Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende sowie den Richter Dr. Pscheidl und die Richterin Mag. Müller in der Firmenbuchsache der A* GmbH,FN **, **, wegen amtswegiger Löschung (§ 40 FBG), über den Rekurs der Gesellschaft, vertreten durch den Geschäftsführer B*, gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 7.5.2025, C* 1, in nicht öffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Begründung:
Die A* Holding GmbH mit Sitz in ** war seit 6.7.2022 zu FN ** im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien eingetragen. Alleingeschäftsführer und gesellschafter mit einer zur Hälfte geleisteten Stammeinlage von EUR 17.500, war B*, geboren am **. Stichtag für den Jahresabschluss war der 31. Dezember. Seit der Gründung wurde kein Jahresabschluss beim Firmenbuchgericht eingereicht. Trotz entsprechender Zwangsstrafenverfahren zu D* und E* erfolgte keine Offenlegung der Jahresabschlüsse 2022 und 2023.
Das Erstgericht forderte die Gesellschaft mit Beschluss vom 11.2.2025 auf, die Jahresabschlüsse zum 31.12.2022 und 31.12.2023 binnen einer Frist von drei Wochen vorzulegen, widrigenfalls das amtswegige Löschungsverfahren wegen Vermögenslosigkeit eingeleitet werde (F* 1). Die Zustellung des Beschlusses an die Gesellschaft ist ausgewiesen.
Es langte keine Äußerung der Gesellschaft ein. Das Erstgericht tätigte Abfragen im Grundbuch, im Firmenbuch und in der Ediktsdatei, die jeweils ergebnislos verliefen.
Mit Beschluss vom 26.3.2025, F* 3, kündigte das Erstgericht seine Absicht auf amtswegige Löschung der Gesellschaft infolge Vermögenslosigkeit an, weil die Jahresabschlüsse zweier aufeinanderfolgender Geschäftsjahre - 2022 und 2023 - trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden seien. Seit dem Zeitpunkt, zu dem der Jahresabschluss für das zweite Geschäftsjahr einzureichen gewesen wäre, seien mindestens sechs Monate vergangen. Zur Äußerung werde eine Frist von vier Wochen eingeräumt. Sofern Einwendungen gegen die Löschung erhoben würden, sei der konkrete Nachweis zu erbringen, dass die Gesellschaft über Vermögen verfüge, und es seien die fehlenden Jahresabschlüsse offenzulegen. Im Falle der Nichtäußerung werde angenommen, dass der beabsichtigten Verfügung keine Einwendungen entgegengesetzt würden.
Die Zustellung dieses Beschlusses sowohl an die Gesellschaft als auch an ihren Geschäftsführer erfolgte jeweils durch eigenhändige Übernahme am 31.3.2025.
Es wurden weder Einwendungen erhoben noch erfolgte eine sonstige Äußerung.
Mit dem angefochtenen Beschluss verfügte das Erstgericht die Löschung der Gesellschaft gemäß § 40 FG infolge Vermögenslosigkeit.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der als Einspruch bezeichnete Rekurs der Gesellschaft mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne ihrer Wiedereintragung.
Die Rekurswerberin bringt vor, sie besitze 2.539 Aktien an der G* AG mit Sitz in der Schweiz, was einem Anteil von 27,66% entspreche, und sei daher nicht vermögenslos. Die Jahresabschlüsse für 2022 und 2023 würden bis spätestens August 2025 nachgereicht werden. Ihr sei bewusst, dass dies zu spät sei, doch seien Rechtsstreitigkeiten mit anderen Aktionären der G* AG, Umstrukturierungen innerhalb der G* AG und die Rückzahlung offener Darlehen Grund für den Verzug. Erst wenn die offenen Beträge im Mai 2025 bezahlt würden, könnten die Bilanzen eingereicht werden.
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
1.Gemäß § 40 Abs 1 FBG kann eine Kapitalgesellschaft von Amts wegen gelöscht werden, wenn sie kein Vermögen besitzt (erster Tatbestand, Satz 1). Sofern das Vorhandensein von Vermögen nicht offenkundig ist, gilt eine Kapitalgesellschaft bis zum Beweis des Gegenteils auch dann als vermögenslos, wenn sie dem Gericht die Jahresabschlüsse und gegebenenfalls die Lageberichte von zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht vollständig vorlegt und seit dem Zeitpunkt, zu dem der Jahresabschluss für das zweite Geschäftsjahr einzureichen gewesen wäre, mindestens sechs Monate vergangen sind (2. Tatbestand, Satz 3).
2.Zweck der Vorschrift des § 40 FBG ist der Schutz des Rechtsverkehrs und die Bereinigung des Firmenbuchs. Die in § 40 Abs 1 Satz 3 FBG normierte (widerlegbare) Vermutung soll dem Firmenbuchgericht die Feststellung des Löschungstatbestandes der Vermögenslosigkeit erleichtern. In diesem Fall bedarf es keiner amtswegigen Erhebungen über das Vorhandensein von Vermögen ( Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer,FBG § 40 Rz 3, 13).
