Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Glawischnig als Vorsitzende und die Richter Mag. Nigl und Mag. Zechmeister sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Stefan Varga und MMag. PhD Cornelia Axmann in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wider die beklagte Partei B* GmbH , **, D**, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 19.881,13 brutto sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 22.10.2024, **15, gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es einschließlich der unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Abweisung des Klagemehrbegehrens in Höhe von EUR 1.989,87 (gemeint: brutto) sA wie aus Spruchpunkt 2. des angefochtenen Urteils ersichtlich, insgesamt lautet:
„1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen EUR 19.881,13 samt 13,08 % Zinsen p.a. aus EUR 19.369,93 ab 1.2.2024, aus EUR 170,40 brutto ab 1.1.2024 und aus EUR 340,80 brutto seit 1.12.2023 zu bezahlen, wird abgewiesen.
2. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.490,78 (darin EUR 415,13 USt) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.308,32 (darin EUR 348,22 USt und EUR 1.219,-- an Barauslagen) bestimmten Kosten der Berufung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist zulässig.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war im Unternehmen der Beklagten von 1.8.2016 bis 31.1.2024 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Mit Schreiben vom 18.10.2023 kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis des Klägers schriftlich „unter Einhaltung der anzuwendenden Kündigungsfrist zum ehestmöglichen Termin auf“ und teilte mit, dass sein letzter Arbeitstag der 31.1.2024 sei (Beil./C). Gleichzeitig wurde der Kläger von 20.10.2023 bis 31.1.2024 unter Anrechnung auf offene Urlaubs- und Resturlaubsansprüche freigestellt (Beil./D).
Der Kläger begehrt EUR 19.881,13 brutto sA. Er brachte im Wesentlichen vor, er sei im Unternehmen der Beklagten als Außendienstmitarbeiter beschäftigt gewesen, wobei auf das Dienstverhältnis der Kollektivvertrag für Handelsangestellte zur Anwendung komme. Er habe für 2023 Anspruch auf ein kollektivvertragliches Gehalt in Höhe von EUR 5.145,27 brutto sowie für 2024 in Höhe von EUR 5.316,67 brutto zuzüglich eines Sachbezugs für einen Dienstwagen in Höhe von EUR 960,-- brutto gehabt. Die Beklagte habe es unterlassen, die kollektivvertraglichen Ist Lohnerhöhungen für 2023 und 2024 durchzuführen. Er sei Außendienstmitarbeiter der Beklagten in Österreich und für Ost Österreich zuständig gewesen. Der Ort an und von dem er seine Arbeit erbracht habe, sei sein Wohnort in **, in Österreich gewesen. Das Dienstverhältnis habe durch zeitwidrige Dienstgeberkündigung geendet. Auf das Dienstverhältnis komme gemäß Art 8 Rom I Verordnung das zwingende österreichische Arbeitsrecht inklusive des Kollektivvertrags für Handelsangestellte zur Anwendung. Das Dienstverhältnis hätte lediglich zum 31.3.2024 aufgekündigt werden können. Sein Dienstverhältnis könne sohin gemäß Abschnitt 1 Punkt J. Z. 1 des Kollektivvertrags lediglich zum Ende eines Kalendervierteljahrs gekündigt werden.
Auf das Dienstverhältnis komme gemäß Art 8 Abs 2 Rom I VO das österreichische Recht als Recht des Erfüllungsorts zur Anwendung. Selbst für den Fall, dass eine Rechtswahl getroffen worden wäre, kämen gemäß Art 8 Abs 2 Rom I VO jedenfalls die zwingenden Bestimmungen des österreichischen Arbeitsrechts zur Anwendung, insbesondere die Kündigungsbestimmungen und der österreichische Kollektivvertrag. Er habe darüber hinaus Anspruch gemäß § 3 Abs 2 LSD BG auf das kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbare Arbeitnehmer von vergleichbaren Arbeitgebern gebühre.
Der Kläger schlüsselte seine Klagsansprüche wie aus seinem Antrag auf Erlassung eines Europäischen Zahlungsbefehls (ON 1) und aus seinem vorbereitenden Schriftsatz ON 8 ersichtlich auf.
In der Tagsatzung vom 13.9.2023 (ON 10.1) brachte der Kläger ergänzend vor, dass die Rechtswahl dem Arbeitnehmer nicht den Schutz entziehen dürfe, der ihm durch zwingende Bestimmungen des an sich beschäftigungs- bzw niederlassungsabhängigen Arbeitsrechts (inklusive des normativ geltenden Kollektivvertrags) zukomme. Letztlich sei daher die Rechtswahl nur im Rahmen des Günstigkeitsprinzips wirksam. Die Bestimmungen des Kollektivvertrags für Handelsangestellte seien günstigere Bestimmungen, die mangels Rechtswahl auf das Dienstverhältnis zur Anwendung kämen, insbesondere da der Kläger seine Tätigkeit im Zweifelsfall im Handelsgewerbe verrichtet habe und dementsprechend eine Vereinbarung im Dienstvertrag davon nicht abweichen könne. Darüber hinaus stelle der Kollektivvertrag für Handelsangestellte eine Eingriffsnorm im Sinn des Art 9 Rom I VO dar und komme daher zwingend, inklusive Kündigungsbestimmungen und Ist Lohnerhöhungen für das Dienstverhältnis des Klägers zur Anwendung. Jedenfalls sei seit der Novelle des LSD BG mit BGBl I 2021/174, mit der § 2 Abs 3 LSD BG geändert worden sei, wonach bei Entsendungen über zwölf Monate ein vergleichbarer Kollektivvertrag, der am Arbeitsort für vergleichbare Arbeitnehmer von vergleichbaren Arbeitgebern gelte, zur Gänze zur Anwendung komme, diese Regelung auch analog für Arbeitnehmer von Arbeitgebern ohne Sitz in Österreich anzuwenden. Der Kläger habe demnach jedenfalls Anspruch auf die kollektivvertraglichen Ist Lohnerhöhungen.
Die Beklagte bestritt das Klagsvorbringen und beantragte Klagsabweisung. Sie brachte zusammengefasst vor, sie habe keinen Sitz in Österreich. Daher komme auf das Dienstverhältnis des Klägers kein Kollektivvertrag, somit auch nicht der Kollektivvertrag für Handelsangestellte zur Anwendung. Die vom Kläger ins Treffen geführte Bestimmung des § 3 Abs 2 LSD BG komme auf das Dienstverhältnis des Klägers zur Anwendung. Diese Bestimmung gelte gerade für Arbeitgeber wie die Beklagte, die keinen Sitz in Österreich hätten und daher eben auch nicht Mitglied einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft seien und somit kein Kollektivvertrag zur Anwendung komme. Da Arbeitgeber, die keinen Sitz in Österreich hätten, den österreichischen Kollektiverträgen nicht unterworfen seien, wäre ohne die Regelung des § 3 Abs 2 LSD BG bei einer ständigen Beschäftigung in Österreich zwar die Anwendung österreichischer Arbeitsbedingungen, die auf Gesetz beruhten, gesichert, nicht jedoch die kollektivvertraglichen Regelungen. Um die Gefahr eines Lohn- und Sozialdumpings hintanzuhalten, werde daher in § 3 Abs 2 LSD BG ein zwingender Anspruch des Arbeitnehmers eines ausländischen Arbeitgebers auf jenes gesetzliche oder kollektivvertragliche Entgelt normiert, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebühre. Der Zweck der zitierten Bestimmung im LSD BG sei daher, dass gewährleistet sein solle, dass selbst die Arbeitgeber, für die kein Kollektivvertrag zur Anwendung komme, zumindest das kollektivvertragliche Mindestgehalt von vergleichbaren Arbeitnehmern zahlen müssten, um eben Lohndumping zu vermeiden. Diese Bestimmung beziehe sich aber ausdrücklich nur auf das Mindestgehalt, das nicht unterschritten werden dürfe, und nicht auf kollektivvertragliche Gehaltserhöhungen oder sonstige Bestimmungen des Kollektivvertrags wie zB Kündigungsfristen.
