JudikaturOGH

11Os41/25a – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
01. Juli 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juli 2025 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, Dr. Mann, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Ebner in der Strafsache gegen * Z* wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 15. April 2024, GZ 15 Hv 64/21d 695a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * Z* gemäß § 259 Z 3 StPO von dem Vorwurf freigesprochen, er habe in K* und andernorts vom Jahresbeginn 2003 bis zum 19. Februar 2009, indem er „je die genannten Kredite verlangte, Kreditunterlagen vorlegte und die Kreditvaluta als wirtschaftlich Berechtigter der Kreditnehmerin annahm“, folgende Personen dazu bestimmt (§ 12 erster Fall StGB),

ihre Befugnis, über das Vermögen folgender Gesellschaften zu verfügen oder diese zu verpflichten, zu missbrauchen, indem sie pflichtwidrig trotz fehlender Sicherheiten ungeachtet mangelnder Rückzahlungsfähigkeit der Kreditnehmerinnen unter Abstandnahme von der Forderung der Einbringung adäquater Eigenmittel und Veranlassung der Mittelverwendungskontrolle unvertretbar Kreditvergaben an nachgenannte, über keine Bonität sowie unzureichende Planung zur Realisierung der jeweiligen Projekte verfügende Gesellschaften bewilligten,

wobei er den vorsätzlichen Befugnisfehlgebrauch durch die Genannten für gewiss hielt und durch die Taten einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, und zwar

(1) * K* der C* d.o.o.

(a) am 29. Dezember 2003 als Vorstandsmitglied der H* Holding AG einen Kredit (HR/753) von 3,5 Millionen Euro (Schaden 3.432.315 Euro) und

(b) am 13. März 2006 als Vorstandsmitglied der H* International AG einen Kredit (HR/1305) von 2,16 Millionen Euro (Schaden 2.138.363 Euro) sowie

(2) Mag. * M* als Bereichsleiter und Prokurist der H* International AG

(a) am 4. Juli 2008 und am 9. September 2008 der KA* d.o.o. einen Kredit (HR/1845) von 6,5 Millionen Euro (Schaden 6.434.952 Euro),

(b) am 17. Februar 2009 der KO* d.o.o. einen Kredit (HR/1889) von 5,7 Millionen Euro (Schaden 4,4 Millionen Euro),

(c) am 4. Juli 2008 der T* d.o.o. einen Kredit (HR/1844) von 3,1 Millionen Euro (Schaden 500.000 Euro),

(d) am 19. Februar 2009 der L* d.o.o. einen Kredit (HR/1888) von 7 Millionen Euro (Schaden zumindest 4,4 Millionen Euro) und

(e) am 24. Juni 2008 der TE* d.o.o. einen Kredit (HR/1838) von 5,12 Millionen Euro (Schaden zumindest 3,8 Millionen Euro), ferner

Dr. * Ku* und Mag. * S* als Mitglieder des Vorstands der H* International AG

(a) am 31. Jänner 2005 der C* d.o.o. einen Kredit (HR/936) von 1,9 Millionen Euro (Schaden 1.881.000 Euro),

(b) am 14. Februar 2005 der KE* d.o.o. einen Kredit (HR/941) von 3,6 Millionen Euro (Schaden zumindest 550.000 Euro),

(c) am 17. Mai 2005 der KE* d.o.o. einen Kredit (HR/1030) von 3,1 Millionen Euro (Schaden zumindest 340.000 Euro) und

(d) am 18. Juli 2005 der V* d.o.o. einen Kredit (HR/1481) von 4,5 Millionen Euro (Schaden 4,5 Millionen Euro).

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

[3] Die Verfahrensrüge (Z 3) beanstandet zusammengefasst, das Fehlen der persönlichen Anwesenheit des Angeklagten in (Teilen) der Hauptverhandlung habe einen „die Anklage – bzw. die Wahrheitsfindung generell – beeinträchtigenden Einfluss auf die Entscheidung zu üben vermocht“.

