JudikaturVwGH

Ra 2023/10/0383 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
13. Dezember 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision der Ö AG in W, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 23. Februar 2022, Zl. E B06/09/2020.006/026, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 15. Oktober 2020 wurde das Ansuchen der Revisionswerberin auf Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung für die Errichtung einer Freiflächen Photovoltaikanlage auf einem näher bezeichneten Grundstück entlang der Bahntrasse W. N. zwischen km 54,8 und 55,8 gemäß § 5 Abs. 2 Z 1 lit. a iVm § 56 Abs. 1 Burgenländisches Naturschutzund Landschaftspflegegesetz (NG 1990) und § 45 Abs. 1, 4 und 5 Burgenländisches Raumplanungsgesetz (RPG 2019) abgewiesen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 23. Februar 2022 wurde eine dagegen von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.

3 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 13. Juni 2023, E 982/2022 9, deren Behandlung ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG zur Entscheidung abtrat. Der Verfassungsgerichtshof führte in diesem Beschluss unter anderem Folgendes aus:

„Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird (§ 5 Abs. 1 Z 1 und § 6 Abs. 5 Burgenländisches Naturschutz und Landschaftspflegegesetz 1990, LGBl. 27/1991 idF LGBl. 70/2020), lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa VfSlg. 8831/1980, 15.552/1999 mwN) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat:

Der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Landes ebenso wie jener des Bundesgesetzgebers ist insoweit eingeschränkt, als es ihm verwehrt ist, Regelungen zu treffen, die sich als sachlich nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Effektivität von Regelungen der gegenbeteiligten Rechtssetzungsautorität darstellen (VfSlg. 10.292/1984). Dies bedeutet auch, dass die zur Gesetzgebung berufenen Gebietskörperschaften die Interessen, die von der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft wahrzunehmen sind, durch den Gesetzgebungsakt nicht unterlaufen dürfen (vgl. dazu etwa VfSlg. 15.281/1998).

Vor dem Hintergrund des konkreten Falles ergibt sich aus den in der Beschwerde vorgebrachten Bedenken nicht, dass die im Burgenländischen Naturschutz und Landschaftspflegegesetz 1990 verankerte Interessenabwägung der bundesstaatlichen Rücksichtnahmepflicht widersprechen würde.“

4Die vorliegende, innerhalb der Frist des § 26 Abs. 4 VwGG erhobene außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig:

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 13.9.2023, Ra 2023/10/0063; 3.3.2023, Ra 2022/10/0094; 28.10.2022, Ra 2022/10/0135). Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 14.10.2022, Ra 2022/10/0122; 29.9.2022, Ra 2022/10/0095; 31.7.2020, Ra 2020/10/0073).

9 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zunächst geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis weiche von (näher genannter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Anforderungen an verwaltungsgerichtliche Entscheidungsbegründungen ab, weil es eine „kritische Prüfung der im Verfahren eingeholten Amtssachverständigengutachten und der von der Revisionswerberin vorgelegten Gutachten sowie eine ... sorgfältige Beweiswürdigung ... offenkundig unterlassen“ habe. Das Verwaltungsgericht spreche den von der Revisionswerberin vorgelegten Gutachten die Glaubwürdigkeit „einzig und allein“ deshalb ab, weil die Revisionswerberin statt „dem letzten Amtssachverständigengutachten nochmals mittels Sachverständigengutachten inhaltlich“ entgegenzutreten auf die Ausführungen „in ihren bisherigen Gutachten“ verwiesen habe. Das Verwaltungsgericht lasse dabei außer Acht, dass sich dieses letzte Amtssachverständigengutachten (vom 29. Jänner 2021) „im Wesentlichen darauf beschränkt“ habe, die „Argumente in den Gutachten der Revisionswerberin zu verneinen und somit keine neuen Sachverhaltselemente eingebracht“ habe, die einer neuerlichen sachverständigen Würdigung bedurft hätten. Das Verwaltungsgericht übergehe, dass die Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung auf die von ihr vorgelegten Gutachten verwiesen habe, aus „denen sich die Unrichtigkeit des letzten Amtssachverständigengutachtens“ ergebe. Letztlich bleibe das Verwaltungsgericht eine nachvollziehbare Begründung für seine Beweiswürdigung schuldig, wonach mit dem zuletzt vorgelegten Amtssachverständigengutachten die Aussagen in den von der Revisionswerberin vorgelegten Gutachten entkräftet worden seien.

