JudikaturOLG Wien

5R209/24b – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
28. Februar 2025

Kopf

Im Namen der Republik

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schrott-Mader als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Jelinek und den KR Dr. Findeis in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH , FN **, **, **, vertreten durch Dr. Klaus Voithofer, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* GMBH , FN **, Euro Plaza, **, ** Straße **, **, vertreten durch die Zeiler Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (1. EUR 133.200, 2. EUR 142.830,48, 3. EUR 50.000), über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse: EUR 276.030,48) gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26.10.2024, GZ **-21, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 4.561,32 (darin enthalten EUR 760,22 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe

Die Klägerin als Auftraggeberin und die Beklagte als Auftragnehmerin schlossen am 26.11.2020 einen Vertrag über die Herstellung und Errichtung von vier Windenergieanlagen (WEA) (in Folge: „Errichtungsvertrag“) sowie einen Vertrag über die Vollwartung von Windenergieanlagen einschließlich Rotorblätter und Fundament (in Folge: „Wartungsvertrag“).

Der Errichtungsvertrag lautet auszugsweise:

Vertrag über die Herstellung und Errichtung von Windenergieanlagen

[…]

8. TERMINE, VERZUG, VERTRAGSSTRAFE

8.1. relevante Termine, Zeitpläne

[…]

(2) Zwischentermine sind einzuhalten, soweit sie im vereinbarten Vertragsterminplan als verbindlich bezeichnet werden. Jedenfalls verbindlich im Sinn des Absatzes (3) [„In Bezug auf die Verbindlichkeit der vorgenannten Terminen...“] sind die nachstehenden Termine:

[…]

17. Inbetriebnahme einer jeden WEA des Windparks (pönalisierter Termin)

spätestens am 31.12.2021

[…]

19. erfolgreicher Abschluss Probebetrieb einer jeden WEA des Windparks (pönalisierter Termin)

spätestens am 31.01.2022

[…]

21. Aufforderung zur vorläufigen Abnahme der letzten WEA (Fälligkeitstermin):

spätestens am 31.01.2022

[…]

24. Aufforderung zur endgültigen Übernahme (Fälligkeitstermin)

spätestens am 28.02.2022

[…]

8.4. Vertragsstrafe

8.4.1. pönalisierte Termine:

Pönalisiert sind ausschließlich die Termine

Inbetriebnahme einer jeden WEA und

erfolgreicher Abschluss des Probebetriebs einer jeden WEA.

[…]

13. VORLÄUFIGE ABNAHME UND ENDGÜLTIGE ÜBERNAHME DER LEISTUNGEN

13.1. Betrieb der WEA vor der vorläufigen Abnahme

Der AG ist berechtigt, die WEA ab ihrer jeweiligen Inbetriebnahme zu betreiben. Dadurch erfolgt weder eine vorläufige Abnahme noch eine endgültige Übernahme.

[…]“

Der Wartungsvertrag lautet auszugsweise:

Vertrag über die Vollwartung von Windenergieanlagen

[…]

1. Allgemeines

[…]

1.2. Verwendete Begriffsdefinitionen:

[…]

B 3. „ Betriebsjahr “ bezeichnet einen sich wiederholenden Zeitraum von jeweils zwölf aufeinanderfolgenden Monaten, der mit dem Ende des ersten Betriebsjahres beginnt. Das erste Betriebsjahr beginnt im Zeitpunkt der Inbetriebnahme der ersten WEA und endet neun (9) Monate nach der vorläufigen Abnahme der letzten WEA.

B 4. „ Errichtungsvertrag “ bezeichnet den Vertrag über die Herstellung, den Transport, die Errichtung und die Inbetriebsetzung der vertragsgegenständlichen WEA samt seiner integrierenden Vertragsbestandteile [GE Referenz Nr. *].

[…]

2. Vertragsgegenstand

[…]

Datum Vertragsbeginn: Inbetriebnahme der ersten WEA gemäß dem Errichtungsvertrag

Beginn des ersten Betriebsjahres:

Das erste Betriebsjahr beginnt im Zeitpunkt der Inbetriebnahme der ersten WEA und endet neun (9) Monate nach der vorläufigen Abnahme der letzten WEA

[…]

12. Vertragsbeginn und Laufzeit

12.1. Inkrafttreten

Der Vertrag tritt zu dem in Punkt 2. [Vertragsgegenstand] festgelegten Zeitpunkt in Kraft. Die technische Verfügbarkeit gemäß Punkt 9. [Garantie der technischen zeitbezogenenen Verfügbarkeit] beginnt nach Maßgabe des Punktes 9.1. [Garantiezeitraum].