[4] Soweit sie deutlich genug die Verletzung einer Bestimmung in der Hauptverhandlung behauptet, deren Einhaltung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet, bezieht sie sich auf (den mit ausdrücklicher Nichtigkeit bewehrten) § 427 Abs 1 StPO.

[5] Da diese Bestimmung den Angeklagten ausschließlich begünstigt, kommt eine diesbezügliche Rüge zum Nachteil von vornherein nicht in Betracht ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 734).

[6] Vom (nach dem Beschwerdevorbringen hier ohnedies wirksam erklärten – vgl RIS Justiz RS0115797) Einverständnis des Angeklagten zur Durchführung der Hauptverhandlung in dessen Abwesenheit (als Verzicht auf sein Anwesenheitsrecht) ist das – durch Vorführung und (kostenpflichtige) Vertagung erzwingbare (§ 6 Abs 1 StPO, § 221 Abs 1 zweiter Satz StPO) – Recht des Staates auf Anwesenheit des Angeklagten zu unterscheiden ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 244; näher Wiederin , WK StPO § 6 Rz 187 ff).

[7] Erkennbar auf Letzteres beruft sich die Verfahrensrüge (Z 4), soweit sie die Ablehnung (ON 597 S 12) des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags des Anklägers auf „Verhandlung in Anwesenheit des Angeklagten“ (ON 597 S 11; vgl auch ON 614 S 2 und ON 625 S 2 f) beanstandet.

[8] Für einen Antrag (§ 238 StPO), der (wie dieser) kein Beweisantrag ist, gelten die Kriterien des § 55 Abs 1 StPO sinngemäß (RIS Justiz RS0130796 [T3]). Demzufolge hätte es, um seine Beurteilung zu ermöglichen, nicht nur des deutlich und bestimmt formulierten Begehrens (RIS Justiz RS0118060) einer konkreten Verfügung, sondern auch eines Vorbringens bedurft, zu welchem Zweck diese begehrt wird, warum sie zum angestrebten Zweck tauglich ist und warum der angestrebte Zweck mit einer (Fall )Norm in Verbindung steht, die ihrerseits aus dem rechtlichen Zweck des Anklage und Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens zur Feststellung der entscheidenden Tatsachen auf die konkrete Verfahrenssituation hin gebildet wurde (13 Os 91/21p [Rz 35]; Danek/Mann , WK-StPO § 238 Rz 7/1; näher Ratz , WK-StPO § 281 Rz 333 ff).

[9] Der – weder Vorführung noch Vertagung verlangende – Antrag entsprach mit dem (unter Berufung auf § 6 Abs 1 StPO und § 427 Abs 1 und 2 StPO erstatteten) bloßen Hinweis, dass dem Angeklagten „im Hinblick auf die Zeugendepositionen unter Umständen Vorhalte zu machen sein werden, die andernfalls nicht möglich sein werden“ (ON 597 S 11), diesen Erfordernissen jedenfalls nicht.

[10] Entgegen der weiteren Rüge zu Recht abgewiesen (ON 629 S 3, ON 691 S 12 und ON 695 S 10 f) wurden auch die in der Hauptverhandlung gestellten (Beweis-)Anträge der Staatsanwaltschaft auf

- Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens „zur Frage, ob die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten besteht bzw. im Falle ihres Nichtbestehens, wann mit dem Wiedereintritt der Verhandlungsfähigkeit zu rechnen ist“ (ON 629 S 2),

- Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet des Rechnungswesens „zur Frage der wirtschaftlichen Vertretbarkeit der verfahrensgegenständlichen Kreditvergaben und des Vorliegens zumutbarer und anzuwendender Sorgfalt bei Vergabe der von der Anklage umfassten Kredite an bonitätslose Projektgesellschaften, insbesondere unter Bedachtnahme auf das Vorliegen ausreichender Sicherheiten zum Zeitpunkt der Kreditgewährung“ (ON 671 S 3) sowie

- „Einvernahme“ des * G* als Zeugen „im Zoom-Wege“ „unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften“, „unter Befassung der ausländischen Rechtshilfebehörden und unter Beachtung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes im Hinblick auf die verfahrensrelevanten Wahrnehmungen des Zeugen“ (ON 691 S 11 f iVm ON 695 S 2).