3.Wie sich aus den Beschlüssen des Erstgerichtes ergibt, sah es bei seinem Löschungsbeschluss den zweiten Tatbestand des § 40 Abs 1 FBG als verwirklicht an. Gemäß § 277 Abs 1 UGB wäre der Jahresabschluss zum 31.12.2022 bis zum 30.9.2023 und der Jahresabschluss zum 31.12.2023 bis zum 30.9.2024 beim Firmenbuchgericht einzureichen gewesen. Die sechsmonatige Nachfrist gemäß § 40 Abs 1 FBG endete daher mit 30.3.2025, sodass im Zeitpunkt des Zugangs der Aufforderung des Erstgerichts zur Äußerung zur beabsichtigten Löschung mit Beschluss vom 26.3.2025, die dem Geschäftsführer und der Gesellschaft jeweils am 31.3.2025 zugestellt wurden, die Voraussetzungen für die Vermutung der Vermögenslosigkeit nach § 40 Abs 1 zweiter Fall FBG bereits vorlagen.
4.1 Hinweise auf das offenkundige Vorhandensein von Vermögen gab es nach den vom Erstgericht durchgeführten Erhebungen nicht.
4.2 Offenkundig (notorisch) ist eine Tatsache, wenn sie allgemeinkundig oder gerichtskundig ist ( Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka 5§ 269 ZPO Rz 1). Allgemeinkundige Tatsachen sind einer beliebig großen Zahl von Menschen bekannt oder doch ohne Schwierigkeiten jederzeit zuverlässig wahrnehmbar (RS0110714). Die Gerichtskundigkeit erfordert, dass das Entscheidungsorgan die Tatsache kennt, ohne erst in bestimmte Unterlagen Einsicht nehmen zu müssen; andernfalls kann es nämlich nicht als „kundig“ angesehen werden. Es reicht auch nicht aus, wenn Tatsachen ohne weiteres aus den Akten desselben Gerichts zu ersehen sind (RS0111112). Der Umstand, dass ein Register (Firmenbuch, Grundbuch) öffentlich ist, bedeutet nicht, dass die dem Register zu entnehmenden Tatsachen allgemein bekannt oder auch nur gerichtskundig sind (RS0110714 [T1]; RS0111112; vgl Nowotny, aaO § 40 Rz 14 mwN; zum Firmenbuchstand etwa 6 Ob 4/08v). Die dennoch vom Erstgericht durchgeführten Abfragen verliefen hier überdies ergebnislos.
5.1 Soweit die Gesellschaft nunmehr im Rekurs auf vorhandenes Vermögen verweist, war Folgendes zu erwägen:
5.2Die hier mit Beschluss vom 26.3.2025 zu H* erfolgte und dem Geschäftsführer und der Gesellschaft jeweils am 31.1.2025 zugestellte Aufforderung nach § 18 FBG entspricht jener nach dem nahezu inhaltsgleichen § 17 AußStrG. Der zu dieser Bestimmung ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist daher auch zu § 18 FBG zu folgen; dies gilt insbesondere auch für die „Rechtsfolgenseite“. Demnach kann nach der zu § 17 AußStrG bereits bestehenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine im Verfahren erster Instanz versäumte Äußerung selbst bei behaupteter entschuldbarer Fehlleistung nicht im Rekurs nachgeholt werden; allenfalls käme nur ein - hier nicht vorliegender - Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 21 AußStrG iVm §§ 146 ff ZPO in Betracht (6 Ob 224/11a). Im Anwendungsbereich des § 17 AußStrG geht durch das Unterbleiben der Äußerung zwar das Rekursrecht nicht verloren, jedoch kann das versäumte Vorbringen im Rekurs nicht als Neuerung nachgeholt werden (RS0006783; RS0006941; Kodek , aaO § 18 Rz 49; Pilgerstorfer in Artmann, UGB 3§ 18 FBG Rz 45).
5.3Auch im Löschungsverfahren nach § 40 FBG kann im Fall einer Nichtäußerung trotz Aufforderung nach § 18 FBG im Rekurs die (allenfalls sogar schuldlos) versäumte Äußerung nicht nachgeholt werden (RS0117347). Die (beschränkte) Neuerungserlaubnis des § 49 Abs 2 AußStrG scheidet daher, insbesondere im Verfahren nach § 40 Abs 1 Satz 3 FBG, in dem grundsätzlich keine amtswegigen Erhebungen über das Vermögen zu erfolgen haben, aus (6 Ob 224/11a).
5.4 Abgesehen davon hat die Gesellschaft nicht dargetan, aus welchen Gründen eine Äußerung ihrerseits bisher unterblieben ist.
5.5Auf das nachträglich im Rekurs erstattete Vorbringen zu Vermögenswerten der Gesellschaft kann daher aufgrund des Neuerungsverbots nicht mehr Bedacht genommen werden. Sollte Vermögen vorhanden sein, wäre eine Nachtragsabwicklung nach § 40 Abs 4 FBG durchzuführen.
6. Dem unberechtigten Rekurs musste damit ein Erfolg versagt bleiben.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 15 Abs 1 FBG iVm den §§ 59 Abs 1 Z 2, 62 Abs 1 AußStrG. Rechtsfragen im Sinne der zuletzt genannten Gesetzesstelle waren nicht zu beantworten.
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