10 Mit diesen Ausführungen wird allerdings schon deshalb keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt, weil es nicht zutrifft, dass das Verwaltungsgericht den von der Revisionswerberin vorgelegten Gutachten die Glaubwürdigkeit „einzig und allein“ deshalb abgesprochen habe, weil die Revisionswerberin statt „dem letzten Amtssachverständigengutachten nochmals mittels Sachverständigengutachten inhaltlich“ entgegenzutreten auf die Ausführungen „in ihren bisherigen Gutachten“ verwiesen habe.

11 Das Verwaltungsgericht stützt sich vielmehr darauf, dass in den der Entscheidung in sachverhaltsmäßiger Hinsicht zugrunde gelegten (drei) Gutachten der Amtssachverständigen nachvollziehbar und widerspruchsfrei dargelegt worden sei, dass im Bereich, in dem die Anlage errichtet werden soll, zwei Arten (die Pflanzenart Runzelnüsschen [Nonea pulla] und die Tierart Mönchskraut Metalleule [Euchalcia consona]), die auf der „roten Liste“ aufschienen, vorkämen und der Bestand dieser Arten durch die Errichtung der Anlage wesentlich beeinträchtigt werde. Die Revisionswerberin sei mit ihrer Stellungnahme vom 25. Februar 2021 dem nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, es sei auf das bisherige Vorbringen und die vorliegende Stellungnahme des Sachverständigen der Revisionswerberin verwiesen worden. Die in den Stellungnahmen des Sachverständigen der Revisionswerberin vorgebrachten Argumente würden jedoch im Gutachten der Amtssachverständigen vom 29. Jänner 2021 nachvollziehbar entkräftet.

12 Es trifft auch nicht zu, dass dieses Amtssachverständigengutachten vom 29. Jänner 2021 sich „im Wesentlichen darauf beschränkt“ habe, die „Argumente in den Gutachten der Revisionswerberin zu verneinen und somit keine neuen Sachverhaltselemente eingebracht“ habe. In diesem im angefochtenen Erkenntnis ebenso wie die weiteren Amtssachverständigengutachten und die Stellungnahmen des Sachverständigen der Revisionswerberin wörtlich wiedergegebenen Gutachten wird vielmehr im Einzelnen auf die Einwände bzw. Sichtweisen des Sachverständigen der Revisionswerberin eingegangen (S. 56 bis 60 des angefochtenen Erkenntnisses). Das Verwaltungsgericht hat sich unmissverständlich diesen Ausführungen der Amtssachverständigen angeschlossen. Es trifft daher nicht zu, dass das Verwaltungsgericht eine nachvollziehbare Begründung für seine Beweiswürdigung schuldig geblieben sei, wonach mit dem zuletzt vorgelegten Amtssachverständigengutachten die Aussagen in den von der Revisionswerberin vorgelegten Gutachten entkräftet worden seien. Aus welchen sachverhaltsmäßigen Gründen dies nach Ansicht der Revisionswerberin nicht der Fall sei, wird in der allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht ausgeführt. Es kann auch keine Rede davon sein, dass wie in diesem Zusammenhang in der Zulässigkeitsbegründung auch behauptet wird die Begründung des bekämpften Erkenntnisses in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden und unvertretbaren Weise vorgenommen und dadurch eine Überprüfung des angefochtenen Erkenntnisses durch den Verwaltungsgerichtshof verunmöglicht worden sei.

