1R47/25h – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Mag. Obrist als Vorsitzenden sowie die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Vetter und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Nemati als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , Förster, vertreten durch Längle Fussenegger Singer Rechtsanwälte Partnerschaft in Dornbirn, wider die beklagte Partei B* , Produktionsarbeiter, vertreten durch Rechtsanwälte Mandl GmbH in Feldkirch, wegen ausgedehnt EUR 138.656,41 s.A. und Feststellung (Streitinteresse EUR 5.000,--), über die Berufungen der klagenden Partei (Berufungsinteresse EUR 95.770,94) und der beklagten Partei (Berufungsinteresse EUR 47.885,46) gegen das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichts Feldkirch vom [richtig] 16.1.2025, ** 28, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
I. Der Berufung der beklagten Partei wird n i c h t Folge gegeben.
Hingegen wird der Berufung der klagenden Partei t e i l w e i s e Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert , dass es unter Einschluss der bestätigten Teile als Teil- und Zwischenurteil insgesamt wie folgt zu lauten hat:
„1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von EUR 138.656,41 s.A. zu bezahlen, besteht dem Grunde nach zu 50 % zu Recht.
2. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen EUR 69.328,21 samt 4 % Zinsen seit Klagseinbringung zu bezahlen, wird abgewiesen .
3. Das Klagebegehren, es wolle mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt werden, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für sämtliche zukünftige Schäden, Folgen und Nachteile aus dem Unfall vom 20.10.2021 auf dem Betriebsgelände der C* GmbH hafte, wird im Umfang einer begehrten Haftung von 50 % abgewiesen.
4. Die Entscheidung über das darüber hinausgehende Feststellungsbegehren im Umfang einer Haftung von 50 % und die Kostenentscheidung bleiben der Endentscheidung vorbehalten.“
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
III. Die (ordentliche) Revision ist n i c h t zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 20.10.2021 um ca 12:45 Uhr kam es auf dem Betriebsgelände der Firma C* GmbH in ** (in der Folge kurz: Sägewerk) zu einem Unfall, an welchem der Beklagte als Staplerlenker und der Kläger als Fußgänger beteiligt waren.
Der Kläger war zum Unfallszeitpunkt auf selbstständiger Basis aufgrund eines Werkvertrags in der Rundholzsortieranlage des Sägewerks tätig. Seine Aufgabe war, das Holz entgegenzunehmen und insofern die Termine mit den Frächtern zu koordinieren. Außerdem hatte er das Holz nach der Qualitätsklasse zu klassifizieren, dieses zu vermessen und zu sortieren. Teilweise war er auch im Einkauf tätig. Im Durchschnitt arbeitete er ca 2 bis 3 Tage in der Woche im Sägewerk. Anweisungen erhielt der Kläger ausschließlich vom Chef des Sägewerks.
Der Beklagte war im Sägewerk angestellt und in der Schnittholzsortierung und als Staplerfahrer tätig, wobei er seit 2016 über einen Staplerführerschein verfügt. Der Beklagte hat nicht mit dem Kläger zusammengearbeitet.
Auf dem Betriebsgelände des Sägewerks befinden sich mehrere Gebäude. Von der Zufahrt von der D**straße aus gesehen liegt zunächst links der Mitarbeiterparkplatz. Hinter diesem befindet sich eine große Halle, die Werk- bzw Sägehalle. Auf der rechten Seite – gleichfalls aus Richtung der D**straße gesehen – befindet sich ein langgezogenes Gebäude, in dem sich nacheinander das Bürogebäude mit dem Aufenthaltsraum, die Werkstatt und zuletzt die Rundholzsortieranlage befinden. Aus Richtung der D**straße gesehen führt in das Gebäude rechts, unmittelbar nach dem Bürogebäude, zunächst eine graue Türe , und zwar in einen Bereich zwischen dem Bürogebäude und der Werkstatt, wo sich auch ein Waschbecken befindet. Diese graue Türe ist von außen versperrt und kann nur mit einem Chip geöffnet werden, über welchen der Kläger nicht verfügte. Von innen kann diese graue Türe hingegen problemlos geöffnet werden. An der Innenseite dieser Türe befindet sich ein Schild, welches lautet: „Warnung vor Flurförderzeugen“ . Diese Türe kann nach außen ausschließlich nach links geöffnet werden. 6,5 m nach dieser Türe – wieder aus Richtung D**straße gesehen – führt außerdem eine rote Türe in die Werkstatt, die üblicherweise nicht versperrt ist, sohin auch von außen ohne Chip geöffnet werden kann.
Am Unfalltag aßen die Parteien in der Werkstatt zusammen Mittag, als ein LKW-Fahrer kam und darum ersuchte, dass man ihm zwei leere Paletten gibt. Der Beklagte verließ daraufhin die Halle, um zwei Paletten mit dem Stapler zu holen und aufzuladen. Er startete den der Betreiberin des Sägewerks gehörenden und von dieser gehaltenen Stapler, der nur auf dem Betriebsgelände verwendet wird und nicht angemeldet ist. Er hat eine Bauartgeschwindigkeit von 23 km/h. Auf dem Dach dieses Staplers ist kein Warnlicht angebracht. Er hat nur Rückfahrwarner.
Der Kläger verließ am Ende der Mittagspause das Gebäude. Vor dem Gebäude kam es zu einer Kollision zwischen dem Kläger und dem vom Beklagten gelenkten Staplerfahrzeug. Dabei wurde der Kläger schwerst verletzt.
Insoweit steht der – verkürzt und nicht immer wörtlich wiedergegebene – Sachverhalt im Berufungsverfahren unbekämpft fest. Das Verfahren wurde auf den Grund des Anspruchs eingeschränkt.
Der Kläger begehrte aus diesem Unfallgeschehen zuletzt den Zuspruch von EUR 138.656,41 s.A. sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche zukünftige Schäden, Folgen und Nachteile des Klägers aus diesem Unfall.
Anspruchsbegründend brachte er – soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse – zusammengefasst vor, der Beklagte sei zum Unfallszeitpunkt mit dem Gabelstapler auf dem Betriebsgelände zwischen dem Betriebsgebäude und dem Holzlager von Osten nach Westen gefahren. Er habe auf der bodennah abgesenkten Gabel zwei leere Paletten geladen gehabt, die ihm die Sicht auf die vor ihm liegende, ca 8 m breite Durchfahrt nicht versperrt hätten. Dennoch habe der Beklagte den Kläger erstmalig aufgrund der Kollision bemerkt und sei dieser ohne zu bremsen vom Gas gegangen, wobei er den Kläger bis zum Stillstand über die dafür benötigte Distanz von ca 1,6 m mitgeschleift habe.
Der Unfall habe sich in einer beengten Durchfahrt unmittelbar vor einer Gebäudetüre ereignet, die bekanntermaßen regelmäßig von Fußgängern verwendet werde, was dem Beklagten bekannt gewesen sei. Der Beklagte wäre aufgrund dieser besonderen Gefahrensituation zu einer erhöhten Aufmerksamkeit, bremsbereitem Fahren mit Schrittgeschwindigkeit und zur Abgabe von Hupzeichen verpflichtet gewesen. Der Beklagte habe auch gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen. Hätte er die äußerst rechte Fahrlinie eingehalten, was möglich gewesen wäre, wäre es nicht zur Kollision gekommen. Die Arbeitsweise des Beklagten sei nicht im Einklang mit den der Sicherheit dienenden Vorschriften über die Bedienung des Gabelstaplers gestanden. Er habe schuldhaft und rechtswidrig die körperliche Unversehrtheit des Klägers beeinträchtigt, weshalb er gemäß den §§ 1293 ff ABGB für sämtliche unfallkausale Schäden, Folgen und Nachteile des Klägers deliktisch hafte.
