12Ra16/25x – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Barbara Jäger als Vorsitzende, Dr. Dieter Weiß und Mag. Nikolaus Steininger, LL.M. als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Franz Schwarzenberger (Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Michael Geiblinger, LL.M. (Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, **-Gasse **, vertreten durch Dr. Paulina Andrysik-Michalska, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei B* GmbH , FN **, **, **, vertreten durch Pallauf Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Entlassungs- in eventu Kündigungsanfechtung, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. Jänner 2025, Cga* 25, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Das Kostenersatzbegehren für die Berufungsbeantwortung wird zurückgewiesen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der Beklagten vom 3. Juni bis 2. August 2024 als Arbeiter beschäftigt. Sein unmittelbarer, sowohl zur Einstellung von Mitarbeitern als auch zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen befugter Vorgesetzter war der Bauleiter C* D*. Der Kläger legte anlässlich seiner Einstellung kein Lehrabschlusszeugnis vor und wurde deswegen von der Beklagten als angelernter Arbeiter und nicht als Facharbeiter eingestuft. Als der Kläger am ersten Arbeitstag auf die Baustelle kam, wurde ihm der Dienstvertrag vorgelegt und er unterfertigte ihn, ohne ihn durchzulesen. Nach einer Woche erhielt er eine Kopie.
Zur Dauer des Dienstverhältnisses ist im Dienstvertrag festgehalten, dass es vorerst bis 2. August 2024 befristet ist. Wird das Dienstverhältnis nach Ablauf der Befristung fortgesetzt, gilt es auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Die Kündigungsbestimmungen richten sich nach den jeweils geltenden gesetzlichen Regelungen sowie dem Kollektivvertrag für Bauindustrie und Baugewerbe.
Mit der vorliegenden Klagebegehrte der Kläger – gestützt auf § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG – die Rechtsunwirksamerklärung der Entlassung, in eventu der Kündigung. Das Dienstverhältnis habe nicht durch Ablauf der Befristung geendet, sondern C* D* habe ihn am 2. August 2024 aufgrund eines verpönten Motivs entlassen bzw gekündigt. Der Kläger habe zum einen die angesichts seiner 25-jährigen Berufserfahrung als Tischler und Trockenbauer richtige Einstufung als Facharbeiter sowie eine Montagezulage eingefordert und zum anderen sei er in Krankenstand gegangen und habe einen bevorstehenden Rehabilitationsaufenthalt angekündigt.
Die Beklagtebestritt und wendete Unschlüssigkeit der Klage ein. Es ergebe sich aus dem Klagsvorbringen nicht, ob nun eine Entlassung oder eine Kündigung ausgesprochen worden sei. Tatsächlich sei der Kläger weder entlassen noch gekündigt worden, sondern sein bis 2. August 2024 befristetes Dienstverhältnis sei nicht fortgesetzt und dem Kläger dieser Umstand zur Kenntnis gebracht worden. Eine Befristung schließe eine Kündigung grundsätzlich aus. Jedenfalls aber sei der Kläger mangels abgeschlossener Ausblidung richtig eingestuft worden und die Geltendmachung von Ansprüchen sei keinesfalls Grund für die Beendigung gewesen. Außerdem sei die Prozessführung mutwillig, weshalb gemäß § 408 ZPO der Ersatz der tarifmäßigen Prozesskosten in Höhe von EUR 6.981,66 sowie der Fahrkosten von EUR 150,00 und des Verdienstentgangs von EUR 1.000,00 für die Anwesenheit des Geschätsführers beantragt werde.
Das Erstgerichtwies das Klage- und das Eventualbegehren sowie das Begehren der Beklagten auf Schadenersatz nach § 408 ZPO ab und traf dazu ergänzend zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt folgende Feststellungen:
Der Kläger informierte C* D* Mitte Juni 2024, dass er voraussichtlich im November oder Dezember 2024 einen Reha-Aufenthalt absolvieren wird. Anfang Juli 2024 kontaktierte er ihn telefonisch, um mit ihm über die seiner Meinung nach zu geringe Entlohnung und eine nicht ausbezahlte Montagezulage zu sprechen. D* hatte keine Zeit, ebenso zwei oder drei Tage später. Der Kläger rief ihn nach einer Woche noch einmal an und schlug, weil sein Vorgesetzter nur eine Minute Zeit hatte, ein klärendes Gespräch auf der Baustelle vor. Bis zum 2. August 2024 kam kein Gespräch zustande, in dem der Kläger seine Forderung nach einer höheren Entlohnung konkretisieren hätte können.
Der Kläger befand sich vom 23. bis 26. Juli 2023 im Krankenstand. Er wusste, dass sein Dienstvertrag am 2. August 2024 durch Zeitablauf endet, und suchte deshalb in der letzten Juliwoche sowohl telefonisch als auch auf der Baustelle das Gespräch mit C* D*. Er wollte über den 2. August 2024 hinaus für die Beklagte tätig sein und seinen Vorgesetzten davon in Kenntnis setzen, dass er den angekündigten Reha-Aufenthalt bereits am 12. August 2024 (bis 22. September 2024) antreten muss. Zu einem Gespräch kam es nicht, weil C* D* die Baustelle sogleich nach der Baubesprechung verließ.