12.2. Laufzeit

Der Vertrag hat eine Laufzeit von 25 (fünfundzwanzig) Betriebsjahren beginnend mit der Inbetriebnahme der ersten WEA und endend 25 Jahre ab vorläufiger Abnahme der letzten WEA - sofern WEA nicht vor diesem Zeitpunkt stillgelegt werden -, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Die Kündigungsrechte gemäß Punkt 21 [Kündigung] dieses Vertrags werden dadurch nicht gemindert.

[…]

13. Vertragspreis

13.1 Entgelt

13.1.1 Pauschalpreise

Alle Preise sind Pauschalpreise/Betriebsjahr.

Für Leistungen vor der vorläufigen Abnahme der letzten Tranche der WEA hat der AN keinen Anspruch auf gesondertes Entgelt; diese Leistungen sind mit den vereinbarten Pauschalpreisen abgegolten.

Alle Preise sowie alle in diesen Vertrag genannten Beträge sind Nettobeträge und gelten zuzüglich der jeweils geltenden Umsatzsteuer in der gesetzlichen Höhe. Endet der Vertrag für eine WEA oder mehrere vor dem Ende eines Betriebsjahres, reduziert sich der Vertragspreis für dieses Betriebsjahr gemäß Punkt 13.1.1. - 13.1.3. anteilig pro rata temporis. Gleiches gilt, wenn das letzte Betriebsjahr weniger als 12 Monate beträgt.

[…]

13.1.3 Höhe des Entgelts

Pauschalpreis bezogen auf das Vertragsjahr

Jahr 1-5 54.000,00 €/Jahr

Jahr 6-10 59.900,00 €/Jahr

Jahr 11-15 66.000,00 €/Jahr

Jahr 16-20 70.600,00 €/Jahr

Jahr 21-25 76.000,00 €/Jahr

[…]“

Der Errichtungsvertrag und der Wartungsvertrag wurden vom Klagevertreter entworfen und verfasst. Die Parteien trafen weder mündliche noch schriftliche Nebenabreden zum Errichtungs- und Wartungsvertrag. Es kann nicht festgestellt werden, ob oder in welchem Umfang einzelne Bestimmungen des Errichtungs- und Wartungsvertrags vor Unterzeichnung besprochen und verhandelt wurden, insbesondere die Definition von „Betriebsjahr“ unter Punkt B 3. im Wartungsvertrag.

Seit Jänner 2022 sind alle vier Windenergieanlagen in Betrieb. Die Beklagte forderte die Klägerin bislang nicht zur vorläufigen Abnahme der Windenergieanlagen auf. Hinsichtlich keiner der Windenergieanlagen fand bislang eine vorläufige Abnahme statt.

Die Beklagte verrechnete mit Rechnung Nr 3820000003 vom 29.6.2022 bezugnehmend auf den Wartungsvertrag und die angeführte Periode von 1.3.2022 bis 31.8.2022 sowie mit Rechnung Nr 3820000004 vom 5.9.2022 bezugnehmend auf den Wartungsvertrag und die angeführte Periode von 1.9.2022 bis 28.2.2023 je einen Betrag von EUR 133.200 inkl USt. Diese Rechnungen wurden von der Klägerin bezahlt.

Mit Rechnung Nr 3820000007 vom 3.3.2023 verrechnete die Beklagte der Klägerin bezugnehmend auf den Wartungsvertrag für den Zeitraum 1.3.2023 bis 31.8.2023 einen Betrag von EUR 133.200 inkl USt. Auf Einwand der Klägerin, wonach sich die Parteien nach wie vor im ersten Betriebsjahr befänden, übermittelte die Beklagte der Klägerin eine E-Mail mit folgendem Inhalt:

„[…]

Wir haben die Anpassung der Vergütung und die Indexierung zum 2. Betriebsjahr nochmal geprüft.

Da die Anlagen in ** noch nicht abgenommen sind, stimmen wir Ihrer Vertragsinterpretation dass wir uns noch im 1. Betriebsjahr befinden zu.

Frau C* wird, sofern nicht bereits geschehen, die Rechnungen anpassen, und nach dem 1. Betriebsjahr abrechnen.

[…].

