12Ra45/25m – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Barbara Jäger als Vorsitzende, Dr. Dieter Weiß und Mag. Nikolaus Steininger, LL.M. als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter KR Josefine Deiser (Kreis der Arbeitgeber) und Sascha Gruber (Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, Hausfrau, **, **straße **, vertreten durch die Hirsch Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei B* Kommanditgesellschaft , FN **, **, B* Straße **, (nunmehr) vertreten durch die DAX WUTZLHOFER UND PARTNER RECHTSANWÄLTE GMBH in Graz, wegen Feststellung des aufrechten Bestands des Dienstverhältnisses (Streitwert: EUR 70.000,00) über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. Mai 2025, Cga*-11, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.820,36 (darin EUR 636,73 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war ab 15. April 2024 bei der Beklagten als Verkaufsmitarbeiterin beschäftigt. Mit Schreiben vom 30. November 2024 – der Klägerin per WhatsApp übermittelt am 4. Dezember 2024 – kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 15. Jänner 2025.
Der 24. und der 27. Dezember 2024 waren bei der Beklagten normale Werktage, an denen die Führungskräfte erreichbar waren.
Mit der am 6. Februar 2025 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin zunächst die Feststellung des aufrechten Bestands des Arbeitsverhältnisses über den 15. Jänner 2025 hinaus und brachte vor, sie habe ihre Schwangerschaft rechtzeitig gemeldet und nachgewiesen.
Nach Belehrung durch das Gericht modifizierte sie das Klagebegehren auf das Rechtsgestaltungsbegehren, die Kündigung werde für rechtsunwirksam erklärt (ON 5.2 S 2).
Die Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, die Meldung der Schwangerschaft und die Vorlage des Nachweises seien verspätet erfolgt.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht das Klagebegehren abgewiesen. Der Entscheidung liegt – zusammengefasst – folgender weiterer Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin ist Mutter von vier Kindern. Sie bekommt grundsätzlich pünktlich und regelmäßig nach 28 Tagen ihre Regelblutung. Diese hätte (ihrer Berechnung nach) am 14. oder 15. Dezember 2024 einsetzen müssen. Weil das nicht der Fall war, führte sie am 23. Dezember 2024 einen Schwangerschaftstest durch, der ein positives Ergebnis zeigte.
Weil die Klägerin der deutschen Sprache nur in geringem Ausmaß mächtig ist, ersuchte sie ihre Schwester um Übersetzung der Mitteilung des Ergebnisses des Schwangerschaftstests an ihren Vorgesetzten und leitete am 28. Dezember 2024 eine WhatsApp-Nachricht mit – auszugsweise – folgendem Inhalt an diesen weiter:
„[…] Ich hab vor ca zwei Wochen einen Schwangerschaft test gemacht und es war positiv. […]“
Am 28. Dezember 2024 teilte die Klägerin sohin ihrem Vorgesetzten die vermutete Schwangerschaft mit.
Am 31. Dezember 2024 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die Mitteilung der Schwangerschaft zu spät erfolgt sei und die Kündigung aufrecht bleiben würde. Sie wurde noch aufgefordert, eine Bestätigung des Frauenarzts über die Schwangerschaft vorzulegen.
Ihr Frauenarzt befand sich gerade bis 1. Jänner 2025 auf Urlaub. Am 2. Jänner 2025 kontaktierte die Klägerin diesen telefonisch, informierte ihn über die Vermutung der Schwangerschaft – nicht aber über die am 4. Dezember 2024 die ausgesprochene Arbeitgeberkündigung – und erhielt als nächsten möglichen Termin den 14. Jänner 2025.
An diesem Tag stellte der Frauenarzt die Schwangerschaft der Klägerin fest. Die Bestätigung übermittelte die Klägerin umgehend an die Beklagte.
In der rechtlichen Beurteilung ist das Erstgericht zum Ergebnis gelangt, die Klägerin habe die (Vermutung der) Schwangerschaft und die Bestätigung darüber der Beklagten verspätet bekannt gegeben bzw übermittelt.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem auf Klagsstattgabe gerichteten Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, die Berufung zu verwerfen, und rügt getroffene Feststellungen.
