JudikaturVwGH

Ro 2022/15/0009 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
02. Dezember 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der Holzgemeinschaft Y in Y, vertreten durch Dr. Ewald Jenewein, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Brixner Straße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 27. Oktober 2021, Zl. RV/3100339/2018, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2012 bis 2016 und Festsetzung von Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis Juni 2017, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Bei der Revisionswerberin, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR), wurde eine Außenprüfung durchgeführt. Im Anschluss an die Prüfung erließ das Finanzamt Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2016 und setzte die Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis Juni 2017 fest.

2 Eine Beschwerde gegen die im Anschluss an die Außenprüfung ergangenen Bescheide legte das Finanzamt über Antrag der Revisionswerberin (§ 262 Abs. 2 lit. a BAO) dem Bundesfinanzgericht (BFG) ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung vor.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für zulässig erklärt wurde, gab das BFG der Beschwerde keine Folge. Es stellte fest, Mitglieder der Gemeindegutsagrargemeinschaft X (im Folgenden: Agrargemeinschaft X) hätten sich zu einer GesbR (im Folgenden: Holzgemeinschaft Y oder Revisionswerberin) zusammengeschlossen, um das von der Agrargemeinschaft bezogene „Rechtholz“ zu verkaufen. Das Holz sei zu marktüblichen Preisen verkauft und mit der Abwicklung der Holzverkäufe sei GJ betraut worden, der auch Obmann der Agrargemeinschaft X gewesen sei und ein auf Holzernte, Holztransport und Holzhandel spezialisiertes Einzelunternehmen geführt habe.

4 GJ sei Ansprechperson in allen Belangen der Holzgemeinschaft Y gewesen. Er habe die Verkäufe des den Mitgliedern der Agrargemeinschaft X zugewiesenen „Rechtholzes“ angebahnt, das „Rechtholz“ für die Holzgemeinschaft Y an diverse Abnehmer verkauft und im Rahmen seines Einzelunternehmens die Holzschlägerungsarbeiten durchgeführt. Die Holzschlägerungsarbeiten habe er der Holzgemeinschaft Y in Rechnung gestellt. Die Rechnungen an die Abnehmer des „Rechtholzes“ hätten auf die Holzgemeinschaft Y als leistendes Unternehmen gelautet und bei Holzverkäufen, die mit Gutschrift abgerechnet worden seien, sei die Holzgemeinschaft Y als Empfängerin der Gutschrift angeführt worden. Die in Rechnung gestellten bzw. gutgeschriebenen Beträge seien von den Abnehmern auf ein Bankkonto der Revisionswerberin überwiesen worden, auf dem GJ zeichnungsberechtigt gewesen sei. GJ habe Aufzeichnungen über die Einnahmen und Ausgaben der Holzgemeinschaft Y geführt und die auf dem Bankkonto der Holzgemeinschaft Y zugeflossenen Einnahmen aus den Holzverkäufen, nach Abzug der angefallenen Ausgaben (für Holzschlägerungsarbeiten etc.), auf die beteiligten Mitglieder aufgeteilt und ausbezahlt.

5 Die Einnahmen der Revisionswerberin aus Holzverkäufen hätten im Jahr 2012 112.024,01 €, im Jahr 2013 132.358,50 €, im Jahr 2014 70.703,09 €, im Jahr 2015 186.444,95 €, im Jahr 2016 35.771,31 € und im Zeitraum Jänner bis Juni 2017 90.322 € betragen. Die Revisionswerberin habe die Pauschalierung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe gemäß § 22 Abs. 1 UStG 1994 in Anspruch genommen. Dementsprechend sei in den Ausgangsrechnungen und in den Abrechnungen mittels Gutschrift die Umsatzsteuer mit dem Steuersatz von 12 % (bis 31. Dezember 2015) bzw. 13 % (ab 1. Jänner 2016) ausgewiesen worden.