Für den Kläger bestand am Freitag, den 2. August 2024, aufgrund einer kurzen Woche keine Arbeitsverpflichtung, weshalb er sich bereits in Polen aufhielt. Zwischen 11.00 und 12.00 Uhr erhielt er einen Anruf von C* D* mit der Mitteilung, dass sein Arbeitsverhältnis mit heutigem Tag ende und er am Montag nicht zur Arbeit kommen solle, weil es keine Arbeit für ihn gebe. D* erwähnte auch, dass die Beklagte den zukünftigen Krankenstand aufgrund der Reha nicht zahlen wolle. Der Kläger schlug am 3. August eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses per 12. August 2024 mit Urlaubskonsum bis zum Endtermin vor. D* lehnte dies mit Hinweis auf den Ablauf der Probezeit ab. Die Beklagte meldete den Kläger am 2. August 2024 mit dem Abmeldegrund „Zeitablauf“ von der Sozialversicherung ab.
Die Beklagte setzte das auf Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angelegte Arbeitsverhältnis mit dem Kläger deshalb nicht über den 2. August 2024 hinaus fort, weil der Kläger eine höhere Entlohnung gefordert und einen Reha-Aufenthalt angekündigt hatte.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dass die Mitteilung, das Arbeitsverhältnis ende mit heutigem Tag, der Kläger solle am Montag nicht zur Arbeit kommen, weil es keine Arbeit für ihn gebe und die Beklagte den Krankenstand nicht zahlen wolle, bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis allenfalls eine Entlassung (in eventu eine frist- und terminwidrige Kündigung) begründen könnte. Konkret aber sei das Arbeitsverhältnis befristet gewesen sei. Das habe der Kläger gewusst, sodass er keinesfalls zweifelsfrei eine Entlassung annehmen habe dürfen. An die Stelle der Kündigung sei die Befristung getreten und das befristete Arbeitsverhältnis habe ipso iure mit Ablauf des 2. August 2024 geendet. Die vorliegenden, auf die Rechtsunwirksamkeit einer Entlassung, in eventu Kündigung gerichteten Klagebegehren seien daher ohne Prüfung der Anfechtungsgründe abzuweisen. Eine mutwillige Prozessführung liege nicht vor.
Gegen dieses Urteil (bzw erkennbar gegen die Abweisung des Anfechtungsbegehrens) richtet sich die an das Oberlandesgericht Innsbruck adressierte Berufung des Klägers aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem auf Klagsstattgabe gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Beklagte wendet in ihrer Berufungsbeantwortung die örtliche Unzuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck ein und beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.
Die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu behandelnde Berufung ist nicht berechtigt .
Rechtliche Beurteilung
1 Soweit der Kläger seine beim zuständigen Erstgericht eingebrachte Berufung an das Oberlandesgericht Innsbruck richtet, ist kein Verbesserungsverfahren erforderlich, da es sich um eine evidente Fehlbezeichnung handelt. Das Erstgericht hat die Berufung ohnehin dem für die Entscheidung zuständigen Oberlandesgericht Linz vorgelegt ( G. Kodek in Kodek/Oberhammer,ZPO-ON § 467 ZPO [Stand 9.10.2023, rdb.at]).
2 Der Kläger beruft sich in seiner Rechtsrüge auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, wonach die Mitteilung, der Arbeitnehmer brauche nicht mehr zu kommen, als Entlassung zu werten sei. Auch Arbeitsmangel als Lösungsgrund sei bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise als Entlassung zu verstehen; die subjektive Kenntnis des Klägers von der Befristung sei hingegen irrelevant. Undeutliche Äußerungen gingen jedenfalls zulasten des Erklärenden.
Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen:
3.1 Die Auflösungserklärung ist so zu beurteilen, wie sie der Empfänger nach ihrem Wortlaut und dem Geschäftszweck unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände bei objektiver Betrachtungsweise verstehen konnte; auf eine davon abweichende subjektive Auffassung des Erklärenden kommt es dabei nicht an (RIS-Justiz RS0028612 ).