Die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu behandelnde Berufung ist nicht berechtigt .
Rechtliche Beurteilung
1.1Wenn dem Arbeitgeber die Schwangerschaft bekannt ist, können Arbeitnehmerinnen während dieser nicht rechtswirksam gekündigt werden (§ 10 Abs 1 MSchG), sofern nicht zuvor die Zustimmung des Gerichts eingeholt wurde (§ 10 Abs 3 MSchG).
Eine vom Arbeitgeber in Unkenntnis der Schwangerschaft ausgesprochene Kündigung ist hingegen zunächst rechtswirksam. Ihre Rechtsunwirksamkeit kann aber durch die rechtzeitige Bekanntgabe der Schwangerschaft herbeigeführt werden. Diese hat innerhalb von fünf Tagen ab dem Zugang der Kündigungserklärung zu erfolgen, wobei gleichzeitig die Schwangerschaft oder die Vermutung der Schwangerschaft durch eine ärztliche Bestätigung nachzuweisen ist (§ 10 Abs 2 S 1 und 3 MSchG).
Kann die Arbeitnehmerin aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen ihre Schwangerschaft nicht innerhalb dieser Frist bekannt geben, ist die Mitteilung rechtzeitig, wenn sie unmittelbar nach dem Wegfall des Hinderungsgrunds nachgeholt wird (§ 10 Abs 2 S 4 MSchG)
1.2Die Klägerin weist in ihrer Berufung zwar zutreffend darauf hin, dass gemäß § 10 Abs 2 MSchG (erst) die Tatsache der Schwangerschaft, und nicht bereits die (bloße) Vermutung einer Schwangerschaft mitzuteilen ist (vgl RIS-Justiz RS0070695):
1.2.1 Aufgrund des Ausbleibens ihrer (regelmäßigen) Regelblutung mag die Klägerin eine Schwangerschaft zunächst tatsächlich (bloß) vermutet haben.
Deshalb hat sie am 23. Dezember 2024 einen Schwangerschaftstest durchgeführt. Dessen Ergebnis ist jedoch ab bzw nach dem Tag sicher, an dem die Menstruation einsetzen sollte (vgl etwa https://www.familienplanung.de/verhuetung/verhuetungspannen/schwangerschaftstest, https://www.barmer.de/gesundheit-verstehen/familie/schwangerschaft/kinderwunsch/schwangerschaftstest-1057218, abgefragt am 8. Oktober 2025). In diesem Zeitpunkt hat sich daher die Vermutung zu einer – wenn auch nicht absolut sicheren – Kenntnis von der Schwangerschaft verdichtet. Dementsprechend hat die Klägerin diesen Umstand zutreffend gemeldet.
1.2.2Davon abgesehen ist das Unterbleiben der Mitteilung der Schwangerschaft von der Arbeitnehmerin zu vertreten, wenn sie der Vermutung einer Schwangerschaft nicht unverzüglich nachgeht (vgl etwa RIS-Justiz RS0070695 [T1]).
Einer Arbeitnehmerin kann zwar kein von ihr zu vertretendes „Fehlverhalten“ vorgeworfen werden, wenn sie sich bei ihrer ersten Schwangerschaft in den ersten Monaten noch keine Gewissheit über deren Vorliegen verschafft (vgl OGH 8 ObA 106/02z). Bei einer Arbeitnehmerin, die bereits zum dritten Mal schwanger war und im fraglichen Zeitpunkt keine gezielte Verhütung betrieben hatte, hat der Oberste Gerichtshof hingegen schon das Ausbleiben der regelmäßigen Regelblutung als ernstzunehmendes Indiz für das Vorliegen einer Schwangerschaft qualifiziert, das die Arbeitnehmerin dazu veranlassen hätte müssen, sich durch eine ärztliche Untersuchung Klarheit über ihren Zustand zu verschaffen (9 ObA 82/98v).
Nichts anderes kann für die Klägerin gelten, die bereits zum fünften Mal schwanger war und deren ansonsten „pünktliche und regelmäßige“ Regelblutung ausgeblieben war.
1.2.3 Die Frist für die nachträgliche Bekanntgabe der Schwangerschaft wurde daher (spätestens) durch den Schwangerschaftstest am 23. Dezember 2024 ausgelöst.