[11] Denn die beiden ersten ließen keinen Konnex zur Schuld- oder zur Subsumtionsfrage erkennen und trugen überdies reinen Erkundungscharakter (siehe aber RIS Justiz RS0118444), während der letzte schon kein Beweisthema nannte (siehe aber § 55 Abs 1 zweiter Satz StPO).

[12] Im Übrigen handelt es sich bei den Fragen nach der Vertretbarkeit von Kreditbewilligungen und nach einem mit der Vergabe von Krediten einhergehenden Sorgfaltsverstoß um – nicht von einem Sachverständigen zu lösende – Rechtsfragen (RIS Justiz RS0132043, RS0089187).

[13] Im Rechtsmittel nachgetragenes, die Anträge ergänzendes Vorbringen ist ebenso unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618) wie Kritik an der Begründung der abweislichen Zwischenerkenntnisse (RIS Justiz RS0116749).

[14] Das Schöffengericht gründete den Freispruch auf seine Negativfeststellungen zum Schädigungsvorsatz und zur Wissentlichkeit des Angeklagten in Bezug auf einen (vorsätzlichen) Befugnisfehlgebrauch durch „Bankorgane“ (insbesondere US 12, 16, 18, 22, 24, 30, 36 f, 42, 50, 55, 64 f, 81, 97).

[15] Zu diesen Negativfeststellungen gelangten die Tatrichter, indem sie es ausdrücklich ablehnten, anhand einer „ex post-Betrachtung“ – nämlich unter Heranziehung nachfolgend gewonnener Erfahrungswerte und Entwicklungen sowie teils erst nach einer Kreditbewilligung erstellter bankinterner Unterlagen – von äußeren Umständen auf ein zur jeweiligen Tatzeit bestandenes Wissen und Wollen des (in interne Bankabläufe nicht eingebundenen) Angeklagten zu schließen (US 67 f, 74, 79 ff, 86 ff, 95). Sie erachteten vielmehr – unter vernetzter Betrachtung der in der Hauptverhandlung erzielten Beweisergebnisse, aus welchen sie auch ein um Offenlegung und Kooperation mit der H* International AG „bei der Verwertung“ bemühtes Gesamtverhalten des Angeklagten erschlossen (US 71) – dessen leugnende Verantwortung als nicht mit der für einen Schuldspruch erforderlichen Sicherheit widerlegt (US 67 ff, 97).

[16] Das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5, teils nominell verfehlt auch Z 4) versäumt es weitgehend, den Bezug zu konkreten Urteilsfeststellungen (RIS Justiz RS0130729 [T1]) über entscheidende – also für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsame – Tatsachen deutlich und bestimmt herzustellen (siehe aber RIS Justiz RS0106268). Davon abgesehen erschöpft es sich darin, mit der Behauptung höherer Plausibilität (siehe aber RIS Justiz RS0118317 [T3]) sowie unter Vernachlässigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (siehe aber RIS Justiz RS0119370) aus vom Schöffengericht – dem Gebot zu gedrängter, aber bestimmter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend – gewürdigten Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen ihrem Standpunkt günstigere Schlüsse zu ziehen. Damit wird – wie bereits die Generalprokuratur in eingehender Erwiderung von der Rüge behaupteter, wenngleich nicht prozessförmig geltend gemachter (dazu instruktiv statt vieler: 13 Os 143/15a) Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall), Widersprüchlichkeit (Z 5 dritter Fall) und „[U]nbegründet[heit]“ (Z 5 vierter Fall) ausführte – bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bekämpft.

[17] Die erwähnten – nicht erfolgreich mit Mängelrüge (Z 5) bekämpften – Negativfeststellungen zu (subjektiven) Tatbestandselementen des § 153 StGB stehen dem angestrebten Schuldspruch jedenfalls entgegen. Damit geht die Behauptung diesbezüglicher Feststellungsmängel (Z 9 lit a) von vornherein ins Leere.

[18] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.