JudikaturOLG Wien

7Ra73/24t – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Arbeitsrecht
30. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Glawischnig als Vorsitzende, die Richter Mag. Zechmeister und Dr. Nowak sowie die fachkundigen Laienrichter DI Beate Ebersdorfer und MinR Mag. Angela Weilguny in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch Mag. Hannes Puwein, Rechtsschutzsekretär der GPA-djp in St. Pölten, gegen die beklagte Partei B* GmbH , **, vertreten durch Dr. Remo Sacherer, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 12.03.2024, ** 38, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Text

Der Kläger war seit 01.04.1995 im B*-Konzern beschäftigt. Sein Dienstverhältnis ging zufolge Betriebsübergang am 01.10.2019 auf die Beklagte über.

Der Kläger bezog ein monatliches Gehalt in der Höhe von EUR 7.354,03 brutto, 14 Mal jährlich, zuzüglich einer Prämie von etwa EUR 8.545,38 brutto einmal jährlich.

Mit Schreiben vom 23.06.2022 kündigte die Beklagte den Kläger zum 31.12.2022.

Der Kläger focht die Kündigung wegen Sozialwidrigkeit an, durch die Kündigung seien seine wesentlichen Interessen beeinträchtigt, Kündigungsrechtfertigungsgründe lägen nicht vor.

Die Beklagte wendete dagegen insbesondere ein, es mangle schon an der wesentlichen Interessenbeeinträchtigung durch die Kündigung.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab und traf die aus den Urteilsseiten 7 bis 9 ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird. Daraus wird hervorgehoben:

Der Kläger hätte auch retrograd betrachtet zum Zeitpunkt der Kündigung bzw. Dienstfreistellung entsprechend der erforderlichen segmentalen Stellenmarktausrichtung und seines Lebensalters (zum Zeitpunkt der Kündigung bzw. Dienstfreistellung war der Kläger im 56. Lebensjahr) unter Berücksichtigung seiner Qualifikation und langjährigen einschlägigen Vertriebserfahrungen (seines Berufsqualifikationsprofils) am unselbständigen Arbeitsmarkt mit einer Vollzeitanstellung wiederum als Vertriebsspezialist mit einer Postensuchdauer von eingeschätzt bis zu 6 bis 7 Monaten zu rechnen (siehe Gutachten Dr. C* ON 20).

Hinsichtlich des Entgeltes wäre realistisch von einer Reduzierung im Ausmaß von etwa 30 Prozent zum Bezug bei der beklagten Partei auszugehen. (siehe Gutachten Dr. C* ON 20). Bei dem hier prognostizierten Monatseinkommen von € 5.360,00 brutto im schriftlichen GA wurden ein üblicher durchschnittlicher Wert von grundsätzlich 20 Überstunden pro Monat eingerechnet.

Da im Verkaufsbereich Prämien nicht unüblich sind, abhängig von gewissen Zielerreichungsstrukturen, seien es Marktanteile, seien es Kombinationen von Erträgen plus Marktanteilen, die sich zwischen 15 % und 30 % bewegen. Diese Prämien kommen natürlich abhängig von der Zielerreichung noch zu dem prognostizierten Gehalt dazu. Bei Erreichen der Zielvereinbarungen ist für den Kläger nach einer Einarbeitungsphase von ca. 1 bis 1 ½ Jahren ein Bruttoeinkommen von ca. € 100.000,00 jährlich erreichbar. Der Kläger ist verheiratet, seine Ehefrau ist selbständig […] erwerbstätig mit einer Einzelfirma für D*. Es kann nicht festgestellt werden wie hoch das von ihr erzielte Einkommen ist.

Der Kläger hat eine Tochter im Alter von 24 Jahren zum Zeitpunkt der Kündigung. Sie ist Studentin, ob sie ein Einkommen erzielt kann nicht festgestellt werden.

Der Kläger ist sorgepflichtig für einen schulpflichtigen zum Zeitpunkt der Kündigung 10 jährigen Sohn.

