Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger in Wien, vertreten durch die Preslmayr Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Universitätsring 12, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 2015, Zl. W123 2007918- 1/16E, betreffend Aufnahme in den Erstattungskodex gemäß § 351d ASVG (mitbeteiligte Partei: A GmbH), erhobenen Revision in Abänderung des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 2015, Zl. W123 2007918-1/27E, die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 3 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Der in Revision gezogenen Entscheidung lag eine Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen die Abweisung des Antrages auf Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben Bereich des Erstattungskodex (verbunden mit der Streichung aus dem roten Bereich des Erstattungskodex) durch den revisionswerbenden Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (im Folgenden: Hauptverband) gemäß § 351d ASVG zugrunde. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Spruchpunkt A.I. der in Revision gezogenen Entscheidung - in teilweiser Stattgebung der Beschwerde -
in Erkenntnisform festgestellt, dass die Arzneispezialität - als Ergebnis der medizinisch-therapeutischen Evaluation - gemäß § 24 Abs. 2 Z 6 VO-EKO einzustufen sei. Mit Spruchpunkt A.II. wurde der Bescheid des Hauptverbandes hinsichtlich der mit ihm vorgenommenen gesundheitsökonomischen Einstufung nach § 25 Abs. 4 EKO-VO aufgehoben und die Sache zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen. Mit Spruchpunkt B. hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
Der Hauptverband hat die (ordentliche) Revision mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden. Diesem Antrag wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 22. Mai 2015 nicht stattgegeben. Das Bundesverwaltungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass die in Revision gezogene Entscheidung keinem Vollzug zugänglich sei. Die endgültige Entscheidung über die Aufnahme der Arzneispezialität in den Erstattungskodex stehe auf Grund der Behebung und Zurückverweisung durch das Bundesverwaltungsgericht noch aus. Gemäß § 351h Abs. 5 zweiter Satz ASVG habe der Hauptverband im Fall einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nach § 28 Abs. 4 VwGVG (wobei im gegenständlichen Erkenntnis irrtümlich § 28 Abs. 3 VwGVG als Rechtsgrundlage angegeben worden sei) innerhalb von 120 Tagen nach Zustellung der Aufhebungsentscheidung neu zu entscheiden. Der "Bescheid des Revisionswerbers" sei somit im derzeitigen Verfahrensstadium noch keinem Vollzug zugänglich.
Der revisionswerbende Hauptverband hat an den Verwaltungsgerichtshof den Antrag gestellt, der Revision (in Abänderung des genannten Beschlusses gemäß § 30 Abs. 3 VwGG) die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Zur Begründung bringt er - wie schon im ursprünglichen Antrag - unter anderem vor, dass er auf Grund der angefochtenen Entscheidung gemäß § 351h Abs. 5 ASVG binnen 120 Tagen nach deren Zustellung in Bindung an die Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichts einen neuen Bescheid zu erlassen habe. Damit komme der Entscheidung sehr wohl Vollzugstauglichkeit zu.
Damit ist der Hauptverband im Recht: Entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist die in Revision gezogene Entscheidung einem Vollzug im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG zugänglich. Insoweit kann auf Behebungen und Zurückverweisungen nach § 28 Abs. 3 und 4 VwGG die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG übertragen werden. Demnach werden durch derartige Entscheidungen subjektive Rechte, insbesondere auf Beachtung der in der Entscheidung ausgesprochenen Rechtsansicht gestaltet; sie sind daher einem Vollzug im Sinne einer Umsetzung in die Wirklichkeit zugänglich (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 28. Oktober 2013, AW 2013/07/0037, mwN).
Der daraus erwachsende unverhältnismäßige Nachteil ist vom Antragsteller schon im Antrag zu konkretisieren (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 27. Oktober 2014, Ra 2014/22/0087, mit Hinweis auf den Beschluss vom 10. Dezember 2013, AW 2013/07/0059). Dabei ist im Fall eines Antrages nach § 30 Abs. 3 VwGG - wenn wie im vorliegenden Fall eine wesentliche Änderung der für die Entscheidung über den Antrag auf aufschiebende Wirkung maßgeblichen Voraussetzungen nicht behauptet wird - grundsätzlich nur die Begründung des ursprünglichen Antrages maßgeblich. Das Verfahren nach § 30 Abs. 3 VwGG dient nämlich nicht dazu, dem Antragsteller eine "Nachbegründung" seines Antrages zu erlauben; vielmehr soll es einerseits eine Überprüfung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf Basis der diesem bereits vorliegenden Entscheidungsgrundlagen und andererseits die Berücksichtigung von wesentlichen Änderungen, die auch die Stellung eines neuen Antrages rechtfertigen würden, ermöglichen.
Der Hauptverband hat als unverhältnismäßigen Nachteil ins Treffen geführt, dass er in anderen Verfahren die rechtswidrige Einstufung der Arzneispezialität durch das Bundesverwaltungsgericht beachten und Produkte mit ähnlichem therapeutischem Nutzen auch in die Fallgruppe des § 24 Abs. 2 Z 6 VO-EKO einstufen müsste. Das trifft aber nicht zu: Eine Bindung an die Rechtsansicht, die der in Revision gezogenen Entscheidung zugrunde liegt, besteht nicht auch in anderen Verfahren.
Weiters wird geltend gemacht, dass im Fall der Aufnahme der Arzneispezialität in den gelben Bereich des Erstattungskodex - was auf Grund der vom Bundesverwaltungsgericht geäußerten Rechtsansicht geboten sein könnte - von Verschreibungen an die Patienten auszugehen wäre, wofür die Kosten von den jeweiligen Sozialversicherungsträgern zu tragen wären. Würde aber infolge einer allfälligen Stattgebung der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof der ursprüngliche Bescheid des Hauptverbandes wieder in Kraft treten, könnte die Verschreibung nicht mehr erfolgen, was bei den betroffenen Patienten auf Unverständnis stoßen und zu erheblicher Irritation führen sowie einen erneuten Behandlungswechsel erzwingen würde. Auch bei den behandelnden Ärzten würde dies einen erheblichen Mehraufwand bedeuten.
Mit diesem Vorbringen wird noch kein unverhältnismäßiger Nachteil dargelegt, zumal die Aufnahme in den gelben Bereich des Erstattungskodex selbst unter Zugrundelegung der vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Rechtsansicht nur eine Hypothese ist; ob der angenommene Fall tatsächlich eintreten wird, hängt insbesondere vom Ergebnis der dem Hauptverband aufgetragenen Ermittlungen ab.
Dem Antrag, der Revision (in Abänderung des diesbezüglichen Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts) die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, konnte daher nicht stattgegeben werden.
Wien, am 10. Juli 2015