In weiterer Folge übermittelte die Beklagte der Klägerin eine Gutschrift zur Nr 3828000002 vom 24.3.2023 über EUR 133.200 inkl USt (Beilage ./B), anlässlich derer im Feld „Produkt/Dienstleistung“ der Text „KORREKTUR – Rechnung 3820000007 (1. Betriebsjahr noch nicht beendet)“ eingesetzt wurde.

Mit Rechnung Nr 3820000010 vom 25.4.2023 stellte die Beklagte der Klägerin unter Berufung auf den Wartungsvertrag für den Zeitraum 1.3.2023 bis 31.8.2023 abermals ein Wartungsentgelt von EUR 133.200 inkl USt sowie mit Rechnung Nr 3820000013 vom 4.9.2023 für den Zeitraum von 1.9.2023 bis 29.2.2024 ein Wartungsentgelt von EUR 142.830,48 inkl USt in Rechnung. Diese beiden Rechnungen bezahlte die Klägerin nicht.

Die Klägerin begehrte die Feststellungen,

1. dass die von der Beklagten mit Rechnung vom 25.4.2023 (Rechnungsnummer *) behauptete Forderung auf Wartungsentgelt für den Zeitraum 01.03.2023 - 31.08.2023 in Höhe von EUR 111.000 zuzüglich 20,00% USt (= 22.200), sohin EUR 133.200 gegenüber der Klägerin zur Gänze nicht zu Recht besteht;

2. dass die von der Beklagten mit Rechnung vom 4.9.2023 (Rechnungsnummer *) behauptete Forderung auf Wartungsentgelt für den Zeitraum 01.09.2023 - 29.02.2024 in Höhe von EUR 119.025,40 zuzüglich 20,00% USt (= 23.805,08), sohin EUR 142.830,48 gegenüber der Klägerin zur Gänze nicht zu Recht besteht;

3. dass die Beklagte gegenüber der Klägerin nicht berechtigt ist, für Zeiträume bis 9 Monate nach der vorläufigen Abnahme der letzten Windenergieanlage Forderungen auf zusätzliches Wartungsentgelt zu stellen.

Die Beklagte habe die Klägerin nicht zur vorläufigen Abnahme der Anlage aufgefordert. Das erste Betriebsjahr sei daher noch nicht beendet. Die Parteien hätten in Punkt 13.1.1. des Wartungsvertrags vereinbart, dass die Beklagte für Leistungen vor der vorläufigen Abnahme der letzten Tranche der Windenergieanlagen keinen Anspruch auf gesondertes Entgelt habe. Sie habe das Entgelt für das erste Betriebsjahr bezahlt, weitere Forderungen bestünden nicht zu Recht. Die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse an den begehrten Feststellungen, weil sich die Beklagte durch die Ausstellung der in Spruchpunkt 1 und 2 angeführten Rechnungen des Rechts berühme, weitere Forderungen aus Wartungsentgelten zu haben.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete – soweit im Berufungsverfahren von Relevanz - ein, die Klägerin habe die Anlagen de facto, aber aufgrund einzelner technischer Themen, die jedoch keine Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit der Anlagen hätten, noch nicht de iure abgenommen. Die Laufzeit des Wartungsvertrags habe mit Inbetriebnahme der ersten Windenergieanlage nach dem Errichtungsvertrag begonnen, im gleichen Zeitpunkt habe auch das erste Betriebsjahr des Wartungsvertrags zu laufen begonnen.

Der Wartungsvertrag unterscheide zwischen dem Betriebsjahr und dem für die Entgeltregelung maßgeblichen Vertragsjahr. Die Definition des „Betriebsjahres“ sei widersprüchlich, zumal zur Dauer ein „Zeitraum von jeweils zwölf aufeinanderfolgenden Monaten“ gemeint sei und danach der Aussage widersprochen werde, wenn es heiße, dass das erste Betriebsjahr im Zeitpunkt der Inbetriebnahme der ersten Windenergieanlage beginne und neun Monate nach der vorläufigen Abnahme ende. Unklarheiten des Wartungsvertrags seien zu Lasten der Klägerin als Vertragserrichterin auszulegen. Für die Berechnung des Pauschalentgelts nach dem Wartungsvertrag sei das Betriebsjahr ungeeignet, weil dieses Pauschalentgelt pro betriebener Windenergieanlage zustehe und auf deren Betrieb und nicht auf den des Windparks abstelle. Die Klägerin habe mit Rücksicht auf die Klauseln 13.4. und 13.1.2. einen Pauschalpreis pro Vertragsjahr zu zahlen. Die Begriffe Vertragsjahr und Betriebsjahr seien nicht synonym auszulegen.