Der Kläger sei beim Verlassen des Betriebsgebäudes weder unachtsam gewesen noch sei er in den vom Beklagten gelenkten Stapler gelaufen. Er habe das Gebäude durch die rote Türe, die aus der Werkstatt führe, verlassen und sei entlang des Betriebsgebäudes zu seinem Fahrzeug gegangen. Der Beklagte, der sich von hinten dem Kläger angenähert habe, hätte bei Anwendung der erforderlichen Aufmerksamkeit und Einhaltung des Gebots des Fahrens auf Sicht hinlänglich Zeit gehabt, die Kollision zu verhindern. Im Gegensatz dazu bleibe für den Kläger der Vertrauensgrundsatz, wonach er sich darauf verlassen dürfe, dass die anderen Verkehrsteilnehmer die entsprechenden Vorschriften der Straßenverkehrsordnung einhielten. Er habe den Beklagten nicht als Gefahr wahrnehmen müssen.
Der Beklagtebestritt und wandte zusammengefasst ein, ihm komme das Haftungsprivileg nach § 333 ASVG zugute, weshalb er nicht passiv klagslegitimiert sei. Der Kläger sei im Betrieb des Sägewerks eingegliedert gewesen.
Der Beklagte sei zwar Lenker, nicht jedoch Halter des unfallbeteiligten Staplerfahrzeugs gewesen, er hafte nicht nach den Bestimmungen des EKHG.
Die Bestimmungen der StVO würden auf dem gegenständlichen Betriebsgelände nicht gelten. Da der Betriebsunternehmer eigene Verkehrsschilder und Hinweistafeln auf dem Betriebsgelände aufgestellt habe, gelte die StVO nicht.
Der Beklagte habe die größtmögliche von ihm zu erwartende Sorgfalt aufgewendet. Er habe das Fahrzeug äußerst langsam bewegt, die vor ihm gelegene Verkehrsfläche aufmerksam beobachtet und die Ladung bzw die Staplergabel so platziert, dass er in seiner Sicht auf die vor ihm gelegene Verkehrsfläche nicht eingeschränkt gewesen sei. Der Unfall sei für den Beklagten nicht vermeidbar gewesen. Der Beklagte, der nur bei Verschulden hafte, habe Anspruch auf Zugrundelegung der für ihn günstigsten Hergangsvariante. Dies sei jene, dass der Kläger das Betriebsgebäude durch die graue Türe verlassen habe und gegen den Stapler geraten sei. Zu diesem Zeitpunkt habe der Beklagte keine tauglichen Abwehrmaßnahmen mehr setzen können.
Der Kläger, der in Kenntnis des Umstands gewesen sei, dass der Beklagte vom Lenker eines Lieferanten-LKW angewiesen worden sei, diesem zwei Paletten auf den LKW zu laden, habe das Gebäude in Richtung Betriebsgelände verlassen, wobei er unachtsam gewesen, gegen den linken vorderen Reifen des vorbeifahrenden Staplers geraten und offensichtlich überrollt worden sei. Der Kläger habe den Beklagten trotz dessen langsamer Fahrt vor dem Unfall nicht wahrgenommen und sei in das Fahrzeug gelaufen. Der Kläger hätte das Annähern des Staplerfahrzeugs, wo immer er auch das Betriebsgebäude verlassen habe, erkennen und sein Verhalten darauf einrichten können. Dass der Kläger vor dem Stapler dem Gebäude entlang gelaufen und von hinten angefahren und dann überrollt worden wäre, stelle eine realitätsfremde Variante dar und sei diese Variante mit dem entstandenen Verletzungsbild in keiner Weise in Einklang zu bringen. Den Kläger treffe aber nach jeder möglichen Variante ein Verschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalls, wogegen ein Mitverschulden des Beklagten nicht hervorgekommen sei. Der Kläger trage sohin das Alleinverschulden am Unfall, zumindest treffe ihn ein Mitverschulden in einem Ausmaß, welches ein allfälliges Mitverschulden des Beklagten völlig in den Hintergrund treten lasse.
Mit dem angefochtenen Teil- und Zwischenurteil erkannte das Erstgericht das Leistungsbegehren des Klägers als dem Grunde nach zu einem Drittel zu Recht bestehend und wies das Leistungsmehrbegehren im Betrag von EUR 92.437,61 s.A. ab (Spruchpunkte 1. und 2.). Das über die Feststellung einer Haftung des Beklagten von 1/3 hinausgehende Feststellungsbegehren wies es ebenfalls ab (Spruchpunkt 3.). Die Entscheidung über das Feststellungsbegehren im Umfang von 1/3 und die Kostenentscheidung blieben der Endentscheidung vorbehalten (Spruchpunkt 4.).
Über den eingangs referierten Sachverhalt hinaus legte das Erstgericht seiner Entscheidung die im Folgenden wiedergegebenen Feststellungen zugrunde, wobei die von den Streitteilen bekämpften Feststellungen bzw. Feststellungsteile in Fettdruck hervorgehoben werden:
„Zwischen der Werkhalle und dem Gebäude, in dem die Werkstatt ist, befindet sich eine 8,5 m breite asphaltierte Straße. Neben dieser und für diese geltend findet sich eine von der Betreiberin des Sägewerks angebrachte Hinweistafel, die vorschreibt, hier Schrittgeschwindigkeit zu fahren. Zum Unfallszeitpunkt war diese Fahrbahn trocken, es herrschte gute Sicht.
Der Beklagte lud vor dem Unfall direkt neben der Werkshalle , aus der D**straße gesehen eher am Ende dieses Gebäudes, auf den Stapler zwei Paletten an und hob die Gabel ca 20 bis 30 cm an. Durch die Gabel war seine Sicht in keiner Weise beeinträchtigt. Dann fuhr der Beklagte mit dem Stapler auf der Straße zwischen den beiden Hallen aus westlicher Richtung nach Osten [gemeint wohl: aus östlicher Richtung nach Westen] , er fuhr sohin in Richtung der D**straße. Die Werkshalle befand sich rechts von ihm und das Büro- und Werkstattgebäude links. Bis zur Unfallstelle legte er eine Strecke von ca 20 m zurück und benötigte hiefür ca 7,2 Sekunden, zumal er eine Geschwindigkeit von ca 10 km/h einhielt.
Er fuhr nicht rechts, sondern eher mittig auf dieser Fahrbahn. (a) Es befand sich kein Hindernis in der Fahrbahn, welches ihn genötigt hätte, diese Fahrspur zu wählen. Insbesondere war auf der rechten Seite, vor der Sägehalle, auf der Länge des Büro- und Werkstattgebäudes kein Hindernis vorhanden und wäre es dem Beklagten möglich gewesen, jedenfalls auf Höhe der beiden Türen äußerst rechts zu fahren.
Der Kläger hatte zuvor mit dem Beklagten in der Werkstatt gegessen und hatte gehört, dass der Beklagte vom LKW-Fahrer gebeten wurde, diesem zwei Paletten zu bringen, und hatte auch bemerkt, dass der Beklagte nach draußen gegangen ist, um diesem Wunsch nachzukommen. Am Ende der Mittagspause beabsichtigte der Kläger, sein Essgeschirr in sein Auto, welches er auf dem Mitarbeiterplatz abgestellt hatte, zu bringen. Er verließ dazu das Gebäude. (1) Es konnte allerdings nicht festgestellt werden, durch welche Türe der Kläger das Gebäude verlassen hat, ob durch die rote oder die graue Türe.
