeit (und gegebenenfalls die Verpflichtung) eine Revision zuzulassen, um dem EuGH eine entscheidungsrelevante unionsrechtliche Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, indem er (vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte) Zweifel über die Auslegung von Unionsrecht als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung qualifiziert (vgl. etwa VwGH 31.1.2024, Ro 2022/04/0004 0006, Rn. 33, mwN). Dem Zulässigkeitsvorbringen in der Revision, in dem bloß auf das Thema „provozierte Datenschutzverletzung“ verwiesen wird, lässt sich eine solche Rechtsfrage des Unionsrechts jedoch nicht entnehmen.

17 Im Übrigen hat der EuGH im Zusammenhang mit der hier maßgeblichen Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO bereits wiederholt festgehalten, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, zu beurteilen, ob die in Rn. 12 genannten Voraussetzungen im Hinblick auf die Verarbeitung personenbezogener Daten erfüllt sind (vgl. EuGH 4.10.2024, C 621/22, Koninklijke Nederlandse Lawn Tennisbond , Rn. 37, 46). Die im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erfolgende, von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängige Abwägung der jeweiligen einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen ist daher Sache des nationalen Gerichtes. Der EuGH kann dem nationalen Gericht auf dessen Vorabentscheidungsersuchen hin zwar sachdienliche Hinweise für diese Prüfung geben (vgl. erneut EuGH 4.10.2024, C 621/22, Rn. 46). Für den Verwaltungsgerichtshof ist jedoch nicht ersichtlich, dass zur vorliegend vom Revisionswerber unsubstantiiert behaupteten „provozierten Datenschutzverletzung“ sachdienliche Hinweise des EuGH erforderlich wären.

18 5.3. Der Revisionswerber bringt weiter vor, die Mitbeteiligte habe im Rahmen ihrer Google Rezension ihren Vor- und Nachnamen selbst angeführt. Dies hätte sich aus den „Protokolldateien“ ergeben, welche von Google herbeigeschafft werden hätten können. Das BVwG habe mehrere Verfahrensvorschriften verletzt, sich über Parteivorbringen hinweggesetzt, unzureichende Ermittlungen durchgeführt und keine umfassende Akteneinsicht gewährt. Zudem sei die diesbezügliche Beweiswürdigung unvertretbar und ein diesbezüglicher Beweisantrag sei übergangen worden.

19 Dem ist entgegenzuhalten, dass sich das BVwG mit diesem Vorbringen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im angefochtenen Erkenntnis auseinandergesetzt und dazu im Wesentlichen festgehalten hat, für die Behauptung des Revisionswerbers, die Mitbeteiligte habe selbst ihren vollständigen Vor und Nachnamen bei der Veröffentlichung ihrer Google Rezension offengelegt, gebe es keinerlei Anhaltspunkte. Auf sämtlichen im Ermittlungsverfahren vorgelegten - Screenshots sei als Name des Google Kontos der Mitbeteiligten nur der Vorname und der Anfangsbuchstabe des Nachnamens angegeben gewesen, weshalb das gegenteilige Vorbringen des Revisionswerbers auch unter Berücksichtigung seines sonstigen Aussageverhaltens als bloße Schutzbehauptung und im Ergebnis als nicht glaubhaft anzusehen sei.

20 Dass diese beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären, wird in der Revision nicht aufgezeigt (vgl. zum diesbezüglichen Prüfungskalkül des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Beweiswürdigung etwa VwGH 12.9.2024, Ra 2021/04/0105, Rn. 24, mwN). Auch die Relevanz der vom Revisionswerber in diesem Zusammenhang weitwendig vorgebrachten Verfahrensmängel wird vor diesem Hintergrund nicht aufgezeigt (vgl. zur Notwendigkeit der Relevanzdarlegung etwa VwGH 20.7.2021, Ra 2020/04/0171, Rn. 6, mwN).

21 Hinsichtlich der Rüge, eine Beweisaufnahme sei unterblieben, ist festzuhalten, dass in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht vorgebracht wird, welcher Beweisantrag konkret zu welchem Beweisthema gestellt worden sei (vgl. in diesem Sinn auch VwGH 18.3.2025, Ra 2022/06/0221-0224, Rn. 16). Zudem obliegt die Beurteilung, ob eine Beweisaufnahme im Einzelfall notwendig ist, dem Verwaltungsgericht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG läge auch hier nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. etwa VwGH 19.4.2024, Ra 2023/04/0054, Rn. 16, mwN). Dass dies gegenständlich der Fall wäre, zeigt die Revision mit ihrem insoweit nur kursorischen Vorbringen nicht auf.

22 5.4. Soweit der Revisionswerber schließlich auf mehrere Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR verweist und damit die Verletzung näher genannter Grundrechte behauptet, genügt es festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung der Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nicht berufen ist, weil dies in die Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofes fällt (vgl. etwa VwGH 10.4.2025, Ra 2024/03/0122, Rn. 17, mwN). Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde des Revisionswerbers gegen das gegenständliche Erkenntnis mit dem bereits genannten Beschluss E 364/2024 abgelehnt.

23 6. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

24 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

25 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 6. August 2025

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