Aus den vom Kläger selbst vorgelegten Lohn- und Gehaltsabrechnungen seit deutlich ersichtlich, dass weit über dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt entlohnt worden sei, sodass damit § 3 Abs 2 LSD BG mehr als Genüge getan worden sei und sich daraus keinerlei weitere Ansprüche ergäben. Mangels Anwendbarkeit eines Kollektivvertrags bestehe sohin kein Anspruch auf vom Kläger nunmehr geltend gemachte kollektivvertragliche Gehaltserhöhungen und sonstige Nachzahlungen. Auch die Bestimmungen zu Kündigungsfristen und Kündigungsterminen des Kollektivvertrags für Handelsangestellte seien unbeachtlich, sodass die Kündigung seitens der Beklagten fristgerecht erfolgt sei und keinerlei Anspruch auf Kündigungsentschädigung bestehe. Der Kläger habe sämtliche ihm zustehenden offenen Ansprüche mit der Endabrechnung ausbezahlt erhalten, darüber hinausgehende Ansprüche bestünden nicht.
Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Erstgericht Folgendes aus:
„1.) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen EUR 17.891,26 brutto samt 13,08 % Zinsen seit 1.2.2024 zu bezahlen sowie die mit EUR 3.093,07 (darin EUR 396,71 USt und EUR 712,80 Barauslagen) zu ersetzen.
2.) Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei weiters schuldig der klagenden Partei EUR 1.989,87 samt 12,58 % Zinsen aus EUR 340,80 seit 1.12.2023 sowie 13,08 % Zinsen aus EUR 170,40 seit 1.1.2024 sowie 13,08 % Zinsen aus EUR 1.478,67 seit 1.2.2024 zu bezahlen wird abgewiesen.“
Das Erstgericht stellte den auf den Seiten 3 bis 11 des angefochtenen Urteils ersichtlichen Sachverhalt fest, auf den verwiesen wird.
Hervorzuheben sind folgende Feststellungen:
„Der Kläger war in seiner Funktion als Außendienstmitarbeiter für die Region Ost-Österreich (Oberösterreich, Niederösterreich, Wien, Burgenland, Steiermark, Kärnten) verantwortlich. Er betreute dieses Gebiet aus dem Home-Office aus an seinem Wohnort **. Der Kläger war ursprünglich bei der C* GmbH seit 01.08.2016 beschäftigt, wobei das Dienstverhältnis im Rahmen eines Betriebsüberganges auf die beklagte Partei überging. Die Hauptteil seiner Arbeit als Verkäufer im Außendienst war der Vertrieb von Fahrrädern hauptsächlich bei Fahrradhändlern für das Gebiet Ost-Österreich.
Ein Mal pro Quartal war der Kläger am Unternehmensstandort in ** zu Besprechungen. Beim Abschluss des Einstellungsvertrages wurde über das anzuwendende Recht nicht gesprochen, auch nicht darüber, was es bedeutet, „außertariflicher Mitarbeiter“ zu sein.
Der Einstellungsvertrag des Klägers vom 18.6.2020 lautet wie folgt (Beilage ./A):
§ 1
Vertragsverhältnis
Herr A* wird ab 01.07.2020 dem bei der Firma D* GmbH eingestellt. Das Anstellungsverhältnis ist unbefristet. Die ordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages vor Dienstantritt ist ausgeschlossen. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt unberührt.
Aufgrund des derzeitigen Tätigkeitsfeldes und der gesamthaften Vertragsbedingungen sind Sie außertariflicher Mitarbeiter.
Die frühere Betriebszugehörigkeit zu einer Einheit der E* Gruppe vom 01.08.2016 bis zum 30.06.2020 wird angerechnet.
§ 2
Tätigkeit
Der Arbeitnehmer wird als Sales Representative PBP eingestellt. Die Unterstellung ergibt sich aus dem jeweils gültigen Organigramm. […]
§ 3
Vergütung
Die Vergütung des Arbeitnehmers besteht aus einem Fixum (Grundgehalt) und einer variablen Vergütung gemäß Zielvereinbarung (Zielprämie).
3.1 Fixum
Der Arbeitnehmer erhält eine Jahresbruttovergütung von 54.625,00 €, welche in 14 monatlichen gleichbleibenden Beträgen ausgezahlt wird.
Überstunden werden nicht gesondert vergütet, sondern sind mit der fixen Jahresbruttovergütung abgegolten, soweit sie einen Umfang von 20 % der vereinbarten Arbeitszeit nicht überschreiten.
Die Zahlung erfolgt bargeldlos auf das dem Arbeitgeber benannten Konto des Arbeitnehmers.
3.2 Bonus
Der Arbeitnehmer erhält als variablen Vergütungsbestandteil einen erfolgsabhängigen Bonus, dessen Höhe maximal 30 % der unter § 3.1 vereinbarten Jahresbruttovergütung beträgt. Die Festlegung der den Bonus bestimmenden Zielgrößen erfolgt jährlich entsprechend den betrieblichen Regelungen. Im Ein- und Austrittsjahr erfolgt die Bonuszahlung zeitanteilig entsprechend der Betriebszugehörigkeit.
3.3 Firmenfahrzeug
Dem Arbeitnehmer wird zur Ausübung seiner Tätigkeit ein Firmenfahrzeug zur Verfügung gestellt. Der Arbeitnehmer ist berechtigt, das Firmenfahrzeug in angemessenem Umfang privat zu nutzen. Der geldwerte Vorteil aus der privaten Nutzung des Dienstwagens wird ab dem Monat der Übergabe monatlich - unabhängig vom tatsächlichen Übernahmezeitpunkt in dem Monat - gemäß Lohnsteuerrichtlinie (Abschn. 31 Abs. 9 und Abschn. 42 LStR) derzeit zu monatlich 1 % vom Bruttolistenpreis (Neupreis) des Fahrzeuges mit der jeweiligen Gehaltsabrechnung versteuert.
[...]
§ 5
Arbeitsverhinderung und Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall
[...]
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 616 BGB wird bei Erkrankung eines Kindes ausgeschlossen. Der Arbeitnehmer wird darauf hingewiesen, dass er unter den Voraussetzungen des § 45 SGB V Pflegekrankengeld beanspruchen kann.
[…]
§ 8
Probezeit/Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Die Probezeit entfällt.
Nach der Probezeit beträgt die beiderseitige Kündigungsfrist 2 Monate zum Monatsende. Die Kündigung bedarf der Schriftform. Bei grob fahrlässigen Handlungen ist der Arbeitgeber berechtigt, eine fristlose Kündigung auszusprechen.
Im Falle einer Kündigung ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer für die Dauer der Kündigungsfrist unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit frei zu stellen. Im Falle einer Freistellung, sind die durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Betriebsmittel, inkl. PKW am Tage des Beginns der Freistellung an den Arbeitgeber zurück zu geben.
Das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung seitens der Firma bedarf, mit dem Erreichen der rentenrechtlichen Altersgrenze, derzeit mit Vollendung des 67. Lebensjahres.
Sollte sich die rentenrechtliche Altersgrenze ändern, so gilt als Beendigungszeitpunkt für das Arbeitsverhältnis die dann gültige Altersgrenze.
Außerdem endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem eine Berufsunfähigkeitsrente oder volle unbefristete Erwerbsminderungsrente oder volle Erwerbsminderungsrente, deren Befristung bis zum Eintritt des jeweiligen gesetzlichen Rentenalters reicht, zuerkannt wird. Der Rentenbescheid ist unverzüglich vorzulegen.
Bei rückwirkendem Rentenbescheid endet das Anstellungsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem ihnen der Bescheid des Rentenversicherungsträgers zugestellt wird.
[…]
§ 15
Erfüllungsort und Gerichtsstand
Erfüllungsort ist **. Dieser Erfüllungsort ist maßgeblich für Streitigkeiten aus diesem Vertrag und über sein Bestehen hinaus. Gerichtsstand für beide Vertragsparteien ist das für den Erfüllungsort zuständige Arbeitsgericht.
[...]
§ 16
Zurverfügungstellung der monatlichen Gehaltsabrechnung
Die Zurverfügungstellung der monatlichen Gehaltsabrechnung erfolgt auf elektronischem Wege mit einem vom Arbeitgeber vorgegebenen Medium.
Die gesetzlichen Erfordernisse und Bestimmungen nach dem Datenschutzgesetz (BDSG), der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), BGB § 126b und 108 GewO sind hierbei einzuhalten.
