3Ob210/24i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* H*, vertreten durch Dr. Sven Rudolf Thorstensen, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E* Limited, *, vertreten durch die Mag. Simon Wallner Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 1.034.604,09 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 4. Oktober 2024, GZ 3 R 109/24g 23.2, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Der Antrag auf Unterbrechung des Revisionsverfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C 683/24 wird abgewiesen.
II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] I. Einer Unterbrechung des Verfahrens über die außerordentliche Revision bis zur Entscheidung des EuGH über das zu C 683/24 registrierte Vorabentscheidungsersuchen bedarf es nicht, weil die dort an den EuGH herangetragenen Fragen der Vereinbarkeit einer nationalen Bestimmung mit der Verordnung (EU) Nr 1215/2012 (EuGVVO 2012) für das vorliegende (Titel )Verfahren ohne rechtliche Bedeutung sind.
[2] II. Die außerordentliche Revision ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[3] II.1. Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf die höchstgerichtliche Rec htsprec hung eingehend begründet, warum die vorliegende Zahlungsklage eines Spielers gegen die beklagte – ohne österreichische Konzession tätige – maltesische Online Glücksspielanbieterin, mit der er den Ersatz seiner Spielverluste anstrebt, nicht am Bestimmtheitsgebot des § 226 ZPO scheitert. Dabei vertrat es die Ansicht, im Hinblick auf die Vielzahl der Transaktionen des Klägers überspannte es das Gebot der Präzisierung des Vorbringens, forderte man für jeden einzelnen der zahlreichen Glücksspielverträge ein gesondertes, detailliertes Vorbringen; dennoch sei die Bestimmung der Rechtskraft des über die Klage ergebenden Urteils unproblematisch, mache der Kläger doch die Differenz zwischen sämtlichen Ein- und Auszahlungen in einem klar definierten Zeitraum geltend. In der Revision beschränkt sich die Beklagte auf die Behauptung, die Klage sei iSd § 226 ZPO unbestimmt und die Reichweite der Rechtskraft eines über sie ergehenden Urteils unklar. Die Beklagte unterlässt es aber darzulegen, aus welchen Gründen die genannte rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts unrichtig sei; damit ist ihre Rechtsrüge insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043605).
[4] II.2. Die Möglichkeit, dass ein Spieler bei Unwirksamkeit eines Glücksspielvertrags seinen Einsatz im Fall dessen, dass er das Spiel verloren hat, zurückverlangen kann, ist v om Gesetz durch § 1431 ABGB vorgegeben . Die von der Beklagten hiergegen vorgetragenen Erwägungen sind rechtspolitischer Natur und vermögen daher keine Zweifel an der Richtigkeit der ständigen, einen Rückzahlungsanspruch des Glücksspielers bei Unwirksamkeit des Spielvertrags bejahenden Rechtsprechung zu erwecken.
[5] II.3. Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB dem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen. Damit ist § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt (konkret § 52 Abs 5 GSpG), kommt es daher nicht an (2 Ob 187/24z [Rz 6] mwN).
[6] II.4. Die auf die ständige Rechtsprechung gestützte Rückforderung der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online Glücksspiel verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (zB 3 Ob 69/23b [Rz 10]) und ist per se nicht rechtsmissbräuchlich i Sd § 1295 Abs 2 ABGB (zB 5 Ob 13/24h [Rz 8]).
[7] II.5. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Entgegen der Darstellung der Revision ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH C 920/19, Fluctus , wie unter anderem bereits vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 187/24z ausgeführt, kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen. Vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Der behauptete Feststellungsmangel – Fehlen von Feststellungen „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ – ist damit nicht zu erkennen.
[8] II.6. Warum der Umstand, dass derzeit in Malta keine ausländischen Urteile betreffend Spielerklagen vollstreckt werden, der Beendigung des vorliegenden Prozesses entgegenstehen soll, vermag die Revision nicht nachvollziehbar darzulegen. Ob das betreffende maltesische Gesetz unionsrechtswidrig ist, insbesondere ob es gegen Art 36 ff und Art 45 f (oder auch allenfalls Art 52) EuGVVO 2012 verstößt (vgl 3 Nc 10/24m [Rz 4]), ist für das vorliegende (Titel )Verfahren – wie bereits oben unter Punkt I, angemerkt – ohne Relevanz.