11Bs170/25z – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dampf als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Hagen und Dr. in Offer als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A* B*wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie der Aussprüche über die Schuld und (impliziert) Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 22.5.2025, GZ **-29, sowie die (implizierte) Beschwerde gegen einen Beschluss nach § 494a StPO nach der am 12.8.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. a Egger, der Sitzungsvertreterin der Oberstaatsanwaltschaft StA in Mag. a Unterguggenberger-Auer, des Angeklagten und seines Verteidigers RA Ing. Dr. Joachim Stock öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag
zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird mit der Maßgabe n i c h tFolge gegeben, dass die Freiheitsstrafe in weiterer Anwendung des § 39 Abs 1a StGB verhängt wird.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
beschlossen:
Der (implizierten) Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* B* zweier Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 27.11.2024 in ** Nachgenannte jeweils telefonisch gefährlich zumindest mit der Zufügung einer Körperverletzung bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar
Hiefür verhängte die Einzelrichterin in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 107 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten und verurteilte den Angeklagten gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens. Unter einem wurde gemäß § 19a StGB das sichergestellte Mobiltelefon des Angeklagten der Marke ** konfisziert und mit Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO vom Widerruf der zu ** des Landesgerichts Innsbruck gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.
Gegen dieses Urteil meldete der unvertretene Angeklagte rechtzeitig „Rechtsmittel“ an und beantragte gleichzeitig die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers (ON 26). Der ihm beigegebene Verfahrenshilfeverteidiger führte in der Folge fristgerecht schriftlich eine Berufung wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld (ON 31) aus, wobei mit Blick auf § 467 Abs 3 StPO diese auch als Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe anzusehen ist und gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO auch eine Beschwerde gegen den erstrichterlichen Beschluss auf Probezeitverlängerung impliziert. Die Berufung zielt darauf ab, das angefochtene Urteil aufzuheben, allenfalls nach Beweiswiederholung den Angeklagten freizusprechen bzw in eventu die Strafsache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf schriftliche Gegenäußerungen (ON 1.16).
Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer Stellungnahme den Standpunkt, dass der Berufung mit der Maßgabe, die über den Angeklagten ausgemessene Freiheitsstrafe auch in Anwendung des § 39 Abs 1a StGB zu verhängen, nicht Folge zu geben sein werde; ebenso wenig der Beschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung dringt mit der im Spruch angeführten Maßnahme nicht durch.
Die Mängelrüge (§ 489 Abs 1 iVm § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall) kritisiert eine offenbar unzureichende Begründung der Feststellung, dass der Angeklagte mit der Absicht gehandelt habe, C* B* und D* in Furcht und Unruhe zu versetzen. Soweit unter diesem Gesichtspunkt bemängelt wird, dass nicht ausgeführt werde, was konkret unter „Handlungsweise“ gemeint sei und sich das Erstgericht daher lediglich einer Scheinbegründung bediene, da die „Handlungsweise“ lediglich in der Verwendung eines Smart-Phones bestehe, ist ihr zu entgegnen, dass der vom Erstgericht gezogene Schluss vom äußeren Tatgeschehen (vom Erstgericht unmissverständlich als „Handlungsweise“ bezeichnet) auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit ohne weiteres rechtsstaatlich vertretbar und bei (wie hier) leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen ist ( Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 281 Rz 452; RIS-Justiz RS0116882, RS0098671).
In Erledigung der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld überprüfte das Berufungsgericht die entscheidenden erstrichterlichen Urteilsannahmen anhand des Akteninhalts. Diese ergab keine Bedenken an deren Richtigkeit. Die Erstrichterin konnte sich nicht nur einen persönlichen Eindruck vom Angeklagten verschaffen, sondern ebenso von den Zeugen D* sowie E* (die Zeugin C* B* hat sich der Aussage entschlagen) und legte in einer ausführlichen, auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten und die übrigen Beweisergebnisse eingehenden Beweiswürdigung dar, warum sie dessen Angaben nicht folgte. Diese Beweiswürdigung wird, mit Ausnahme jener zum Anruf um 18.13 Uhr, worauf anschließend noch einzugehen ist, ausdrücklich vom Berufungssenat geteilt.
Der Schuldberufung gelingt es unter Hinweis auf Diskrepanzen und unerhebliche (kleinere) Widersprüche in den Zeugenaussagen der E* und des D* nicht, Bedenken an deren Glaubwürdigkeit hervorzurufen. Das Erstgericht hat mit Blick auf die plausiblen Angaben der Zeugin E* als auch des Zeugen D* zu Recht darauf hingewiesen, dass aufgrund deren aufrichtigen, besonnenen und auch verlässlichen Eindrucks an deren Aussagen nicht zu zweifeln war. In diesem Zusammenhang wurden von der Erstrichterin auch Unschärfen und die zum Teil voneinander abweichenden Angaben zur Frage des Wortlauts der Äußerungen und der Anzahl der Anrufe nicht außer Acht gelassen. Auch nach Ansicht des Oberlandesgerichts sind die Angaben der Zeugen im Kerngeschehen gleichbleibend und ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine vom Angeklagten behauptete Falschbeschuldigung. Darüber hinaus hat das Erstgericht folgerichtig den Schluss gezogen, dass im Falle eines Anrufs mit unterdrückter Nummer die Zeugen den Angeklagten, hätte dieser kein Wort gesprochen, nicht an dessen Stimme erkennen hätten können. Berechtigt weist die Schuldberufung aber darauf hin, dass die technische Auswertung des Mobiltelefons ergab, dass der Anruf auf die Mobiltelefonnummer der C* B* um 18.13 Uhr unbeantwortet blieb. Dies stützt jedoch der Berufung zuwider weder die Glaubwürdigkeit des Angeklagten noch exkulpiert ihn dieser Umstand, da es leicht möglich ist, getätigte Anrufe aus der Anrufliste zu löschen, so dass diese nicht mehr sichtbar sind und laut Mitteilung des Landeskriminalamtes auch nicht wieder hergestellt werden können (siehe Bericht der PI F* vom 2.7.2025). Mit Blick darauf, dass der Angeklagte unmittelbar nach der telefonischen Meldung durch den Zeugen D* in der Justizanstalt in seinem Haftraum auf dem WC sitzend beim Hantieren mit einem unerlaubt besessenen Mobiltelefon betreten wurde, welches er sodann in das WC warf, ist in Zusammenschau mit den Angaben der Zeugen davon auszugehen, dass er Anrufe zumindest teilweise noch aus der Anrufliste löschen konnte. Der in diesem Zusammenhang herangezogene Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) verhilft bei Bedachtnahme auf diese vorliegenden Verfahrensergebnisse der Berufung ebenso nicht zum Ziel.
Soweit die Schuldberufung auch den festgestellten Sinn- und Bedeutungsgehalt der inkriminierten Äußerungen bestreitet und behauptet, es handle sich vielmehr um Todesdrohungen, ist sie nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgeführt.
Die Ableitung der inneren Tatseite aus einer lebensnahen Betrachtung der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen ist unter dem Aspekt der Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Weshalb die vom Angeklagten am Tattag um 18.16 Uhr per WhatsApp versendete Nachricht an die von ihm als „**“ abgespeicherte Kontaktperson, „** (Anmerkung des OLG: dabei handelt es sich um die Telefonnummer seiner Ehegattin) verarsch de nummer ein wenig“ (siehe ON 6.3), den Feststellungen zur Ernstlichkeit der Drohungen und zur Absicht des Angeklagten, die Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, entgegenstehen sollten, vermag die Berufung nicht nachvollziehbar aufzuzeigen.
Damit hat es bei den entscheidenden Urteilsannahmen zur objektiven und subjektiven Tatseite zu bleiben.
Der Rechtsrüge(§ 489 Abs 1 iVm § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) voranzustellen ist, dass die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrunds das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung hat ( RatzaaO Rz 581, 584; RIS-Justiz RS0099810).
Der Berufungswerber behauptet, er habe nach den erstgerichtlichen Feststellungen mangels Ernstlichkeit keine gefährliche(n) Drohung(en) ausgesprochen, vielmehr habe es sich bei den festgestellten Äußerungen gegenüber C* B* und D* um „milieubedingte Unmutsäußerungen“ gehandelt und habe er ohne Absicht gehandelt, die Genannten in Furcht und Unruhe zu versetzen bzw habe er die Äußerungen nur im Zorn getätigt. Indem die Rechtsrüge die gegenteiligen Urteilsannahmen zur Zielrichtung (Absicht, in Furcht und Unruhe zu versetzen) und zur Ernstlichkeit der inkriminierten Drohungen (US 7) übergeht, ist sie nicht prozessordnungskonform ausgeführt.
Soweit die Berufung im Weiteren auch die Eignung der gegenständlichen Äußerungen bestreitet, C* B* und D* begründete Besorgnis einzuflößen, da eine Umsetzung der Drohungen denkunmöglich bzw unrealistisch sei und er diesen vielmehr bloß einen Schrecken einjagen habe wollen, ist die vom Erstgericht - in der Beweiswürdigung disloziert (US 8; RIS-Justiz RS0092437) - bejahte Eignung schon angesichts des zweimaligen Anrufens, des Wortlauts und vor dem Hintergrund des - von der Berufung selbst ins Treffen geführten - Umstands, dass der Angeklagte in einem erregten Gemütszustand gewesen sei, da die damalige Ehegattin des Angeklagten C* B* einen neuen Lebensgefährten habe, nicht zu beanstanden. Ob der Angeklagte tatsächlich in der Lage war, das jeweils angedrohte Übel herbeizuführen, stellt kein Kriterium der Drohung dar; es genügt vielmehr, dass die Drohung ernst gemeint und verwirklichbar erscheint (RIS-Justiz RS0092132; Jerabek/Ropperin WK² StGB § 74 Rz 23). Mit dem Vorbringen zum bloßen Einjagen eines Schreckens werden erneut die gegenteiligen Feststellungen zur Ernstlichkeit und zur Absicht des Angeklagten übergangen.
Der (implizierten) Strafberufungist voranzustellen, dass der Angeklagte zusätzlich zu den aktenkonform wiedergegebenen Feststellungen zu seinem Vorleben mit Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 7.5.2020, **, rechtskräftig seit 10.5.2020, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer (zwischenzeitlich endgültig) bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt wurde.
Bei der Strafzumessung wertete die Erstrichterin keinen Umstand als mildernd, erschwerend wurden die einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen von zwei Vergehen, die Tatbegehungen während des Vollzugs eines über ihn unbedingt verhängten Teils einer Freiheitsstrafe, während einer offenen Probezeit und während des anhängigen Verfahrens zu ** des Landesgerichts Innsbruck, der rasche Rückfall (Verurteilung zu ** des Landesgerichts Innsbruck am 19.09.2024) und der Umstand, dass er eine Tat (1.) zum Nachteil seiner Ehegattin begangen hat, in Anschlag gebracht.
Zu Recht weist die Oberstaatsanwaltschaft darauf hin, dass ausgehend von der Vorstrafenbelastung die Rückfallsvoraussetzungen nach § 39 Abs 1a StGB vorliegen, da den Eintragungen 05, 07 und 08 (die Eintragungen 07 und 08 stehen im Verhältnis des § 31 Abs 1 StGB) der Strafregisterauskunft strafbare Handlungen gegen die Freiheit und gegen Leib und Leben zugrunde liegen, der Angeklagte jeweils zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde und Rückfallsverjährung nach § 39 Abs 2 StGB nicht eingetreten ist. Weil das Berufungsgericht an den vom Erstgericht angenommenen Strafrahmen nicht gebunden ist, hat es seiner Entscheidung (unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots) die von ihm für richtig erachtete Strafrahmenvorschriften des § 39 Abs 1a StGB zu Grunde zu legen (RIS-Justiz RI0100142; RS0100733), was fallaktuell zu einer erweiterten Strafbefugnis von Geldstrafe bis zu 1.080 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe bis 1 1/2 Jahren führt (zur Anführung des § 39 Abs 1a StGB im Urteilstenor vgl RIS-Justiz RS0133600 [T2]).
Darüber hinaus hat das Erstgericht die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig erfasst. Ausgehend davon sowie unter weiterer Berücksichtigung allgemeiner Strafbemessungskriterien des § 32 StGB ist die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe unter Beachtung des erweiterten Strafrahmens keinesfalls zu streng, weshalb sich das Oberlandesgericht zu einer Herabsetzung nicht veranlasst sah.
Da den Angeklagten bis dato weder zum Teil bedingt nachgesehene Geld- bzw Freiheitsstrafen von einschlägiger Delinquenz abhalten konnten und bereits die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall vorliegen, ist die Nichtanwendung der §§ 37 Abs 1 und 43 Abs 1 StGB durch das Erstgericht nicht zu beanstanden.
Das inhaltlich nicht kritisierte Konfiskationserkenntnis ist mit Blick auf die konstatierte Verwendung des Mobiltelefons zu den Tatbegehungen, das festgestellte Eigentum des Angeklagten zum Urteilszeitpunkt sowie der vorgenommenen Verhältnismäßigkeitsprüfung ebenfalls nicht zu beanstanden.
Der Berufung war daher mit der im Spruch angeführten Maßgabe ein Erfolg zu versagen.
Die Verurteilung zum Kostenersatz ist Folge des Ausgangs des Berufungsverfahrens. Sie gründet in der angezogenen Gesetzesstelle.
Zur (implizierten) Beschwerde:
Mit Blick auf die neuerliche Delinquenz während offener Probezeit und eines anhängigen Verfahrens sowie dem raschen Rückfall nach der Verurteilung zu ** des Landesgerichts Innsbruck kann sich der Angeklagte durch die bloße Probezeitverlängerung hinsichtlich der bedingten Strafnachsicht zu ** des Landesgerichts Innsbruck nicht beschwert erachten, so dass auch seine Beschwerde erfolglos blieb.