Hilfsweise wurde eingewandt, die Pauschalpreisregelung sei lückenhaft. Aus dem mittels Pönalen abgesicherten Zeitplan des Errichtungsvertrages ergebe sich mit Blick auf die Punkte 8.1.16. sowie 8.1.21., dass „Leistungen [unter dem Wartungsvertrag] vor der vorläufigen Abnahme“ nach dem Zeitplan des Errichtungsvertrages über einen Zeitraum von längstens sieben Monaten zu erbringen seien. Die Windenergieanlagen seien mittlerweile 25 Monate in Betrieb, ohne dass die vorläufige Abnahme erfolgt sei. Der Fall, dass der Zeitraum zwischen Inbetriebnahme und vorläufiger Abnahme der Anlagen mehrere Jahre andauern könnte, sei bei Vertragserrichtung nicht bedacht worden.

Die Vertragsbestimmungen des Wartungsvertrags seien zudem sittenwidrig, weil die Vertragsauslegung der Klägerin zu einer krassem Äquivalenzstörung zwischen Leistung und Gegenleistung führe.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht den beiden ersten Feststellungsbegehren statt und wies das dritte Feststellungsbegehren – unbekämpft – ab. Es traf die auf den Seiten 6 bis 13 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird und die am Beginn der Entscheidungsgründe zusammengefasst wiedergegeben wurden.

Rechtlich kam das Erstgericht – soweit noch Gegenstand des Berufungsverfahrens – nach ausführlicher Darlegung der Judikatur zur Vertragsauslegung zum Ergebnis, dass die Regelungen des Wartungsvertrags nicht widersprüchlich seien. Die Dauer des Betriebsjahres sei mit einer Dauer von zwölf Monaten definiert, dies mit Ausnahme des ersten Betriebsjahres, das länger als zwölf Monate dauern könne. Der Beginn des folgenden Betriebsjahres sei mit neun Monaten nach der vorläufigen Abnahme deutlich festgemacht. Aus der Auslegung des Vertrags ergebe sich nicht, dass mit dem Begriff Vertragsjahr etwas anderes als mit Betriebsjahr gemeint sei.

Eine Lücke liege nicht vor, weil die Beklagte das Herbeiführen des Zeitpunkts der vorläufigen Abnahme von Anfang an in der Hand gehabt habe und immer noch habe.

Es liege auch keine sittenwidrige Regelung vor. Es sei klargestellt, dass die Beklagte rascher ins Stadium der Betriebsjahre nach dem ersten Betriebsjahr gelange, wenn sie weniger Zeit zwischen beiden Zeitpunkten „verstreichen“ lasse. Darin liege für die Beklagte Chance und Risiko. Die Schwelle zum groben Missverhältnis auszutauschender Leistungen sei mit der Regelung (noch lange) nicht überschritten.

Gegen die Stattgabe der ersten beiden Feststellungsbegehren richtet sich die Berufung der Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das bekämpfte Urteil im zur Gänze klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise das Urteil im Anfechtungsumfang aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

1.

Bei Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien zu erforschen (RS0017915 [T22]). Ist ein (übereinstimmender) konkreter Parteiwille nicht zu ermitteln, kommt der objektiven Vertragsauslegung unter Berücksichtigung des üblichen Verständnisses bestimmter Formulierungen und der redlichen Verkehrsübung entscheidende Bedeutung zu (RS0017797 [T18]). Auch dem Zweck der Regelung, den beide Teile redlicherweise unterstellen mussten, kommt maßgebliche Bedeutung zu (RS0017915 [T23]). Maßgebend ist also weder allein der Wille des Erklärenden noch die subjektive Auslegung des Erklärungsempfängers. Die Erklärung ist vielmehr so zu verstehen, wie ein redlicher Erklärungsempfänger die Erklärung verstehen konnte (RS0014205 [T30]). Bei der Vertragsauslegung können auch die sonstigen von den Parteien vor und bei Abschluss des Vertrags abgegebenen Erklärungen herangezogen werden (RS0017934).

Bei der Erforschung des wahren Parteiwillens handelt es sich um eine gemischte Frage (Quaestio mixta), bei der zwischen der Sammlung von Indizien für den Parteiwillen als Tatsachenfeststellung und deren rechtlicher Bewertung zu unterscheiden ist (RS0017797 [T11]). Dem Vertragsschluss nachfolgende Erklärungen oder Handlungen der Beteiligten können als Indiz zur Feststellung des seinerzeitigen Verständnisses beitragen (RS0017915 [T37]).

Kann mit den Auslegungsregeln des § 914 ABGB das Auslangen gefunden werden, liegt der Fall des § 915 2. Halbsatz ABGB (undeutliche Äußerung) nicht vor (RS0017752).

2. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das Erstgericht den Wartungsvertrag nicht unrichtig ausgelegt:

2.1. Ausgehend vom Wortsinn der relevanten Bestimmungen ist eine Widersprüchlichkeit nicht gegeben. Pkt 1.2.B 3. des Wartungsvertrags definiert den Begriff Betriebsjahr. Wie das Erstgericht ausgeführt hat, wird hierbei zwar das erste Betriebsjahr anders als die folgenden Jahr definiert. Dennoch ist die Bestimmung nicht widersprüchlich, weil sowohl der Zeitraum des ersten Betriebsjahres - „ beginnt im Zeitpunkt der Inbetriebnahme der ersten WEA und endet neun (9) Monate nach der vorläufigen Abnahme der letzten WEA.“ - als auch der weiteren Betriebsjahre – „ [ein] sich wiederholende[r] Zeitraum von jeweils zwölf aufeinanderfolgenden Monaten, der mit dem Ende des ersten Betriebsjahres beginnt. “ - eindeutig definiert ist.

2.2. Der von der Beklagten behauptete Bedeutungsunterschied zwischen den Begriffen „Betriebsjahr“ und „Vertragsjahr“ besteht ebenfalls nicht. Das Berufungsgericht teilt die Ansicht des Erstgerichts, dass es sich erkennbar um synonym verwendete Begriffe handelt. Wenn auch in Punkt 13.1.3. von „Vertragsjahr“ die Rede ist, zielt dies eindeutig auf die zuvor als „Betriebsjahr“ bezeichneten Zeiträume ab, was sich schon aus dem einleitenden Satz in Punkt 13.1.1. – „ Alle Preise sind Pauschalpreise/Betriebsjahr.“ - ergibt. Dass in diesem Fall die folgende Bestimmung 13.1.3., die lediglich die Höhe des Entgelts regelt, nicht einen anderen Zeitraum in der Vertrag einführt, der noch dazu an keiner Stelle definiert wird, liegt auf der Hand.

2.3. Gegen eine Auslegung dahingehend, der Beklagten stünde schon ein Entgelt für einen weiteren Abrechnungszeitraum zu, spricht aber auch ihr eigenes Verhalten. Nachdem sie die Rechnung Nr. * vom 3.3.2023 gelegt hatte, reagierte sie zustimmend auf den Einwand der Klägerin, dass sie sich noch im ersten Betriebsjahr befänden, und übermittelte eine Gutschrift über den Rechnungsbetrag.

Dieses Verhalten kann – wie unter Pkt 1. dargelegt – als Indiz für das Verständnis (auch) der Beklagten zur Entgeltregelung heranzogen werden.

Da damals schon ein Zeitraum von mehr als zwölf Monaten seit der Inbetriebnahme vergangen war, zeigt sich, dass auch die Beklagte der Regelung ein Verständnis beimaß, wonach das Wartungsentgelt nicht für einen Zeitraum von jeweils zwölf Monaten anfällt, sondern die vorläufige Abnahme der Anlage (und das Verstreichen von weiteren neun Monaten) für den Abschluss des ersten Betriebsjahres erforderlich ist.

2.4. Da keine undeutliche Regelung vorliegt, besteht keine Notwendigkeit zur Heranziehung der Unklarheitenregel des § 915 2. Halbsatz ABGB.

3. Die Beklagte argumentiert die Sittenwidrigkeit der Regelung mit dem Vorliegen einer krassen Äquivalenzstörung und macht in diesem Zusammenhang sekundäre Feststellungsmängel geltend.

3.1. Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblich (RS0017936). Sittenwidrigkeit im Sinne des § 879 ABGB kann nur dann angenommen werden, wenn die Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder bei Interessenkollision ein grobes Missverhältnis zwischen den durch die Handlung verletzten und den durch sie geförderten Interessen ergibt (RS0045886).

