2Ob98/24m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am * 2017 verstorbenen D*, über den Revisionsrekurs des erbantrittserklärten Erben D*, vertreten durch Mag. Stephan Zinterhof, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. März 2024, GZ 45 R 480/23f 80, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 4. August 2023, GZ 46 A 74/17w-73, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Revisionsrekurswerber ist der Sohn der Verstorbenen und gab am 5. 4. 2018 unter Berufung auf die gesetzliche Erbfolge eine bedingte Erbantrittserklärung ohne Nennung einer Quote ab. Die anderen Kinder der Verstorbenen gaben keine Erbantrittserklärung ab. Am 11. 1. 2021 errichtete der Gerichtskommissär ein Inventar, aus dem sich eine Überschuldung der Verlassenschaft ergab. Am 21. 1. 2021 legte der Bruder des Revisionsrekurswerbers ein nachträglich aufgefundenes Testament vor, in dem die Verstorbene ihre Kinder zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt hat. Eine Abschrift dieses Testaments wurde am 26. 1. 2021 dem Revisionsrekurswerber übermittelt, ohne dass er nochmals zur Abgabe einer Erbantrittserklärung aufgefordert worden wäre. Es steht nicht fest, ob der Revisionsrekurswerber die Verständigung des Gerichtskommissärs über die beabsichtigte Überlassung an Zahlungs statt erhalten hat.
[2] Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Erstgericht aus, dass die Verlassenschaft überschuldet sei, und überließ sie den Gläubigern an Zahlungs statt.
[3] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die bedingte Erbantrittserklärung stehe der Überlassung des Nachlasses an Zahlungs statt nicht entgegen. Der nunmehrige Revisionsrekurswerber habe auch nicht behauptet, dass er eine unbedingte Erbantrittserklärung beabsichtigen würde. Da die Verlassenschaft überschuldet sei, könne der nunmehrige Revisionsrekurswerber durch die Überlassung an Zahlungs statt nicht beschwert sein.
[4] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nachträglich zur Frage zu, ob nach dem Auffinden einer zuvor unbekannten letztwilligen Verfügung eine neuerliche Aufforderung zur Abgabe von Erbantrittserklärungen erfolgen müsse und ob das Unterbleiben einer Verständigung von der Überlassung an Zahlungs statt der Annahme einer Zustimmung entgegenstehe.
[5] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des erbantrittserklärten Erben mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Revisionrekurs ist mangels Entscheidungsrelevanz der vom Rekursgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage nicht zulässig.
[7] 1. Das Rekursgericht hat – neben inhaltlichen Gründen – die Auffassung vertreten, dass der Revisionsrekurswerber durch die Überlassung an Zahlungs statt nicht beschwert sein könne, weil die Verlassenschaft überschuldet sei.
[8]1.1. Auch im Verfahren außer Streitsachen steht ein Rechtsmittel nur demjenigen zu, dessen rechtlich geschützte Interessen durch den angefochtenen Beschluss beeinträchtigt wurden (RS0006598; RS0006641). Formelle Beschwer ist schon dann gegeben, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrunde liegenden Sachantrag des Rechtsmittelwerbers abweicht, während materielle Beschwer zudem voraussetzt, dass die (materielle oder verfahrensrechtliche) Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt wird, diese also für ihn ungünstig ausfällt (RS0041868; RS0118925 ).
[9] 1.2. Der Oberste Gerichtshof hat zu 6 Ob 560/86 eine Beschwer des Erben, der die Überlassung von Nachlassaktiven an einen Gläubiger mit der Behauptung bekämpfte, dass die behauptete Forderung nicht bestehe, bejaht. Demgegenüber wurde zu 4 Ob 194/08wder Revisionsrekurs des Erben, der sich nicht gegen die Überlassung der aktenkundigen Vermögenswerte an die Gläubiger richtete, sondern bloß die Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens anstrebte, mangels Beschwer zurückgewiesen, weil das Verlassenschaftsverfahren ohnehin nach § 183 Abs 1 AußStrG fortzusetzen sei, wenn weitere Vermögenswerte bekannt werden.
[10] 1.3. Im vorliegenden Fall richtet sich der Revisionsrekurswerber aber gegen die Überlassung der aktenkundigen Aktiva an die Gläubiger, weil er meint, dass die Voraussetzungen für eine solche Überlassung an Zahlungs statt nicht vorgelegen seien. Auch wenn das Verlassenschaftsverfahren im Fall des Bekanntwerdens weiterer Vermögenswerte nach § 183 Abs 3 AußSrG fortzusetzen wäre, ergibt sich die Beschwer des Revisionsrekurswerbers schon aus dem Umstand, dass er die von ihm angestrebte Erbenstellung nicht erlangt hat und – sollten keine weiteren Vermögenswerte bekannt werden – auch in Zukunft nicht erlangen kann. Die Überschuldung des Nachlasses steht der Beschwer schon deshalb nicht entgegen, weil der Erbe auch im Fall der Überschuldung der Verlassenschaft Eigentümer der im Nachlass befindlichen Gegenstände wird, sodass auch in diesem Fall ein rechtlich geschütztes Interesse an der Einantwortung besteht.
[11] 1.4. Der Beschluss auf Überlassung an Zahlungs statt greift damit in die rechtlichen Interessen des erbantrittserklärten Erben ein, sodass die Beschwer des Revisionsrekurswerbers zu bejahen ist.
[12]2. Nach § 157 Abs 1 AußStrG hat der Gerichtskommissär die nach der Aktenlage als Erben in Frage kommenden Personen nachweislich zu einer Erklärung aufzufordern, ob und wie sie die Erbschaft antreten oder ob sie diese ausschlagen wollen. Der Revisionsrekurswerber releviert als erhebliche Rechtsfrage, ob nach dem Auffinden einer zuvor unbekannten letztwilligen Verfügung eine neuerliche Aufforderung nach § 157 Abs 1 AußStrG erfolgen muss, und führt dazu aus, dass ihm durch das Unterbleiben einer solchen Aufforderung die Möglichkeit genommen worden sei, durch „Abgabe einer (unbedingten) Erbantrittserklärung“ die Erbenstellung zu erlangen.
[13] 2.1. Ob die Überlassung an Zahlungs statt trotz Vorliegens einer unbedingten Erbantrittserkärung erfolgen hätte dürfen, muss im vorliegenden Fall aber nicht beantwortet werden.
[14] Der Oberste Gerichtshofs hat nämlich bereits zu 7 Ob 590/78 NZ 1979, 61 und 5 Ob 533/93 = RS0015100 ausgesprochen, dass eine bedingte Erbantrittsserklärung nur bis zur Inventarisierung in eine unbedingte umgewandelt werden kann. Dies entspricht der herrschenden Lehre ( Welser in Rummel/Lukas 4 § 800ABGB Rz 15 ; Sailer / Terlitza in KBB 7§ 806 ABGB Rz 2; Nemeth in Schwimann / Kodek 5 § 806ABGB Rz 6; Spruzina / Jungwirth in Kletečka / Schauer, ABGB ON 1.03 § 806 Rz 5). Es ist daher – auch wenn es sich um ältere Entscheidungen handelt – von einer gesicherten Rechtsprechung auszugehen, die der Annahme einer erheblichen Rechtsfrage entgegensteht ( RS0103384 ).
[15]2.2. Da der Revisionsrekurswerber seine bedingte Erbantrittserklärung nach Errichtung des Inventars damit ohnehin nicht mehr in eine unbedingte Erbantrittserklärung umwandeln hätte können, ist die von ihm relevierte Rechtsfrage, ob nach Übermittlung der zuvor unbekannten letztwilligen Verfügung eine neuerliche Aufforderung nach § 157 Abs 1 AußStrG erfolgen muss, nicht entscheidungsrelevant.
[16]3. Nach § 155 AußStrG hat der Gerichtskommissär, wenn der Wert der Aktiven 5.000 EUR übersteigt, vor der Überlassung an Zahlungs statt jene aktenkundigen Personen, die als Erben in Frage kommen, zu verständigen und ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Dem Revisionsrekurswerber ist dahin zuzustimmen, dass das Unterbleiben einer Verständigung der Annahme einer Zustimmung zum beabsichtigten Vorgehen entgegensteht. Dies ändert aber nichts daran, dass die Überlassung an Zahlungs statt nach § 154 AußStrG keine Zustimmung der Erben erfordert und der Revisionsrekurswerber seine bedingte Erbantrittserklärung nicht mehr in eine unbedingte Erbantrittserklärung umwandeln hätte können. Ein Verstoß gegen Verfahrensgesetze begründet nur dann den Revisionsrekursgrund des § 66 Abs 1 Z 2 AußStrG, wenn er für die Entscheidung wesentlich war und sich auf diese auswirken konnte (RS0043027; RS0116273). Das ist hier aber nicht der Fall.
[17] 4. Der Revisionsrekurs war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.