13 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird im Weiteren geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis weiche von (näher genannter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach ein Verwaltungsgericht bei seiner rechtlichen Würdigung keine Sachverhaltselemente einbeziehen dürfe, die einer Partei nicht bekannt gewesen seien. Das Verwaltungsgericht habe näher ausgeführte Kennzahlen (zum Energieaufwand für den gesamten Personenverkehr der Bahn und zu den damit verbundenen Treibhausgasemissionen, zur Stromerzeugung und zum Anteil von Photovoltaikanlagen, zur Leistung von Photovoltaikanlagen im Burgenland, zum Energieverbrauch in Österreich und im Burgenland, zu einem näher genannten Ziel des Ausbaus der Erzeugungskapazitäten bei Photovoltaik sowie zu Treibhausgas Emissionen) selbständig erhoben und seiner Entscheidung zugrunde gelegt, ohne diese der Revisionswerberin zur Kenntnis zu bringen; es habe dadurch gegen das Überraschungsverbot verstoßen.

14 Zudem wird vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche von (näher genannter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, da es nicht den für seine Entscheidung erheblichen Sachverhalt ermittelt und die zur Entscheidung der Sache erforderlichen Beweise aufgenommen habe. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, „von den Antragstellern die Vorlage eines Gesamtkonzepts hinsichtlich der Erhöhung des Anteils an erneuerbarer Energie zu fordern“, obwohl es erkannt habe, dass dies für die Beurteilung erforderlich gewesen sei, ob durch die Nichterrichtung der in Rede stehenden Anlage der durch diese Anlage „erzeugte Strom alternativlos verloren“ gehe.

15 Zu diesen Ausführungen genügt es darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG aufwerfenden Verfahrensmangel voraussetzt, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird. Der Revisionswerber hat daher die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten. Er darf sich nicht darauf beschränken, einen Verfahrensmangel (bloß) zu relevieren, ohne die Relevanz für den Verfahrensausgang durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. VwGH 30.8.2023, Ro 2022/10/0010, mit Verweis auf VwGH 18.5.2022, Ro 2021/10/0008). Eine derartige konkrete Relevanzdarstellung ist der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision insoweit aber nicht zu entnehmen.

16In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden außerordentlichen Revision wird auch geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 3.6.1996, 95/10/0274; 3.5.2017, Ro 2017/03/0004) zur verfassungsrechtlich gebotenen Rücksichtnahmepflicht für Vollziehungsorgane ab, weil es das Verwaltungsgericht verabsäumt habe, die „Rücksichtnahmepflicht bei der Anwendung des § 6 Abs. 5 NG 1990, dh bei seiner Ermessensentscheidung, zu beachten“. Es sei anders „nämlich nicht zu erklären“, dass das Verwaltungsgericht „die naturschutzrechtliche Bewilligung mit dem bekämpften Erkenntnis versagt [habe], ohne überhaupt auf die Möglichkeit eines Interessensausgleiches zwischen Bund und Land, insbesondere durch Vorschreibung von Auflagen“ einzugehen. In diesem Zusammenhang wird auch ein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von (näher genannter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermessensausübung im Sinne des Gesetzes behauptet, weil das Verwaltungsgericht anders „als in § 6 Abs 5 und Abs 6 NG 1990 vorgesehen ... die naturschutzrechtliche Bewilligung nämlich nicht unter Vorschreibung von interessensausgleichenden Auflagen erteilt, sondern ohne jegliche auf einen Interessenausgleich gerichtete Überlegungen versagt“ habe. Zudem basiere die Ermessensentscheidung unter anderem auch auf einer unzulässigen, § 53a RPG 2019 entnommenen Interessensgewichtung; diese Bestimmung sei aber im naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren nicht zu berücksichtigen.

17 Die von der Revisionswerberin in diesem Zusammenhang genannte Bestimmung des § 6 NG 1990 (LGBl. Nr. 27/1991 idF LGB. Nr. 70/2020) und der dort genannte § 5 leg. cit. lauten auszugsweise wie folgt:

§ 5

Bewilligungspflichtige Vorhaben zum Schutz der freien Natur und Landschaft

(1) Die Vorhaben gemäß Abs. 2 bedürfen auf Flächen, die im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Gemeinde

1. als Grünfläche ausgewiesen oder gemäß § 32 Abs. 3 Burgenländisches Raumplanungsgesetz 2019, LGBl. Nr. 49/2019, kenntlich gemacht sind oder

...

einer Bewilligung.

