JudikaturOLG Graz

2R28/25t – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
09. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch die Richterinnen Mag a . Gassner (Vorsitz) und Mag a .Schiller sowie den Richter Mag. Scheuerer in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch Mag. Domenique Schöngrundner, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. B*, geboren am **, **, vertreten durch Dr. Georg-Christian Gass, Rechtsanwalt in Graz, und 2. C* AG D* , **, **, vertreten durch Dr. Wolfgang Muchitsch, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 44.691,20 s.A., über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 5. Jänner 2025, **-13, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien ihre mit jeweils EUR 3.693,72 (darin EUR 615,62 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .

Entscheidungsgründe:

Text

Die Klägerin befand sich von 2011 bis November 2017 in zahnärztlicher Behandlung bei der Erstbeklagten; die Zweitbeklagte war ihr Haftpflichtversicherer. Grund für den Behandlungsbeginn war, dass die Klägerin die vorhandenen Amalgamfüllungen austauschen lassen wollte.

Bereits am 23. November 2017 (unmittelbar nach Beendigung des Behandlungsvertrags mit der Erstbeklagten) fasste die Klägerin in einem E-Mail an ihre Kollegin die Geschehnisse anlässlich der Behandlung durch die Erstbeklagte auszugsweise wie folgt zusammen [Beilage ./2, Seite 6ff; zur Zulässigkeit der Ergänzung durch das Berufungsgericht siehe RIS-Justiz RS0121557 insbesondere [T3] sowie RS0040083 [T1]). ]:

„Ich war am Dienstag bei meiner Zahnärztin, weil sie an einem Zahn Karies entdeckt hatte […].

Sie hat mir aus Rache sogar den Zahn, den sie an zwei Stellen geöffnet hatte, mit einer frei gelegten Wurzel offengelassen!!!! Er hätte bis heute Mittag offen bleiben müssen! Von Dienstagmittag bis Donnerstagmittag!!! Rechts kann ich wegen meiner Zahnlücke und dem Zahn, in dessen Spalt ich Fleisch gebissen hatte, nichts essen. Links nun der offene Zahn. Und meine Schneidezähne kurz vor dem Abbrechen. Lediglich zwei Wattekügelchen hat sie in den offenen Zahn gegeben und gemeint, dass ich Schmerzen bekommen werde. Ich soll deshalb drei Schmerztabletten täglich nehmen […].

Gestern hab ich dann gleich in der Früh beim Zahnarzt meiner Schwester angerufen. Notfalltermin. (War vier Stunden dort!!!) Erst waren er und seine Assistentin fassungslos, dass mir meine Zahnärztin einfach nur zwei Wattekügelchen in den offenen Zahn gesteckt, und mich so nach Hause geschickt hat. Eines davon am Zahnfleischrand bei der Wurzel, das eh sofort runtergebrochen ist.

Die Zahnärztin hatte mir gesagt, dass sie keine Füllung einbringen kann, weil die in die Wurzel rinnen würde. Das habe ich Dr. xxx erzählt. Er hat gemeint "Sicher rinnt die Füllung in die Wurzel, deshalb bekommt man ja auch einen Platzhalter, der das verhindert".

Das nächste war dann, dass Dr. xxx auf den ersten Blick gesehen hat, dass man den Zahn überhaupt nicht ziehen muss!!!Natürlich geht eine Wurzelbehandlung!!! Er hat dann auch gleich damit begonnen.

Als ich auf der Liege gelegen bin, haben er und seine Assistentin sich darüber unterhalten, dass man das Mittel CHX auf keinen, keinen, keinen Fall in einen Wurzelkanal geben darf, da das Gewebe dadurch abstirbt. Das habe er in einem seiner Fortbildungskurse gelernt.

Als ich das gehört habe, ist mir eingefallen, dass mir der Name dieses Mittels etwas sagt. Da ich die Rechnungen meiner Zahnärztin zum Herzeigen mithatte, habe ich es nochmals überprüft. Meine Zahnärztin verwendet bei mir CHX in Massen!!!! […]

Was bedeutet, ich hätte meine Behandlungen trotz ihrer Pfuscherei weiterhin bei ihr machen lassen […].

