JudikaturOLG Innsbruck

2R54/25w – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
EU-Recht
08. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Berchtold als Vorsitzende sowie die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Dr. Tangl und den Richter des Oberlandesgerichts Mag. Ortner als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , vertreten durch Summer Schertler Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in 6900 Bregenz, wider die beklagte Partei B* PLC, vertreten durch BK.PARTNERS Bugelnig Kirner Rechtsanwälte OG in 1070 Wien, wegen EUR 74.600,37 s.A. über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse EUR 74.600,37 s.A.) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 26.2.2025, **-13, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird keine Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihrer Vertreterin die mit EUR 3.805,92 (davon EUR 634,32 USt.) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die (ordentliche) Revision ist nicht zulässig .

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte, die über keine Konzession nach dem österreichischem Glücksspielgesetz verfügt, bietet Online-Glücksspiele auf einer Website in Österreich an. Der Kläger erlitt durch die Teilnahme an Glücksspielen im Zeitraum vom 29.9.2013 bis 6.10.2018 Verluste in Höhe von EUR 74.600,37.

Dieser Sachverhalt ist im Berufungsverfahren nicht strittig.

Mit der am 6.11.2024 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Rückzahlung seiner Spielverluste von EUR 74.600,37 s.A. und brachte zusammengefasst vor, sein Rückforderungsanspruch resultiere im Hinblick auf die fehlende Konzession aus einem verbotenen Glücksspiel.

Die Beklagtebestritt, beantragte Klageabweisung und wendete (stark zusammengefasst) ein, es sei maltesisches Recht anwendbar. Sie übe ihr Glücksspielangebot in Österreich zulässigerweise auf Basis einer gültigen Glücksspiellizenz aus einem anderen EU-Mitgliedstaat und auf Grundlage der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit aus. Das österreichische Glücksspielmonopol sei nach dem vom EuGH entwickelten Prüfungsschema inkohärent und mit dem Unionsrecht unvereinbar. Wesentliche Aspekte seien in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, die das Glücksspielmonopol in Österreich in der Vergangenheit als unionsrechtskonform beurteilt habe, unberücksichtigt geblieben. Diese Entscheidungen seien daher überholt. Es lägen zahlreiche Gründe vor, die gegen die Zulässigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols sprächen und die aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts zur Nichtanwendbarkeit des GSpG führten. Die zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vereinbarung sei daher gültig zustande gekommen und einzuhalten. Ein Rückzahlungsanspruch sei jedenfalls abzulehnen. Allfällig zustehende Zinsen seien erst ab Klagszustellung fällig. Der Zinsanspruch sei außerdem verjährt. Er sei mit der Beendigung der Spieltätigkeit entstanden, also im Jahr 2018, und sohin bereits im Jahr 2021 verjährt.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht (bis auf die Abweisung eines Teils des Zinsenbegehrens aus dem Hauptsachenbetrag vom 7.10.2018 bis zum 26.9.2021) dem Klagebegehren statt und verpflichtete die Beklagte zum Kostenersatz. In der umfangreichen rechtlichen Beurteilung führte es aus, dass österreichisches Recht zur Anwendung gelange. In der Sache selbst bejahte es die Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols und verpflichtete die Beklagte zur Rückzahlung der aus dem verbotenen Glücksspiel erlittenen Verluste sowie zum Kostenersatz. Nur die mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung angefallenen Zinsen seien verjährt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitige, auf die Rechtsmittelgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Berufung der Beklagten mit dem Antrag, der Berufung (in eventu nach Verfahrensergänzung) im Sinne einer vollinhaltlichen Klagsabweisung, in eventu durch Abweisung des Zinsanspruchs bis zum 20.11.2024 Folge zu geben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In der rechtzeitigen Berufungsbeantwortung beantragt der Kläger, dem Rechtsmittel den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden war, ist nicht berechtigt :

1.1. Die Beklagte macht umfangreiche sekundäre Feststellungsmängelgeltend, weil das Erstgericht keine Feststellungen zu den vom EuGH vorgegebenen Kohärenzkriterien getroffen habe; insbesondere fehlten Feststellungen zu den tatsächlichen Wirkungen der Monopolregelungen sowie den Auswirkungen und Zielen der Geschäftspolitik und den Werbemaßnahmen und der Geschäftsstrategie der Monopolisten und deren Umsätzen. Ob das österreichische Glücksspielmonopol unionsrechtskonform sei, sei keine reine Rechtsfrage. Die bisherigen Entscheidungen der Höchstgerichte seien nicht mehr haltbar und nähmen auf die aktuellen Entwicklungen nicht ausreichend Rücksicht. Das Erstgericht habe auch keine Feststellungen zu den unterschiedlichen Regelungen von herkömmlichen Glücksspielautomaten und Videolotterie-Terminals getroffen; unterschiedliche Regelungen von Online-Sportwetten und Online-Glücksspiel habe es nicht beachtet. Der Staat Österreich sei bislang seiner Darlegungs- und Nachweispflicht zur Erforderlichkeit des Glücksspielmonopols nicht nachgekommen, auch dazu fehlten Feststellungen. Letztlich fehlten auch Feststellungen im Zusammenhang mit der unterbliebenen Notifikation der Europäischen Kommission betreffend die Änderungen des § 14 GSpG durch das Budgetbegleitgesetz 2011. Jedenfalls bestehe kein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch, weil Glücksspielverträge nach den Bestimmungen des ABGB grundsätzlich zulässig seien. Die Glücksspielverträge seien daher unabhängig von einem allfällig nicht erfüllten Konzessionserfordernis jedenfalls gültig zustande gekommen. Zinsen stünden erst seit Zustellung des Zahlungsbefehls zu.