(2) Folgende Vorhaben, die auf den in Abs. 1 genannten Flächen verwirklicht werden sollen, bedürfen einer Bewilligung:

1. die Errichtung, Erweiterung und wesentliche Änderung von

a) Gebäuden und anderen hochbaulichen Anlagen;

...

§ 6

Voraussetzung für Bewilligungen

(1) Bewilligungen im Sinne des § 5 sind zu erteilen, wenn durch das Vorhaben oder die Maßnahme einschließlich des Verwendungszweckes nicht

...

b) das Gefüge des Haushaltes der Natur im betroffenen Lebensraum nachteilig beeinträchtigt wird oder dies zu erwarten ist,

...

(2) Eine nachteilige Beeinträchtigung des Gefüges des Haushaltes der Natur liegt vor, wenn durch eine Maßnahme oder ein Vorhaben

a) ein wesentlicher Bestand seltener, gefährdeter oder geschützter Tier oder Pflanzenarten vernichtet wird oder

b) der Lebensraum seltener, gefährdeter oder geschützter Tier oder Pflanzenarten wesentlich beeinträchtigt oder vernichtet wird oder

c) sonst eine wesentliche Störung für das Beziehungs und Wirkungsgefüge der heimischen Tier und Pflanzenwelt untereinander und zu ihrer Umwelt in der Biosphäre oder in Teilen davon zu erwarten ist. ...

...

(5) Eine Bewilligung im Sinne des § 5 kann entgegen den Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 erteilt werden, wenn das öffentliche Interesse an den beantragten Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles höher zu bewerten ist als das öffentliche Interesse an der Bewahrung der Natur und Landschaft vor störenden Eingriffen. Als öffentliche Interessen gelten insbesondere solche der Landesverteidigung, des Umweltschutzes, der Volkswirtschaft und des Fremdenverkehrs, der Bodenreform und der Landwirtschaft, des Schulwesens, der überörtlichen Raumplanung, des Verkehrswesens, der öffentlichen Sicherheit, der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln oder Energie, der Gesundheit, der Wissenschaft und Forschung, des Denkmalschutzes, der wasserwirtschaftlichen Gesamtplanung und des Bergbaues.

(6) In jenen Fällen, in denen eine Bewilligung unter Heranziehung des Abs. 5 erteilt wird, ist bei Vorliegen der Voraussetzungen durch Auflagen zu bewirken, daß die nachteiligen Wirkungen eines Vorhabens möglichst gering gehalten werden.“

18 Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin wird mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen schon deshalb keine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermessensübung im Sinne des Gesetzes aufgezeigt, weil § 6 Abs. 5 NG 1990 kein Ermessen einräumt:

19Zwar mag der Gebrauch des Wortes „können“ in dieser Bestimmung zunächst auf die Einräumung eines Ermessens hindeuten. Es gibt jedoch, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, auch Fälle, in welchen trotz der Verwendung dieses Wortes die von der Behörde zu treffende Entscheidung keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung ist. Dies ist dann der Fall, wenn die in Betracht kommende Verwaltungsvorschrift bereits alle Voraussetzungen normiert, die den ganzen Bereich der Erwägungen, die für die Entscheidung maßgebend sein könnten, umfassen (vgl. VwGH 28.3.2017, Ro 2016/09/0011, mit Verweis auf VwGH 19.12.2012, 2010/06/0144). Das ist hier aber der Fall: Wenn das öffentliche Interesse an den beantragten Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles höher zu bewerten ist als das öffentliche Interesse an der Bewahrung der Natur und Landschaft vor störenden Eingriffen, ist im Grunde des § 6 Abs. 5 NG 1990 eine Bewilligung im Sinne des § 5 leg. cit. zu erteilen (vgl. zum Nicht Vorliegen von Ermessenbestimmungen trotz der jeweiligen Verwendung des Wortes „kann“ im naturschutzrechtlichen Zusammenhang etwa VwGH 29.1.2009, 2005/10/0145; 14.9.2004, 2001/10/0178; 27.8.2002, 99/10/0004, VwSlg. 15.886 A; 9.10.2000, 2000/10/0147; 17.5.1993, 92/10/0038; siehe zum Nicht Vorliegen einer Ermessenbestimmung in Bezug auf eine naturschutzrechtliche Interessenabwägung auch VwGH 25.4.2001, 99/10/0055, VwSlg. 15.598 A).