Sollte er das Gebäude durch die graue Türe verlassen haben, ist er direkt in den Fahrkanal des Staplers getreten. Vom Verlassen des Gebäudes bis zum Anprall legte der Kläger in diesem Fall eine Wegstrecke von 2,5 bis 3 m zurück, wofür er 1,8 bis 2,2 Sekunden benötigte, wenn eine normale Gehgeschwindigkeit von 5 km/h angenommen wird.
Der Kläger hätte den sich nähernden Stapler wahrnehmen können, wenn er unmittelbar vor dem gänzlichen Verlassen des Gebäudes stehen geblieben wäre. Er hätte dann den Unfall vermeiden können, wenn er nicht weiter gelaufen [im Sinne des Sprachgebrauchs in Vorarlberg gemeint „gegangen“] wäre.
Für den Beklagten wäre die nach außen öffnende Gebäudetüre erkennbar gewesen und hätte er jedenfalls ca 1 Sekunde, nachdem der Kläger das Gebäude verlassen hat, diesen als Gefahr erkennen müssen. Unter Zugrundelegung einer Reaktionszeit von einer Sekunde konnte er vor der Kollision keine wirksame Abwehrmaßnahme mehr setzen und war daher bei Einhaltung einer Fahrgeschwindigkeit von 10 km/h für ihn der Unfall nicht vermeidbar.
Hätte der Beklagte eine Fahrgeschwindigkeit von 5 km/h (Schrittgeschwindigkeit) eingehalten, hätte der Anhalteweg ca 1,7 m statt 4 m (bei 10 km/h) betragen. Auch in diesem Fall wäre für ihn der Unfall nicht vermeidbar gewesen, wenn er erst auf das Verlassen des Gebäudes durch den Kläger reagiert hätte.
Zum Zeitpunkt 2 Sekunden vor der Kollision befand sich der Beklagte bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 10 km/h ca 5,56 m vor der späteren Kollisionsstelle. Wäre der Beklagte zu diesem Zeitpunkt mit 5 km/h statt 10 km/h gefahren, so hätte er für diese Wegstrecke 4 Sekunden benötigt, in welchem Fall der Kläger, wenn eine normale Schrittgeschwindigkeit von 5 km/h zugrunde gelegt wird, den Fahrkanal bereits verlassen hätte. Der Unfall hätte sich sohin nicht ereignet.
Wenn der Beklagte äußerst rechts gefahren wäre, sohin mindestens 2 m weiter entfernt, wäre der Kläger nicht in dessen Fahrkanal geraten, sohin nicht vor dessen Front getreten.
Wenn der Kläger das Gebäude durch die rote Türe verlassen hat, so wäre er zunächst parallel zur Gebäudefront in westlicher Richtung normal gegangen, wobei er für die Zurücklegung der 6,5 m langen Wegstrecke ca 4,6 Sekunden benötigt hätte. Innerhalb dieser Zeit hätte der Beklagte eine Wegstrecke von ca 13 m zurückgelegt. Unter Berücksichtigung einer Reaktionszeit von 1 Sekunde hätte sich der Gabelstapler 3,68 Sekunden vor der Kollision ca 10,22 m vor der späteren Kollisionsstelle befunden. Er hätte mit einer durchschnittlichen Verzögerung von 0,52 m/sec², was einer leichten Bremsung entspricht, das Fahrzeug nach Erkennung der Gefahr zum Stillstand bringen können. Für den Kläger wäre die Annäherung des sich in seinem Rücken nähernden Staplers nicht erkennbar gewesen.
In jedem Fall wurde der Kläger vor dem Büro- und Werkstattgebäude, auf Höhe der grauen Türe, auf der Straße von der Vorderseite der linken Ladegabel des Staplers bzw aus diesem Bereich erfasst und umgestoßen, wobei er mit dem Rücken auf der Fahrbahn aufprallte. Er wurde in der Folge, auf dem Rücken liegend, vom linken Vorderreifen des Staplers überrollt bzw in der Folge vom linken Hinterrad des Staplers um ca 1,6 m in Fahrtrichtung des Staplers bis in die Unfallendlage geschoben. Die Kontaktstelle beim Kläger befand sich an der rechten Körperseite.
Der Beklagte hat den Kläger vor dem Unfall gar nicht wahrgenommen, sondern wurde erst durch das Überrollen auf den Unfall aufmerksam und hielt den Stapler durch Wegnahme von Gas an, wobei er noch eine Wegstrecke von 3,6 bis 4 m zurücklegte.“
In rechtlicher Hinsichtstellte das Erstgericht seinen Ausführungen voran, das Arbeitgeberhaftpflichtprivileg (gemeint: das Dienstgeberhaftungsprivileg) nach § 333 ASVG sei nicht anzuwenden. Voraussetzung hiefür wäre, dass der Unfallbetroffene im fraglichen Betrieb bei der konkreten unfallbezogenen Tätigkeit eingegliedert gewesen wäre. Dies sei jedoch hier nicht der Fall. Der Kläger habe mit dem Verladen von Gegenständen nichts zu tun gehabt.
Da der Beklagte nicht Halter des unfallbeteiligten Staplers gewesen sei, sei auch nicht zu prüfen, ob eine EKHG-Haftung überhaupt zur Anwendung kommen könnte. Zu prüfen sei sohin lediglich, ob den Beklagten ein Verschulden treffe, was zu bejahen sei. Er sei nicht äußerst rechts gefahren, obgleich ihm dies möglich gewesen wäre. Da der Straßenerhalter (hier der Betreiber des Sägewerks) auf dem Betriebsgelände lediglich Warn- und Hinweisschilder, aber keine Regelung, dass die StVO nicht gelte, angebracht habe, finde gemäß § 1 StVO dieses Gesetz Anwendung. Der Beklagte wäre daher verpflichtet gewesen, rechts zu fahren. Darüber hinaus habe der Straßenerhalter bestimmt, dass auf der gegenständlichen Straße nur mit Schrittgeschwindigkeit gefahren werden dürfe. Der Beklagte habe diese Geschwindigkeit jedoch überschritten und sei mit 10 km/h gespurt, was ihm gleichfalls als Verschulden anzulasten sei.
Allerdings treffe auch den Kläger ein Verschulden. Es habe nicht festgestellt werden können, aus welcher Türe er das Gebäude verlassen habe. Im Hinblick darauf, dass der Kläger das Verschulden des Beklagten beweisen müsse, sei der Entscheidung die Variante zugrunde zu legen, dass der Kläger aus der grauen Türe getreten sei. Demzufolge habe der Kläger den Fahrkanal des Staplers unmittelbar vor diesem gequert, ohne auf den Verkehr zu achten, und hätte der Beklagte zu diesem Zeitpunkt, selbst wenn er den Kläger wahrgenommen hätte, keine Möglichkeit mehr gehabt, den Unfall zu verhindern.
Der Kläger sei daher unachtsam in die Straße getreten. Der Beklagte sei hingegen geringfügig zu schnell und in der Mitte der Fahrbahn, statt rechts, gefahren. Unter Abwägung der jeweiligen Verschulden der Beteiligten erscheine eine Verschuldensaufteilung von 1 : 2 zu Lasten des Klägers als gerechtfertigt.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Berufungen beider Streitteile , mit denen sie sich jeweils gegen die Annahme ihres (Mit-)Verschuldens wenden.
Der Kläger strebt unter Ausführung der Rechtsmittelgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung primär die Abänderung der Entscheidung dahingehend an, dass mit Zwischenurteil das Leistungsbegehren dem Grunde nach zur Gänze als zu Recht bestehend festgestellt werde, die Abweisung des Feststellungsbegehrens im Ausmaß von zwei Drittel ersatzlos aufgehoben und die Entscheidung über das gesamte Feststellungsbegehren der Endentscheidung vorbehalten werde.
Der Beklagte beantragt – unter Geltendmachung der Rechtsmittelgründe der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung – eine Abänderung des bekämpften Teil- und Zwischenurteils im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung. In eventu möge das angefochtene Urteil dahingehend abgeändert werden, dass die Mitverschuldensquote des Beklagten vermindert und jene des Klägers erhöht wird.
In beiden Berufungen wird zudem hilfsweise jeweils ein Aufhebungsantrag gestellt.
In ihren Berufungsbeantwortungen beantragen die Streitteile wechselweise, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung des Beklagten ist nicht berechtigt. Hingegen kommt der Berufung des Klägers teilweise Berechtigung zu.
Aus Zweckmäßigkeitsgründen werden zuerst die beiden Rechtsmittel, soweit sie sich mit den Sachverhaltsannahmen des Erstgerichts befassen, und danach die beiderseitigen Rechtsrügen gemeinsam behandelt.
I. Zu den Beweisrügen:
1. Der Beklagte bekämpft die bei der Wiedergabe des Sachverhalts in Fettdruck unter der vorangestellten lit a hervorgehobene Feststellung, wonach sich kein Hindernis in der Fahrbahn befand, welches den Beklagten genötigt hätte, eine mittige Fahrspur zu wählen. Stattdessen wünscht der Beklagte folgende Ersatzfeststellung:
„Am rechten Fahrbahnrand in Fahrtrichtung des Beklagten gesehen befand sich vor dem Staplerfahrzeug ein weiteres Staplerfahrzeug, welches am rechten Fahrbahnrand vor der Sägehalle auf der Länge des Büro- und Werkstattgebäudes abgestellt war, wodurch der Beklagte den Stapler eher mittig auf dieser Fahrbahn lenken musste, und war es ihm aus diesem Grund nicht möglich, auf Höhe der Ausgangstüren linksseitig der Fahrbahn äußerst rechts zu fahren.“
1.1. Der Beklagte räumt zwar ein, dass sich das Erstgericht eingehend mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob – wie von ihm angegeben – rechtsseitig ein Staplerfahrzeug abgestellt gewesen sei, welches ihn gezwungen habe, die Fahrbahn mittig zu benützen. Er meint jedoch, die Beweiswürdigung des Erstgerichts sei nicht überzeugend.
1.2. Dem ist nicht beizupflichten. Das Erstgericht hat mit nachvollziehbaren und logischen Überlegungen ausführlich begründet, warum es seiner Ansicht nach unwahrscheinlich sei, dass rechtsseitig ein Staplerfahrzeug abgestellt war. Völlig richtig hat das Erstgericht dabei unter anderem auf das Lichtbild Nr 3 im Polizeiakt verwiesen, welches kurz nach dem Unfall aufgenommen wurde und auf dem aus jener Richtung, aus welcher der Stapler herannahte, kein rechts abgestelltes weiteres Staplerfahrzeug zu sehen ist.
Die Argumente des Beklagten, es sei möglich, dass der (andere) Stapler nach dem Unfall wegbewegt worden sei, und aus den Lichtbildern sei darüber hinaus nicht der gesamte Fahrbahnbereich einzusehen, sind demgegenüber nicht überzeugend. Auf dem Lichtbild Nr 3 ist die Fahrbahn bis zum Ende des Betriebsareals ersichtlich, sohin die gesamte Strecke bis zu dem Punkt, von dem der Beklagte losgefahren ist, zu sehen.
Nachvollziehbar ist auch die Überlegung des Erstgerichts, es sei nicht anzunehmen, dass ein zum Unfallszeitpunkt abgestelltes Staplerfahrzeug kurz nach dem Unfall von dort entfernt worden wäre. Es wäre geradezu lebensfremd, dass andere Personen einfach ihrer Arbeit weiter nachgehen, während direkt daneben ein Schwerverletzter liege, der erstversorgt wird.
Auch dem Berufungsgericht erscheint es im übrigen naheliegend, dass der Beklagte, der – wie sich aus dem Lichtbild Nr 1 im Polizeiakt ergibt – die Paletten direkt neben dem Büro-/Werkstattgebäude (also auf der linken Seite der Fahrbahn in seine Fahrtrichtung gesehen) geholt hat, von dort aus nicht die gesamte Fahrbahn queren wollte, um rechts zu fahren, sondern einfach in der Mitte weitergefahren ist.
Es kann daher keine Rede davon sein, dass es den beweiswürdigenden Ausführungen des Erstgerichts an ihrer Nachvollziehbarkeit und Lebensnähe mangelt.
1.3. Wenn der Beklagte in seiner Beweisrüge meint, das Erstgericht zeige nicht auf, wie es über die „ nicht widerlegbare Angabe des Beklagten“ zur Situierung des abgestellten Staplerfahrzeugs hinwegkomme, verkennt er das Grundprinzip der freien Beweiswürdigung. Selbst wenn zu einem Beweisthema nur eine Aussage vorliegt, ist das Gericht nicht verpflichtet, diese für wahr zu halten.
1.4. Darüber hinaus ist dem Kläger darin beizupflichten, dass die vom Beklagten begehrte Ersatzfeststellung bezüglich der Örtlichkeit und der konkreten Positionierung des vermeintlich rechtsseitig abgestellten Staplers in Längs- oder Querrichtung zu unbestimmt ist. So wurde (unbekämpft) festgestellt, dass der Beklagte bis zur Unfallstelle eine Strecke von ca 20 m zurücklegte. Sollte ganz am Beginn dieser 20 m langen Strecke am rechten Fahrbahnrand ein Stapler abgestellt gewesen sein, so ist kein Grund dafür ersichtlich, warum der Beklagte nicht nach Passieren dieses Hindernisses auf die rechte Fahrbahnhälfte lenkte. Es wäre daher die Feststellung der konkreten Position des vermeintlichen zweiten Staplers zwingend erforderlich, um beurteilen zu können, ob dem Beklagten die Einhaltung des Rechtsfahrgebots tatsächlich nicht möglich gewesen wäre.
Es fehlt daher der begehrten Ersatzfeststellung aufgrund ihrer Unbestimmtheit auch an der erforderlichen rechtlichen Relevanz (RS0042386).
Der Beweisrüge des Beklagten ist sohin ein Erfolg zu versagen.
2. Der Kläger bekämpft die bei der Wiedergabe des Sachverhalts unter der vorangestellten Ziffer 1 hervorgehobene Negativfeststellung zur Frage, durch welche Türe er das Gebäude verlassen hat. Statt dieser Negativfeststellung wünscht er die positive Feststellung, dass er das Gebäude durch die rote Türe verlassen hat. Aus diesem Grund hätten dann auch die alternativen Feststellungen zum Unfallhergang bei Verlassen des Gebäudes durch die graue Türe ersatzlos zu entfallen. Die gewünschte Feststellung sei entscheidungswesentlich, da den Beklagten im Fall, dass der Kläger die Werkstatt durch die rote Türe verlassen habe, im Zusammenhang mit den weiteren Feststellungen des Erstgerichts das Alleinverschulden am Zustandekommen des gegenständlichen Unfalls treffe.
2.1. Diesbezüglich kann zunächst auf die Ausführungen bei Behandlung der Rechtsrüge unter Pkt II.3. verwiesen werden. Aufgrund der dort angestellten Überlegungen zur Beweislastverteilung wäre es an sich entbehrlich, die Beweisrüge des Klägers zu behandeln. Nur der Vollständigkeit halber wird in aller Kürze darauf eingegangen.