1.3Für den nachträglichen Einwand der Schwangerschaft steht – anders als für einen unmittelbar nach dem Ausspruch der Kündigung erhobenen Einwand – keine Frist von fünf Arbeitstagen zur Verfügung; er hat vielmehr nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 10 Abs 2 S 4 MSchG „unverzüglich nach Wegfall des Hinderungsgrunds“ zu erfolgen (vgl auch RIS-Justiz RS0070756). Nach dem Sinn und Zweck der Bestimmung, den Eingriff in die Dispositionsmöglichkeit des Arbeitgebers durch die andauernde Aufrechterhaltung des Schwebezustandes hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigung nicht unzumutbar zu verlängern, ist die Bekanntgabe der Schwangerschaft ohne unnötigen Aufschub (unverzüglich bzw sofort) nachzuholen (vgl RIS-Justiz RS0070753). In der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wurde dabei zwar die Bekanntgabe am nächsten Tag als rechtzeitig erachtet (9 ObA 269/00z), unter besonderen Umständen auch am übernächsten Tag, nicht aber am dritten Tag (8 ObA 106/02z). Spätestens am zweiten Tag der Kenntnis hat (zumindest) eine telefonische Vorinformation des Arbeitgebers zu erfolgen (abermals 8 ObA 106/02z).
1.3.1 Die Klägerin ist zwar (nach den Feststellungen) der deutschen Sprache nur in geringem Ausmaß mächtig und hat daher die Dienste ihrer Schwester als Dolmetscherin für eine Bekanntgabe der Schwangerschaft per WhatsApp in Anspruch genommen.
Warum ihr eine (fern)mündliche Information über die Schwangerschaft nicht möglich gewesen wäre, wurde weder vorgebracht noch können Gründe dafür dem Akteninhalt entnommen werden: Im Gegenteil war sie in der Lage, im Telefonat mit ihrem Frauenarzt am 2. Jänner 2025 „ihre Schwangerschaftsvermutung“ zu „erwähnen“. Darüber hinaus verwendet die Klägerin offenbar die deutschsprachige Version von WhatsApp auf ihrem Mobiltelefon (vgl Blg ./B) und entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Beklagte keine Mitarbeiterinnen – und damit auch nicht die Klägerin (vgl aber PV ON 8.3 S 2) – als Kassierin einsetzt, deren Kenntnisse der deutschen Sprache für eine Kommunikation (mit Kunden) nicht ausreichen.
1.3.2Weil die Klägerin die Beweislast für die Rechtzeitigkeit der Mitteilung trifft – und sie überdies das Lichtbild des Schwangerschaftstests bereits um 19.37 Uhr versandt hat (Blg ./B), ihre Arbeitszeit jedoch bis 20.00 Uhr gedauert hat (vgl den inhaltlich unbestrittenen Vorhalt ON 8.3 S 5) – ist davon auszugehen, dass sie am 23. Dezember 2024 nach Kenntniserlangung ebenso gearbeitet hat wie (zumindest) am 24. Dezember 2024 (PV Klägerin ON 8.3 S 5f) und daher die Schwangerschaft (zumindest) an diesen Tagen melden hätte können.
Die Mitteilung am 28. Dezember 2024 war daher verspätet.
1.4 Auf die weiteren Argumente der Berufung muss daher nicht mehr näher eingegangen werden. Der Vollständigkeit halber ist dennoch festzuhalten:
1.4.1Die Bekanntgabe der Schwangerschaft besteht aus zwei Schritten, deren kumulative Erfüllung Voraussetzung für den Eintritt des Kündigungsschutzes ist, nämlich der Bekanntgabe der Schwangerschaft und deren Nachweis durch eine ärztliche Bestätigung; die bloße (mündliche) Mitteilung reicht daher nicht aus (vgl RIS-Justiz RS0111397, RS0104189).
Beide Schritte müssen zwar nicht gleichzeitig gesetzt werden (vgl RIS-Justiz RS0111397, RS0070768). Der Nachweis muss jedoch unverzüglich nach dem Wegfall des – diesen betreffenden (vgl RIS-Justiz RS0111398) – Hinderungsgrunds erfolgen.
