JudikaturOGH

4Ob71/25g – OGH Entscheidung

Entscheidung
Lauterkeitsrecht
21. Oktober 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätin Dr. Annerl, Mag. Waldstätten, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch die GEISTWERT Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch Dr. Christian Schubert, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung, Widerruf und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 53.001 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 14. März 2025, GZ 2 R 34/25w, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin ist ein weltweit agierendes Multi-Plattform-Medienunternehmen, das den privaten Fernsehsender „*“ betreibt und dafür Programme produziert und lizenziert. GZ 2 R 34/25w

[2] Der Beklagte war für die Klägerin im Zusammenhang mit den ersten beiden Staffeln ihrer Fernsehproduktion „*“ (in der Folge: Werk) beratend tätig.

[3]In der Folge begehrte der Beklagte vor dem Landesgericht Salzburg (dort als Kläger) gegen die Klägerin (dort als Beklagte) die Feststellung, dass ihm in den ersten 16 Episoden des Werkes gesetzliche Vergütungsansprüche nach dem UrhG zust ünden . Das Klagebegehren wurde vom Landesgericht Salzburg mit Urteil vom 13. Oktober 2023 zur Gänze abgewiesen. Das Oberlandesgericht Linz gab der dagegen erhobenen Berufung mit Urteil vom 25. Jänner 2024 nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Der Beklagte (dort Kläger) erhob dagegen am 29. Februar 2024 die außerordentliche Revision.

[4] Nachdem dem Beklagten bekannt geworden war, dass es mit einer anderen Filmproduktionsgesellschaft ein – auf dem Werk aufbauendes – neues Projekt gab, richtete sein Rechtsvertreter in seinem Namen am 14. Juni 2024 folgendes Schreiben an die Filmproduktionsgesellschaft (in der Folge: Empfängerin):

Betrifft: Rechtsstreit [Beklagter] gegen [Klägerin] am Landesgericht Salzburg zu Aktenzeichen *

Sehr geehrte Damen und Herren!

In obiger Angelegenheit erlaube ich mir Sie im Namen meines Mandanten [Beklagten] höflich davon in Kenntnis zu setzen, dass bezüglich der Urheberrechte an den ersten 16 Episoden des Werkes der Filmkunst '*' ein Urheberrechtsstreit beim Landesgericht Salzburg zu Aktenzeichen * anhängig ist, welcher noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.

[5] Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Unterlassung dieser Behauptung, sofern nicht gleichzeitig darüber aufgeklärt werde, dass die Klage vom Landesgericht Salzburg und auch vom Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht abgewiesen wurde und eine (ordentliche) Revision an den Obersten Gerichtshof nicht zugelassen wurde. Weiters begehrte sie den Widerruf bzw die Richtigstellung der Mitteilung sowie die Urteilsveröffentlichung.

[6]Das Schreiben des Beklagten enthalte den unrichtigen Tatsachenkern, dass die Klägerin im Urheberrechtsstreit unterlegen sei und Urheberrechte des Beklagten im Zusammenhang mit dem Werk verletze. Der Beklagte verstoße daher gegen §§ 1 bzw 2 und 7 UWG und § 1330 ABGB.

[7] Der Beklagte wendet – soweit für das Revisionsverfahren relevant – ein, sein Schreiben sei eine reine Sachinformation, die keine unrichtigen Fakten enthalte.