2.2. Der Kläger meint, aus den polizeilichen Lichtbildern Nr 3 und 9 ergebe sich „zwingend“, dass er die Werkstatt durch die rote Türe verlassen habe. Auf der Straße im Bereich zwischen den beiden Türen seien nämlich das Erbrochene und das Körpergewebe bzw die Schleifspur des Klägers erkennbar. Damit werde unwiderlegbar bestätigt, dass sich die Kollisionsstelle zwischen der roten und der grauen Türe befinde.
2.3. Dem ist entgegenzuhalten, dass dem verkehrstechnischen Sachverständigen an Anhaltspunkten zur Rekonstruktion des Unfalls auch die Lichtbilder im Polizeiakt zur Verfügung standen. Er wies darauf hin, dass der Gabelstapler nach dem Vorfall geringfügig zurückgefahren wurde, um den Kläger bergen zu können. Der Sachverständige wies auch selbst auf die in den Lichtbildern ersichtlichen Blutantragungen und Gewebespuren auf der Fahrbahn hin, welche beim Verschieben des Klägers bzw beim Entfernen aus der Unfallendlage entstanden sind. Die Gewebespuren und Spuren des Erbrochenen sind daher beim Zurückfahren des Staplers entstanden und ist sohin daraus nicht auf die Kollisionsstelle zu schließen. Trotz der vorhandenen Spurenlage und der Lichtbilder führte der verkehrstechnische Sachverständige aus, dass beide Varianten (sohin Verlassen des Gebäudes durch die rote Türe oder die graue Türe) möglich wären.
Wenn das Erstgericht daher ausgehend von den Ausführungen des Sachverständigen zu diesem Themenkreis eine Negativfeststellung traf, ist dies keineswegs zu beanstanden.
3. Der Kläger verwehrt sich zudem gegen die Feststellung des Erstgerichts, wonach die Straße zwischen den Betriebsgebäuden, auf welcher sich der Unfall ereignete, 8,5 m breit sei. Dies widerspreche der im Zuge des Lokalaugenscheins getroffenen Feststellung zur Straßenbreite von 8,8 m. Die Unrichtigkeit dieser bekämpften Feststellung macht der Kläger zum einen als Aktenwidrigkeit , zum anderen aber auch im Rahmen seiner Beweisrüge geltend, was sich an sich wechselseitig ausschließt.
3.1. Eine Aktenwidrigkeit ist gegeben, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, wenn etwa der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolge dessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde. Erwägungen der Tatsacheninstanz, weshalb ein Sachverhalt als erwiesen angenommen oder bestimmte Feststellungen nicht getroffen werden können, fallen demgegenüber in das Gebiet der Beweiswürdigung (RS0043347 [T10]).
3.2. Es kann nun aber dahinstehen, ob die vom Erstgericht getroffene Feststellung zur Fahrbahnbreite richtig oder unrichtig und das Ergebnis einer Aktenwidrigkeit oder unrichtigen Beweiswürdigung ist. Dem Beklagten ist nämlich darin beizupflichten, dass es dieser Feststellung an der rechtlichen Relevanz mangelt. Festgestellt wurde nämlich auch, dass der Beklagte mit dem Stapler in der Mitte der Fahrbahn fuhr. Dabei macht es in Bezug auf einen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot – und darauf zielt die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel ab, keinen Unterschied, ob nun die Fahrbahn 8,8 m oder nur 8,5 m breit war.
4. Gleiches gilt für die ebenfalls sowohl als Aktenwidrigkeit wie auch als Ergebnis einer unrichtigen Beweiswürdigung gerügte Feststellung, dass der Beklagte die zwei Paletten direkt neben der Werkshalle auf den Stapler lud. Statt dessen wünscht er die Feststellung, dass der Beklagte die beiden Paletten direkt neben dem Büro- und Werkstattgebäude auf den Stapler lud .
Auch dieser (bekämpften) Feststellung bzw begehrten Ersatzfeststellung mangelt es an der rechtlichen Relevanz. Das Erstgericht hat nämlich auch festgestellt, dass der Beklagte mit dem Stapler auf der Straße zwischen den beiden Hallen aus [richtig wohl:] östlicher Richtung nach [richtig] Westen fuhr und bis zur Unfallstelle eine Strecke von ca 20 m zurücklegte. Festgestellt wurde, dass sich das Büro- und Werkstattgebäude links und die Werkshalle rechts befanden. Auch wurde festgestellt, dass der Beklagte eher mittig spurte. In Ansehung dieser Feststellungen in ihrer Gesamtheit ergibt sich, dass es völlig irrelevant ist, neben welchem Gebäude der Beklagte zwei Paletten auf den Stapler geladen hat, nachdem die Feststellungen zur eingehaltenen Fahrlinie eindeutig und nachvollziehbar sind.
5. Insgesamt betrachtet ist daher von den Sachverhaltsannahmen des Erstgerichts auszugehen und sind diese der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen.
II. Zu den Rechtsrügen :
1.Voranzustellen ist, dass die vom Erstgericht verneinten Fragen, ob das Dienstgeberhaftungsprivileg nach § 333 ASVG sowie das EKHG auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden sind, keine Streitpunkte im Berufungsverfahren mehr bilden (RS0043338 [T12, T20]).
2. Vom Beklagten bestritten blieb jedoch auch im Berufungsverfahren grundsätzlich, dass die StVO (und damit das dort verankerte Rechtsfahrgebot) auf dem Betriebsgelände zur Anwendung gelangt.
2.1. Die Straßen innerhalb eines Werksgeländes gelten nach einer etwas älteren Entscheidung des VwGH nicht als solche mit öffentlichem Verkehr ( Pürstl , StVO ON 16 § 1 E 41). Gemäß § 1 Abs 2 StVO gilt dieses Bundesgesetz für Straßen ohne öffentlichen Verkehr jedoch insoweit, als andere Rechtsvorschriften oder die Straßenerhalter nichts anderes bestimmen . Unterlässt der Straßenerhalter die Festsetzung einer von den Regeln der StVO abweichende Verkehrsregelung, so gelten sohin die Vorschriften der StVO auch auf Straßen ohne öffentlichen Verkehr ( Pürstl aaO, § 1, Anm 7).
Mit dem Begriff „bestimmen“ wird zum Ausdruck gebracht, dass der Straßenerhalter mit Wirkung für alle befugten Benützer einer Verkehrsfläche im Sinne des § 1 Abs 2 StVO auch eine (oder einzelne) von den Regeln der StVO abweichende Anordnungen treffen kann. Dabei handelt es sich um eine privatautonome Verkehrsregelung, der mit Rücksicht auf die gesetzliche Ermächtigung gleichwohl rechtsverbindliche Wirkung zukommt und die daher jedem Benützer der Straße möglichst deutlich und unmissverständlich, etwa durch Straßenverkehrszeichen, Verkehrsleiteinrichtungen, sonstige Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs oder durch Ausfolgung von schriftlichen Hinweisen zur Kenntnis gebracht werden muss (2 Ob 227/10m). Die Straßenerhalter einer Straße ohne öffentlichen Verkehr dürfen demnach für ihre Straßen Straßenverkehrszeichen, Bodenmarkierungen oder sonstige Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs verwenden.
2.2. Rechtsvorschriften über das Verhalten im Verkehr im Bereich von Betrieben (Werksgelände) enthält darüber hinaus auch das ArbeitnehmerInnenschutzG.
Gemäß § 20 Abs 4 ASchG ist der Verkehr innerhalb der Arbeitsstätten so abzuwickeln, dass Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet werden. Die der Verkehrssicherheit dienenden Vorschriften der StVO sind sinngemäß anzuwenden, soweit nicht betriebliche Notwendigkeiten eine Abweichung erfordern. Solche Abweichungen sind in der Arbeitsstätte oder auf der Baustelle entsprechend bekanntzumachen.
