JudikaturOGH

7Ob117/25v – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. August 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und durch die Hofrätin sowie die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dkfm. J*, und 2. D*, beide vertreten durch die Schlösser Partner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei M* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. April 2025, GZ 1 R 2/25b-27, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 29. Oktober 2024, GZ 6 C 90/24i 23, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 1.100,52 EUR (darin enthalten 183,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Kläger schlossen im Jahr 1971 mit der Beklagten einen Krankenversicherungsvertrag zu Polizzennummer * ab. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (AHVB 1995, Fassung 2002) zugrunde. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

§ 18 Änderung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, der Prämie und des Versicherungsschutzes, Leistungs- und Prämienanpassung

(1) Als für die Veränderung der Prämie oder des Versicherungsschutzes maßgebende Umstände im Sinne des § 178 f Versicherungsvertragsgesetz gelten:

a) In der Krankenhaustagegeldversicherung eine Veränderung des vom Österreichischen Statistischen Zentralamt verlautbarten monatlichen Pro-Kopf-Einkommens je Arbeitnehmer.

b) Eine Veränderung der durchschnittlichen Lebenserwartung.

c) Eine Veränderung der Häufigkeit der Inanspruchnahme von Leistungen nach Art der tariflich vorgesehenen und deren Aufwendigkeit, bezogen auf die zu diesem Tarif der Versicherten.

d) Eine Veränderung des Verhältnisses zwischen den vertraglich vereinbarten Leistungen und den entsprechenden Kostenersätzen der gesetzlichen Sozialversicherungen.

e) Eine Veränderung der durch Gesetz, Verordnung, sonstigen behördlichen Akt oder durch Vertrag zwischen dem Versicherer und im Versicherungsvertrag bezeichneten Einrichtungen des Gesundheitswesens festgesetzten Entgelte für die Inanspruchnahme dieser Einrichtungen.

f) Eine Veränderung des Gesundheitswesens oder der dafür geltenden gesetzlichen Bestimmungen.

[... ]

(2) Der Versicherer ist ferner berechtigt, eine Prämien- und Leistungsanpassung aus den im Abs. (1) lit. a) bis f) angeführten Änderungen vorzunehmen, wobei in der Gruppenversicherung auch Abs. (1) lit. g) gilt.

(3) Eine Anpassung nach Abs. (2) ist nicht durchzuführen, wenn ihr der Versicherungsnehmer innerhalb eines Monats nach Empfang der Mitteilung des Versicherers, die die Möglichkeit der Ablehnung der Anpassung zu enthalten hat, schriftlich widerspricht. Im Falle eines Widerspruches ist der Versicherer späterhin nicht mehr verpflichtet, eine Anpassung der Versicherungsleistungen zu gewähren.

(4) Der Widerspruch kann jedoch vom Versicherungsnehmer innerhalb von 3 Monaten ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Anpassung zurückgezogen werden. In diesem Fall tritt die Anpassung in der ursprünglichen Form und zum ursprünglichen Zeitpunkt in Kraft.

[... ]

(6) Im Falle einer Anpassung im Sinne des Abs. (2) sind die Bestimmungen des § 4 (4) und § 6 (1) bis (3) AVB 1995 nicht anzuwenden.

[2] Im März 2023 führte die Beklagte eine Prämienanpassung ab 1. 4. 2023 der bestehenden monatlichen Prämie für den Erstkläger von 212,07 EUR auf 252,55 EUR und für die Zweitklägerin von 240,64 EUR auf 286,80 EUR durch. Die Kläger widersprachen dieser Prämienerhöhung.

[3] Die Klägerbegehren die Beklagte schuldig zu erkennen, die von ihr vorgenommene Erhöhung/Prämienanpassung der Prämie aus der zu Polizzennummer * angeführten Krankenversicherung in einem Ausmaß von 19,1 % zu unterlassen. Die Prämienanpassung sei grundlos erfolgt, nicht gerechtfertigt und weder vertragskonform noch gesetzlich zulässig. Eine ausreichend konkrete Begründung sei unterblieben. Die Prämienanpassungsklausel verstoße zudem gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG und § 879 ABGB. Die Beklagte sei erfolglos zur Rücknahme der Prämienerhöhung aufgefordert worden.