In Summe hat der Kläger Aufwendungen von monatlich € 2.254,00. Er besitzt gemeinsam mit seiner Ehefrau ein Reihenhaus im Eigentum, für welches er ein Darlehen in der Höhe von € 30.000,00 mit Darlehensrückzahlungen von € 490,00 hat. An Versicherungen fallen Beträge in der Höhe von € 60,00, Betriebskosten von € 400,00, Strom und Gas von € 200,00, Telefon € 40,00 und Radio und Fernsehen von € 29,00 an. Weiters ist er mit Vereinsbeträgen an den E* von € 35,00 belastet und leistet Unterhaltszahlungen von € 500,00 an die Tochter und Kindergarten oder Schulgeld von € 500,00.“

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht, dass der Kläger unter Berücksichtigung seiner sozialen und familiären Lage auch mit dem prognostizierten reduzierten Gehalt weiterhin in der Lage sei, für sich und seine Familie den bisherigen Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Nach einer ein bis eineinhalb Jahre dauernden Einarbeitungszeit werde sich das prognostizierte Gehalt überdies um den dann zu erwartenden Prämienanspruch erhöhen, sodass der Kläger nur noch eine Einkommenseinbuße von zehn Prozent zu gewärtigen habe. Eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung sei daher zu verneinen, auf allfällige Kündigungsrechtfertigungsgründe komme es nicht mehr an.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

1. Zur Beweisrüge

1.1. Der Berufungswerber bekämpft die folgende, im Urteilsabschnitt der Beweiswürdigung verortete Passage: „Deshalb konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Kündigung des Klägers dessen Interessen über das normale Maß hinaus beeinträchtigt.“ (Seite 10 der Urteilsausfertigung), und begehrt als Ersatzfeststellung, die Kündigung des Klägers beeinträchtige dessen Interessen über das normale Maß hinaus.

Mit seinen Ausführungen wendet sich der Rechtsmittelwerber nicht gegen eine Feststellung des Erstgerichts, sondern gegen dessen rechtliche Beurteilung. Dass dieser Rechtsmittelgrund als Beweisrüge ausgeführt ist, schadet nicht: Es kommt nicht darauf an, wie die geltend gemachten Berufungsgründe bezeichnet werden, sondern darauf, welchem Berufungsgrund die Ausführungen im Rechtsmittel zuzuzählen sind (RS0111425).

1.2. Der Berufungswerber bekämpft die Feststellung, „Der Kläger war vom 23.11.2021 bis 22.08.2022 mit Ausnahme von 2 Wochen im Februar 2022 in einem Langzeitkrankenstand.“ , und begehrt stattdessen die Ersatzfeststellung, „Der Kläger war vom 23.11.2021 bis 22.08.2022 mit Ausnahme von 2 Wochen im Februar 2022 in einem Langzeitkrankenstand, von 27.04.2022 bis 08.06.2022 war er auf Rehabilitation.“

Begehrt der Berufungswerber nicht andere, sondern zusätzliche Feststellungen, bringt er keine Beweisrüge zur Darstellung, sondern macht einen sekundären Feststellungsmangel geltend.

Auch diese Rüge ist daher im Rahmen der Rechtsrüge zu behandeln.

1.3. Der Berufungswerber bekämpft schließlich die oben durch Unterstreichung markierte Feststellung und begehrt stattdessen folgende Ersatzfeststellung: „Der Kläger ist verheiratet, seine Ehefrau ist selbstständig […] erwerbstätig mit einer Firma für D*. Seine Ehefrau verfügt über kein Einkommen."

Die begehrte Ersatzfeststellung folge aus den glaubwürdigen Angaben des Klägers (Seite 12 des Protokolls vom 12.03.2024) und der allgemeinen Lebenserfahrung, dass bei Geschäften in diesem Bereich anfangs keine Gewinne erzielt werden könnten.