1.2.Voranzustellen ist zunächst, dass das Erstgericht die Anwendung österreichischen Sachrechts bejahte. Da dies von der Beklagten - anders als im Verfahren erster Instanz - nicht mehr in Zweifel gezogen wird, genügt es in diesem Zusammenhang, auf die zutreffende Rechtsansicht des Erstgerichts zu verweisen (§ 500a ZPO; RS0043338; RS0009300). Auch die Höhe der Spielverluste ist im Berufungsverfahren kein Streitthema.

1.3.Der Oberste Gerichtshof hat in Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte und auf Basis der einschlägigen Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union in mehreren aktuellen Entscheidungen festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (3 Ob 200/21i; 5 Ob 30/21d; 6 Ob 8/22b uva).

Daran hat der OGH nach dem Beschluss des EuGH zu C 920/19, Fluctus Fluentum, festgehalten. In dieser Entscheidung hat der EuGH seine bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze aufrecht gehalten und bestätigt, dass Art 56 AEUV einem dualen System der Organisation des Glücksspielmarkts (in Österreich) nicht allein deshalb entgegensteht, weil die Werbepraktiken der Monopolisten (der Konzessionäre) darauf abzielen, zu aktiver Teilnahme an den Spielen anzuregen, etwa indem die Anziehungskraft des Glücksspiels durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird (3 Ob 200/21i). Das gilt auch für den im vorliegenden Fall maßgeblichen Zeitraum (vgl 2 Ob 185/24f Zeitraum 1.5.2009 bis 22.2.2023 uva).

1.4. Dass der bisherigen und auch aktuellen höchstgerichtlichen Judikatur keine Aussagekraft mehr zukomme, überzeugt nicht: Konkrete Umstände, die sich seit der letzten Beurteilung durch die Höchstgerichte geändert hätten, zeigt die Beklagte nicht auf.

1.5.Der Oberste Gerichtshof befasste sich in zahlreichen Entscheidungen mit den Werbepraktiken der Konzessionäre. In 1 Ob 229/20p führte der Oberste Gerichtshof aus, dass aufgrund der vom EuGH (Rs Fluctus/Fluentum ) sowie bereits zuvor von allen drei Höchstgerichten in ständiger Rechtsprechung angenommenen Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols davon auszugehen sei, dass diese Frage abschließend beantwortet sei.

Die Beschränkung von Online-Glücksspielen sei bereits ihrem Wesen nach geeignet, die Gelegenheiten zum Glücksspiel einzuschränken und damit die genannten, im Allgemeininteresse gelegenen und durch das Unionsrecht anerkannten Ziele zu erreichen. Erst jüngst bestätigte der Oberste Gerichtshof in zahlreichen Entscheidungen (7 Ob 16/25, 6 Ob 19/25z, 3 Ob 210/24i, uam; alle vom Jänner und Februar 2025), dass das im GSpG normierte Monopol- bzw Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen (insbesondere der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist es jedoch Sache des Beklagten, der die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielrechts behauptet, jene konkreten Umstände darzulegen, die sich seit der (letzten) Beurteilung der Kohärenz durch die Rechtsprechung geändert hätten (vgl 4 Ob 30/17; 3 Ob 57/19g). Dies gelingt der Beklagten in ihrer Argumentation nicht.

Auch bedarf es keiner zusätzlichen Feststellungen in diesem Zusammenhang.

1.6.Unterschiedliche Regelungen verschiedener Arten von Glücksspielen stehen einer insgesamt kohärenten Beschränkung dieses Angebots per se nicht entgegen. Bei Ausspielungen an Video-Lotterie-Terminals (VLT) und Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten ist der Spielerschutz als im Wesentlichen gleichwertig zu beurteilen, weshalb das Glücksspielmonopol des Bundes auch auf dieser Basis unionsrechtskonform ist (VwGH Ra 2018/17/0048; 9 Ob 20/21p; 7 Ob 213/21f uva).

1.7.Eine Verpflichtung zur Notifizierung der Bestimmung des § 14 GSpG idF des BBG 2011, BGBl I 2010/111, nach Maßgabe der RL 98/34/EG idF der RL 98/48/EG und 2006/96/EG hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach verneint (4 Ob 223/21d; 7 Ob 213/21f; 3 Ob 200/21i; 6 Ob 203/21b; 6 Ob 226/21k).