[4] Die Beklagtewendet ein, die Prämienanpassung sei auf Grundlage des § 178f VersVG gesetzmäßig und nach dem Versicherungsvertrag berechtigt erfolgt. Das KSchG sei nicht anwendbar. Das VersVG sehe einen Unterlassungsanspruch, wie von den Klägern geltend gemacht, nicht vor.

[5] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

[6] Das Berufungsgerichtgab der Berufung der Kläger nicht Folge. Dem einzelnen Versicherungsnehmer stehe ein Unterlassungsanspruch nach § 178g VersVG (analog) nicht zu. Auch aus dem Versicherungsvertrag könne ein solcher Anspruch nicht abgeleitet werden. Da der Versicherer die Prämienanpassung bereits ausgesprochen habe, könne der begehrte Unterlassungsausspruch zudem keine weiteren Rechtswirkungen entfalten und die abgegebene Willenserklärung nicht rückgängig machen. Das Klagebegehren sei daher verfehlt. Ein Feststellungs- oder Zahlungsbegehren auf Rückzahlung vermeintlich zu viel bezahlter Prämien sei nicht erhoben worden. Die Beklagte habe die Unzulässigkeit des Unterlassungsbegehrens eingewendet, womit es keiner weiteren gerichtlichen Erörterung bedürfe.

[7]Die ordentliche Revision ließ es zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Zulässigkeit eines Unterlassungsanspruchs des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer auf Prämienerhöhung mit einem bestimmten Prozentsatz, der aus dem Versicherungsvertrag oder analog § 178g VersVG abgeleitet werde, fehle.

Rechtliche Beurteilung

[8] Da die Klägerin ihrer Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermögen, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

[9]1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit wurde geprüft. Sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[10]2.1. § 178f VersVG regelt die Zulässigkeit von vertraglichen Prämien- und Leistungsanpassungsklauseln in Krankenversicherungsverträgen. Prämien- und Leistungsanpassungen sind nur in dem Rahmen, den § 178f VersVG taxativ vorgibt, zulässig ( 7 Ob 210/22s ).

[11]2.2. § 178g VersVG soll sicherstellen, dass die Vorgaben des § 178f VersVG für einseitige Prämien- oder Vertragsänderungen praktisch eingehalten werden. Diese Bestimmung räumt den dort genannten Institutionen das Recht ein, im Interesse der Versicherungsnehmer Unterlassungsansprüche geltend zu machen. Die zur Verbandsklage berechtigten Institutionen sind von einseitigen Prämienerhöhungen und einseitigen Änderungen des Versicherungsschutzes iSd § 178f VersVG zu informieren ( 7 Ob 210/22s Rz 29).

[12] 2.3. Schon nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut (vgl RS0042824) kommt die Berechtigung, vom Versicherer gemäß § 178g Abs 1 VersVG die Unterlassung der Änderung zu verlangen, den dort genannten, zur Verbandsklage berechtigten Institutionen zu. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der einzelne Versicherungsnehmer Unterlassungsansprüche nach dieser gesetzlichen Bestimmung somit nicht geltend machen könne, ist daher nicht korrekturbedürftig (vgl 7 Ob 210/22s Rz 29, 31; ErläutRV 1553 BlgNR 18. GP 33 ).

[13]3.1. Dem einzelnen Versicherungsnehmer steht es unabhängig von der – den berechtigten Institutionen eingeräumten – Möglichkeit der Verbandsklage nach § 178g VersVG frei, sich gegen eine gesetz- oder vertragswidrige Vertragsanpassung durch den Versicherer zur Wehr zu setzen ( 7 Ob 206/15t Pkt 3.3.3.; 7 Ob 210/22s Rz 31). Damit ist jedoch noch keine Aussage über die Zulässigkeit eines im konkreten Einzelfall erhobenen (Unterlassungs )Anspruchs getroffen.