[8] Die Vorinstanzenwiesen die Klage ab. Das beanstandete Schreiben des Beklagten enthalte ausschließlich Tatsachenbehauptungen, deren Unwahrheit von der Klägerin nicht behauptet worden sei. Es fehle daher an den Voraussetzungen des § 7 UWG und des § 1330 ABGB. Die geforderten Zusatzinformationen seien nicht wesentlich iSd § 2 Abs 4 UWG, sodass keine irreführende Geschäftspraxis durch Unterlassen vorliege. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Zu § 7 UWG und § 1330 ABGB:

[10]1.1 Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung erfasst § 7 UWG jede (unwahre) Tatsachenbehauptung über geschäftliche Verhältnisse, die zu einem Schaden für den Kredit oder den Betrieb des davon Betroffenen führen kann ( 4 Ob 184/06x ; 4 Ob 249/06f ; 4 Ob 211/19m). Ein Werturteil – also eine Äußerung, die sich als Ausdruck der subjektiven Meinung darstellt – begründet keinen Anspruch nach § 7 UWG. Dennoch dürfen auch Werturteile nicht schrankenlos öffentlich verbreitet werden: Das Überschreiten der Grenzen zulässiger Kritik durch einen massiven Wertungsexzess (vgl RS0054817[T3]) erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 UWG ( 4 Ob 211/19m ).

[11]Sowohl nach § 7 UWG als auch nach § 1330 Abs 2 ABGB zu beurteilende Mitteilungen sind so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen bei ungezwungener Auslegung verstanden werden, nicht aber so, wie sie gemeint oder verstanden werden sollten ( RS0031883 ; RS0079648 [T3, T7, T10]). Wer eine mehrdeutige Äußerung macht, muss die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen, sofern diese Auslegung noch ernstlich in Betracht kommt ( RS0079648 [T27]; 4 Ob 127/15b).

[12] Ob einer Erklärung ein über ihren bloßen Wortlaut hinausgehender Bedeutungsinhalt zuzumessen ist bzw bejahendenfalls welcher ( RS0107768 [T1]; RS0031883 [T6, T28]) und ob eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil vorliegt ( RS0113943[T1]; RS0031883 [T17]), hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet – wenn keine grobe Fehlbeurteilung vorliegt – keine erhebliche Rechtsfrage.

[13] 1.2 Das Berufungsgericht gelangte zum Ergebnis, dass ein Leser mit dem Kenntnisstand der Empfängerin aus dem Schreiben des Beklagten nicht den Schluss ziehe, dass dieser im Urheberrechtsstreit in erster und zweiter Instanz obsiegt hätte. Diese Auslegung hält sich im Rahmen der Grundsätze der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs:

[14] Die Revision steht auf dem Standpunkt, es sei unlogisch, dass jemand, der in einem Urheberrechtsstreit (bislang noch nicht rechtskräftig) unterlegen ist, auf diesen Umstand auch noch besonders hinweise, sodass der Leser zum Schluss kommen müsse, der Beklagte habe obsiegt. Damit blendet die Klägerin aber die Argumentation des Berufungsgerichts aus, dass dem Schreiben bloß zu entnehmen ist, der Urheberrechtsstreit zwischen den Streitteilen sei noch nicht (rechtskräftig) beendet. Wieso vor diesem Hintergrund die unterlassene Mitteilung über den Ausgang des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens ein Obsiegen des Beklagten indizieren sollte, legt die Revision nicht schlüssig dar. Vielmehr wäre zu erwarten, dass die in den ersten beiden Instanzen eines Urheberrechtsstreits obsiegende Partei auf diesen Umstand in einem solchen Schreiben hingewiesen hätte, sodass das Fehlen eines derartigen Hinweises gerade gegen den von der Klägerin behaupteten Sinngehalt spricht.

[15] Daran vermag auch die Anwendung der Unklarheitenregel im vorliegenden Fall nichts zu ändern, weil die Revision ausgehend vom eindeutigen Wortlaut des Schreibens und dem Fehlen jeglichen Hinweises auf den Ausgang des Urheberrechtsstreits nicht schlüssig darzulegen vermag, inwiefern eine Auslegung, dass die Klägerin in diesem Rechtsstreit unterlegen ist, ernstlich in Betracht käme. Auch warum gerade das Verfassen des Schreibens durch einen Rechtsanwalt – entgegen seinem Wortlaut – einen solchen Sinngehalt vermitteln soll, lässt die Revision offen. Gegenteiliges lässt sich auch nicht aus der als Reaktion auf das Schreiben von der Empfängerin verfassten E-Mail ableiten.