[…].
Der Kläger erhielt zuletzt folgende Auszahlungen:
Jänner 2023 EUR 2.874,70 netto (Gehalt brutto EUR 4.833,00), Februar 2023 EUR 5.120,87 netto (Gehalt brutto EUR 10.142,50), März 2023 EUR 2.941,24 netto (Gehalt brutto EUR 5.934,67), April 2023 EUR 3.441,28 netto (Gehalt brutto EUR 5.934,67), Mai 2023 EUR 5.191,71 netto (Gehalt brutto EUR 10.284,17), Juni 2023 EUR 6.854,07 netto (Gehalt brutto EUR 10.909,34), Juli 2023 EUR 2.941,24 netto (Gehalt brutto EUR 5.934,67), August 2023 EUR 3.637,55 netto (Gehalt brutto EUR 7.239,52), September 2023 EUR 2.941,24 netto (Gehalt brutto EUR 5.934,67), Oktober 2023 EUR 3.657,47 netto (Gehalt brutto EUR 7.277,83), November 2023 EUR 4.974,87 brutto Dezember 2023 EUR 4.974,87 brutto Jänner 2024 EUR 6.066,60 netto (Gehalt brutto EUR 11.240,99).
Mit Schreiben vom 18.10.2023 kündigte die beklagte Partei das Dienstverhältnis des Klägers „unter Einhaltung der anzuwendenden Kündigungsfrist zum ehestmöglichen Termin auf“ und teilte mit, dass sein letzter Arbeitstag der 31.01.2024 ist (Beilage ./C). Gleichzeitig wurde der Kläger von 20.10.2023 bis 31.01.2024 unter Anrechnung auf offene Urlaubs- und Resturlaubsansprüche freigestellt (Beilage ./D).
Wäre die beklagte Partei ein Unternehmen mit Sitz in Österreich, wäre der Kollektivvertrag für Handelsangestellte anwendbar (Außerstreitstellung ON 10.5).
Der Kläger wäre bei Anwendbarkeit des Kollektivvertrages für Handelsangestellte in die Verwendungsgruppe E/3 einzustufen gewesen, wodurch sich im Jahr 2022 eine Überzahlung von € 2.543,67 auf das kollektivvertragliche Mindestgehalt (in Höhe von € 2.431,00) ergeben hätte.
Der geldwerte Vorteil aus der privaten Nutzung des Dienstwagens betrug zuletzt EUR € 960,00. (Beilage ./B)
Rechtlich führte das Erstgericht zusammengefasst aus, dass die Parteien bei Abschluss des Arbeitsvertrags des Klägers eine Rechtswahl in Bezug auf deutsches Recht vorgenommen hätten. Die Beklagte habe weder eine Niederlassung noch ein Büro oder eine sonstige Vertretung in Österreich. Die Verweisung im Dienstvertrag des Klägers auf Regelungen des deutschen Rechts (BGB, SGB, BDSG) sowie die Benutzung deutscher Rechtsbegriffe (außertariflicher Mitarbeiter, Pflegekrankengeld, Rentenversicherung) sei ein deutliches Indiz dafür, dass die Parteien ohne weiteres von der Anwendbarkeit deutschen Rechts ausgegangen seien.
Die Rechtswahl beziehe sich grundsätzlich auf die Sachnormen der gewählten Rechtsordnung einschließlich seiner zwingenden Vorschriften. Gehe es um die Beendigung eines Arbeitsvertragsverhältnisses, seien auch die allgemeinen Kündigungsschutznormen der gewählten Rechtsordnung einzuhalten, sofern sie nicht nach Art 8 Abs 1 Rom I VO durch für den Arbeitnehmer noch günstigere zwingende Bestimmungen des Rechts des Arbeitsorts verdrängt würden. Der Arbeitsort des Klägers sei unstrittig in Österreich gewesen. Erfolge eine Rechtswahl, so finde sich in der Rom I VO eine Schutzklausel für Arbeitnehmer. Danach sei nach dem Günstigkeitsprinzip zu untersuchen, ob das vereinbarte ausländische Recht den im Inland tätigen Arbeitnehmer schlechter stelle als das österreichische. Wenn dies zutreffe, dann gälten trotz Rechtswahl die günstigeren zwingenden österreichischen Arbeitsrechtsnormen. Dieser Günstigkeitsvergleich sei von Amts wegen vorzunehmen.
Kollektivvertragliche Regelungen seien ebenso wie Betriebsvereinbarungen Bestandteil des Arbeitsvertragsstatuts im Sinn des Art 8 Rom I VO, soweit eine formale gesetzliche Inkorporation erfolge. Sie könnten darüber hinaus aus österreichischer Sicht nach § 3 Abs 2 LSDBG (früher § 7 AVRAG) für ausländische Arbeitnehmer in Österreich (Zugehörigkeit zu einem ausländischen Betrieb) unabhängig von einem ansonsten anwendbaren Recht zur Geltung kommen. In den Günstigkeitsvergleich seien sie miteinzubeziehen.
Erfasst seien auch Regelungen aus Kollektivverträgen, soweit sie allgemeine Anwendung fänden, wie dies beispielsweise in Österreich kraft Norm- und Außenseiterwirkung der Fall sei. Damit seien insbesondere kollektivvertragliche Arbeitszeiten-, Gehalts-, Ruhe- und Freizeitregelungen im Günstigkeitsvergleich zu beachten. Auch Mindestlohnvorschriften könnten verglichen werden, sofern sie für das konkrete Arbeitsverhältnis relevant seien, also nicht im Fall einer Überzahlung.
Im Arbeitsvertrag des Klägers sei eine beiderseitige Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Monatsende vereinbart worden. Der Kollektivvertrag für Handelsangestellte verweise hinsichtlich der Kündigung auf das Angestelltengesetz. Nach § 20 AngG könne der Dienstgeber das Dienstverhältnis mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres durch vorgängige Kündigung lösen, wobei die Kündigungsfrist sechs Wochen betrage, sich nach dem vollendeten zweiten Dienstjahr auf zwei Monate und nach dem vollendeten fünften Dienstjahr auf drei Monate erhöhe.
Günstigere Rechtsvorschriften nach dem deutschen Recht seien nicht behauptet worden. Auszugehen sei daher davon, dass nach deutschem Recht richtig abgerechnet worden sei. Das österreichische Recht sei in diesem Zusammenhang daher für den Kläger günstiger und komme hinsichtlich der Kündigungsbestimmungen zur Anwendung. Im gegenständlichen Fall daher drei Monate zum Quartal. Die Kündigung sei daher im Ergebnis fristwidrig erfolgt, weshalb dem Kläger bei Zustellung des Kündigungsschreibens im Oktober 2023 und tatsächlicher Bezahlung bis 31.1.2024 noch eine Kündigungsentschädigung samt Sonderzahlungen und Quartalsbonus von 1.2.2024 bis 31.3.2024 zuzusprechen sei. Dies allerdings in der Höhe des zuletzt bezogenen Entgelts, da eine Erhöhung von überkollektivvertraglichen Entgelten weder von § 3 Abs 2 LSD BG noch von Art 8 Rom I VO erfasst sei. Ausgehend davon errechne sich ein Anspruch des Klägers in Höhe von insgesamt EUR 17.891,26 brutto. Das darüber hinausgehende Klagebegehren sei abzuweisen gewesen.
Gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils (Spruchpunkt 1.) richtet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im zur Gänze klagsabweisenden Sinn abzuändern.
Der Kläger beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist berechtigt .
Die Beklagte führt in ihrer Berufung zusammengefasst aus, die vom Erstgericht zitierten Kommentarstellen, wonach Bestimmungen eines Kollektivvertrags, sofern eine formale gesetzliche Inkorporation erfolge, Teil des Arbeitsvertragsstatus im Sinn des Art 8 Rom I VO seien und darüber aus österreichischer Sicht nach § 3 Abs 2 LSD BG für ausländische Arbeitnehmer in Österreich unabhängig vom ansonsten anwendbaren Recht zur Geltung kommen könnten, würden sich - auch und insbesondere in Zusammenschau mit der genannten Literatur und auf die verwiesene Rechtsprechung - auf Mindestentgeltvorschriften und nicht auf allfällige Bestimmungen zur Beendigung eines Dienstverhältnisses beziehen.
