JudikaturOGH

15Os105/25t – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
15. Oktober 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. MichelKwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Rathmayr in der Strafsache gegen * C* und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des genannten Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. Mai 2025, GZ 41 Hv 60/24b 576, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Verfallsausspruch betreffend * E* aufgehoben und es wird die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten * C* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde* C* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, teils als Beteiligter nach § 12 zweiter und dritter Fall StGB (AA./A./I./) sowie des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, teils als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (AA./B./I./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

AA./ in K* und an anderen Orten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung bestehend aus ihm selbst , * E* , * F * , R* K * , M* K * , * R * , * I * und weiteren Tätern, insbesondere Auftraggebern und Lieferanten in Belgien und den Niederlanden, vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain, enthaltend zumindest 60 % Cocainbase, sowie Cannabisblüten enthaltend 1 % Delta 9 THC und 10 % THCA,

A./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge nach Österreich eingeführt oder aus Österreich ausgeführt oder andere dazu bestimmt oder sonst dazu beigetragen, und zwar

I./1./ im Jahr 2018 100 Gramm Kokain aus Österreich in die Slowakei;

2./ im Sommer 2020 F * dazu bestimmt, ein Kilogramm Kokain aus Österreich in die Slowakei zu bringen, indem er diesen dazu aufforderte;

3./ im Sommer 2020 zur Ausfuhr von einem Kilogramm Kokain aus Österreich in die Slowakei durch R * und A* R * dadurch beigetragen, dass er ihnen das Suchtgift im Wissen, dass diese es unmittelbar danach einem Besteller in B* übergeben würden, überließ;

4./ während der Jahre 2019 oder 2020 F * dazu bestimmt, insgesamt drei Kilogramm Kokain aus den Niederlanden oder aus Belgien nach Österreich zu bringen, indem er ihn dazu aufforderte und teilweise auch als Begleitfahrzeugfahrer fungierte;

5./ dadurch, dass er in der Zeit von 2020 bis 2023 dem E * in zahlreichen Angriffen insgesamt zehn Kilogramm Kokain im Wissen, dass dieser es unmittelbar danach in die Slowakei bringen werde, überließ;

6./ im Juli 2022 500 Gramm Kokain, indem er dieses von Österreich in die Slowakei brachte;

7./ durch Zurverfügungstellen eines Autoanhängers zu den strafbaren Handlungen des F * und des R* K * beigetragen, die

- am 26. April 2022 sechs Kilogramm Kokain aus den Niederlanden nach Österreich und weiter in die Slowakei brachten;

- am 3. Dezember 2022 drei Kilogramm Kokain aus Belgien nach Österreich brachten;

- am 31. Dezember 2022 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit R* K * und M* K *als Mittäter (§ 12 StGB) neun Kilogramm Kokain aus Belgien oder den Niederlanden nach Österreich brachten;

- am „31. Februar 2023“ sechs Kilogramm Kokain aus Belgien nach Österreich brachten;

- in der Nacht von 6. auf 7. Juni 2023 sechs Kilogramm Kokain aus Belgien nach Österreich brachten;

- am 12. Juni 2023 sechs Kilogramm Kokain aus den Niederlanden nach Österreich brachten;

- am 12. Juli 2023 neun Kilogramm Kokain aus den Niederlanden nach Österreich brachten;

8./ am 22. Dezember 2022

a) indem er F*, der an diesem Tag drei Kilogramm Kokain aus Belgien oder den Niederlanden nach Österreich und dann weiter über Ungarn in die Slowakei brachte, vorab zugesichert hatte, in der Werkstatt auf ihn zu warten und ihn beim Ausbau des Suchtgifts aus dem Versteck zu unterstützen und sodann das Suchtgift zu übernehmen;

b) zur im Ersturteil näher bezeichneten strafbaren Handlung des R* K * , indem er ihm einen Fahrzeuganhänger zur Verfügung stellte;

c) indem er drei Kilogramm Kokain nach Österreich brachte;

9./ am 29. J änner 2023

a) zur strafbaren Handlung des F * , der an diesem Tag drei Kilogramm Kokain aus der Schweiz durch Österreich nach Deutschland und sodann in die Slowakei brachte, indem er diesem vorab zugesichert hatte, in einer Werkstatt auf ihn zu warten und ihn beim Ausbau des Suchtgifts aus dem Versteck zu unterstützen und sodann das Suchtgift zu übernehmen, sowie indem er ihm einen Fahrzeuganhänger zur Verfügung stellte;

b) „3 Kilogramm Kokain, indem er dieses aus der und dann weiter über Ungarn in die Slowakei brachte, indem er ihm vorab zusicherte, in der Slowakei in der Werkstatt auf ihn zu warten und ihm beim Ausbau des Suchtgifts aus dem Versteck zu unterstützen und sodann das Suchtgift zu übernehmen“;

„b)“ indem er  Kokain aus Österreich in die Slowakei brachte;

10./ indem er am 10. März 2023 ein Kilogramm Kokain aus den Niederlanden nach Österreich brachte oder als Begleitfahrzeugfahrer zur Einfuhr beitrug;

11./ am 23. März 2023 zumindest ein Kilogramm Suchtgift (enthaltend Heroin oder Cocain) in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit B* R* und A* R * , indem sie dieses aus dem Kosovo bis nach Österreich brachten;

12./ zu den strafbaren Handlungen des F * sowie des R* K * , die am 18. Juli 2023 drei Kilogramm Kokain aus den Niederlanden nach Österreich brachten, indem er ihnen einen Fahrzeuganhänger zur Verfügung stellte;

13./ zur strafbaren Handlung des F * , der am 6. August 2023 zumindest sechs Kilogramm Kokain aus den Niederlanden nach Österreich brachte, indem er diesem vorab zusicherte, ihn nach der Einfuhr in B* abzuholen und ihn nach B* zu bringen, um sich von dort wieder zurück nach Österreich zu begeben und mit dem ursprünglichen Schmuggelfahrzeug weiter zu fahren, sowie indem er einen Fahrzeuganhänger zur Verfügung stellte;

14./ F * zu einer strafbaren Handlung bestimmt, indem er ihn am 7. August 2023 aufforderte, ein Kilogramm Kokain aus dem Haus der K * s in B* zu holen und es in die Slowakei zu bringen;

B./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen oder verschafft oderzum Überlassen durch andere Mitglieder der kriminellen Vereinigung sonst beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), und zwar

I./1./ im Jahr 2020 durch Übergabe von insgesamt drei Kilogramm C annabisblüten an R* K * und M* K * ;

2./ im Sommer 2020 durch Übergabe von viereinhalb Kilogramm Kokain an * H * sowie an A* R * sowie B* A * ;

3./ von 2020 bis 2023 durch Übergabe in zahlreichen Angriffen von insgesamt zehn Kilogramm Kokain an E * ;

4./ im Jänner 2021 durch Übergabe von sieben Kilogramm Cannabisblüten an R* K * ;

5./ am 9. Februar 2021 durch Übergabe von einem K ilogramm Cannabisblüten an Bu* A *

6./ kurz nach dem 10. Februar 2021 durch Übergabe von 30 Kilogramm C annabisblüten an R* K * ;

7./ am 5. und 6. März 2023 durch Übergabe von einem Kilogramm Kokain an einen unbekannten Abnehmer;

8./ am 16. April 2023 durch Übergabe von einem Kilogramm Kokain an einen unbekannten Abnehmer;

9./ zum Überlassen von sechs Kilogramm Kokain durch R* K * an einen unbekannten Abnehmer sowie von drei Kilogramm Kokain durch F * an * Z * und einen unbekannten Mann am 18. Juli 2023, indem er ihnen einen Fahrzeuganhänger zum Transport des Suchtgifts zur Verfügung stellte.

Rechtliche Beurteilung

[3]Die vom Angeklagten C* aus § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

[4] Das Schöffengericht erachtete die Angaben der in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen F*, K*, I* und R*, welche den Rechtsmittelwerber „auf einmal nicht mehr als Mittäter identifizieren wollten“, als unglaubwürdig und „für die Wahrheitsfindung nicht zu gebrauchen“ (US 37).

[5] Der Ansicht der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider haftet dem Urteil in diesem Zusammenhang kein Begründungsmangel (vgl RISJustiz RS0099455) an; vielmehr stellt diese Einschätzung einen – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht bekämpfbaren (RISJustiz RS0099419) – Akt freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) dar (vgl RISJustiz RS0104976 [T1]).

[6] Entgegen dem weiteren Vorbringen (Z 5 zweiter Fall) haben die Tatrichter betreffend AA./B./I./5./ des Schuldspruchs die Aussage des Zeugen A* nicht übergangen (US 37 iVm ON 379).

[7] Das Schöffengericht stützte sich bei den Feststellungen unter anderem auf die den Rechtsmittelwerber belastenden Aussagen der Zeugin * Fo* (US 37 ff). D ie Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) führt betreffend die Zeugin ins Treffen, der Rechtsmittelwerber wäre laut Sozialversicherungsauszug (ON 2.2, 4) erst ab 4. November 2019 im Lokal Fa* angestellt gewesen, wohingegen sie ausgesagt habe, sie hätte ihn bereits im Jahr 2018, als er dort gearbeitet hätte, bei einer Kokainübergabe beobachtet. Dem ist zu ent gegnen, dass bei der Ausführung der Mängelrüge zu beachten ist, dass die Beweisergebnisse in ihrer Gesamtheit zu betrachten sind (§ 258 Abs 2 StPO), sodass die isolierte Hervorhebung einzelner Verfahrensergebnisse nicht zielführend ist (RISJustiz RS0116504). Die Nichtigkeitsbeschwerde versucht mit dem Hinweis auf diesen angeblichen Widerspruch lediglich die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin nach Art einer im Kollegialverfahren nicht zulässigen Schuldberufung zu erschüttern (vgl § 283 Abs 1 StPO; vgl im Übrigen US 38 und 40 zu kleineren Abweichungen in den Aussagen der Zeugin).

[8] Dass das Schöffengericht die Angaben des Zeugen * Kr * in der Hauptverhandlung als „hilflosen Versuch [...], die beiden Angeklagten zu schützen“ verwarf (bei seiner polizeilichen Vernehmung in der Slowakei hatte er die se noch belastet), ist als Akt der freien richterlichen Beweiswürdigung einer Anfechtung mit Mängelrüge (Z 5) entzogen (US 38 f; RISJustiz RS0099419).

[9] Aus der Gesamtheit der Entscheidungsgründe ergibt sich, dass die leugnende Verantwortung des Angeklagten E* vom Erstgericht als unglaubwürdig eingestuft wurde. Dessen Angaben, er hätte mit dem Rechtsmittelwerber keine Kokaingeschäfte betrieben, waren daher – entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) nicht gesondert erörterungsbedürftig (RISJustiz RS0098377 [T1]).

[10] Das Schöffengericht führte in der Beweiswürdigung aus, dass die belastenden Zeugenaussagen unter anderem durch Ergebnisse von Observationen untermauert wurden (US 37, 40). Inwiefern dabei erörtert hätte werden müssen, dass auf einem Lichtbild ausschließlich Müll in einem Sack und kein Kokain erkennbar sei oder dass es sich bei dem auf einem Lichtbild abgebildete n Sack nicht um denselben wie auf einem anderen Lichtbild abgebildeten Sack handelte, wird aus dem diesbezüglichen Vorbringen der Mängelrüge (neuerlich Z 5 zweiter Fall) nicht klar.

[11] Dass der Angeklagte C* für die Begehung der strafbaren Handlungen 20.000 E uroerhielt, hat das Erstgericht entgegen dem Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) sehr wohl festgestellt (US 47), weshalb dem Verfallsausspruch gemäß § 20 Abs 3 StGB keine Nichtigkeit anhaftet.

[12]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurück zuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[13]Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon, dass dem Verfallserkenntnis betreffend den Angeklagten E* Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO anhaftet, welche von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO). Das Erstgericht erklärte gemäß § 20 Abs 1 StGB hinsichtlich des Angeklagten E* einen Geldbetrag in Höhe von 5.000 E uro für verfallen, traf jedoch keinerlei Feststellungen dazu, ob dieser Angeklagte den Geldbetrag aus dem oder für den Suchtgifthandel erlangte (vgl RISJustiz RS0134603).

[14]Das Verfallserkenntnis betreffend diesen Angeklagten war daher aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zu verweisen (zur Zuständigkeit des Vorsitzenden des Schöffengerichts als Einzelrichter siehe § 445 Abs 2 letzter Satz StPO sowie RISJustiz RS0117920 [T1] und RS0100271 [T13]).

[15]Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.