Eine halb fertige Implantation mit einer riesigen noch nicht verheilten Zahnlücke, eine ausstehende Vestibulum-Plastik-Operation, und ein Heilbehelf (die Schiene, die ich bei unserem Treffen getragen habe), der auf einen weiteren gezogenen Zahn angepasst worden ist und nun nicht mehr passt […].

Ich überlege mir, ob ich nicht die Zahnärztekammer einschalten soll. Schließlich hat sie einen Eid geschworen, und jetzt lässt sie mich mit einem halbfertigen Implantat und ohne die notwendige Plastik einfach stehen und bricht die Behandlung ab, weil ich für einen einzigen Behandlungsvorgang einen anderen Arzt aufgesucht habe […].

Dabei hätte ich sie damals, als sie mir bei meiner ersten Implantation den Nerv gerissen hat, sogar verklagen können. Ich habe heute noch Schmerzen und der Nerv krampft sich immer wieder zusammen und mir rinnt Speichel aus dem Mund. Ich habe ihr nicht mal Vorwürfe gemacht. Und jetzt das […].“

Am 14. März 2021 verfasste die Klägerin ein Gedächtnisprotokoll, in dem sie dieselben Vorwürfe (mangelhafte Aufklärung, übermäßige und fragwürdige Behandlungsmaßnahmen, Fehlbehandlungen) darstellte, die sie im Wesentlichen deckungsgleich im gegenständlichen Zivilverfahren erhob. Diese Vorwürfe waren Grundlage für den Privatbeteiligtenanschluss vom 7. April 2021 in dem gegen die Erstbeklagte geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Graz zu **. In diesem Gedächtnisprotokoll führte die Klägerin aus, dass „die Erstbeklagte eigentlich wegen mutwilliger schwerer Körperverletzung hinter Gitter gehöre“ .

Die Erstbeklagte wurde im anschließenden Strafverfahren zu ** des Landesgerichts für Strafsachen Graz, von den betreffend die Klägerin erhobenen Vorwürfen der Körperverletzung und des schweren Betrugs mit Urteil vom 13. November 2023 gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Dieses Urteil blieb seitens der Klägerin unbekämpft.

Mit der am 13. Mai 2024 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin Schadenersatz von EUR 44.691,20 [Schmerzengeld EUR 20.000,00; frustrierte Behandlungskosten EUR 24.691,20] im Wesentlichen mit dem Vorbringen, sie habe die Erstbeklagten aufgesucht, um sich sechs Amalgam-Füllungen austauschen zu lassen. Während des gesamten Behandlungszeitraums habe diese immer wieder sanierungsbedürftige Zähne „entdeckt“, diese unverzüglich behandelt und Mundhygienesitzungen im Abstand von 2 bis 3 Monaten verordnet. Im November 2017 sei sie von der Erstbeklagten, nachdem sie ihr mitgeteilt habe, sich keine weiteren Behandlungen mehr leisten zu können, mit aufgebohrten Zähnen am Behandlungsstuhl sitzen gelassen worden. Erst Mitte März 2021 sei sie von einer Arbeitskollegin auf einen Zeitungsartikel aufmerksam gemacht worden, wonach gegen die Erstbeklagte strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen und ihr wegen Betrugsvorwürfen die Approbation entzogen worden sei. Sie habe sich mit Schriftsatz vom 7. April 2021, vertreten durch ihren Rechtsanwalt, dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen. Das in diesem Verfahren eingeholte medizinische Sachverständigengutachten sei am 20. Mai 2022 erstattet worden. Erst ab diesem Zeitpunkt sei ihr klar gewesen, dass die Zahnbehandlungen nicht indiziert gewesen seien und die Erstbeklagte Fehlbehandlungen zu verantworten habe. Die Ansprüche seien daher nicht verjährt. Die Zweitbeklagte hafte als berufliche Haftpflichtversicherin der Erstbeklagten.

