JudikaturOGH

12Os45/25x – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
01. Juli 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juli 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Setz Hummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Eißler in der Strafsache gegen * G* und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * K* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Jugendschöffengericht vom 22. Jänner 2025, GZ 50 Hv 71/24h 87, weiters über den zugleich ergangenen Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des * K* zu 1.3 demgemäß im Strafausspruch des Genannten (einschließlich der Vorhaftanrechnung), und der K* betreffende Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

K* und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten K* fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier relevant – * K* des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (1.1), jeweils eines Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (1.2) und des Diebstahls nach § 127 StGB (1.3), der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (1.4), des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (1.5) und des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 und 2 StGB (1.6) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * G* am 1. November 2023 in B*

(1.1) * S* eine fremde bewegliche Sache, nämlich dessen Mobiltelefon, mit dem Vorsatz, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, mit Gewalt gegen seine Person weggenommen, indem sie S* zunächst eine Ohrfeige ins Gesicht versetzten, ihn aufforderten, alles aus seinen Hosentaschen zu nehmen, selbst dessen Hosentaschen nach werthaltigen Gegenständen durchsuchten, das Mobiltelefon an sich nahmen und sodann den Vorfallsort verließen;

(1.2) S* mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich der Bekanntgabe des Zugangscodes des Handys sowie einer im Urteil genannten ID des zu 1.1 erlangten Mobiltelefons genötigt, indem sie ihm mehrere Ohrfeigen versetzten und zur Bekanntgabe der Codes aufforderten;

(1.3) S* fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Geldbörse samt 50 Euro Bargeld mit dem Vorsatz weggenommen, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern;

(1.4) Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich den Führerschein und die Sozialversicherungskarte des S*, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, indem sie die Urkunden entsorgten;

(1.5) ein unbares Zahlungsmittel, über das er nicht verfügen durfte, nämlich die Bankomatkarte des S*, mit dem Vorsatz, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, unterdrückt, indem sie die Bankomatkarte entsorgten;

(1.6) * R* durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld oder sonstige Wertgegenstände, mit dem Vorsatz abzunötigen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Werts begangen wurde und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat, indem sie ihn zunächst durch die Äußerung, ob er „Stress möchte“, mit einer Verletzung am Körper bedrohten (US 8), in weiterer Folge dessen Bauchtasche durchsuchten, K* folglich dessen Geldtasche aus der Bauchtasche nahm, sich daraufhin erkundigte, ob R* Geld bei sich habe und ihn durch die Ankündigung, dass er zusammengeschlagen werde, mit einer Verletzung am Körper bedrohte (US 8).

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben die Tatrichter in ihre Erwägungen zu den Feststellungen über die Tatbegehung durch den Angeklagten K* (US 7 ff) einbezogen, dass ihn die Opfer S* und R* nicht als zweiten Täter identifizieren konnten (US 14 f). Gleiches gilt für ihre Aussagen über dessen Körpergröße und die von ihm getragene Kleidung (US 16).

[5] Dass es sich beim zweiten Täter zu 1. des Schuldspruchs um den Angeklagten K* handelte (US 7 ff), begründeten die Tatrichter mit den insoweit übereinstimmenden Angaben des K* und des mitangeklagten Mittäters G*, am Tattag gemeinsam unterwegs (US 16) und auch (unter anderem) an der fraglichen Tatörtlichkeit * gewesen zu sein (US 13), in Zusammenhalt mit den Angaben der Opfer, die G* als einen der beiden Täter wiedererkannten (US 14 f). Dagegen führt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ins Treffen, dass den Opfern die Identifizierung des K* nicht möglich gewesen sei, sowie weiters, dass deren Aussagen über seine Körpergröße unrichtig seien und über die von ihm getragene Kleidung im Widerspruch zu den Angaben des K* stünden. Solcherart zeigt sie keine offenbar unzureichende, also den Kriterien der Logik oder Empirie widersprechende Begründung (RIS Justiz RS0118317) auf, sondern bekämpft sie der Sache nach die im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) gezogenen Wahrscheinlichkeitsschlüsse des Erstgerichts (RIS Justiz RS0098471 [T4]).

[6] Mit dem Hinweis auf diese Verfahrensergebnisse zeigt auch die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen auf (vgl RIS Justiz RS0119583). Gleiches gilt für die auf Basis eigenständiger Beweiswerterwägungen erfolgte Darstellung eines mit der Identifizierung des G* als einen der beiden Täter und den Angaben der beiden Angeklagten, am Tattag gemeinsam unterwegs und auch an der Tatörtlichkeit gewesen zu sein, im Einklang stehenden Geschehensablaufs, nach dem der Beschwerdeführer die Taten (zu 1. des Schuldspruchs) nicht begangen habe.

[7] Die Behauptung des Fehlens von Verfahrensergebnissen für eine Tatbegehung durch K* stellt den in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrund nicht her (RIS Justiz RS0128874).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Zur amtswegigen Maßnahme:

[9] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass der Schuldspruch des K* zu 1.3 mit nicht geltend gemachter, dem Angeklagten zum Nachteil gereichender Nichtigkeit behaftet ist, die von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[10] Nach dem Urteilssachverhalt war der Angeklagte G* derjenige, der S* ansprach, ihm die Geldbörse samt Inhalt (ohne Gewalt) aus der Hand nahm und sie behielt (US 7). Feststellungen zu einer Ausführungshandlung des Angeklagten K* sind den Entscheidungsgründen indes nicht zu entnehmen, sodass die vom Erstgericht in rechtlicher Hinsicht angenommene unmittelbare Täterschaft des K* (§ 12 erster Fall StGB) ausscheidet (vgl RIS Justiz RS0117320). Mit Blick auf § 12 dritter Fall StGB lässt zudem die Konstatierung, dass die beiden Angeklagten als Einheit aufgetreten sind und eine zahlenmäßige Überlegenheit demonstriert haben (US 7), offen, ob diese (nach den Feststellungen nicht als psychischer Beitrag zu beurteilende [vgl RIS Justiz RS0090508]) Handlung des K* (mit )kausal für die Wegnahme der Geldbörse und des Bargelds durch G* geworden ist (vgl aber RIS Justiz RS0089562 [insbes T4]; Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 85). Eine Handlung, die rechtlich als Bestimmung nach § 12 zweiter Fall StGB zu qualifizieren wäre, ergibt sich aus den Entscheidungsgründen im Übrigen ebenso wenig.

[11] Da dem Schuldspruch des K* zu 1.3 eine eigene Tat im materiellen Sinn zugrunde liegt (vgl RIS Justiz RS0124174), begründet dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen Nichtigkeit aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO. Dieser Teil des Schuldspruchs und demzufolge der Strafausspruch des K* (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie der gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefasste Beschluss hinsichtlich einer K* gewährten bedingten Strafnachsicht waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).

[12] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die Ersatzpflicht erstreckt sich nicht auf die mit der amtswegigen Maßnahme verbundenen Kosten (RIS Justiz RS0101558).