Die vorzeitige Auflösung aus wichtigem Grund hat wie jede andere Willenserklärung bestimmt, deutlich und zweifelsfrei zu erfolgen. Entscheidend ist, dass der Erklärungsempfänger unter Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund zum Zweifel (§ 863 ABGB) am Willen des Erklärenden hat, das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu lösen. Dabei auftretende Unklarheiten gehen – wie bei anderen Willenserklärungen – grundsätzlich zulasten des Erklärenden ( Pfeil in ZellKomm 3§ 25 AngG Rz 6 f mwN; RIS-Justiz RS0029120). Sowohl auf Kündigungs- als auch auf Entlassungerklärungen findet die Unklarheitenregel des § 915 ABGB Anwendung (RIS-Justiz RS0028555 [T5,T9]; Bollenberger/P. Bydlinski in KBB 7 § 915 Rz 3)
3.2 Wenn das Erstgericht bei Auslegung der Erklärung des C* D* vom 2. August 2025, wonach das Arbeitsverhältnis des Klägers mit heutigem Tag ende und er am Montag nicht zur Arbeit kommen solle, weil es keine Arbeit für ihn gebe und die Beklagte den zukünftigen Krankenstand aufgrund der Reha nicht zahlen wolle, die Kenntnis des Klägers vom Ablauf der Befristung mitberücksichtigt, ist das folglich nicht zu beanstanden. Auf die subjektive Auffassung des Erklärenden kommt es nicht an, die im konkreten Fall gegebenen Umstände sind bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise hingegen sehr wohl beachtlich. Entscheidend ist der Horizont eines redlichen Erklärungsempfängers und nicht der von jeglichen Begleitumständen losgelöste Wortlaut einer Erklärung (vgl Bollenberger/P. Bydlinski in KBB 7 § 863 Rz 3; RIS-Justiz RS0113932 ).
4.1 Zutreffend ist, dass der Arbeitnehmer aus der Erklärung, dass er nicht mehr zu kommen brauche, objektiv betrachtet den Willen des Arbeitgebers erschließen kann, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung zu beenden (OGH 8 ObA 179/02k = RIS-Justiz RS0028612 [T8]). Ebenso hat der Oberste Gerichtshof die Aufforderung an den Arbeitnehmer, stempeln zu gehen, in Verbindung mit der Abmeldung bei der Krankenkasse und der Anführung von Arbeitsmangel in der Arbeitsbescheinigung als Willen zur sofortigen Lösung Auflösung des Arbeitsverhältnisses interpretiert (4 Ob 88/85; vgl zu ähnlichen Formulierungen Kuderna, Entlassungsrecht² 8 und Pfeilin ZellKomm³ § 25 AngG Rz 8).
4.2In diesen beiden (auch) vom Kläger herangezogenen Entscheidungen bestand aber ein unbefristetes Dienstverhältnis. Zwar können befristete Dienstverhältnisse ebenfalls durch Entlassung vorzeitig beendet werden und es greift auch der in § 106 ArbVG geregelte Entlassungsschutz (RIS-Justiz RS0118913 ; Reissnerin ZellKomm³ § 19 AngG Rz 37), allerdings macht es einen wesentlichen Unterschied, ob dem Arbeitnehmer im Laufe des befristeten Dienstverhältnisses mitgeteilt wird, dass er am nächsten Tag nicht mehr zu kommen brauche, oder ob dies am letzten Tag der Befristung erfolgt. Es gibt keinen vernünftigen Grund, einen Arbeitnehmer an diesem letzten Tag seines Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitsmangels oder wegen eines bevorstehenden Krankenstands (unberechtigt) zu entlassen. So eine widersinnige Erklärung kann einem Arbeitgeber wohl – außer bei besonderen, hier nicht vorliegenden Umständen – nicht zugesonnen werden.
5.1 Da im Dienstvertrag vereinbart ist, dass das Dienstverhältnis dann, wenn es nach Ablauf der Befristung fortgesetzt wird, als Dienstverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt, kann die Erklärung des Vorgesetzten vom 2. August 2024, dass der Kläger am nächstfolgenden Arbeitstag nicht mehr zu kommen brauche, redlicher- und vernünftigerweise nicht anders verstanden werden als als Nichtverlängerungserklärung.
5.2Die Erklärung, ein befristetes Dienstverhältnis nicht fortsetzen zu wollen, ist nicht als Kündigung zu interpretieren und unterliegt daher auch nicht dem allgemeinen Kündigungsschutz des § 105 ArbVG. An der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Zeitablauf ändert sich dadurch nichts ( Löschnigg, Arbeitsrecht 14 Rz 5/138 insb unter Hinweis auf OGH 8 ObA 68/20p; RIS-Justiz RS0118101 , RS0063980 ). Überhaupt schließen bei Beendigung zum selben Termin Kündigung und Befristung einander aus (RIS-Justiz RS0028431 [T1]; Reissnerin ZellKomm³ § 19 AngG Rz 38).
6 Ausgehend von diesen Überlegungen hat daher das Erstgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung sowohl das auf Anfechtung der Entlassung als auch das eventualiter auf Anfechtung der Kündigung gerichtete Klagebegehren abgewiesen, ohne auf die Anfechtungsgründe (verpönte Beendigungsmotive) einzugehen.
Die Ablehnung eines Schadenersatzanspruches nach § 408 ZPO erwuchs unbekämpft in Rechtskraft, sodass das Ersturteil insgesamt zu bestätigen ist.
7Die Beklagte hat die Kosten der erfolgreichen Berufungsbeantwortung selbst zu tragen, da gemäß § 58 Abs 1 ASGG im Entlassungs- bzw Kündigungsanfechtungsverfahren für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren kein Kostenersatzanspruch besteht.
8Die ordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil der Auslegung von Erklärungen des Arbeitgebers anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.