1.3.1. Es gehört zum Wesen der freien Beweiswürdigung, dass das Gericht sich für eine von mehreren widersprechenden Darstellungen auf Grund seiner Überzeugung, dass diese mehr Glaubwürdigkeit beanspruchen kann, entscheidet (RS0043175). Das Gericht hat nach bestem Wissen und Gewissen aufgrund seiner Lebenserfahrung und Menschenkenntnis zu prüfen, ob jener Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht ist, der es rechtfertigt, die fragliche Tatsache für wahr zu halten ( Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 272 Rz 1).

Eine Negativfeststellung ist vom Gericht nur dann zu treffen, wenn das Beweisverfahren zu keiner Überzeugung des Senats führt, also die freie Beweiswürdigung ergebnislos und der entscheidungswesentliche Sachverhalt unklar bleibt ( non liquet; RS0039903, RS0039872; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO 5 Vor § 266 Rz 8).

1.3.2. Die diesbezüglichen beweiswürdigenden Ausführungen des Erstgerichts sind zwar knapp gehalten, aber überzeugend: Der Kläger habe zur Interessenbeeinträchtigung nur spärliche Angaben gemacht und den Eindruck hinterlassen, zu seinen persönlichen Verhältnissen möglichst wenig Angaben machen zu wollen (Seite 10 der Urteilsausfertigung).

1.3.3. Diesen Eindruck des Erstgerichts teilt der Berufungssenat angesichts der Beweisergebnisse. Auf die Frage nach dem Einkommen seiner Gattin antwortete der Kläger, seine Frau habe vor etwa eineinhalb Jahren eine Einzelfirma für D* gegründet; seine „Frau hat im Minus abgeschlossen in dieser Zeit.“ (Seite 12 des Protokolls vom 12.03.2024).

Es scheint in der Tat so, als wollte der Kläger einerseits über das aktuelle Einkommen seiner Gattin nichts preisgeben ( arg „in dieser Zeit“ , also in den letzten eineinhalb Jahren), andererseits aber auch nichts über deren Einkommen in der Vergangenheit: Wenig glaubwürdig ist, dass der Kläger über den Umsatz seiner Gattin nichts sagen konnte – nicht einmal eine Größenordnung konnte er nennen (Seite 12 des Protokolls vom 12.03.2024). Dabei handelt es sich um Informationen, die man grundsätzlich bei einem Einzelunternehmen üblicherweise durchaus mit dem Ehegatten teilt, umso mehr, als die Kündigung des Klägers selbstverständlich dessen Interessen berührte und für die gesamte Familie notwendig war zu ermitteln, wie viel Mittel für die Lebensführung zur Verfügung stehen. Dass der Kläger überhaupt keine Vorstellung vom Einkommen seiner Gattin hat, ist daher unglaubwürdig. Die bekämpfte Negativfeststellung ist daher nicht zu beanstanden.

Das Berufungsgericht übernimmt somit die Feststellungen des Erstgerichts als das Ergebnis einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung und legt sie seiner Entscheidung zugrunde.

2. Zur Rechtsrüge

2.1. Eine Kündigung kann gemäß § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG angefochten werden, wenn die Kündigung sozial ungerechtfertigt und der gekündigte Arbeitnehmer bereits sechs Monate im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, beschäftigt ist.

Sozial ungerechtfertigt ist eine Kündigung, die wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt, es sei denn, der Betriebsinhaber erbringt den Nachweis, dass die Kündigung durch Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren oder durch betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, begründet ist.

Bei Lösung der Frage, ob eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, muss zuerst ohne Rücksicht auf andere Anfechtungsvoraussetzungen und ohne Koppelung mit anderen Tatbeständen unter Anlegung eines objektiven Maßstabes geprüft werden, ob durch sie wesentliche Interessen des gekündigten Arbeitnehmers beeinträchtigt werden (RS0051746, RS0051640). Für diese Umstände ist der anfechtende Kläger behauptungs- und beweispflichtig (RS0051746, RS0051845, RS0051640 [T1]).