Die Erstbeklagte beantragte die Abweisung der Klage mit dem für das Berufungsverfahren bedeutsamen Einwand, die Klagsforderung sei verjährt, weil die Klägerin nach eigenen Angaben aufgrund eines „schockierenden Vorfalls“ im November 2017 die Ordination der Erstbeklagten nicht mehr aufgesucht habe. Es wäre ihr möglich und zumutbar gewesen, entsprechende Nachforschungen anzustellen, ob eine fehlerhafte Behandlung erfolgt sei. In einem Gedächtnisprotokoll habe sie die Vorwürfe festgehalten und zum Gegenstand ihres Privatbeteiligtenanschlusses im Jahr 2021 gemacht. Die am 13. Mai 2024 eingebrachte Klage sei daher verfristet.

Die Zweitbeklagte bestritt das Klagsvorbringen, wendete mangelnde Passivlegitimation und Verjährung ein. Die von der Klägerin behaupteten Schmerzen seien unmittelbar nach Beendigung der Behandlung aufgetreten. Sie habe ab November 2017 Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Eingriffe gehabt, als sie sich in die Behandlung anderer Zahnärzte begeben habe, sodass die dreijährige Verjährungsfrist abgelaufen sei.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab. Über den eingangs zusammengefassten Sachverhalt hinaus legte es dieser Entscheidung die auf den Seiten 1 und 2 sowie 6 und 7 des Urteils ersichtlichen Tatsachenfeststellungen zugrunde, auf die das Berufungsgericht verweist. Aus diesem Sachverhalt zog das Erstgericht den rechtlichen Schluss, die Klagsforderung sei verjährt, weil die Klägerin bereits ab November 2017, spätestens jedoch seit März 2021 subjektiv vom Vorliegen von Behandlungsfehlern der Erstbeklagten ausgegangen sei und diese im Rahmen des Privatbeteiligtenanschlusses mit Äußerung vom 5. Mai 2021 auch konkretisiert habe. Will sich der Geschädigte zur Dartuung der langen Verjährungsfrist auf schweren Betrug stützen, habe er auch die Merkmale eines qualifizierten Betrugs zu behaupten und beweisen. Die Tatbestandsvoraussetzungen seien im strafrechtlichen Sinn zu verstehen, sodass auch die subjektive Tatseite verwirklicht sein müsse. Mangels ausreichenden klägerischen Vorbringens sei von einer Anwendbarkeit der 30-jährigen Verjährungsfrist nicht auszugehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es in Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagten beantragen, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt.

I. Zur Mängelrüge:

Die Klägerin bemängelt das Unterbleiben ihrer Einvernahme. Zur Beurteilung der Verjährungsfrage sei es notwendig, den Kenntnisstand der Klägerin zum Zeitpunkt des Verfassens ihres Gedächtnisprotokolls am 14. März 2021 festzustellen. Insbesondere sei die Klägerin darüber zu befragen gewesen, ob ihr bereits bewusst gewesen sei, welche der Behandlungen nicht lege artis erfolgt und welche Zähne davon betroffen gewesen seien. Auf Basis ihrer Aussage wäre das Erstgericht zum Schluss gekommen, dass sie erst nach Erstellung des Sachverständigengutachtens im Mai 2022 Kenntnis davon erlangt habe, welche der Zähne schlecht behandelt worden seien.

Abgesehen davon, dass die Klägerin ihre eigene Einvernahme nur zur Frage des Vorliegens eines Behandlungsfehlers, nicht jedoch zur Verjährungsthematik angeboten habe, ist die Frage, ob Verjährung der geltend gemachten Ansprüche eingetreten ist, der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen. Die bezughabenden Feststellungen wurden auf Basis der im Verfahren vorgelegten und von der Klägerin verfassten Schreiben getroffen. Allfällige diesbezügliche Informationen abseits der genannten Urkunden wurden im Verfahren nicht behauptet. Wie bei Behandlung der Rechtsrüge noch aufzuzeigen sein wird, kann die Verjährungsfrage auf Grundlage der getroffenen Feststellungen abschließend beurteilt werden.

Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt damit nicht vor.

II. Zur Rechtsrüge :

1. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit kennt, dass eine Klage (zumindest eine Feststellungsklage) mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (RIS-Justiz RS0034524); die Schadenshöhe muss daher noch nicht bekannt sein. Die Kenntnis muss dabei den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und einem bestimmten, dem Schädiger anzulastenden Verhalten, in Fällen der Verschuldenshaftung daher auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt (RIS-Justiz RS0034951 [T1; T2; T4 bis T7]). Der anspruchsbegründende Sachverhalt muss dem Geschädigten zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch so weit bekannt sein, dass er in der Lage ist, das zur Begründung seines Anspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (RIS-Justiz RS0034366; RS0034524). Bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände genügen nicht (RIS-Justiz RS0034524 [T6; T18]). Grundsätzlich haben Geschädigte als Laien keinen Einblick in die für das Verschulden maßgeblichen Umstände, zB im Zusammenhang mit ärztlichen Kunstfehlern, sodass die Verjährungsfrist zu ihren Lasten deshalb nicht zu laufen beginnen kann (RIS-Justiz RS0034603). Die bloße Möglichkeit der Ermittlung einschlägiger Tatsachen vermag ihr Bekanntsein nicht zu ersetzen (RIS-Jusitz RS0034603).

2. Wenn der Geschädigte allerdings die für die erfolgsversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann, gilt die Kenntnisnahme schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RIS-Justiz RS00334327 [T1]; RS0034335). Die Erkundigungsobliegenheit des Geschädigten darf aber nicht überspannt werden (RIS-Justiz RS0034327 [T6, T27]). Welche Erkundigungsmaßnahmen ihm zumutbar sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0113916; RS0034327 [T20, T27]; zur Einholung eines Sachverständigengutachtens vgl auch [T3, T7, T10, T39]; RS0034603 [T8]). Auch die Beurteilung, wann im Einzelfall die Erkundigungsobliegenheit entsteht, hängt von den konkreten Umständen ab (RS0034327 [T45]). Sie setzt deutliche Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt im Sinn konkreter Verdachtsmomente voraus, aus denen der Anspruchsberechtigte schließen kann, dass Verhaltenspflichten nicht eingehalten wurden (RS0034327 [T21, T42]).

3. Diese Grundsätze gelten auch in Fällen behaupteter medizinischer Fehlbehandlungen oder Aufklärungsfehler (vgl OGH 4 Ob 96/20a; 5 Ob 22/15v; 4 Ob 144/11x). In der Entscheidung 4 Ob 144/11x wurde zu dem Zeitpunkt, zu dem der dortige Kläger die subjektive Überzeugung vom Vorliegen eines Sorgfaltsverstoßes gewonnen hatte, der Beginn einer Obliegenheit angenommen, Schritte zur Objektivierung dieser bis dahin bloß auf Mutmaßungen beruhenden "Überzeugung" zu setzen (ErwGr 3.2.; vgl 5 Ob 22/15v [ErwGr 4]).

4. Die Klägerin hatte bei Beendigung des Behandlungsvertrags mit der Erstbeklagten Bedenken wegen der von dieser im gesamten Behandlungszeitraum durchgeführten, unzähligen fragwürdigen Behandlungen. In ihrem E-Mail an ihre Kollegin hielt sie – neben dem Ärgernis anlässlich einer der letzten Behandlungen – fest, dass die Erstbeklagte bei der ersten Implantation einen Nerven verletzt hätte, weswegen sie schon damals eine Klage einbringen hätte können und überlegte, ob der gesamten Vorfälle die Zahnärztekammer einzuschalten. Weiters erläuterte sie, bereits im November 2021 von einem Nachbehandler die Auskunft erhalten zu haben, dass – entgegen der Darstellung der Erstbeklagten – (zumindest) ein Zahn nicht zu ziehen wäre, sondern mit einer Wurzelbehandlung gerettet werden könnte. Auch habe dieser die Vorgehensweise der Erstbeklagten bei einer Wurzelbehandlung kritisiert. Daraus folgt insgesamt, dass die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt ausreichend konkrete Anhaltspunkte für einen Pflichtverstoß der Erstbeklagten hatte, aufgrund derer sie zumutbare Erkundigungen zu deren (weiteren) Objektivierung und Aufklärung der Zusammenhänge anstellen hätte müssen.

5. Die Klägerin rügt in diesem Zusammenhang eine unrichtige Beurteilung des Inhalts ihrer Erkundigungsobliegenheit. Eine solche habe sie bei insgesamt 206 Behandlungen nicht getroffen. Darüber hinaus sei sie auch nicht verpflichtet gewesen, ein Privatgutachten einzuholen, um anspruchsbegründende Umstände zu klären.

In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass in unterschiedlichen Fallkonstellationen unterschiedliche Erkundigungen zumutbar sein können, was von den Umständen des Einzelfalls abhängt (vgl RS0113916; RS0034327 [T20, T27]). So kann eine geeignete Maßnahme etwa darin bestehen, dass sich der Patient zur Durchsetzung seiner Ansprüche an die Patientenvertretung wendet (OGH 4 Ob 144/11x; 5 Ob 22/15v), wie es die Klägerin ohnedies im Jahr 2017 zumindest beabsichtigt hat (OGH 6 Ob 78/22x). Im hier vorliegenden Fall hätte sie – ungeachtet der unzähligen Behandlungsschritte – auch (weitere) Erkundigungen bei anderen Fachärzten einholen könne, nachdem der von ihr schon im November 2017 konsultierte Nachbehandler auf nicht ordnungsgemäße Behandlungsschritte seitens der Erstbeklagten aufmerksam gemacht hatte. Es wäre wohl ein Leichtes gewesen, die für eine erfolgreiche Klagseinbringung notwendigen Zusammenhänge von anderen Fachärzten zeitnah aufklären zu lassen. Wenn die Klägerin darauf hinweist, über keine medizinische Dokumentation verfügt zu haben, ist ihr entgegenzuhalten, dass es ihr gleichfalls leicht möglich gewesen, selbst Einsicht in diese zu nehmen und Abschriften/Kopien (auch von Röntgenbildern) zu verlangen. Auf die Zumutbarkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens kommt es im vorliegenden Fall also gar nicht an. Die Verjährungsfrist wurde daher mit Ende des Jahres 2017 in Gang gesetzt.

An dieser Beurteilung ändert auch nicht, dass einem Privatbeteiligtenanschluss zumindest soweit Unterbrechungswirkung zukommt, als der Anspruch der Höhe nach – ziffernmäßig – geltend gemacht wurde, weil bei einer Verurteilung (nur) darüber zu entscheiden ist (§ 366 Abs 2 Satz 1 StPO) andernfalls der Privatbeteiligte – wie hier – mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen (§ 366 Abs 1 und Abs 2 Satz 2 StPO), wofür dann die Grundsätze der gehörigen Fortsetzung gelten. Allenfalls kann auch (nur) ein Feststellungsbegehren erhoben werden (OGH 6 Ob 68/18w). Unterlässt es der Privatbeteiligte, gegen die Verweisung auf den Zivilrechtsweg eine Berufung anzumelden bzw. zu erheben (§ 366 Abs 3 StPO), weshalb ihm schon in diesem Zeitpunkt klar sein muss, dass er seine Ansprüche im Zivilrechtsweg durchsetzen muss, ist die Verkündung (und nicht die spätere Zustellung der schriftlichen Ausfertigung) des Urteils maßgebend, mit dem er auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde. Dem Grundsatz der gehörigen Fortsetzung wird der Privatbeteiligte nur durch unverzüglich Erhebung der Zivilklage gerecht ( R. Madl in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.07 § 1497 Rz 28, 34). Der Klägerin war, nachdem sie keine Berufung erhoben hat, damit bereits am 13. November 2023 klar, dass sie ihre Ansprüche am Zivilrechtsweg durchsetzen muss. Nachdem sie die Klage erst sechs Monate später, und damit nicht unverzüglich, einbrachte, entfaltete der Privatbeteiligtenanschluss auch keine Unterbrechungswirkung.

Die Berufung bleibt daher erfolglos.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Bei den Kostennoten der Beklagten war zu berücksichtigen, dass sich bei einem Streitwert von EUR 44.691,20 ein Tarifansatz (TP 3B) von EUR 1.230,20 ergibt, sodass sich die ersatzfähigen Vertretungskosten zuzüglich Einheitssatz und ERV-Zuschlag mit EUR 3.693,72 brutto errechnen.

Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO sind nicht zu beantworten - die Frage des Beginns der Verjährungsfrist hängt vom Einzelfall ab (RIS-Justiz RS0113916) -, sodass kein Anlass besteht, die ordentliche Revision zuzulassen.