20 Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin wird auch mit dem bloßen Verweis darauf, dass die naturschutzrechtliche Bewilligung ohne Eingehen auf „die Möglichkeit eines Interessensausgleiches zwischen Bund und Land, insbesondere durch Vorschreibung von Auflagen“ abgewiesen worden sei, ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung zur Rücksichtnahmepflicht nicht aufgezeigt. Die diesem Vorbringen offenbar zugrundeliegende Auffassung, eine Bewilligung im Sinne des § 5 NG 1990 könne unter Vorschreibung von Auflagen auch dann erteilt werden, wenn das öffentliche Interesse an den beantragten Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles nicht höher zu bewerten ist als das öffentliche Interesse an der Bewahrung der Natur und Landschaft vor störenden Eingriffen, steht mit der von der Revisionswerberin genannten Bestimmung des § 6 Abs. 6 NG 1990 nicht im Einklang, sieht diese doch nur in jenen Fällen, in denen eine Bewilligung unter Heranziehung des Abs. 5 leg. cit. erteilt wird, vor, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen durch Auflagen zu bewirken ist, dass die nachteiligen Wirkungen eines Vorhabens möglichst geringgehalten werden.

21 Aus welchen Gründen aber die vom Verwaltungsgericht im Grunde des § 6 Abs. 5 NG 1990 vorgenommene Interessenabwägung, in der unter anderem öffentliche Interessen des Umweltschutzes, des Verkehrswesens und der Versorgung der Bevölkerung mit Energie einbezogen wurden, jene vom Bund wahrzunehmenden Interessen, die mit der von der Revisionswerberin diesbezüglich ins Treffen geführten eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung vom 8. April 2020 wahrgenommen wurden, unberücksichtigt gelassen habe, wird in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegende Revision nicht dargelegt.

22 Soweit die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang auch eine Außerachtlassung der §§ 18 Abs. 1 und 10 Abs. 1 NG 1990, die „eine Rücksichtnahme des Landes auf öffentliche Interessen eines anderen Kompetenzträgers bzw einen entsprechenden Interessenausgleich bei Eingriffen in die Natur und Landschaft vorsehen“ würden, rügt, genügt es darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber zum einen anders als die Revisionswerberin meint mit der erstgenannten Bestimmung, wonach näher genannte artenschutzrechtliche Bestimmungen bzw. Verordnungen auf Maßnahmen, die mit der Herstellung, dem Betrieb, der Instandsetzung oder der Wartung einer behördlich genehmigten Anlage notwendigerweise verbunden sind, keine Anwendung finden, soweit geschützte Pflanzen oder geschützte Tiere nicht absichtlich beeinträchtigt werden und die nachteilige Wirkung möglichst gering gehalten wird, unmissverständlich auf naturschutzbehördlich genehmigte Anlagen Bezug genommen hat; eine derartige Anlage liegt im Revisionsfall aber nicht vor. Zum anderen sieht § 10 Abs. 1 NG 1990 Ausgleichsmaßnahmen hinsichtlich ökologischer Nachteile nur in jenen Fällen vor, in denen eine Bewilligung unter Heranziehung des § 6 Abs. 5 leg. cit. erteilt wird, was hier, wie bereits ausgeführt wurde, nicht der Fall war.

23 In der Zulässigkeitsbegründung wird im Weiteren geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf VwGH 16.4.2004, 2001/10/0156, VwSlg. 16.335 A; 14.7.2011, 2010/10/0193, VwSlg. 18.184 A) zur Unzulässigkeit der Untersuchung alternativer Standorte durch eine Naturschutzbehörde für bereits eisenbahnrechtlich bewilligte Anlagen ab. Indem das Verwaltungsgericht „nachträglich Alternativstandorte“ für die gegenständliche Anlage geprüft bzw. ausgeführt habe, dass eine solche mangels Parteivorbringens nicht stattfinden habe können, untergrabe es „die Bundeskompetenz“ und weiche von der hg. Judikatur ab. Das Verwaltungsgericht hätte „die getroffene Standortauswahl in seine Beurteilung einfließen lassen müssen“.

24Wird eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht, hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt jenem der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Dabei reicht es nicht aus, bloß Rechtssätze zu verschiedenen hg. Erkenntnissen wiederzugeben oder hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl zu nennen, ohne auf konkrete Abweichungen von dieser Rechtsprechung hinzuweisen (vgl. VwGH 16.11.2023, Ra 2022/10/0146, mit Verweis auf VwGH 22.8.2022, Ra 2022/10/0005, 0006; 24.2.2022, Ra 2022/03/0040; 30.3.2021, Ra 2020/07/0075, 0076).

25 Eine derartige Darlegung ist der Revisionswerberin aber nicht gelungen: Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin kann schon keine Rede davon sein, dass der der vorliegenden Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt jenem der von ihr oben ins Treffen geführten hg. Entscheidungen (wobei VwSlg. 18.184 A keine naturschutzbehördliche, sondern eine forstbehördliche Alternativenprüfung betraf) gleicht, lagen beiden Erkenntnissen doch jeweils Trassenverordnungen (nach dem Hochleistungsstreckengesetz 1989 bzw. dem Oö. Straßengesetz 1991) zugrunde (vgl. dazu auch VwGH 24.9.1999, 98/10/0347, VwSlg. 15.237 A). Im Revisionsfall liegt demgegenüber eine eisenbahnrechtliche Baugenehmigung gemäß §§ 31 ff Eisenbahngesetz 1957 vor (in der unter anderem auch darauf verwiesen wurde, dass „die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung des Vorhabens keine allumfassende Bewilligung“ sei und allenfalls weitere, vom Bauwerber gesondert zu erwirkende Genehmigungen im vorliegenden Fall beispielsweise naturschutzrechtliche Bewilligungen erforderlich sein könnten). Damit wurde dem in Rede stehenden Bauvorhaben unter dem Gesichtspunkt der vom Bund insoweit wahrzunehmenden Interessen attestiert, dem Stand der Technik unter Berücksichtigung der Sicherheit und Ordnung des Betriebes der Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn und des Verkehrs auf der Eisenbahn zu entsprechen. Unter welchen Gesichtspunkten damit eine „Standortauswahl“ (unter mehreren in Frage kommenden Varianten) getroffen worden sein soll, die durch die naturschutzrechtliche Beurteilung nicht unterlaufen werden dürfe, wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht dargelegt.

26 In der Zulässigkeitsbegründung wird schließlich geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob eine naturschutzrechtliche Bewilligung „für ein Projekt, das eisenbahnrechtlich genehmigt“ sei, gemäß § 6 Abs. 5 NG 1990 gänzlich verwehrt werden dürfe.

27 Mit diesen Ausführungen wird aber schon deshalb keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG dargelegt, weil in diesem Zusammenhang gar nicht ausgeführt wird, aufgrund welcher Überlegungen die Revisionswerberin die Ansicht zu vertreten können glaubt, dass bei Vorliegen einer (hier) eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung für ein Bauvorhaben eine Interessenabwägung im Grunde des § 6 Abs. 5 NG 1990 stets zu einer naturschutzrechtlichen Bewilligung dieses Vorhabens führen müsse. Derartiges kann § 6 Abs. 5 NG 1990 nicht entnommen werden. Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen aber klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 6.10.2023, Ra 2023/10/0393; 21.5.2021, Ra 2021/10/0061; 5.11.2020, Ra 2020/10/0105).

28 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2024