1.4.2 Die Frauenärzte der Klägerin mögen erst am 2. Jänner 2025 wieder ordiniert haben. Weder aus dem Vorbringen der Klägerin noch aus dem Akteninhalt ergibt sich jedoch, warum sie nicht eine ärztliche Bestätigung ihrer Hausärztin, der Vertreterin ihrer Frauenärzte (vgl Blg ./C) oder einer öffentlichen Gesundheitseinrichtung beigeschafft hat. Ebensowenig ergibt sich, dass sie vor der Aufforderung durch die Beklagte irgendwelche Schritte zur Erlangung einer ärztlichen Bestätigung unternommen hätte und dass sie auch bei einem entsprechenden Hinweis auf die Dringlichkeit des Nachweises bei ihren Frauenärzten – die offenbar „standardmäßig“ einen Termin für die sechste bzw siebte Schwangerschaftswoche vergeben (vgl die Angaben der Schwester der Klägerin, ON 8.3 S 7) – keinen früheren Termin erhalten hätte.
1.4.3 Weil die Klägerin bereits am 23. Dezember 2024 verpflichtet gewesen wäre, eine entsprechende ärztliche Bestätigung beizuschaffen, kommt es auf nachfolgende (allfällige) Äußerungen seitens der Beklagten – insbesondere des Filialleiters – nicht an.
Auch wenn nicht ausdrücklich auf die Notwendigkeit der unverzüglichen Vorlage hingewiesen wurde, durfte die Klägerin im Übrigen angesichts der bevorstehenden Beendigung nicht davon ausgehen, dass die Aufforderung zur Vorlage der Bestätigung (quasi) reiner Selbstzweck war und die Vorlage am vorletzten Tag des Arbeitsverhältnisses rechtzeitig sein würde.
1.4.4 Auch der Nachweis der Schwangerschaft durch eine ärztliche Bestätigung ist daher verspätet erfolgt (vgl OLG Linz 12 Ra 33/14f, ARD 6412/7/2014 zu einem ohne nachgewiesenen Hinderungsgrund eine Woche nach Mitteilung der Schwangerschaft erfolgten Arztbesuch).
2.1Die Beklagte weist zwar in ihrer Berufungsbeantwortung zutreffend darauf hin, dass das Klagebegehren auf Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses hätte lauten müssen (vgl RIS-Justiz RS0039019). Die – erst aufgrund der „Anleitung“ durch das Erstgericht erfolgte (ON 5.2 S 2) – „Umstellung“ des Klagebegehrens vom ursprünglich zutreffend erhobenen Feststellungs- auf ein unrichtiges Rechtsgestaltungsbegehren ist im Rechtsmittelverfahren jedoch nicht mehr relevant.
2.2 In ihrer Tatsachenrüge kritisiert die Beklagte die kursiv dargestellten Feststellungen.
2.2.1Mit dem Hinweis, die Feststellung der Aufforderung der Klägerin zur Vorlage einer Bestätigung „eines Frauenarzts“ sei nicht vom Vorbringen der Klägerin gedeckt, behauptet sie keine unrichtige Tatsachenfeststellung aufgrund einer unrichtigen Beweiswürdigung, sondern eine (allfällige) unrichtige rechtliche Beurteilung bei Berücksichtigung dieser Feststellung (vgl RIS-Justiz RS0037972, RS0040318, insb [T2], RS0036933 [T10, T12]).
2.2.2Auch die ferner kritisierte Beurteilung, wonach mit der WhatsApp-Nachricht vom 28. Dezember 2024 die Vermutung – [gemeint:] und nicht die Tatsache – der Schwangerschaft mitgeteilt wurde, betrifft eine Rechts- und keine Tatsachenfrage (vgl RIS-Justiz RS0017882).
3 Der Berufung war somit insgesamt der Erfolg zu versagen.
4Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die Klage auf Feststellung des aufrechten Bestands des Arbeitsverhältnisses ist – anders als die auf Zustimmung zur Kündigung einer Schwangeren – keine einer „betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit“ gleichartige (vgl ausdrücklich OGH 9 ObA 10/06w).
5Die ordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil keine in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage zu lösen war.