Nur die Mindestentgeltvorschriften seien durch § 2 Abs 3 LSD BG und § 3 Abs 2 LSD BG gesetzlich inkorporiert, nicht jedoch von der Norm abweichende Kündigungsbestimmungen. Die Auffassung des Erstgerichts, dass auf Grundlage des Art 8 Rom I VO zwingend die Bestimmungen des Kollektivvertrags für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben in Bezug auf die Beendigung des Dienstverhältnisses des Klägers anzuwenden seien, sei ein „denkunmöglicher Größenschluss“, der zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts geführt habe. Außerdem erfasse § 2 Abs 3 LSD BG nur entsandte Arbeitnehmer, nicht aber Arbeitsverhältnisse von Arbeitgebern ohne Sitz in Österreich. Zudem nehme der Gesetzgeber selbst bei Anwendbarkeit eines Kollektivvertrags auf entsandte Arbeitnehmer in § 2 Abs 3 LSD BG ausdrücklich die Bestimmungen zur Beendigung des Dienstverhältnisses aus. Würde stets ein Kollektivvertrag anwendbar sein, dann hätte es der Bestimmungen des LSDBG bzw des AVRAG nicht erfordert.
Überdies weiche das Erstgericht mit seiner Rechtsansicht zum Günstigkeitsvergleich von der Entscheidung 9 ObA 103/05w ab. In dieser Entscheidung halte der Oberste Gerichtshof klar fest, dass die Mindestentgeltvorschriften über das LSD BG zur Anwendung gelangten, nicht jedoch sonstige kollektivvertragliche Bestimmungen und insbesondere nicht Bestimmungen zur Beendigung eines Dienstverhältnisses.
Mangels Anwendbarkeit des Kollektivvertrags für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben sei die Kündigung des Klägers letztlich völlig im Einklang mit § 20 AngG ausgesprochen worden. Dass nämlich die von den Streitteilen getroffene Vereinbarung, wonach die Kündigungsfrist am Letzten eines jeden Kalendermonats ende, anstatt zu Quartalsende, ohne jede weitere Voraussetzung zulässig sei, sei gesetzlich in § 20 Abs 3 AngG ausdrücklich vorgesehen und damit jedenfalls zulässig. Diese Vereinbarung sei vom Erstgericht bei seiner rechtlichen Beurteilung nicht bedacht worden, was zu einer weiteren unrichtigen rechtlichen Beurteilung geführt habe. Aufgrund der Dauer des Dienstverhältnisses des Klägers vom 1.8.2016 bis 31.1.2024 sei daher eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende bei arbeitgeberseitiger Kündigung einzuhalten. Diese sei auch eingehalten worden. Die am 18.10.2023 ausgesprochene Dienstgeberkündigung sei somit unter Beachtung der gesetzlichen dreimonatigen Kündigungsfrist gemäß § 20 AngG sowie des vereinbarten Kündigungstermins jeweils zum Monatsende rechtmäßig erfolgt.
Der Kläger repliziert in seiner Berufungsbeantwortung zusammengefasst wie folgt:
Vorliegendenfalls sei weder eine ausdrückliche noch konkludente Rechtswahl für deutsches Recht getroffen worden. Dementsprechend richte sich das Recht nach dem österreichischen Arbeitsrecht. Selbst für den Fall, dass eine Rechtswahl für deutsches Recht getroffen worden sei, kämen jedoch zwingend die günstigeren Bestimmungen des Erfüllungsstaats gemäß Art 8 Abs 1 Rom I VO zur Anwendung sowie die Eingriffsnormen gemäß Art 9 Rom I VO. Nach den Feststellungen sei der Kläger nahezu ausschließlich in Österreich tätig gewesen und lediglich pro Quartal ein Mal am Unternehmensstandort in ** zu Besprechungen gekommen. Das auf den Arbeitsort anzuwendende Recht sei sohin österreichisches Recht. Der Kläger dürfe durch eine etwaige Rechtswahl nicht dem zwingenden Schutz des österreichischen Rechts entzogen werden. Darüber hinaus kämen zwingend Eingriffsnormen nach dem österreichischen Recht zur Anwendung. Die Bestimmungen des Kollektivvertrags für Handelsangestellte seien günstigere Bestimmungen, die mangels Rechtswahl auf das Dienstverhältnis des Klägers zur Anwendung kämen. Damit kämen die Beendigungsbestimmungen des Kollektivvertrags zur Anwendung. Unter Berücksichtigung der Anwendbarkeit des Abschnitt 1 J. Z. 1 des Kollektivvertrags für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben hätte das Dienstverhältnis des Klägers lediglich zum Ende des Kalendervierteljahres gekündigt werden können und sei die Kündigung durch die Beklagte daher zeitwidrig erfolgt.
Würde man der Interpretation der Beklagten folgen, dass für Arbeitnehmer ohne Arbeitgeber mit Sitz in Österreich mangels der gesetzlichen Verankerung in § 3 Abs 2 LSD BG nur die Entgeltbestimmungen eines Kollektivvertrags anwendbar seien und die sonstigen günstigeren Bestimmungen von Kollektivverträgen nicht zur Anwendung kämen, würde dies eine massive Schlechterstellung von derartigen Arbeitnehmern im Vergleich zu Arbeitnehmern von Arbeitgebern mit Sitz in Österreich darstellen. Es sei zu hinterfragen, ob eine derartige Regelung vom Gesetzgeber gewollt sein könnte.
Eine solche Regelung würde darüber hinaus auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit im Sinn des Art 45 AUEV einschränken. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit im Sinn des Art 45 Abs 2 AEUV ziele nicht nur auf Entgeltbestimmungen, sondern auch auf unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern generell auf Beschäftigung und sonstige Arbeitsbedingungen ab. Es läge diesfalls eine mittelbare Diskriminierung ohne Rechtfertigung im Sinn des Art 45 AEUV vor. Aufgrund der direkten Anwendbarkeit des Art 45 AEUV hätte der Kläger einen Anspruch darauf, dass die günstigeren kollektivvertraglichen Kündigungsregelungen hinsichtlich des Quartaltermins ab einer Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren auch auf sein Dienstverhältnis zur Anwendung kämen. Sollte das Berufungsgericht dieser Auffassung nicht folgen, werde angeregt, ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art 267 AEUV beim EuGH einzuleiten.
Das Berufungsgericht hat dazu Folgendes erwogen:
1. Die Auffassung des Klägers, dass vorliegendenfalls keine konkludente Rechtswahl für deutsches Recht zwischen den Parteien getroffen worden sei, ist unrichtig. Vielmehr hat das Erstgericht diese Rechtsfrage in Einklang mit der ständigen - auch zitierten - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs richtig begründet (Näheres dazu siehe Seite 11 f des angefochtenen Urteils). Zur Vermeidung von Wiederholungen kann daher darauf verwiesen werden, zumal der Kläger keine stichhaltigen Argumente gegen die diesbezügliche rechtliche Beurteilung des Erstgerichts in seiner Berufungsbeantwortung ins Treffen führt.
1.1. So geht das Hauptargument des Klägers, dass offenkundig ein standardisierter Arbeitsvertrag verwendet worden sei, ins Leere, weil dies kein stichhaltiges Argument gegen die Annahme der schlüssigen Rechtswahl für deutsches Recht darstellt. Auch in der vom Erstgericht zitierten Entscheidung 8 ObA 34/14d , in der der Oberste Gerichtshof eine konkludente Rechtswahl zu Gunsten deutschen Rechts als gegeben ansah, lag ein „standardisierter Anstellungsvertrag“ vor, was aber vom Obersten Gerichtshof nicht von seiner Rechtsauffassung abgehen ließ, dass eine konkludente Rechtswahl zu Gunsten deutschen Rechts gegeben gewesen sei. Vielmehr lag insofern ein dem gegenständlichen Fall vergleichbarer Sachverhalt vor.