[16] Die in der Revision zitierte Entscheidung des EuGH vom 5. 5. 2011, C-316/09 , ECLI:EU:C:2011:275, betraf die Auslegung des Art 88 Abs 1 lit a der Richtlinie 2001/83 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel und ist für den vorliegenden Sachverhalt nicht einschlägig.

[17] 1. 3 Auch die Auslegung des Berufungsgerichts, der Beklagte behaupte in seinem Schreiben keine Verletzung seiner Urheberrechte durch die Klägerin, ist im Einzelfall vertretbar: Die gegenteilige Behauptung in der Revision kann – schon mangels vorgeworfener anderer Verletzungshandlungen – nur als Behauptung verstanden werden, der Beklagte habe im Urheberrechtsstreit in den ersten beiden Instanzen obsiegt und deshalb verletze die Beklagte „mit den ersten 16 Episoden des Werkes […]“ seine Urheberrechte. E in solches Verständnis scheitert aber schon daran, dass dem Schreiben – wie dargestellt – keine Behauptung des Obsiegens im Urheberrechtsstreit zu entnehmen ist.

[18]1.4 Es bleibt daher bei dem vom Berufungsgericht – vertretbar zu §§ 7 UWG, 1330 ABGB – angenommenen Bedeutungsgehalt des Schreibens des Beklagten, dass der Urheberrechtsstreit zwischen den Streitteilen noch nicht rechtskräftig erledigt ist.

[19]Auf die Ausführungen in der Revision zum Wertungsexzess iSd § 1 UWG war nicht weiter einzugehen, weil diese auf einem davon abweichenden Sinngehalt des Schreibens beruhen.

[20]1.5 Richtig ist, dass Rechtsfolgenbehauptungen je nach Lage des Falls Tatsachenbehauptungen oder auch reine Werturteile sein können (vgl RS0112210) und Schutzrechtsverwarnungen im Sinne eines Hinweises auf die Störung eines Schutzrechts (sei es gegenüber dem Störer, sei es gegenüber einem [tatsächlichen oder potenziellen] Abnehmer oder einem anderen Dritten; vgl 4 Ob 211/19m Pkt 1.1.) als Rechtsfolgenbehauptung nach der jüngeren Rechtsprechung des Fachsenats entweder alsTatsachenbehauptungen oder als bloße Werturteile qualifiziert werden können (vgl 4 Ob 211/19m; 4 Ob 185/23v; 4 Ob 35/24m). Daraus ist aber für die Beurteilung des Schreibens des Beklagten schon deshalb nichts gewonnen, weil dieses – ausgehend von seinem Sinngehalt – gerade keine Schutzrechtsverwarnung im Sinne der Behauptung eines Eingriffs in seine Urheberrechte darstellt.

[21]1.6 Dass es sich bei dem vom Berufungsgericht unterstellten Bedeutungsgehalt des Schreibens um Tatsachenbehauptungen und keine Werturteile handelt, zieht die Revision nicht in Zweifel. Deren Unwahrheit hat die Klägerin im Verfahren nicht behauptet. Ausgehend davon sind die Vorinstanzen daher vertretbar davon ausgegangen, dass die Tatbestände des § 7 UWG und § 1330 Abs 2 ABGB nicht erfüllt sind und auch sonst keine Unlauterkeit iSd § 1 UWG vorliegt.

2. Zur Irreführung durch Unterlassen:

[22]2.1 Unvollständige Angaben verstoßen gegen § 2 UWG, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird, sodass die Unvollständigkeit geeignet ist, das Publikum in für den Vertragsentschluss erheblicher Weise irrezuführen (vgl RS0121669 ). Für die Irreführung durch Unterlassen kommt es danach – abgesehen von den allgemeinen Kriterien – darauf an, ob wesentliche Umstände verschwiegen werden, die der Durchschnittsadressat zu einer informierten geschäftlichen Entscheidung benötigt, und ob sich dies auf sein geschäftliches Verhalten auszuwirken vermag ( RS0124472 ). Eine Information ist nur dann wesentlich, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die vom anderen Marktteilnehmer zu treffende geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht zukommt. Dabei darf die Informationspflicht nicht überspannt werden ( 4 Ob 33/22i Rz 29, 36). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und wirft daher in der Regel keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung auf ( 4 Ob 226/22x Rz 14; vgl auch RS0078579 [T36]).

[23] 2.2 Wenn die Revision ausführt, der Beklagte habe durch das Weglassen der Zusatzinformationen den irreführenden Gesamteindruck erweckt, die Beklagte sei im Urheberrechtsstreit unterlegen und habe durch die ersten 16 Episoden des Werkes die Urheberrechte des Klägers verletzt, übersieht sie, dass auch für die Beurteilung der Wesentlichkeit von dem vom Berufungsgericht in vertretbarer Weise ermittelten Bedeutungsgehalt des Schreibens des Beklagten auszugehen ist. Daran ändert auch der Hinweis auf die Entscheidung 4 Ob 323/74 nichts. Darin wurde lediglich ausgesprochen, dass es für die Beurteilung darauf ankommt, inwiefern durch die Veröffentlichung einer einstweiligen Verfügung der irreführende Eindruck erweckt wurde, es handle sich bereits um eine rechtskräftige Entscheidung, wenn nicht auch Angaben über die (fehlende) Rechtskraft der Entscheidung gemacht werden. Daraus lässt sich aber – entgegen der Revision – nicht darauf schließen, ein fehlender Hinweis auf eine Abweisung einer Klage in zwei Instanzen würde den unrichtigen Eindruck einer Verurteilung der Klägerin erwecken.

[24] Ausgehend davon erachtete das Berufungsgericht die vom Beklagten in seinem Schreiben unterlassenen, von der Klägerin im Unterlassungsbegehren aber verlangten Zusatzinformationen als nicht wesentlich. Gerade durch den Hinweis auf ein noch nicht rechtskräftiges Verfahren sei klargestellt, dass sich dessen Ausgang noch in jegliche Richtung hin ändern könne, also über einen behaupteten Urheberrechtsanspruch noch nicht endgültig entschieden sei. Ein verständiger Marktteilnehmer brauche daher für eine geschäftliche Entscheidung keine Vorinformationen über den Prozessausgang der Unterinstanzen.

[25] Die Revision zeigt keine grobe Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht auf: Inwiefern die Empfängerin des Schreibens das rechtliche Risiko einer Zusammenarbeit mit der Klägerin besser bewerten und eine fundierte Geschäftsentscheidung (erst) treffen könne, wenn sie über die geforderten Zusatzinformationen verfügt, führt die Klägerin nicht näher aus. Für die Einschätzung einer möglichen Urheberrechtsverletzung durch das von der Empfängerin mit der Klägerin geplante Projekt mag es zwar wesentlich sein, ob die Klägerin in der Vergangenheit bereits Urheberrechte des Beklagten verletzt hat. Dies würde aber aufgrund des im Zeitpunkt der Erklärung noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Urheberrechtsstreits auch durch die Information über die damalige Prozesssituation nicht geklärt werden.

[26]2.3 Ob die fehlenden Zusatzinformationen auch deshalb nicht wesentlich iSd § 2 Abs 4 UWG sind, weil zu erwarten ist, dass sich die Empfängerin diese selbst beschafft, muss hier nicht geklärt werden.

[27] 3. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

[28]Die dem Beklagten nach § 508a Abs 2 ZPO nicht freigestellte Beantwortung der außerordentlichen Revision ist zurückzuweisen. Er hat daher auch die dafür aufgelaufenen Kosten selbst zu tragen.