Im Verkehr innerhalb von Betrieben sind die Bestimmungen der StVO daher so weit sinngemäß anzuwenden, als diese die Sicherheit des Verkehrs betreffen ( Pürstl aaO § 1 StVO E 43).
2.3. Nach den getroffenen Feststellungen ist hier nicht von einer verbindlichen Anordnung einer generellen Ausnahme (Nichtgeltung) der StVO durch den Straßenerhalter auszugehen. Allerdings hat der Straßenerhalter hier im Sinne der obigen Ausführungen verbindlich angeordnet, dass mit „Schrittgeschwindigkeit“ zu fahren ist.
Mit dem Erstgericht ist daher davon auszugehen, dass auf das hier vorliegende Betriebsgelände die Regelungen der StVO – und damit auch das Rechtsfahrgebot – grundsätzlich zur Anwendung gelangen. Dies ist bei der Beurteilung des wechselseitigen Verschuldens der Streitteile zu berücksichtigen.
3. In ihren Rechtsrügen wenden sich beide Streitteile gegen die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung und gehen jeweils primär von einem Alleinverschulden der Gegenseite aus.
3.1. Zur Beweislastverteilung / zu den Unfallvarianten :
Das Erstgericht hat seinen Überlegungen zur Verschuldensteilung vorangestellt, es habe nicht festgestellt werden können, aus welcher Türe der Kläger das Gebäude verlassen habe. Im Hinblick darauf, dass der Kläger das Verschulden des Beklagten beweisen müsse, sei der Entscheidung die Variante zugrunde zu legen, dass der Kläger aus der grauen Türe getreten sei. Demzufolge habe der Kläger den Fahrkanal des Staplers unmittelbar vor diesem gequert, ohne auf den Verkehr zu achten.
Mit dieser Argumentation verkennt das Erstgericht die Beweislastverteilung. Die Behauptungs- und Beweislast für die Tatumstände, aus denen ein die Haftung für die Unfallfolgen begründendes Verschulden des Gegners abgeleitet wird, trifft den, der sich auf ein solches Verschulden beruft. Jede in diese Richtung verbleibende Unklarheit in tatsächlicher Hinsicht geht zu Lasten dessen, der ein Verschulden des Gegners behauptet (RS0022560; RS0039936).
Dies bedeutet: So wie die Behauptungs- und Beweislast für ein Verschulden des Beklagten den Kläger trifft, so trifft den Beklagten die Behauptungs- und Beweislast für ein allfälliges Mitverschulden des Klägers. Daraus folgt, dass hinsichtlich des Mitverschuldens des Klägers sich ergebende Unklarheiten im erhobenen Sachverhalt zu Lasten des Beklagten gehen. Negativfeststellungen über das Mitverschulden betreffende Umstände gehen zu Lasten des Schädigers (RS0022560 [T2, T21].
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies nun aber, dass für die Beurteilung eines Mitverschuldens des Klägers – entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts – nicht jene Variante zugrunde zu legen ist, wonach der Kläger aus der grauen Türe getreten ist, sondern jene Variante, wonach er aus der roten Türe trat.
Demgegenüber ist für die Beurteilung des Verschuldens des Beklagten davon auszugehen, dass der Kläger das Gebäude durch die graue Türe verließ.
Aufgrund dieser Erwägungen war es – wie bereits ausgeführt – an sich auch entbehrlich, auf die Beweisrüge des Klägers einzugehen, der die Negativfeststellung zur Frage, aus welcher Türe er getreten ist, bekämpft.
3.2. Zum Verschulden des Beklagten :
3.2.1. Wie bereits dargelegt, ist aufgrund der aufgezeigten Beweislastverteilung zu Gunsten des Beklagten von jener für ihn günstigsten Sachverhaltsvariante auszugehen, wonach der Kläger aus der grauen Tür trat.
Ausgehend von den zu dieser Variante getroffenen Feststellungen hätte der Beklagte die Kollision – unter Zugrundelegung einer Reaktionszeit von einer Sekunde – zwar weder bei Einhaltung einer Fahrgeschwindigkeit von 10 km/h noch bei einer Fahrgeschwindigkeit von 5 km/h vermeiden können, wenn er erst auf das Verlassen des Gebäudes durch den Kläger reagiert hätte. Hätte er jedoch der Anordnung des Straßenerhalters entsprochen und von Anbeginn an nicht eine Geschwindigkeit von 10 km/h eingehalten, hätte sich der Unfall nicht ereignet; gleiches gilt, wenn der Beklagte äußerst rechts gefahren wäre. Der Kläger wäre dann nicht in den Fahrkanal des Staplers geraten.
3.2.2. Der Kläger argumentiert daher unter anderem, dem Beklagten sei die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (gemeint der vom Straßenerhalter angeordneten Schrittgeschwindigkeit) anzulasten. Was die von ihm eingehaltene Geschwindigkeit von 10 km/h anlangt, argumentiert der Beklagte demgegenüber, in der StVO werde nicht festgelegt, welche Geschwindigkeit unter Schrittgeschwindigkeit zu verstehen sei. In der Judikatur werde diese einzelfallbezogen unterschiedlich in einem Bereich von 5 bis 10 km/h, maximal auch 15 km/h angesiedelt. Er sei ihm daher die Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit nicht vorzuwerfen.
Richtig ist, dass eine Konkretisierung der „Schrittgeschwindigkeit“ im Gesetz fehlt. Dem Kläger ist aber darin beizupflichten, dass die Rechtsprechung unter Schrittgeschwindigkeit in der Regel eine solche von 5 km/h versteht (siehe etwa 2 Ob 8/20w, aber auch UVS Salzburg UVS-3/16232/5-2007, UVS Wien 03/P/15/2275/97 ua), mag bei schnellem Gehen auch eine höhere Geschwindigkeit erreicht werden.
Auch in der Literatur wird einheitlich die Meinung vertreten, dass unter Schrittgeschwindigkeit eine solche von ca 5 km/h zu verstehen ist ( Pürstl/Nedbal-Bures , Kleinfahrzeuge und die StVO, ZVR 2010/217; Grundtner , Die österreichische Straßenverkehrsordnung zu § 76a Abs 6 StVO; Magdalena Leithner , Fahren in Schrittgeschwindigkeit, Wie schnell ist die Schrittgeschwindigkeit iS der StVO? ZVR 2021/132).
Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass der Kläger mit der Einhaltung einer Geschwindigkeit von 10 km/h nicht dem Gebot des Straßenerhalters auf Einhaltung der Schrittgeschwindigkeit entsprochen hat, was sich auch als unfallskausal erwies.
3.2.3. Der Kläger argumentiert weiters, dem Beklagten sei (auch) ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot anzulasten. Dieses sei eine der wichtigsten Bestimmungen für die Sicherheit des Verkehrs, weshalb ein entsprechender Verstoß bei der Verschuldensteilung ähnlich schwer wiege wie eine Vorrangverletzung.
Der Beklagte argumentiert demgegenüber, das Befahren der Durchfahrtsgasse zwischen Betriebsgebäuden in etwa der Fahrbahnmitte sei angezeigt, zumal sowohl aus dem Gebäudekomplex, aus dem der Kläger auf die Fahrbahn getreten sei, als auch aus der Sägehalle, also in Fahrtrichtung des Beklagten gesehen von rechts, Personen in die Fahrbahn treten könnten. Das Befahren der Fahrbahn eher mittig ermögliche sohin eine entsprechend größere Reaktionsmöglichkeit auf plötzlich, von beiden Seiten auftauchende Hindernisse.