[14] 3.2. Mit der Unterlassungsklage werden Ansprüche auf Unterlassung bestimmter Handlungen des Beklagten geltend gemacht, durch welche in bestehende Rechte des Klägers eingegriffen wird. Man unterscheidet die echte Unterlassungsklage, wenn bereits Rechtsverletzungen erfolgt sind zur Verhinderung weiterer, und die vorbeugende, bei drohender erstmaliger Rechtsverletzung (vgl Geroldinger in Fasching/Konecny§ 226 ZPO Rz 33). In beiden Fällen ist die Zulässigkeit des Unterlassungsanspruchs nach den Vorschriften des materiellen Rechts zu beurteilen. Ein solcher besteht grundsätzlich im Fall eines rechtswidrigen Eingriffs in eine fremde Rechtssphäre bzw einer rechtswidrigen Gefährdung einer solchen. Unterlassungsklagen können nach ständiger Rechtsprechung etwa zum Schutz vor Eingriffen in absolut geschützte Rechte oder im Rahmen bestehender vertraglicher Schuldverhältnisse erhoben werden ( RS0010540 ; RS0022458 ). Beide Fälle setzen die Gefahr zukünftiger Eingriffe voraus. Es soll entweder ein weiterer Eingriff (Wiederholungsgefahr) oder ein erstmaliger (Erstbegehungsgefahr) verhindert werden ( Geroldinger in Fasching/Konecny§ 226 ZPO Rz 35). Immer muss aber ein (weiterer) Eingriff in eine fremde Rechtssphäre unmittelbar und konkret drohen (vgl RS0012061 ; RS0010479 ; 1 Ob 142/17i; 7 Ob 210/22s). Die Frage, ob aus einem Vertrag auch ein Unterlassungsanspruch abgeleitet werden kann, bestimmt sich nach dem Vertragszweck. Die Beurteilung hängt von der Auslegung der vertraglichen Bestimmungen und dementsprechend von den Umständen des Einzelfalls ab ( 8 Ob 58/12f ; vgl 6 Ob 304/05g ).

[15]3.3. Das Berufungsgericht beurteilte den vorliegenden Fall dahin, dass den Klägern auch außerhalb des § 178g VersVG kein Unterlassungsanspruch zukomme.

[16]3.4. Dem treten die Kläger zunächst nur durch die unbegründete Behauptung entgegen, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei unrichtig, ohne darzustellen, aus welchen Gründen sich dies ergäbe, woran auch die weiteren Ausführungen, die Prämienanpassung verstoße gegen § 178f VersVG, § 879 ABGB bzw § 6 Abs 2 Z 4 KSchG und habe keine vertragliche Grundlage, nichts ändern. Die Rechtsrüge ist insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt.

[17] 3.5. Letztlich lassen die Kläger die selbständig tragfähige Begründung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Prämienanpassung bereits ausgesprochen, sodass die begehrte Unterlassung diese abgegebene Willenserklärung – die vorgenommene Vertragsänderung – nicht rückgängig machen könne (vgl 7 Ob 210/22s Rz 24, 36; RS0010393), unbekämpft (RS0118709 [T7, T12]), sodass die Revision auch diesbezüglich nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (vgl RS0043312 [T13]).

[18] 4. Soweit die Kläger einen massiven Rechtseingriff bzw Rechtsverlust behaupten, wenn einem Versicherungsnehmer, der Verbraucher sei, die Möglichkeit der Erhebung einer Unterlassungsklage genommen werde, übergehen sie die vom Berufungsgericht dargelegte Möglichkeit der Erhebung eines Feststellungs- oder Zahlungsbegehrens. Auch damit wird also eine erhebliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt.

[19] 5. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

[20]6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen.