Ro 2017/03/0004 6 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz
Der den Bundesstaat konstituierenden Bundesverfassung muss unterstellt werden, die Grundlage einer harmonisierten Rechtsordnung zu sein, in der allenfalls divergierende Interessen von Bund und Ländern, auch soweit diese in Akten der Gesetzgebung ihren Niederschlag finden, aufeinander abgestimmt sind. Der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Bundesgesetzgebers ist deshalb insoweit eingeschränkt, als es ihm verwehrt ist, Regelungen zu treffen, die sich als sachlich nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Effektivität landesgesetzlicher Regelungen darstellen. Dasselbe gilt auch umgekehrt im Verhältnis des Landesgesetzgebers zum Bundesgesetzgeber. Diese der Bundesverfassung innewohnende Rücksichtnahmepflicht verbietet dem Gesetzgeber der einen Gebietskörperschaft, die vom Gesetzgeber der anderen Gebietskörperschaft wahrgenommenen Interessen zu negieren und dessen gesetzliche Regelung damit zu unterlaufen (vgl etwa VfGH vom 12. Dezember 2016, E 380/2016, mwH). Diese Pflicht verhält ihn dazu, eine zu einem angemessenen Ausgleich führende Abwägung der eigenen Interessen mit jenen der anderen Gebietskörperschaft vorzunehmen und nur eine Regelung zu treffen, die zu einem solchen Interessenausgleich führt (VfGH vom 3. Dezember 1984, G 81/84 ua (VfSlg 10.292/1984)). Die Rücksichtnahmepflicht ist nicht nur von der Gesetzgebung, sondern auch von der Vollziehung zu beachten (VwGH vom 3. Juni 1996, 95/10/0274).