1.2. Wie das Erstgericht richtig hervorgehoben hat, spricht auch die Verweisung im Dienstvertrag des Klägers auf Regelungen des deutschen Rechts sowie die Benutzung deutscher Rechtsbegriffe dafür, dass die Parteien konkludent von der Anwendbarkeit deutschen Rechts ausgegangen sind. Auch in dem vom Obersten Gerichtshof zu 8 ObA 34/14d behandelten Fall hatte die beklagte Dienstgeberin – wie hier - weder eine Niederlassung, noch ein Büro oder eine sonstige Vertretung in Österreich.
2. Vorliegendenfalls kommt unstrittig die Verordnung (EG) Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), ABl 2008 L 177 S 6 (im Folgenden kurz: Rom I VO) zur Anwendung. Diese enthält ein einheitliches Kollisionsrecht für vertragliche Schuldverhältnisse (vgl Art 1 Rom I VO). Sie erfasst Verträge, die - wie hier - ab dem 17.12.2009 geschlossen wurden (Art 28 Rom I VO). Inhaltlich baut sie auf dem Europäischen Schuldvertragsübereinkommen (EVÜ) auf, das mangels Rückwirkung der Rom I VO für Altverträge maßgebend bleibt (vgl Musger in KBB 7 Vor Art 1 Rom I VO Rz 1). Als Rechtsakt des Unionsrechts ist die Rom I VO unmittelbar anwendbar; sie hat Vorrang vor allenfalls entgegenstehenden Bestimmungen des nationalen Rechts (vgl Musger aaO Rz 2).
2.1. Gemäß Art 8 Abs 1 erster Satz Rom I VO unterliegen Individualarbeitsverträge dem von den Parteien nach Art 3 Rom I VO gewählten Recht. Nach Art 8 Abs 1 zweiter Satz Rom I VO darf die Rechtswahl der Parteien jedoch nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach den Absätzen 2, 3 und 4 des vorliegenden Artikels mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Es ist daher - wie in Art 6 Rom I VO - ein Günstigkeitsvergleich anzustellen. Da somit hier eine Rechtswahl gegeben ist, sind die Art 8 Abs 2 und 3 Rom I VO nicht anzuwenden (siehe dazu Musger aaO Art 8 Rom I VO Rz 2 mwN).
2.2. Aufgrund des Art 8 Abs 2 zweiter Satz Rom I VO darf dem Arbeitnehmer nicht der Schutz der zwingenden Bestimmungen jenes Rechts entzogen werden, das bei Fehlen einer Rechtswahl anwendbar wäre. Zu diesen zwingenden Regelungen gehört in Österreich insbesondere § 3 Abs 2 LSD BG, wonach ein Arbeitnehmer, der seinen gewöhnlichen Arbeitsort in Österreich hat, Anspruch zumindest auf jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelte hat, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt ( MusgeraaO Rz 1 mwN; vgl zur Vorgängerbestimmung des § 7 AVRAG 9 ObA 103/05w).
3. Die zwingende Regelung des § 3 Abs 2 LSD BG hat - wie die Beklagte in ihrer Berufung richtig anmerkt – im gegenständlichen Fall keine maßgebliche rechtliche Relevanz.
3.1. Unabhängig von der Frage, ob der vorliegende Fall überhaupt in den Geltungsbereich des LSD BG fällt, normiert nämlich § 2 Abs 3 LSD BG ua, dass Kollektivvertragsbestimmungen betreffend „Verfahren, Formalitäten und Bedingungen für den Abschluss und die Beendigung des Arbeitsvertrages“ keine Anwendung finden. Unabhängig davon, welcher der drei Fälle des § 3 LSD BG gegeben ist, sind somit auf Basis des LSD BG kollektivvertragliche Bestimmungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht anwendbar (Näheres dazu siehe Wiesinger , Die Anwendbarkeit österreichischen Rechts für Arbeitnehmer mit ständigem Arbeitsort in Österreich, deren Arbeitgeber keinen Sitz in Österreich haben, ASoK 2023, 38).
3.2. Das LSD BG enthält auch sonst keine relevanten Bestimmungen in Bezug auf den vorliegenden Fall. Das LSD BG bezieht sich nämlich nicht auf Fragen der Beendigung eines Dienstverhältnisses, sondern auf arbeitsrechtliche Ansprüche wie „Anspruch auf Mindestentgelt“ (§ 3 LSD BG), „Urlaubsanspruch“ (§ 4 LSD BG), „Anspruch auf Einhaltung der Arbeitszeit und der Arbeitsruhe“ (§ 5 LSD BG) und auf „Regelungen für die grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung“ (§ 6 LSD BG).
4. Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass das LSD BG im gegenständlichen Fall keine rechtliche Relevanz hat und damit im Rahmen des hier vorzunehmenden Günstigkeitsvergleichs nicht berücksichtigt werden kann.
5. Zwischen den Parteien ist - zu Recht - unstrittig, dass bei dem vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich die Kündigungsschutznormen des österreichischen Rechts für den Kläger günstiger sind als die des deutschen Rechts. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Frage, aus welchen konkreten Gründen und aufgrund welcher Überlegungen dieser Günstigkeitsvergleich eine Anwendbarkeit österreichischen Rechts in Bezug auf die hier entscheidungswesentlichen Fragen der Kündigungstermine und Kündigungsfristen Anwendung findet, kann somit dahinstehen.
6. Zwischen den Parteien ist weiters - zu Recht - unstrittig, dass die zu Gunsten des Klägers als Arbeitnehmer einseitig zwingenden (Kündigungs )Bestimmungen des § 20 Abs 2 bis 5 AngG Anwendung finden (Näheres dazu siehe Reissnerin ZellKomm³ § 20 AngG Rz 49 ff jmwN).
7. Strittig ist vor allem, ob im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs nach Art 8 Abs 1 Rom I VO auch der Kollektivvertrag für Handelsangestellte heranzuziehen ist, welcher vorliegendenfalls anwendbar wäre, wenn die Beklagte ein Unternehmen mit Sitz in Österreich wäre (vgl Außerstreitstellung ON 10.5 und Seite 10, vorletzter Absatz des angefochtenen Urteils).
Soweit für das Berufungsgericht ersichtlich, gibt es zu dieser Frage in Bezug auf Art 8 Abs 1 Rom I VO noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.
8. In der Lehre werden zu dieser Frage unterschiedliche Auffassungen, großteils unbegründet oder unzureichend begründet, vertreten. Zum Teil sind die diesbezüglichen Ausführungen in der Lehre auch unklar und missverständlich.
8.1. Eckhart/Dogjevic (in Laimer , IPR Praxiskommentar, Art 8 Rom I VO [2024] Rn 13 f) führen dazu aus, dass Vorschriften in den Günstigkeitsvergleich einzubeziehen seien, von denen durch Vereinbarung nicht abgewichen werden dürfe. Davon erfasst seien einfach zwingende Bestimmungen unabhängig davon, ob sie zweiseitig zwingend seien oder ob sie nur zum Vorteil des Arbeitnehmers abbedungen werden könnten. Es müsse sich jedenfalls um solche Bestimmungen handeln, welche dem Schutz des Arbeitnehmers dienten. Sie müssten nicht unbedingt zivilrechtlichen Ursprungs sein. Dazu zählten auch typischerweise öffentlich rechtliche Materien, wie Arbeitshygiene und Sicherheit am Arbeitsplatz. Relevante Schutzvorschriften könnten sich auch aus den Kollektivverträgen ergeben. In Österreich gehörten dazu Bestimmungen wie § 3 Abs 2 LSD BG. Es sei auch nicht erforderlich, dass die Bestimmung ausschließlich auf den Schutz von Arbeitnehmern abziele. Auch allgemein zivilrechtliche Bestimmungen fielen darunter, wenn sie zwingend seien.
Die - für den gegenständlichen Fall wesentlichen - Ausführungen, dass „relevante Schutzvorschriften sich auch aus den Kollektivverträgen ergeben können“ , begründen diese Autoren lediglich in einer Fußnote mit der Auffassung von „Giuliano/Lagarde 25“.
8.2. Wolfgruber Ecker (in ZellKomm³ Art 9 Rom I VO Rz 12) führen aus, dass unter zwingenden Bestimmungen des anzuwendenden Rechts im Sinn des Art 8 Rom I VO all jene Vorschriften des Vertragsstatus zu verstehen seien, von denen durch vertragliche Vereinbarungen nicht abgewichen werden könne und die dem Schutz des Arbeitnehmers dienten. Darunter fielen nicht nur Gesetzesbestimmungen, sondern auch Kollektivverträge, Mindestlohntarife oder Satzungen . Dass darunter auch „Kollektivverträge“ fallen, begründen diese Autoren lediglich mit einem Verweis auf „Wagnest, ASoK 2009, 173“ .
8.3. Wagnest (Arbeitsverhältnisse mit Auslandsbezug - Eine Checkliste für die betriebliche Praxis, ASoK 2009, 173) führt in diesem Zusammenhang (ohne nähere Begründung) aus, dass im Anwendungsbereich des Art 8 Abs 1 Rom I VO grundsätzlich die getroffene Rechtswahl gelte, jedoch mit Günstigkeitsvorbehalt: Zwingende Bestimmungen des ohne Rechtswahl anzuwendenden Rechts seien anwendbar. Darunter fielen zwingende innerstaatliche gesetzliche Bestimmungen, Kollektivverträge, Satzungen sowie Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden könne.
Eine Begründung dafür, warum unter diese zwingenden innerstaatlichen gesetzlichen Bestimmungen auch Kollektivverträge fallen sollten, gibt Wagnest nicht an.
8.4. Gerhartl (Anwendbarkeit des österreichischen Arbeitsrechts bei Auslandsbezug, RdW 2024/97) führt aus, dass die Rechtswahl nach Art 8 Abs 1 erster Satz Rom I VO nicht dazu führen dürfe, dass dem Arbeitnehmer Schutzvorschriften entzogen würden, die ihm ohne Rechtswahl zuteil würden (zwingendes Vertragsstatut). Darunter würden jene Vorschriften des Vertragsstatus verstanden, von denen durch vertragliche Vereinbarung nicht abgewichen werden könne und die dem Schutz des Arbeitnehmers dienten. Dies umfasse nicht nur Gesetzesbestimmungen, sondern auch Kollektivverträge, Mindestlohntarife oder Satzungen.
Zur Begründung dieses letzten Satzes verweist Gerhartl in seiner Fußnote 10 lediglich auf die Entscheidung 8 ObA 74/11g und die diesbezügliche Veröffentlichung in den Zeitschriften wbl 2012/124 (mit Anmerkung von Grillberger ) und ZAS 2012/13 - die Fundstelle lautet richtig: ZAS 2013/13 - (mit Anmerkung von Windisch Graetz) .
Aus Sicht des Berufungssenats kann aus der Entscheidung 8 ObA 74/11g diese Aussage von Gerhartl nicht abgeleitet werden (vgl dazu auch RS0127639). Auch aus den (kritischen) Entscheidungsbesprechungen von Windisch Graetz (ZAS 2013/13) und Grillberger (wbl 2012/338) lassen sich keine aussagekräftigen Schlüsse zu der hier zu beurteilenden Thematik ziehen.
8.5. Schrank (in Schrank , Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht, C. Auslandsberührungen: Welches Arbeitsrecht gilt bei Entsendungen ins Ausland und aus dem Ausland?) führt aus, dass die Rechtswahl dem Arbeitnehmer nicht den Schutz entziehen dürfe, der ihm durch zwingende Bestimmungen des an sich beschäftigungs- bzw niederlassungsabhängigen Arbeitsrechts ( inklusive des normativ geltenden Kollektivvertrags ) zukomme. Eine Begründung für diese Ausführungen gibt Schrank nicht an.
8.6. Nach Heindler (in Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB 4 Art 8 Rom I VO Rz 59 [Stand 1.3.2023. rdb.at]: diese Fundstelle wurde vom Erstgericht zitiert) seien kollektivvertragliche Regelungen ebenso wie Betriebsvereinbarungen Bestandteil des Arbeitsvertragsstatus im Sinn des Art 8 Rom I VO, soweit eine formale gesetzliche Inkorporation erfolge. Sie könnten darüber hinaus aus österreichischer Sicht nach § 3 Abs 2 LSDBG (früher § 7 AVRAG) für ausländische Arbeitnehmer in Österreich (Zugehörigkeit zu einem ausländischen Betrieb) unabhängig vom ansonsten anwendbaren Recht zur Geltung kommen. In den Günstigkeitsvergleich seien sie miteinzubeziehen.
Dazu ist festzuhalten, dass - wie die Berufungswerberin richtig betont hat und vom Berufungssenat oben bereits näher behandelt wurde - § 3 Abs 2 LSD BG für den vorliegenden Fall keine aussagekräftige rechtliche Relevanz hat. Damit kann § 3 Abs 2 LSD BG keine ausreichende Begründung dafür bieten, hier die Kündigungsschutzbestimmungen des Kollektivvertrags für Handelsangestellte anzuwenden.
Anzumerken ist, dass für den Berufungssenat nicht ausreichend klar ist, was Heindler genau damit meint, wenn er ausführt, dass kollektivvertragliche Regelungen Bestandteil des Arbeitsvertragsstatuts im Sinn des Art 8 Rom I VO seien, „soweit eine formale gesetzliche Inkorporation erfolgt“. Aus Sicht des Berufungssenats sind diese Ausführungen offenbar dahin zu verstehen, dass § 3 Abs 2 LSD BG ein solches Beispiel einer „formalen gesetzlichen Inkorporation“ von kollektivvertraglichen Regelungen darstellt (Näheres dazu siehe die Ausführungen des Berufungssenats zu § 3 LSD BG). Im Hinblick darauf, dass in § 3 LSD BG die kollektivvertraglichen Bestimmungen, die die Beendigung des Arbeitsvertrags betreffen, aber ausgenommen sind, kann aus diesen Ausführungen nicht der Schluss gezogen werden, dass im vorliegenden Fall die Kündigungsschutzbestimmungen des Kollektivvertrags für Handelsangestellte Anwendung fänden.
8.7. Unter Rz 81 seiner Kommentierung des Art 8 Rom I VO (aaO) führt Heindler weiters aus, dass im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs auch Regelungen aus Kollektivverträgen erfasst seien, soweit sie allgemein Anwendung fänden, wie dies beispielsweise in Österreich kraft Norm- und Außenseiterwirkung der Fall sei. Damit seien insbesondere kollektivvertragliche Arbeitszeiten , Gehalts , Ruhe- und Freizeitregelungen im Günstigkeitsvergleich zu beachten. Anderes gelte wohl für kollektiv wirkende Vereinbarungen, die keine allgemeine Geltung entfalteten, wie beispielsweise aus österreichischer Sicht Betriebsvereinbarungen.
Aus diesen Ausführungen von Heindl lässt sich ableiten, dass dieser eine Anwendbarkeit von Kollektivverträgen im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs mit der „Norm- und Außenseiterwirkung“ von Kollektivverträgen in Österreich begründet. Diese Begründung liefert aber keine ausreichende Grundlage dafür, um vorliegendenfalls von einer Anwendbarkeit der Kündigungsschutzbestimmungen des Kollektivvertrags für Handelsangestellte auszugehen.
9. Nach herrschender Rechtsprechung und Lehre gibt es nach § 12 ArbVG auf Arbeitgeberseite keine Außenseiterwirkung (vgl Reissnerin ZellKomm³, § 12 ArbVG Rz 3 und 12 f mwN). Ist daher ein Arbeitgeber - wie hier die Beklagte - nicht über die Mitgliedschaft mit der kollektivvertragschließenden Arbeitgeberorganisation verbunden oder durch Sonderregelungen einbezogen, so gilt der entsprechende Kollektivvertrag nicht. Eine Analogie ist nicht statthaft (vgl Reissner aaO mwN). Diese Rechtslage besteht auch im Falle eines ausländischen Arbeitgebers (9 ObA 361/97x; Reissner aaO).
9.1. Da es für die Beklagte somit keine Außenseiterwirkung des Kollektivvertrags für Handelsangestellte gibt, gelten dessen Rechtswirkungen (Näheres dazu siehe Reissner aaO Rz 4 mwN) nicht für die Beklagte. Dies hat zur Folge, dass auch der Kläger diesem Kollektivvertrag nicht unterworfen ist (vgl Resch in Jabornegg/Resch, ArbVG § 12 Rz 11 [Stand 1.4.2019, rdb.at]).
9.2. Auch wenn diese Grundsatzentscheidung des ArbVG in § 12 ArbVG den Gesetzgeber nicht daran hindert, an anderer Stelle ausnahmsweise aus besonderen rechtspolitischen Überlegungen heraus für besondere Sachverhalte eine den gesamten Kollektivvertrag oder eine auch nur einzelne Bestimmung des Kollektivvertrags umfassende (also partielle) Außenseiterwirkung auf Arbeitgeberseite vorzusehen (Näheres dazu siehe Jabornegg aaO Rz 12), führt dies zu keinem anderen Ergebnis, weil hier ein solcher gesetzlicher Ausnahmefall nicht gegeben ist (vgl dazu die hier nicht in Betracht kommenden §§ 3, 5 und 6 LSDBG, § 10 AÜG und Resch aaO mwN).
9.3. Auch Wiesinger (aaO) und Gerhartl (aaO), auf deren Ausführungen oben bereits näher eingegangen wurde, gestehen in diesem Sinne zu, dass ein Arbeitgeber, der keinen Sitz im Inland hat, auch nicht Mitglied in einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft sei, woraus letztlich folge, dass dieses Arbeitsverhältnis keinem Kollektivvertrag unterläge. Dieses Ergebnis wird von den genannten Autoren als nicht zufriedenstellend beurteilt.
9.4. Auch wenn man der Auffassung von Wiesinger (aaO) folgen würde, dass hier eine Lücke vorliege, die durch analoge Anwendung des § 2 Abs 3 LSD BG auf Arbeitnehmer mit ständigem Arbeitsort in Österreich zu schließen sei, oder wenn man sich der Meinung von Gerhartl anschließen würde, der die Auffassung vertritt, dass fraglich sei, „ob diese Einschränkung vom Gesetzgeber in Bezug auf § 3 Abs 2 LSD BG beabsichtigt ist“ , ist für den vorliegenden Fall klarstellend festzuhalten, dass auch die von den beiden Autoren genannte Neuregelung des § 2 Abs 3 LSD BG, würde man sie analog auch für Fälle des § 3 Abs 2 LSD BG anwenden, nicht zu dem Ergebnis führen würde, dass die Bestimmungen des Kollektivvertrags für Handelsangestellte, soweit er Kündigungsschutzbestimmungen bzw Bestimmungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthält, hier anzuwenden wären. § 2 Abs 3 LSD BG normiert nämlich ua, dass Kollektivvertragsbestimmungen betreffend „Verfahren, Formalitäten und Bedingungen für den Abschluss und die Beendigung des Arbeitsvertrages“ keine Anwendung finden (Näheres dazu siehe oben zu Punkt 3.).
9.5. Demzufolge kann den genannten Autoren nicht zugestimmt werden, dass die Neuregelung des § 2 Abs 3 LSD BG für langfristig entsandte Arbeitnehmer „die Anwendung des gesamten Kollektivvertrages anordnet“ . Wie oben bereits mehrfach aufgezeigt wurde, ist nämlich auch im Fall von solchen „langfristig entsandten Arbeitnehmern“ in § 2 Abs 3 LSD BG nicht die Anwendung des gesamten Kollektivvertrags angeordnet, sondern sind davon unter anderem die Kollektivvertragsbestimmungen betreffend „den Abschluss und die Beendigung des Arbeitsvertrages“ ausgenommen.
10. Zusammengefasst ergibt sich somit, dass im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs nach Art 8 Abs 1 Rom I VO im vorliegenden Fall die kollektivvertraglichen Bestimmungen betreffend die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers nicht anzuwenden sind.
10.1. Für eine solche Beurteilung spricht auch die von der Berufungswerberin ins Treffen geführte Entscheidung 9 ObA 103/05w , welche zu der Vorgängerbestimmung des Art 8 Rom IVO (nämlich zu Art 6 EVÜ) ergangen ist. Auch in dieser Entscheidung legte der Oberste Gerichtshof dar, dass Arbeitgeber, die keine Niederlassung in Österreich haben, nicht Mitglieder der Bundeswirtschaftskammer sind und daher den österreichischen Kollektivverträgen nicht unterworfen sind. Ohne die Regelung des § 7 AVRAG bei einer ständigen Beschäftigung in Österreich wäre zwar die Anwendung österreichischer Arbeitsbedingungen, die auf Gesetz beruhen, gesichert, nicht jedoch die kollektivvertraglichen Regelungen, denen der Arbeitgeber mangels Kollektivvertragsangehörigkeit nicht unterliegt. Um die Gefahr eines Sozialdumpings hintanzuhalten, wird daher ein zwingender Anspruch des Arbeitnehmers eines ausländischen Arbeitgebers auf jenes gesetzliche oder kollektivvertragliche Entgelt normiert, das am Arbeitsmarkt vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt.
10.2. Wie bereits die Berufungswerberin richtig angemerkt hat, spricht auch die Bestimmung des § 2 LSD BG, insbesondere des § 2 Abs 3 LSDBG dafür, dass es einer gesetzlichen Bestimmung bedarf, um für einen Dienstgeber - wie hier die Beklagte -, die keine Niederlassung in Österreich hat und nicht durch Mitgliedschaft mit einer kollektivvertragsschließenden Arbeitgeberorganisation verbunden ist, aufgrund fehlender Außenseiterwirkung auf Arbeitgeberseite gemäß § 12 ArbVG eine über § 12 ArbVG hinausgehende Außenseiterwirkung (partiell) auf Arbeitgeberseite annehmen zu können (Näheres dazu siehe oben und auch Resch aaO Rz 12).
11. Entgegen der Auffassung des Klägers stellt der Kollektivvertrag für Handelsangestellte auch keine Eingriffsnorm im Sinn des Art 9 Rom I VO dar. Nach herrschender Auffassung ist bei der Qualifikation zivilrechtlicher Bestimmungen als Eingriffsnorm Zurückhaltung geboten ( Musger aaO Art 9 Rom I-VO mwN). Die die Kündigungstermine regelnden Bestimmungen des Kollektivvertrags für Handelsangestellte sind nicht als derartige Eingriffsnormen zu qualifizieren und nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen der Oberste Gerichtshof einzelne arbeitsrechtliche Vorschriften als Eingriffsnorm beurteilt hat (zu den diesbezüglichen Judikaturbeispielen siehe Musger aaO Art 9 Rom I-VO Rz 2 f und Art 8 Rom I-VO Rz 4, jmwN).
12. Zusammengefasst ergibt sich daraus, dass im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs nach Art 8 Abs 1 Rom I VO zwar die (einseitig zwingende) (Kündigungs)Bestimmung des § 20 AngG anzuwenden ist, nicht jedoch der Kollektivvertrag für Handelsangestellte, insbesondere nicht die Bestimmung des Abschnittes 1 J. Z. 1 des Kollektivvertrags für Handelsangestellte, die die in § 20 AngG normierte Einhaltung der Quartalskündigung für Fälle, in denen das Arbeitsverhältnis der tatsächlichen kaufmännischen Tätigkeit im gleichen Betrieb länger als fünf Jahre gedauert hat, als verpflichtend festlegt. Der Kläger würde unter diesen kollektivvertraglichen Tatbestand fallen, jedoch kommt diese kollektivvertragliche Bestimmung hier nicht zur Anwendung.
12.1. Vorliegendenfalls ist unstrittig, dass die für den Kläger geltende Kündigungsfrist im Falle einer Arbeitgeberkündigung drei Monate beträgt (§ 20 Abs 2 AngG). Der in § 20 Abs 2 AngG normierte Kündigungstermin „zum Quartal“ kann gemäß § 20 Abs 3 AngG durch vertragliche Vereinbarung zu Gunsten des Arbeitgebers dahingehend abgeändert werden, dass diese Kündigungsfrist nicht bloß zum Quartal, sondern jeweils am 15. oder Letzten eines Monats endet (vgl Reissnerin ZellKomm³ § 20 AngG Rz 52 mwN). Eine solche Vereinbarung liegt hier unstrittig vor. So wurde im Arbeitsvertrag des Klägers vereinbart, dass die Kündigungsfrist am Letzten eines Kalendermonats endet (vgl § 8 des Dienstvertrags des Klägers, Beil./A).
12.2. Zusammengefasst ergibt sich somit, dass keine fristwidrige Kündigung des Klägers vorliegt und damit die daraus abgeleiteten Klagsansprüche (lediglich diese waren noch Gegenstand des Berufungsverfahrens) nicht berechtigt sind.
13. Der Anregung des Klägers auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art 267 AEUV beim EuGH war bei der hier gegebenen Sach- und Rechtslage nicht nachzukommen.
13.1. Art 45 AEUV steht zwar jeder nationalen Maßnahme entgegen, die geeignet ist, die Ausübung der durch diese Vorschrift verbürgten Grundfreiheit durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen; jede Beeinträchtigung dieser Freiheit, mag sie auch unbedeutend sein, ist verboten (vgl EuGH 18. 7. 2017, Erzberger , C-566/15, Rn 33; 10. 10. 2019, C-703/17, Krah , Rn 40 f; 8 ObA 21/24g Rz 25).
13.2. Das Primärrecht der Union kann einem Arbeitnehmer jedoch nicht garantieren, dass ein Umzug in einen anderen Mitgliedstaat als seinen Herkunftsmitgliedstaat in sozialer Hinsicht neutral ist, da ein solcher Umzug aufgrund der Unterschiede, die zwischen den Systemen und Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bestehen, für die betreffende Person je nach Einzelfall Vorteile oder Nachteile in diesem Bereich haben kann (EuGH 13. 3. 2019, C-437/17, EurothermenResort , Rn 37; 18. 7. 2017, Erzberger, C-566/15, Rn 34 mwN; 8 ObA 21/24g Rz 26). Daher verschafft Art 45 AEUV einem Wanderarbeitnehmer nicht das Recht, sich im Aufnahmemitgliedstaat auf die Arbeitsbedingungen zu berufen, die ihm im Herkunftsmitgliedstaat nach den dortigen nationalen Rechtsvorschriften zustanden; es bleibt den Mitgliedstaaten mangels Harmonisierungs- oder Koordinierungsmaßnahmen auf Unionsebene in diesem Bereich grundsätzlich unbenommen, die Anknüpfungskriterien des Anwendungsbereichs ihrer Rechtsvorschriften zu bestimmen, sofern diese Kriterien objektiv und nicht diskriminierend sind (vgl EuGH 18. 7. 2017, Erzberger , C-566/15, Rn 35 f; 8 ObA 21/24g Rz 26).
13.3. Ein Verstoß gegen Art 45 AEUV - wie vom Kläger vertreten - ist für den Berufungssenat somit nicht ersichtlich.
14. Da die Berufung der Beklagten demzufolge berechtigt ist, war das angefochtene Urteil spruchgemäß im zur Gänze klagsabweisenden Sinn abzuändern.
15. Aufgrund der Abänderung des angefochtenen Urteils war auch über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens neu zu entscheiden. Der Kläger ist im erstinstanzlichen Verfahren zur Gänze unterlegen. Er ist daher gemäß §§ 2 Abs 1 ASGG, 41 Abs 1 ZPO verpflichtet, der Beklagten die zur notwendigen und zweckmäßigen Rechtsverteidigung erforderlichen Kosten zu ersetzen.
15.1. Der (bereits im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretene) Kläger hat gegen das Kostenverzeichnis der Beklagten Einwendungen gemäß § 54 Abs 1a ZPO erhoben (vgl ON 13). Der Kläger hat sich dabei (lediglich) gegen eine Honorierung des Schriftsatzes der Beklagten vom 10.9.2024 (ON 9) im Wesentlichen mit der Begründung ausgesprochen, dass dieser verspätet, nämlich erst drei Tage vor der vorbereitenden Tagsatzung, übermittelt worden sei. Die Kostennote der Beklagten ist daher nur in diesem Punkt zu überprüfen.
15.2. Diese Einwendungen sind im Ergebnis berechtigt.
Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 28.7.2024 (ON 7) die vorbereitende Tagsatzung für den 13.9.2024 anberaumt und den Streitteilen gemäß § 180 Abs 2 ZPO den „Wechsel vorbereitender Schriftsätze jeweils binnen drei Wochen aufgetragen (1. klagende Partei, 2. beklagte Partei)“. Die Ladung zur vorbereitenden Tagsatzung samt dem diesbezüglichen Beschluss des Erstgerichts ist im elektronischen Verfügungsbereich beider Parteienvertreter jeweils am 29.7.2024 eingelangt.
Wie die Beklagte in ihrer Replik zu den Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis der Klägerin richtig ausführte (vgl ON 14), handelt es sich bei dem Zeitpunkt 29.7.2024 nicht um den Zustellungszeitpunkt, ab dem die vom Erstgericht aufgetragene Frist zu laufen beginnt.
Gemäß § 89d Abs 2 Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) gilt als Zustellungszeitpunkt elektronisch übermittelter gerichtlicher Erledigungen und Eingaben (§ 89a Abs 2 GOG) nämlich jeweils der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag , wobei Samstage nicht als Werktage gelten.
Daraus ergibt sich, dass der Zustellungszeitpunkt der Ladung zur vorbereitenden Tagsatzung samt dem angeführten Beschluss ON 7 an die Parteienvertreter (erst) mit 30.7.2024 anzunehmen ist.
Damit ist aber für die Beklagte nichts gewonnen.
Der Auftrag des Erstgerichts lautete nicht, dass die Beklagte ihren Schriftsatz binnen sechs Wochen ab Zustellung des Beschlusses ON 7 erstattet, sondern binnen drei Wochen ab dem Zustellungszeitpunkt des Schriftsatzes des Klägers an die Beklagte. Der Kläger kam diesem gerichtlichen Auftrag bereits mit Schriftsatz vom 14.8.2024 nach (vgl ON 8). Dieser Schriftsatz wurde der Beklagtenvertreterin offensichtlich am 14.8.2024 übermittelt, weshalb der Zustellungszeitpunkt gemäß § 89d Abs 2 GOG der 15.8.2024 war. Der von der Beklagten erst am 10.9.2024 eingebrachte Schriftsatz ON 9 ist somit nach Ablauf der aufgetragenen Drei WochenFrist und auch verspätet im Sinn des § 257 Abs 3 ZPO beim Erstgericht (und beim Kläger) eingelangt. Eine Honorierung des verspäteten Schriftsatzes der Beklagten ON 9 scheidet somit aus.
15.3. Es errechnet sich damit ein Zuspruch von Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens an die Beklagte in Höhe von EUR 2.490,78 (darin EUR 415,13 USt).
16. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 2 Abs 1 ASGG, 41 Abs 1 und 50 ZPO. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren zur Gänze obsiegt. Der Kläger hat der Beklagten daher die tarifmäßigen Kosten ihrer Berufung zu ersetzen. Der Beklagten war der überhöht verzeichnete ERVZuschlag in der Höhe von EUR 5,-- nicht zuzusprechen, weil es sich bei einer Berufung um keinen verfahrenseinleitenden Schriftsatz im Sinn des § 23a RATG handelt (vgl RS0126594; Obermaier , Kostenhandbuch 4Rz 1.29 mwN). Ein Kostenzuspruch - wie in der Berufung beantragt - zu Handen der Beklagtenvertreterin hatte nicht zu erfolgen, weil es für einen solchen Kostenzuspruch keine gesetzliche Grundlage gibt (3 Ob 30/04i mit ausführlicher Begründung; in diesem Sinne auch Obermaier aaO Rz 1.74 mwN; OLG Wien 7 Ra 79/24z uva).
17. Die ordentliche Revision war zuzulassen, weil - soweit für das Berufungsgericht ersichtlich - noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der hier entscheidungswesentlichen Frage vorliegt, ob im Rahmen des Günstigkeitsvergleichs nach Art 8 Abs 1 Rom I VO Kollektivverträge - wie dies vielfach in der Lehre vertreten wird - einzubeziehen und anzuwenden sind. Außerdem gibt es - soweit für das Berufungsgericht ersichtlich - noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der hier ebenfalls entscheidungswesentlichen Frage, ob die die Kündigungstermine regelnden Bestimmungen des Kollektivvertrags für Handelsangestellte Eingriffsnormen im Sinn des Art 9 Rom I VO darstellen.
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