Dieses Argument vermag nicht zu überzeugen. Wie sich nämlich aus der Lichtbildbeilage im Akt ** eindeutig ergibt (siehe etwa Lichtbild Nr 3 in ON 2.8), befindet sich gegenüber den hier in Frage kommenden Türen (rot und grau) im Bereich des gegenüberliegenden Gebäudes keine Eingangstüre, aus welcher ebenfalls Fußgänger die Fahrbahn betreten könnten. Auch aus den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zur Unfallörtlichkeit ergibt sich dies nicht. Eine Notwendigkeit für den Beklagten, eine mittige Fahrlinie einzuhalten, bestand auf Basis der getroffenen Feststellungen nicht und war dies auch nicht angebracht. Dem Beklagten ist daher auch ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot vorzuwerfen, das sich ebenfalls als unfallkausal erwiesen hat.
3.2.4. Es ist daher unzweifelhaft von einem Verschulden des Beklagten auszugehen. Es ist ihm die Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit und ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot anzulasten. Auch ist ihm ganz offensichtlich ein Aufmerksamkeitsfehler unterlaufen, da er den Kläger vor der Kollision überhaupt nicht wahrgenommen hat, wiewohl zu Gunsten des Beklagten (Variante graue Türe) davon auszugehen ist, dass dieser nicht unfallskausal war.
3.3. Zum Verschulden des Klägers :
3.3.1. Aufgrund der aufgezeigten Beweislastverteilung ist diesbezüglich zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass er aus der roten Tür trat.
Zu dieser Unfallvariante wurde festgestellt, dass der Kläger zunächst parallel zur Gebäudefront in westlicher Richtung normal ging, wobei er für die Zurücklegung der 6,5 m langen Wegstrecke ca 4,6 Sekunden benötigte. Das Erstgericht hat die konkrete Gehlinie des Klägers in Bezug auf die Fahrbahnbreite nicht festgestellt und ist diese auch nicht eruierbar. Der Kläger kann sich an nichts erinnern, der Beklagte hat den Kläger erstmals durch das Überfahren wahrgenommen. Es gibt keine Zeugen. Klar ist jedoch aufgrund der weiteren Feststellungen, dass der Beklagte mit dem Stapler mittig fuhr und der Kläger daher im Bereich der Fahrbahnmitte vom Stapler erfasst wurde. Denkbar ist nun einerseits, dass der Kläger von Anfang an im Bereich der Fahrbahnmitte parallel entlang des Gebäudes ging. Möglich ist aber auch, dass sich der Kläger zuerst knapp neben dem Gebäude in Richtung Westen fortbewegte und erst gegen Ende der Wegstrecke von 6,5 m in Richtung Fahrbahnmitte schritt, etwa um diese zu überqueren. Egal welches dieser möglichen Gehverhalten man unterstellt, so ist dem Kläger jedenfalls ein Verstoß gegen (den zumindest sinngemäß anzuwendenden) § 76 StVO und ein Aufmerksamkeitsmangel vorzuwerfen.
3.3.2. § 76 Abs 1 Satz 1 StVO in der hier anzuwendenden Fassung vor der 33. StVO-Novelle (BGBl I Nr. 122/2022, in Kraft getreten am 1.10.2022, sohin erst nach dem gegenständlichen Unfallgeschehen) verbietet einem Fußgänger das „überraschende Betreten“ der Fahrbahn. Fehlen Gehwege oder Gehsteige, haben Fußgänger nach Satz 2 dieser Bestimmung mangels Straßenbankett den äußersten Fahrbahnrand zu benützen. Nach § 76 Abs 4 lit b StVO aF dürfen Fußgänger – wenn ein Schutzweg nicht vorhanden ist – erst dann [zum Zwecke des Überquerens] auf die Fahrbahn treten, wenn sie sich vergewissert haben, dass sie hiebei andere Straßenbenützer nicht gefährden.
3.3.3. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers durfte er auch nicht darauf vertrauen, dass sich kein Fahrzeug von hinten annähert. Zu unterstellen ist, dass der Kläger mit den Vorgängen und Betriebsabläufen auf dem Betriebsgelände vertraut war und wusste, dass mit Staplerfahrzeugen zu rechnen ist. Es ist auch davon auszugehen, dass er das im Ausgangsbereich aus dem Betriebsgebäude angebrachte Gefahrenschild „Vorsicht Flurförderfahrzeuge“ kannte, dies unabhängig davon, ob er am konkreten Tag diese Ausgangstüre benutzt hatte oder nicht. Richtig ist auch, dass man dem Kläger das Wissen unterstellen kann, dass der Beklagte im Begriff war, unter Zuhilfenahme des Stapler zwei Paletten zu holen und auf einen bereitstehenden LKW aufzuladen. Er war daher gehalten, sich vor Betreten der Fahrbahn über allfälligen Staplerverkehr zu vergewissern, dies unabhängig davon, durch welche Türe er das Gebäude verlassen hat.
Zwar wurde unbekämpft festgestellt, dass für den Kläger „die Annäherung des sich in seinem Rücken nähernden Staplers nicht erkennbar gewesen wäre“ . Diese Feststellung wurde vom Erstgericht wie alle anderen Feststellungen zu dieser Unfallversion im Konjunktiv formuliert, um zum Ausdruck zu bringen, dass eben nicht konkret festgestellt werden konnte, ob diese „Variante“ tatsächlich stattfand. Diese Feststellung ist jedoch logisch nur so zu verstehen, dass der Kläger – weil er plastisch formuliert hinten keine Augen hat – den sich von hinten nähernden Stapler nicht im Blickfeld hatte. Keinesfalls ist aber der Schluss gerechtfertigt, der Kläger hätte den Stapler bei entsprechender Aufmerksamkeit nicht wahrnehmen können. Bereits aus den Feststellungen zu den Zeit-Weg-Diagrammen ergibt sich klar, dass der Kläger zum Zeitpunkt, als er aus dem Gebäude kam, bei einem entsprechenden Blick nach rechts den sich zu diesem Zeitpunkt bereits annähernden Stapler sehen hätte können. So legte der Beklagte nach den getroffenen Feststellungen mit dem Stapler insgesamt eine Wegstrecke von 20 m zurück. Der Kläger legte (nach dieser Version) nach dem Verlassen des Gebäudes 6,5 m in 4,6 Sekunden zurück, wobei der Beklagte innerhalb dieser Wegstrecke ca 13 m zurücklegte. Klar ist also, dass sich der Beklagte mit dem Stapler schon in Annäherung befand, als der Kläger das Gebäude verließ. So hat auch der Sachverständige (siehe Protokoll ON 22 Seite 15 letzter Absatz) ausgeführt, dass die Annäherung des Gabelstaplers durch einen Blick nach rechts für den Kläger erkennbar gewesen wäre.
Hätte sich der Kläger daher beim Verlassen des Gebäudes durch einen Blick nach rechts vergewissert, hätte er den sich annähernden Stapler erkennen können. Er hätte daher weder eine Gehlinie mittig der Fahrbahn einhalten dürfen, geschweige denn nach dem Zurücklegen einer Wegstrecke von 6,5 m entlang des Fahrbahnrands unvermittelt in Richtung Fahrbahnmitte treten dürfen. Auch wenn der Kläger nach den getroffenen Feststellungen (nach dieser Variante) bereits seit geraumer Zeit parallel zur Gebäudefront in westlicher Richtung unterwegs war, durfte er - entgegen seiner Rechtsansicht – nicht gemäß dem Vertrauensgrundsatz nach § 3 StVO darauf vertrauen, dass der Beklagte ihn ausreichend beobachtet und nicht mangels Aufmerksamkeit von hinten kommend touchiert und überfährt. Der Kläger durfte die Fahrbahn nicht überraschend betreten und durfte gemäß § 76 Abs 5 StVO aF beim Überqueren der Fahrbahn den Fahrzeugverkehr nicht behindern.
3.3.4. Auch nach der Version „graue Türe“ – ginge man zugunsten des Kläger davon aus – hätte der Kläger den sich nähernden Stapler wahrnehmen können, wenn er unmittelbar vor dem gänzlichen Verlassen des Gebäudes stehen geblieben wäre und das Passieren des Staplers abgewartet hätte.
3.3.5. Zusammengefasst ist also auch dem Kläger ein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen. Er hätte den herannahenden Beklagten mit dem Stapler jedenfalls vor Betreten oder Queren der Fahrbahn wahrnehmen und sein Verhalten darauf einrichten können. Dennoch ist er in erkennbarer Annäherung des Staplerfahrzeugs entweder von Beginn an – unnötiger- und unzulässigerweise – mittig der Fahrbahn gegangen oder zu einem späteren Zeitpunkt in dessen Fahrlinie getreten.
3.4. Bei einer Gegenüberstellung des wechselseitigen Fehlverhaltens scheint dem Berufungsgericht eine Verschuldensteilung von 1 : 1 gerechtfertigt.
Bei der Verschuldensabwägung entscheidet für das Gewicht des Verschuldens vor allem die Größe und Wahrscheinlichkeit der durch das schuldhafte Verhalten bewirkten Gefahr und die Wichtigkeit der verletzten Vorschrift für die Sicherheit des Verkehrs (RS0027389; RS0026861). Eine rein zahlenmäßige Gegenüberstellung der jedem Unfallbeteiligten anzulastenden Gesetzesverletzungen hat dabei nicht stattzufinden. Liegt beiderseitiges Verschulden vor, so bestimmen sich die Verschuldensanteile nicht nach der Zahl der Ursachen, die ein Teil gesetzt hat, sondern nach der Schwere des Gesamtverschuldens (RS0027237).
Im vorliegenden Fall ist keinem der den Streitteilen anzulastenden Sorgfaltswidrigkeiten ein größeres Gewicht beizumessen. Ihre jeweiligen Verhalten haben im gleichen Maße die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr verwirklicht. Es kann auch nicht gesagt werden, dass nur einer der beiden Parteien das primär unfallauslösende Verhalten gesetzt hat.
4. Die vom Kläger im Rahmen seiner Rechtsrüge geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel sind zu verneinen, da sich die gewünschten ergänzenden Feststellungen als entbehrlich erweisen. Ein regelmäßiger Fußgängerverkehr auf dem Betriebsgelände, insbesondere im Bereich der aus dem Büro- und Werkstattgebäude führenden roten und grauen Türe, und die Kenntnis dieser Gefahrenquelle seitens des Beklagten kann unterstellt werden, ohne dass dazu konkrete Feststellungen getroffen werden müssten. Die Vermeidbarkeit der Kollision durch den Beklagten bei Zugrundelegung der vor diesem Hintergrund gebotenen, besonders vorsichtigen und bremsbereiten Fahrweise würde keine maßgebliche Änderung der Verschuldensteilung nach sich ziehen.
5. Aus demselben Grund ist aber auch der vom Kläger in seiner Verfahrensrüge geltend gemachte Stoffsammlungsmangel zu verneinen.
Der Kläger moniert die unterlassene Einholung eines Gutachtens aus dem Bereich „Maschinen, Anlagen, Geräte, Instrumente“. Er habe vorgebracht, dass der Beklagte als Staplerfahrer vor Gebäudetüren, die bekanntermaßen regelmäßig von Fußgängern verwendet würden, zu einer erhöhten Aufmerksamkeit, bremsbereitem Fahren mit Schrittgeschwindigkeit und zur Abgabe von Hupzeichen verpflichtet gewesen wäre und seine Arbeitsweise bereits aufgrund seiner eigenen Angaben nicht im Einklang mit den der Sicherheit dienenden Vorschriften über die Bedienung des Staplers gestanden hätte. Zum Beweis dafür habe er bereits im erstinstanzlichen Verfahren die Einholung eines Gutachtens aus dem Bereich Maschinen, Anlagen, Geräte und Instrumente beantragt. Bei Einholung des beantragten Gutachtens hätte das Erstgericht ergänzend zu nachstehender Feststellung kommen können und müssen:
„Der Beklagte ist trotz des regelmäßigen Fußgängerverkehrs im Bereich der roten und grauen Türe, die in das Büro- und Werkstattgebäude führt, weder bremsbereit gefahren noch hat er akustische Warnsignale abgegeben. Unter Zugrundelegung einer Reaktionszeit von 0,6 Sekunden aufgrund der Verpflichtung zu besonders vorsichtigem und bremsbereitem Fahren hätte sein Anhalteweg bei einer Fahrgeschwindigkeit von 5 km/h 1 m betragen, wofür er 0,8 Sekunden benötigt hätte. In diesem Fall wäre für den Beklagten der Unfall vermeidbar gewesen, auch wenn er erst auf das Verlassen des Gebäudes durch den Kläger reagiert hätte.“
Die aufgezeigte Feststellung, die der Kläger auf Basis des beantragten Gutachtens erreichen will, ergibt sich zum Teil ohnehin aus den weiteren Feststellungen des Erstgerichts (keine akustischen Warnzeichen, kein bremsbereites Fahren). Was die Frage der Unfallvermeidbarkeit unter Zugrundelegung einer verkürzten Reaktionszeit anlangt, fällt dies in den Fachbereich eines verkehrstechnischen/kfz-technischen Sachverständigen und nicht in den Bereich eines Sachverständigen aus dem Bereich „Maschinen, Anlagen, Geräte und Instrumente“.
Ein rechtlich relevanter Stoffsammlungsmangel und damit eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegen daher nicht vor.
III. Zusammengefasst ist unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze, auf Basis des festgestellten Sachverhalts und der Beweislastverteilung eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 gerechtfertigt.
Damit ist im Ergebnis der Berufung des Beklagten ein Erfolg zu versagen; demgegenüber kommt der Berufung des Klägers teilweise Berechtigung zu.
In teilweiser Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung war daher im Rahmen eines Zwischenurteils auszusprechen, dass das Zahlungsbegehren dem Grunde nach zu 50 % zu Recht besteht. Das Leistungsmehrbegehren von EUR 69.328,21 s.A. sowie das Feststellungsmehrbegehren im Umfang einer Haftung von 50 % war mit Teilurteil bereits in diesem Verfahrensstadium abzuweisen.
IV. Verfahrensrechtliches:
1.Der Vorbehalt in Ansehung der Kosten des erstinstanzlichen und zweitinstanzlichen Verfahrens beruht auf §§ 392 Abs 2, 393 Abs 4, 52 Abs 4 ZPO.
2.Im Fall eines Zwischenurteils nach § 393 Abs 1 ZPO über ein Geldleistungsbegehren ist der Wert des Entscheidungsgegenstands mit dem streitverfangenen Geldbetrag, der Gegenstand des Zwischenurteils ist, identisch, sodass es insofern keines Bewertungsausspruchs durch das Berufungsgericht bedarf ( Lovrek in Fasching/Konecny³ IV/1 § 502 Rz 173 f). Da allein das Zahlungsbegehren EUR 30.000,-- übersteigt, ist ein Wertausspruch im Sinne des § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO nicht erforderlich (vgl 6 Ob 37/03i).
3.Fragen der Haftungs- und/oder Verschuldensteilung können regelmäßig nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Aufgrund dieser Einzelfallbezogenheit liegt gegenständlich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vor. Es war daher auszusprechen, dass die (ordentliche) Revision nicht zulässig ist.