6 In rechtlicher Würdigung des festgestellten Sachverhalts ging das BFG wie zuvor das Finanzamt davon aus, dass es sich bei der Holzgemeinschaft Y um eine GesbR handle, der die streitgegenständlichen Umsätze zuzurechnen seien. Die Holzgemeinschaft Y sei kein forstwirtschaftlicher Erzeuger (Urproduzent), sie betreibe vielmehr einen gewerblichen Holzhandel. Daher stehe ihr die in § 22 UStG 1994 normierte Pauschalregelung für land und forstwirtschaftliche Betriebe nicht zu. Sie habe aber Anspruch auf Vorsteuerpauschalierung nach § 14 UStG 1994. Zudem könne sie die in den an sie gerichteten Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer in Abzug bringen.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, zu der das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

11 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. VwGH 14.5.2024, Ro 2023/16/0016, mwN).

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Zweck der Begründungspflicht nach § 25a Abs. 1 VwGG bei einer ordentlichen Revision die vom Verwaltungsgericht vorzunehmende Fokussierung auf die vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage. Das Verwaltungsgericht hat in der Begründung zum Ausspruch der Zulässigkeit der Revision daher (kurz) darzulegen, welche konkret auf die vorliegende Revisionssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof (erstmals) zu lösen hat (vgl. z.B. VwGH 14.5.2024, Ro 2023/16/0016, mwN).

13 Das BFG sprach aus, die Revision sei zulässig, weil es keine höchstgerichtliche Rechtsprechung darüber gebe, „ob eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach der ab dem 1. Jänner 2015 geltenden Rechtslage des GesbR Reformgesetzes, BGBl. I Nr. 83/2014, ihre Parteifähigkeit bzw. ihre Eignung als tauglicher Bescheidadressat in Abgabenverfahren erst mit (Voll )Beendigung der Liquidation (und nicht bereits wie für die Rechtslage davor mit dem Zeitpunkt ihrer Auflösung) verliert“.

14 Die Revision ist entgegen dem den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden (§ 34 Abs. 1a VwGG) Ausspruch des Verwaltungsgerichts schon im Hinblick auf das zwischenzeitig ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Mai 2022, Ra 2019/13/0086, nicht zulässig.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in diesem Erkenntnis, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann, mit der vom BFG angezogenen Rechtsfrage ausführlich auseinandergesetzt und ausgesprochen, dass eine GesbR ihre Parteifähigkeit bzw. ihre Eignung als tauglicher Bescheidadressat in Abgabenverfahren nicht mehr wie nach der Rechtsprechung des VwGH zur Rechtslage vor dem GesbR ReformG 2015 bereits mit dem Zeitpunkt ihrer Auflösung, sondern erst mit der Vollbeendigung der Liquidation verliert. Dazu zählt auch die Abwicklung der Rechtsverhältnisse zu den Abgabenbehörden.

16 Reicht die Begründung der Zulässigkeit der Revision durch das Verwaltungsgericht für deren Zulässigkeit nicht aus oder erachtet die revisionswerbende Partei andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für gegeben, hat die revisionswerbende Partei nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch in einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeitsgründe gesondert darzulegen (vgl. z.B. VwGH 26.1.2024, Ro 2021/17/0013, mwN).

17 Die vorliegende ordentliche Revision führt unter der Überschrift „Zulässigkeit der ordentlichen Revision“ aus, im Revisionsfall sei zudem die Rechtsfrage zu beurteilen, „ob eine Mehrheit von Mitgliedern einer Agrargemeinschaft, welche allenfalls auch über mehrere Jahre mit wechselnden Mitgliedern der Agrargemeinschaft ein Holzschlägerungsunternehmen mit der Ausübung des Holzbezugsrechtes und dem gemeinschaftlichen Verkauf des Holzes derart beauftragen, dass nach Abzug der Schlägerungs und Transportkosten der Verkaufserlös an die einzelnen Mitglieder ausbezahlt wird, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden und die Umsätze der Holzgemeinschaft als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes 1994 direkt zuzurechnen sind“.

18 Auch mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

19 Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

20 Eine Personenmehrheit ist dann als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG 1994 zu sehen, wenn sie im eigenen Namen nach außen (Dritten gegenüber) in Erscheinung tritt und eine gewerbliche und berufliche Tätigkeit entfaltet (vgl. VwGH 25.5.2016, 2013/15/0244).

21 Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 9 der Richtlinie 2006/112/EG.

22 § 2 Abs. 1 UStG 1994 setzt die Vorgaben des Art. 9 der Richtlinie 2006/112/EG ins österreichische Recht um, der für die Auslegung des § 2 Abs. 1 UStG 1994 zu beachten ist. Die Mehrwertsteuerrichtlinie spricht in diesem Zusammenhang vom „Steuerpflichtigen“.

23 Nach Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie „[gilt als] ‚Steuerpflichtiger‘ [...], wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt“ (vgl. EuGH 29.9.2015, Gmina Wrocław , C 276/14, Rn. 27).

24 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH verleihen die in Art. 9 der Mehrwertsteuerrichtlinie verwendeten Begriffe, insbesondere der Begriff „wer“, dem Begriff „Steuerpflichtiger“ eine weite Definition mit dem Schwerpunkt auf der Selbständigkeit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in dem Sinne, dass alle natürlichen oder juristischen Personen, sowohl öffentliche als auch private, sowie Einrichtungen ohne Rechtspersönlichkeit, die objektiv die Kriterien dieser Bestimmung erfüllen, als Mehrwertsteuerpflichtige gelten (vgl. EuGH 16.2.2023, ASA , C 519/21, Rn. 69, mwN).

25 Das Kriterium der Selbständigkeit betrifft die Frage der Zuordnung des betreffenden Umsatzes zu einer konkreten Person oder Einrichtung, wobei darüber hinaus gewährleistet wird, dass der Erwerber sein eventuell bestehendes Recht auf Vorsteuerabzug rechtssicher ausüben kann. Zu diesem Zweck ist zu prüfen, ob der Betroffene eine wirtschaftliche Tätigkeit im eigenen Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung ausübt und ob er das mit der Ausübung dieser Tätigkeit einhergehende wirtschaftliche Risiko trägt (vgl. EuGH 16.2.2023, ASA , C 519/21, Rn. 70 f, mwN).

26 Entscheidend für die Unternehmereigenschaft im Sinn des UStG 1994 ist somit nicht die (zivilrechtliche) Rechtsform der Holzgemeinschaft Y, sondern, ob sie die von § 2 Abs. 1 UStG 1994 geforderten objektiven Voraussetzungen erfüllt.

27 Dass die Holzgemeinschaft im eigenen Namen aufgetreten ist, dabei sowohl umsatzsteuerbare Leistungen Dritter bezogen und solche Leistungen an Dritte erbracht hat, hat das BFG festgestellt. Sie sei im Streitzeitraum nach außen unter dem Namen Holzgemeinschaft Y aufgetreten. Die Ausgangsrechnungen an die Leistungsempfänger und die Holzverkäufe betreffenden Gutschriften der Leistungsempfänger hätten auf die Holzgemeinschaft Y gelautet. Zahlungen der Leistungsempfänger seien auf das Bankkonto der Holzgemeinschaft Y erfolgt und die vorliegenden, zum Vorsteuerabzug berechtigenden Eingangsrechnungen des Forstunternehmens GJ, seien an die Holzgemeinschaft Y gerichtet gewesen.

28 Die angeführten Feststellungen weisen keinen vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel auf. Auch mit dem Vorbringen, es sei aktenwidrig, dass die Holzgemeinschaft Y über ein eigenes Bankkonto verfügt habe und es handle es sich dabei um ein Konto von GJ, wird kein solcher Mangel aufgezeigt. Die Revisionswerberin bestreitet nicht, dass sie dieses Konto im Kontakt mit Dritten angegeben hat, und sie legt auch nicht dar, inwiefern der Umstand, dass das betreffende Konto jenes des GJ gewesen sei, auf das Erfüllen der genannten objektiven Voraussetzungen des § 2 UStG 1994 Auswirkungen habe.

29 Der zur Zulässigkeit der Revision vorgetragenen Rechtsfrage, ob die Holzgemeinschaft Y unter näher genannten Umständen eine GesbR bilde, kommt für den Ausgang des Revisionsverfahrens keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

30 Die Revision war daher zurückzuweisen.

31 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 2. Dezember 2024

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