Nach Bejahung der wesentlichen Interessenbeeinträchtigung ist das Vorliegen von subjektiven oder objektiven Kündigungsrechtfertigungsgründen zu prüfen und anschließend eine Interessenabwägung vorzunehmen (RS0051994, RS0051818, RS0116698, RS0051929, RS0051719). Liegt schon der Grundtatbestand der wesentlichen Interessenbeeinträchtigung nicht vor, ist das Klagebegehren abzuweisen, ohne dass es einer Prüfung der weiteren Anfechtungsvoraussetzungen bedarf (RS0051640 [T3, T4]).

Bei der Prüfung, ob durch die Kündigung wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt werden, ist auf die Möglichkeit der Erlangung eines neuen einigermaßen gleichwertigen Arbeitsplatzes und in diesem Zusammenhang auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter und den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers, den Verlust allfälliger dienstzeitabhängiger Ansprüche sowie der mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen Vorteile abzustellen.

Darüber hinaus sind die gesamten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Arbeitnehmers und seiner Familienangehörigen einzubeziehen (RS0051806, RS0051703, RS0051845, RS0051741), also etwa Einkommensverhältnisse, Vermögen, Sorgepflichten und Schulden, soweit deren Entstehungsgrund berücksichtigungswürdig ist. Da jede Kündigung die Interessen des Dienstnehmers beeinträchtigt und mit sozialen Nachteilen verbunden ist, müssen Umstände vorliegen, die eine Kündigung für den konkreten Arbeitnehmer über das normale Maß hinaus nachteilig machen, sodass ihm also durch die Kündigung erhebliche soziale Nachteile entstehen, die über die normale Interessenbeeinträchtigung bei einer Kündigung hinausgehen (RS0051746 [T7], RS0051753 [T5], RS0051727).

Entscheidend ist eine vom Zeitpunkt der durch die angefochtene Kündigung herbeigeführten Beendigung des Arbeitsverhältnisses („Konkretisierungszeitpunkt“, RS0051772) ausgehende Prognose über die nach diesem Zeitpunkt aller Voraussicht nach wirksam werdenden Folgen der Kündigung (RS0051772 [T2]). Dabei spielen die Chancen des Gekündigten am Arbeitsmarkt eine entscheidende Rolle, insbesondere, ob es ihm möglich ist, in angemessener Zeit einen zumutbaren und bezüglich Tätigkeit und Bezahlung annähernd gleichwertigen Arbeitsplatz zu finden ( Wolligger in ZellKomm 3 § 105 ArbVG Rz 151 f).

Bezüglich der zumutbaren Dauer der Arbeitslosigkeit wird idR eine drei- bis achtmonatige Arbeitslosigkeit akzeptiert (OGH 9 ObA 108/98t, 9 ObA 145/99k, 8 ObA 127/03i, 8 ObA 12/07h, 9 ObA 64/12w, 9 ObA 148/12y, 9 ObA 49/13s, 9 ObA 125/13t; Wolligger in ZellKomm 3 § 105 ArbVG Rz 152 mwN). Die Kündigung muss zwar nicht die Existenzgrundlage durch dauernde Arbeitslosigkeit gefährden, aber doch mit einer finanziellen Schlechterstellung verbunden sein (RS0051727). Gewisse Schwankungen der Einkommenslage muss jeder Arbeitnehmer im Lauf seines Arbeitslebens hinnehmen (RS0051727 [T2]).

In der Regel deuten erst Verdiensteinbußen von ca 20 Prozent und mehr auf gewichtige soziale Nachteile hin (RS0051727; Wolligger in ZellKomm 3 § 105 ArbVG Rz 156). Allerdings hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt betont, dass es keine starren Prozentsätze der durch die Arbeitgeberkündigung bedingten Einkommensminderung des betroffenen Arbeitnehmers gibt, bei denen das Vorliegen von Sozialwidrigkeit jedenfalls zu bejahen oder jedenfalls zu verneinen wäre. Es sind vielmehr alle wirtschaftlichen und sozialen Umstände zueinander in Beziehung zu setzen und nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu gewichten (RS0110944 [T3], RS0051727 [T10], RS0051753 [T7]). Zudem ist die prozentuelle Einkommenseinbuße auch mit Bezug auf das absolut bezifferte Gesamteinkommen zu sehen (RS0051727 [T18]).

Ist das verbleibende Einkommen so hoch, dass der kündigungsbedingte Ausfall unter Berücksichtigung der Gesamtsituation keinen erheblichen Einfluss auf die Lebensführung hat, ist nicht von einer wesentlichen Interessenbeeinträchtigung iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG auszugehen (vgl RS0051845 [T3]). Bei hohen Einkommen kann es sein, dass selbst eine Einbuße von 40 Prozent noch keine Sozialwidrigkeit begründet, wenn der Arbeitnehmer weiterhin in der Lage ist, seine individuellen Lebensbedürfnisse zu befriedigen (8 ObA 81/23d).

2.2. Der Berufungswerber moniert in seiner Rechtsrüge, festgestellt sei ein Einkommensverlust von 30 Prozent bei Beginn eines neuen Dienstverhältnisses. Selbst wenn nach einem bis eineinhalb Jahren ein höheres Einkommen möglich wäre, beeinträchtige bereits ein Einkommensverlust von 30 Prozent in diesem Zeitraum die wesentlichen Interessen des Klägers; es sei der Einkommensverlust zu Beginn des neuen Dienstverhältnisses heranzuziehen, zumal eine Postensuchdauer von sechs bis sieben Monaten konstatiert sei.

2.2.1. Den Kläger trifft die Behauptungs- und Beweislast für die wesentliche Interessenbeeinträchtigung, damit auch für die Postensuchdauer: Die Bandbreite von sechs bis sieben Monaten gebietet die Zugrundelegung einer Dauer der Postensuche von sechs Monaten (OLG Wien 7 Ra 68/13s).

2.2.2. Die Negativfeststellungen zum Einkommen der Ehegattin und der Tochter des Klägers gehen ebenso zu dessen Lasten: Deren Einkommenslosigkeit ist gerade nicht erwiesen.

2.2.3. Wenn auch eine Gehaltsreduktion von rund 30 Prozent in der Regel auf gewichtige soziale Nachteile hinweist, ist im konkreten Fall unter Berücksichtigung sämtlicher wirtschaftlicher und sozialer Umstände eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung zu verneinen: Die verbliebenen Schulden sind verhältnismäßig gering und dienen überdies der Schaffung von lastenfreiem Eigentum am gemeinsam bewohnten Reihenhaus. Sorgepflichtig ist der Kläger nur seinem Sohn gegenüber. Schließlich reicht auch das prognostizierte (geringere) Gehalt zur Tragung der unbekämpft mit EUR 2.254 festgestellten Fixkosten zuzüglich der Deckung der Finanzierung der Güter des täglichen Lebens.

2.3. Das Erstgericht begründete die Abweisung der Klage damit, dass eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung zu verneinen sei; auf persönliche Kündigungsrechtfertigungsgründe ging es deshalb nicht ein.

2.3.1. Wenn der Berufungswerber Feststellungen zu seinem Rehabilitationsaufenthalt vermisst, macht er einen sekundären Feststellungsmangel geltend (siehe schon Punkt 1.2. der Berufungsentscheidung).

2.3.2. Die Feststellungsgrundlage ist nur dann mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RS0053317).

2.3.3. Die begehrte zusätzliche Feststellung wäre nur dann für die rechtliche Beurteilung wesentlich, wenn die Frage der nicht ordnungsgemäßen bzw verspäteten Rückgabe der Betriebsmittel (Dienstwagen bzw Diensthandy und Dienstlaptop) als persönlicher Kündigungsrechtfertigungsgrund eine Rolle spielen würde. Dies ist hier gerade nicht der Fall, weil Kündigungsrechtfertigungsgründe nicht zu prüfen waren.

3. Der unberechtigten Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

In Übereinstimmung mit § 58 Abs 1 ASGG wurden keine Kosten verzeichnet.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil es zur Beurteilung, ob eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung vorliegt, immer auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt, weshalb eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG nicht vorliegt (RS0051753 [T9]; RS0051785 [T7] uvm).