1.8.Mehrfach hat der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit der Teilnahme an Glücksspielen auf Websites eines Betreibers, der über keine entsprechende Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz verfügt, Stellung genommen und ausgesprochen, dass die Durchführung einer Ausspielung ohne Konzession ein verbotenes Glücksspiel darstellt. Nach der Rechtsprechung sind jene Spiele im Sinne des § 1174 Abs 2 ABGB verboten und damit nichtig im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB, bei denen - wie hier - Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen (RS0102178; RS00383378).

Verbotene Spiele erzeugen nicht einmal eine Naturalobligation. Der Verlierer kann die gezahlte Wett- oder Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmungen der § 1174 Abs 1 Satz 1 oder § 1432 ABGB entgegenstünden, weil die Leistung nicht „zur Bewirkung“ der unerlaubten Handlung, sondern als „Einsatz“ erbracht wurde. Eine Verweigerung des Rückforderungsanspruchs widerspräche dem Zweck des Glücksspielverbots (RISJustiz RS0025607 [T1]; 7 Ob 122/22h mwN; 1 Ob 172/22h mwN).

2.1. Hinsichtlich des Zinsanspruchs argumentiert die Beklagte, dieser könne erst ab Geltendmachung des Bereicherungsanspruchs fällig sein. Für den Zeitraum vor dem 20.11.2024 stünden daher keine Zinsen zu.

2.2.Auch diese Ansicht teilt der Senat nicht: Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher zurückzuerstattenden Geldsumme sind sogenannte Vergütungszinsen, für die § 1333 ABGB maßgeblich ist (RS0032078; RS0016316 [T1]). Die Nutzung des Gelds durch den Bereicherten ist grundsätzlich (zumindest) mit den gesetzlichen Zinsen zu vergüten (6 Ob 51/21z; RS0032078 [T2]). Nach stRsp hat selbst der redliche Bereicherungsschuldner – außer bei Vorliegen einer Gegenleistung – die mit dem gesetzlichen Zinssatz pauschalierten Nutzungen eines von ihm zu erstattenden Geldbetrags unabhängig vom Eintritt des Verzugs herauszugeben. Auch bei Redlichkeit des Bereicherten ist nämlich die Nutzungsmöglichkeit des Kapitals inter partes dem Bereicherungsgläubiger zugeordnet. Es wäre nicht zu rechtfertigen, wenn der Schuldner den Nutzungsvorteil bis zum Einlangen eines Rückzahlungsbegehrens behalten könnte (7 Ob 10/20a; 4 Ob 46/13p; 4 Ob 149/06z je mwN). In diesem Sinn spricht der Oberste Gerichtshof bei bereicherungsrechtlich zurückgeforderten, aus unwirksamen Glücksspielverträgen stammenden Beträgen Vergütungszinsen zu, soweit sie nicht verjährt sind, ohne dass es dabei auf eine Mahnung durch den Gläubiger ankäme (vgl die Entscheidung 4 Ob 210/23w mwN, in der Zinsen auch für einen mehrjährigen Zeitraum vor Klagseinbringung zugesprochen wurden).

3.1. Die Beklagte macht als Verfahrensmangel geltend, dass das Erstgericht das von ihr beantragte Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen der Marktforschung und Werbepsychologie zum Beweis dafür, dass die Werbemaßnahmen der C* AG und der D* GmbH im klagsgegenständlichen Zeitraum Verbrauchern hohe Gewinne in Aussicht gestellt, die Risken des Glücksspiels verharmlost hätten und darauf ausgerichtet gewesen seien, insbesondere auch Neukunden zu akquirieren und den Glücksspielmarkt in Österreich zu erweitern, nicht eingeholt habe.

Damit habe die Beklagte nicht unter Beweis stellen können, dass das österreichische Glücksspielmonopol im verfahrensgegenständlichen Zeitraum unionsrechtswidrig gewesen sei, weil die Werbemaßnahmen des Monopolisten sich nicht im Rahmen dessen gehalten hätten, was der EuGH als zulässig erachtet habe.

3.2. Der Oberste Gerichtshof hat sich, wie bereits dargelegt, in zahlreichen Entscheidungen mit den Werbepraktiken der Konzessionäre befasst und bereits mehrfach ausgeführt, dass das im Glücksspielgesetz normierte Monopol- bzw Konzessionssystem auch unter Berücksichtigung der Werbemaßnahmen der Konzessionäre dem Unionsrecht entspricht.

Ausgehend davon sind die von der Beklagten zur Intensität der Werbemaßnahmen gewünschten Gutachten nicht geeignet, zu einem für sie günstigeren rechtlichen Ergebnis zu führen. Eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens ist nicht gegeben.

Der Berufung ist daher keine Folge zu geben.

4. Die Kostenentscheidungim Berufungsverfahren ergibt sich aus den §§ 50, 40, 41 ZPO. Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten der erfolgreichen Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

5. Die (ordentliche) Revisionist gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil sich das Berufungsgericht an der höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientierte.