Ra 2014/09/0033 8 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz
Der Vertrag über den Beitritt der Republik Rumäniens zur Europäischen Union wurde am 25. April 2005 unterzeichnet (vgl. Amtsblatt der Europäischen Union L 157/18 vom 21. Juni 2005). § 28c AuslBG ist am 1. Juli 2011 in Kraft getreten (vgl. § 34 Abs. 38 AuslBG). Vor diesem Zeitpunkt bestand kein gerichtlich strafbarer Tatbestand, mit welchem die Beschäftigten einer größeren Zahl von rumänischen Staatsangehörigen ohne Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagsätzen bedroht war (vgl. 1077 BlgNR 2, GP, 15). Zwar könnte man meinen, dass die Verschlimmerung einer nur für den Beschäftiger geltenden Strafdrohung nicht als restriktivere Bedingung für den Zugang zum Arbeitsmarkt für rumänische Arbeitskräfte selbst zu werten wäre, weil eine solche Bestimmung keine für sie selbst unmittelbar wirksame Regelung ihres bereits vor dem Beitritt Rumäniens eingeschränkten Zugangs zum Arbeitsmarkt darstellt. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH gilt auch mittelbare Diskriminierungen als Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die Vorenthaltung des Aufenthaltsrechts für ledige Partner von Unionsbürgern im Unterschied zu ledigen Partnern von eigenen Staatsangehörigen (Urteil EuGH 17. April 1986, in der Rechtssache 59/85, Niederlande gegen Ann Florence Reed), die Abzugsfähigkeit von Beiträgen zu Kranken- und Invaliditäts- oder Alters- und Todesfallversicherungen nur wenn diese in Belgien gezahlt werden (Urteil EuGH 28. Jänner 1992, C-204/90, Hanns-Martin Bachmann gegen Belgien), die staatliche Studienfinanzierung für Kinder von Arbeitnehmern nur wenn es sich um Kinder inländischer Arbeitnehmer handelt (Urteil EuGH 26. Februar 1992, C-3/90, M.J.E. Bernioni gegen Minister van Onderwijs en Wetenschappen), oder die Anwendung von durch Sportverbände aufgestellten Regeln, nach denen ein Berufsfußballspieler, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates ist, bei Ablauf des Vertrages, der ihn an einen Verein bindet, nur dann von einem anderen Verein eines anderen Mitgliedstaates beschäftigt werden kann, wenn dieser dem bisherigen Verein eine Transfer- Ausbildungs- oder Förderungsentschädigung gezahlt hat (Urteil EuGH 15. Dezember 1995, C-415/93, Jean-Marc Bosman gegen Royal club liegois SA), ist als Beschränkungen bzw. Diskriminierung bezüglich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer iSd Art. 45 AEUV (damals Art. 48 EWG-Vertrag) zu werten. Daher wäre die Einführung einer neuartigen vom Strafgericht zu verhängenden Strafe für den Beschäftiger als die Schaffung einer Bedingung für den Zugang rumänischer Staatsangehöriger zum österreichischen Arbeitsmarkt zu werten, die restriktiver ist, als jene, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages mit Rumänien bestand. Diese neuartige Strafdrohung soll für besonders schwere Formen der illegalen Ausländerbeschäftigung gelten und hat die aus den Gesetzesmaterialen hervorgehende Zielsetzung, die rechtswidrige Einwanderung zu bekämpfen (1077 BlgNR 24. GP, S 3 und 14). Es ist daher nicht zweifelhaft, dass damit eine neuartige und strengere Beschränkung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für die betroffenen Arbeitskräfte geschaffen werden sollte. Es handelt sich bei § 28c Abs. 1 AuslBG daher um eine Maßnahme, die nach der Stillhalteklausel des Punktes 1 Nr. 14 des Anhangs VII Punkt 1 des Aufnahmeprotokolls Rumänien auf rumänische Staatsangehörige keine Anwendung finden dürfte. Dies ergibt sich aus dem Vorrang des Unionsrechts, wonach Gerichte und Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten nationales Recht unangewendet lassen müssen, das unmittelbar anwendbarem Unionsrecht entgegensteht (vgl. E 25. Juni 1996, 96/09/0088; E 29. Jänner 2009, 2008/09/0275, VwSlg 17615 A/2009; OGH 27. November 2013, 2 Ob 243/12t). Aus demselben Grund wird im fortzusetzenden Verfahren gegebenenfalls bei der Bestrafung wegen Beschäftigung von rumänischen Staatsangehörigen keine strengere Strafe als eine vor dem 25. April 2005 angedrohte (vgl. § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG idF BGBl. I Nr. 28/2004) anzuwenden sein.