3.2. Fest steht, dass eine Abnahme der Anlage noch nicht erfolgt ist. Ausgehend vom Vertragsabschlusszeitpunkt war es zunächst Aufgabe der Beklagten, für eine termingerechte Abnahme der Anlagen zu sorgen. Somit liegt es aber primär in der Sphäre der Beklagten, wie lange das „erste Betriebsjahr“ dauert. Sie hat es in der Hand, ihre Verpflichtungen aus dem Errichtungsvertrag zu erfüllen und so die Voraussetzungen für die vorläufige Abnahme zu setzen. Sodann endet das erste Betriebsjahr neun Monate später und sie kann für die weiteren Betriebsjahre jeweils weitere Wartungsentgelte in Rechnung stellen. Dass sie für diese Tätigkeiten länger benötigt als nach dem Zeitplan des Errichtungsvertrags vorgesehen, macht die Regelung des Wartungsvertrags über die Dauer des ersten Betriebsjahres nicht sittenwidrig.

3.3. Es kommt somit nicht darauf an, welchen Aufwand die Beklagte bislang für die Wartungen zu tragen hatte, welchen Grad der technischen Verfügbarkeit die Anlagen erreichen bzw welchen Umsatz die Klägerin damit erwirtschaften konnte. Die gerügten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor.

3.4. Dass die Abnahme aus in der Sphäre der Klägerin gelegenen Gründen nicht erfolgt ist, wurde von der Beklagten nicht behauptet. Vielmehr führte die Beklagte selbst in der vorbereitenden Tagsatzung aus, dass es noch keine Aufforderung zur vorläufigen Abnahme durch die Beklagte gegeben habe.

Die weitere Argumentation der Beklagten, wonach es nicht richtig sein könne, dass das Entgelt ihrer Leistungen null Euro sei, egal wie lange und warum Verzögerungen unter dem Errichtungsvertrag andauern, überzeugt daher schon deshalb nicht, weil im konkreten Fall die Verzögerungen aus der Sphäre der Beklagten stammen.

4. Da die behauptete Teilnichtigkeit nicht vorliegt, besteht auch die von der Beklagten in ihrer Berufung behauptete Lücke nicht.

4.1. Selbst wenn man aber eine Lücke prüfen und bejahen würde – die Beklagte behauptete im erstinstanzlichen Verfahren eventualiter das Bestehen einer Lücke, weil nicht bedacht worden sei, dass ein Zeitraum von 25 Monaten bis zur vorläufigen Abnahme vergehen könne, vertritt diesen Standpunkt in der Berufung aber offenbar nicht mehr –, ist für die Beklagte nichts gewonnen:

4.2. Als Mittel der ergänzenden Vertragsauslegung kommen der hypothetische Parteiwille, die Übung des redlichen Verkehrs, der Grundsatz von Treu und Glauben sowie die Verkehrsauffassung in Betracht, wobei in erster Linie auf den Vertragszweck Bedacht zu nehmen ist (RS0017832). In dieser Hinsicht ist zu prüfen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien für den konkreten Fall vereinbart hätten (RS0017890 [T2]; RS0113932 [T3]).

4.3. In einer Konstellation wie der vorliegenden, bei der der Eintritt des für den Abschluss des ersten Betriebsjahres erforderlichen Bedingung (vorläufige Abnahme) aus in der Sphäre der Beklagten liegenden Gründen nicht erfolgt, hätten redliche und vernünftige Parteien keine abweichende Regelung getroffen.

Diese Ansicht kann sich wiederum auf die Reaktion der Beklagten auf die Einwände der Klägerin auf die weitere Rechnungslegung stützen, in der die Beklagte festhielt, dass sie die Ansicht teile, dass das erste Betriebsjahr mangels vorläufiger Abnahme noch nicht beendet sei, und eine Gutschrift über den Rechnungsbetrag ausstellte. Dieses Verhalten zeigt, dass auch die Beklagte der Ansicht war, dass ihr mangels vollständiger Erfüllung der sie treffenden Verpflichtungen noch kein zusätzliches Wartungsentgelt zusteht.

5. Sofern sich die Beklagte in ihrer Berufung (vgl Rz 37 bis 39) erstmals auf das Mäßigungsrecht nach § 1336 ABGB beruft, verstößt sie gegen das Neuerungsverbot. Ihr diesbezüglichen Ausführungen sind somit unbeachtlich.

6. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Bei Rechtsmittelschriften gebührt der ERV Zuschlag für Folgeeingaben und nicht jener für verfahrenseinleitende Schriftsätze ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 3.29).

7. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen. Die für die Entscheidung wesentlichen Punkte sind jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig, sodass keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt.