4Ob103/25p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und den Hofrat Mag. Istjan, LL.M., Mag. Waldstätten, Mag. Böhm und Dr. GusenleitnerHelm in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. * und 2. *, beide *, vertreten durch Mag. Michael Warzecha, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei * AG, *, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert RATG: 2.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 22. Jänner 2025, GZ 38 R 2/25p 10, womit das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 31. Oktober 2024, GZ 4 C 656/24f 6, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 552,66 EUR (darin 92,11 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerschlossen als Konsumenten zu privaten Zwecken mit der beklagten Unternehmerin einen Mietvertrag über eine Wohnung, die dem Teilanwendungsbereich des MRG unterliegt.
[2] Das Erstgerichtstellte in Stattgebung der Klage fest, dass folgende Vereinbarung im Mietvertrag gemäß § 6 Abs 1 Z 5 KSchG wegen Fehlens der Verpflichtung der Beklagten zur Entgeltsenkung unwirksam sei:
„ § 12 B) Wertsicherung:
Der Hauptmietzins von 1.483,94 EUR ist wertgesichert. Zur Berechnung der Wertsicherung dient der vom Österreichischen Statistischen Zentralamt verlautbarte Verbraucherpreisindex 2010 oder der an dessen Stelle tretende Index. Ausgangsbasis für die Wertsicherungsberechnung ist die für den Monat des Mietbeginns (Juni 2013) verlautbarte Indexzahl, bei späteren Änderungen jene Indexzahl, die Grundlage für die (jeweils) letzte Änderung war.
1) Der Vermieter ist berechtigt, Änderungen, die sich aus der Wertsicherung ergeben, unverzüglich geltend zu machen. Die sich aus der Wertsicherung ergebenen Ansprüche verjähren in drei Jahren. Erfolgt die Geltendmachung der Änderung des Hauptmietzinses aufgrund der Wertsicherung durch den Vermieter über einen längeren Zeitraum nicht, so liegt darin kein schlüssiger Verzicht auf die Wertsicherung des Hauptmietzinses.
2) Der Vermieter wird zunächst – ohne an diese Abrechnungsmodalität gebunden zu sein – jeweils am Beginn eines Kalenderjahres den aufgrund der Wertsicherung sich ergebenden neuen Mietzins bekannt geben. “
[3] Das Berufungsgerichtgab einer Berufung der Beklagten nicht Folge. Das sogenannte kleine Transparenzgebot des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verlange für die verbindliche Vereinbarung einer Entgelterhöhung, dass auch eine Entgeltsenkung vorgesehen sei, die dafür maßgebenden Umstände im Vertrag umschrieben und sachlich gerechtfertigt seien, und ihr Eintritt nicht vom Willen des Unternehmers abhänge. Aus der strittigen Klausel lasse sich weder eine Entgeltsenkung, noch eine Verpflichtung des Vermieters dazu ableiten. Soweit die Beklagte die Teilbarkeit der Klausel im Sinn des „blue-pencil-Tests“ ins Treffen führe, sei für sie nichts gewonnen, weil sich auch diesfalls keine Pflicht zur Entgeltsenkung ergebe.
[4]Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend und erklärte die Revision nachträglich im Hinblick auf die zwischenzeitig ergangene Entscheidung 8 Ob 81/24f und die Frage der Teilbarkeit der Klausel für zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[5]Die – von den Klägern beantwortete – Revision der Beklagten ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig und daher zurückzuweisen .
[6] 1.Einleitend ist festzuhalten, dass ein Eingehen auf die Argumentation der Streitteile zu § 6 Abs 2 Z 4 KSchG und die Entscheidung 10 Ob 15/25s nicht erforderlich ist, weil die Vorinstanzen eine Unzulässigkeit der beanstanden Klausel bereits aus § 6 Abs 1 Z 5 KSchG ableiteten, und die Revision die grundsätzliche Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf Bestandverträge auch nicht in Frage stellt (idS jüngst 8 Ob 81/24f mwN; vgl weiters RS0124336, RS0132652).
[7] Da ausschließlich ein Feststellungsbegehren erhoben wurde, stellen sich weiters keine Fragen zu konkreten Folgeansprüchen aus einer Unwirksamkeit und deren Verjährung.
[8] 2.Entgegen der in der Revision aufgestellten Behauptung legten die Vorinstanzen die im vorliegenden Individualverfahren strittige Klausel nicht im Sinn der Rechtsprechung zu Verbandsverfahren im „kundenfeindlichsten Sinne“ aus, sondern nach allgemeinen Vertragsauslegungsgrundsätzen gemäß §§ 914 f ABGB (vgl RS0016590 [T32]; 8 Ob 81/24f).
[9]Wenn ein abweichender gemeinsamer Parteiwille nicht behauptet wird, ist ein Vertrag primär nach seinem Wortlaut auszulegen (vgl RS0017834 [insb T3]). Auch hier wurde (anders als etwa zu 4 Ob 4/23a ) kein konkretes Tatsachen- und Rechtsvorbringen zu einem über den Wortlaut hinausgehendes Verständnis erstattet.
[10] Die Beklagte argumentiert in ihrer Revision damit, dass die im Mietvertrag enthaltene Wendung „ Änderungen, die sich aus der Wertsicherung ergeben“ auch die von § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und den Vorinstanzen verlangte Entgeltsenkung umfasse. Dabei lässt sie jedoch den Zusammenhang und das Auslegungsergebnis der Vorinstanzen unberücksichtigt, laut dem die hier strittige Klausel keineswegs einen Anspruch auf Entgeltsenkung vorsehe, weil nach deren Wortlaut der VPI bloß „ zur Berechnung der Wertsicherung dient “ und [arg: nur] „ der Vermieter berechtigt “ [arg: aber nicht verpflichtet] ist, „ Änderungen, die sich aus der Wertsicherung ergeben, unverzüglich geltend zu machen “, und zwar laut Abs 2, „ ohne an diese Abrechnungsmodalität gebunden zu sein “. Auch der dritte Satz von Abs 1, wonach kein schlüssiger Verzicht „ auf die Wertsicherung des Hauptmietzinses “ vorliegt, wenn „ die Geltendmachung der Änderung des Hauptmietzinses aufgrund der Wertsicherung durch den Vermieter über einen längeren Zeitraum nicht erfolgt “, legt keine Möglichkeit der Entgeltsenkung, geschweige denn einen Anspruch des Mieters darauf nahe.
[11]Die Auslegung einer konkreten Vertragsbestimmung im Einzelfall begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (vgl RS0042936, RS0042776). Ein solches wird in der Revision, die isoliert auf den Begriff „Änderung“ abstellt und nicht auf den dargestellten Zusammenhang eingeht, aber nicht aufgezeigt.
[12]Dass § 6 Abs 1 Z 5 KSchG (idF der Novelle BGBl I 1997/6) die Zweiseitigkeit (Symmetrie) von Preisänderungsklauseln und damit auch eine Pflicht des Unternehmers zur Entgeltsenkung vorsieht, entspricht der bisherigen Rechtsprechung (vgl RS0117365, RS0115215 [T1], RS0117240; 4 Ob 28/01y, 4 Ob 74/22v [Klausel 10], 4 Ob 4/23a). Der bloße – nicht näher untermauerte – Vorwurf der Revision, die dahingehende Rechtsansicht der Vorinstanzen sei weder nachvollziehbar noch sachlich gerechtfertigt, vermag keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zur Darstellung zu bringen. Soweit die Beklagte damit argumentiert, dass keine explizite Verpflichtung des Vermieters erforderlich sei, sondern ein Recht des Mieters auf Entgeltsenkung genügen müsse, lässt sie unberücksichtigt, dass nach dem Wortlaut der hier strittigen Klausel und der Auslegung der Vorinstanzen aber lediglich der Vermieter zur Änderung berechtigt ist und der Mieter gerade kein korrespondierendes Recht bzw einen Anspruch hat.
[13] 3. Schließlich beanstandet die Revision den „gänzlichen Entfall“ der Wertsicherungsklausel, der auch zum Nachteil der Kläger wäre, weil sie diesfalls keine Mietzinsminderung infolge Index Verringerungen geltend machen könnten.
[14] D ieses Argument hat aber nichts mit der Frage der Teilbarkeit einer Klausel zu tun. Bei dieser Rechtsprechung geht es nicht etwa um eine geltungserhaltende Reduktion, sondern um die (allfällige) Untergliederung einer Klausel in materiell eigenständige Regelungsbereiche, die isoliert betrachtet werden können (vgl8 Ob 81/24f mwN; RS0121187). Einerseits legte die Beklagte jedoch weder in erster Instanz, noch im Rechtsmittelverfahren dar, welche Teile der Klausel aus welchen Gründen als derartig eigenständige (und zulässige) Regelungsbereiche angesehen werden könnten. Andererseits geht sie auch nicht auf das Argument des Berufungsgerichts ein, dass der Obersatz der Klausel nur den Umstand der Wertsicherung, aber nicht deren Modalitäten regle, und die von § 6 Abs 1 Z 5 KSchG geforderte Symmetrie, insbesondere im Sinne eines Anspruchs auf Entgeltsenkung, sohin nicht durch einen bloß teilweisen Entfall bewirkt werden könne.
[15]Daher wird auch insoweit keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht, sodass die Revision als unzulässig zurückzuweisen ist.
[16] 4.Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (vgl RS0112296).
