3Ob1/25f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei P* Kft, *, Ungarn, vertreten durch die preslmayr.legal Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die verpflichtete Partei I* B*, geboren am *, vertreten durch Mag. Rainer Frank, Rechtsanwalt in Graz, wegen 115.000 EUR sA, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 29. Jänner 2024, GZ 4 R 5/24w 5, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz Ost vom 27. Oktober 2023, GZ 242 E 5845/23k 2, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
[1] Mit Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 31. 3. 2020, GZ 23 Cg 65/18t 44, wurde der hier Verpflichtete – wegen Wandlung des Kaufvertrags – für schuldig erkannt, der hier Betreibenden 285.000 EUR sA Zug um Zug gegen Rückgabe des Schwimmbaggers der Type Rohr RS4.0/BF130 mit Ausnahme des Starkstromkabels der Laufkatze zu zahlen.
[2] Am 20. 10. 2023 beantragte die Betreibendeaufgrund dieses Urteils zur Hereinbringung einer vollstreckbaren Kapitalforderung von 115.000 EUR sA die Bewilligung des Exekutionspakets nach § 19 EO gegen den Verpflichteten. Sie habe den Schwimmbagger aufgrund der mangelnden Zahlungsbereitschaft des Verpflichteten im Wege der Ersatzvornahme verkauft und den erzielten Kaufpreis von 170.000 EUR auf dessen Schuld angerechnet.
[3] Das Erstgericht wies den Exekutionsantrag ab. D ie Betreibende habe bereits im Exekutionsantrag auf den Verkauf des Schwimmbaggers hingewiesen. Es stehe daher fest, dass die Betreibende die Zug um Zug geschuldete Gegenleistung nicht erbringen könne. Bei Unmöglichkeit der Gegenleistung könne eine Exekution auf eine vom Verpflichteten nur Zug um Zug gegen eine zu erbringende Gegenleistung zu erfüllende Leistung allerdings nicht bewilligt werden.
[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Betreibenden Folge und bewilligte die beantragte Exekution, wobei es in die Exekutionsbewilligung keinen Hinweis auf die Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung aufgenommen hat. Bei einer Zug um Zug Verpflichtung aufgrund der Wandlung eines Kaufvertrags stünden einander zwei selbständige Bereicherungsansprüche gegenüber, die nur durch das Band der Zug um Zug Abwicklung „locker“ miteinander verknüpft seien. Aus diesem Grund sei bei Untergang einer der beiden Leistungen grundsätzlich die Rückforderung der noch vorhandenen Leistung trotz des an sich geltenden Zug um ZugPrinzips möglich. In derartigen Fällen habe der Verpflichtete im Hinblick auf den Untergang der ihm geschuldeten Sachleistung eine Gegenforderung, die an die Stelle der Sachleistung trete (3 Ob 202/12w). Da die Betreibende den durch den Verkauf des Schwimmbaggers erzielten Erlös von der titelmäßig geschuldeten Leistung in Abzug gebracht habe, sei dem Exekutionsantrag stattzugeben, wobei die Aufnahme der Zug um Zug Verpflichtung in die Exekutionsbewilligung wegen der Unmöglichkeit der Erbringung der Sachleistung zu entfallen habe.
[5] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Verpflichteten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Exekutionsantrag abgewiesen werde, in eventu, dass die Zug um Zug Verpflichtung der Betreibenden in die Exekutionsbewilligung aufgenommen werde.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
[7] 1.1 Der Verpflichtete steht zunächst auf dem Standpunkt, dass der Exekutionsantrag abzuweisen sei, weil feststehe, dass die Betreibende die Gegenleistung zufolge Verkaufs des an den Verpflichteten zurückzustellenden Schwimmbaggers nicht mehr erbringen könne. Die Gegenleistung sei daher unmöglich.
[8] 1.2Die Bewilligung der Exekution wegen eines betriebenen Anspruchs, den der Verpflichtete nur gegen eine ihm Zug um Zug zu gewährende Gegenleistung zu erfüllen hat, ist gemäß § 8 Abs 1 EO grundsätzlich (vgl dazu RS0000267) nicht vom Nachweis abhängig, dass die Gegenleistung bereits erbracht oder sichergestellt ist (3 Ob 121/21x). Dementsprechend hat das Bewilligungsgericht grundsätzlich weder die materielle Berechtigung des betriebenen Anspruchs noch die Frage zu überprüfen, ob bei Vorliegen einer Zug um Zug Verpflichtung der Erbringung der Gegenleistung ein Hindernis entgegensteht. Auch bei einer Leistung Zug um Zug ist die Exekution somit ohne weitere Prüfung, ob die Gegenleistung angeboten oder erbracht wurde, sofort zu bewilligen ( Jakusch in Angst/Oberhammer, EO 3 § 8 Rz 9; Klicka in Deixler Hübner, EO § 8 Rz 8).
[9] 1.3In der Entscheidung zu 3 Ob 121/21x wurde dazu ausgesprochen, dass ein Exekutionsantrag allerdings dann abzuweisen sei, wenn zur Zeit der Entscheidung darüber bereits feststehe, dass die Exekution nicht zum Erfolg führen könne. Dies bedeute für die Bewilligung der Exekution wegen eines Anspruchs, den der Verpflichtete nur gegen eine ihm Zug um Zug erbringende Gegenleistung zu erfüllen habe, dass die Exekution nicht bewilligt werden dürfe, wenn feststehe, dass der betreibende Gläubiger die Gegenleistung nicht erbringen werde oder könne (3 Ob 111/99s). Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Exekutionsvoraussetzungen sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz. Alle Umstände, die sich bis zur Entscheidung aktenkundig ergäben, seien zu berücksichtigen (vgl RS0000019 [T4]; RS0000020 [T6]). Dies gelte namentlich auch für vom betreibenden Gläubiger vorgebrachte rechtsaufhebende oder rechtseinschränkende Tatsachen (vgl RS0000031).
[10] 1.4 Die beschriebene Vorgangsweise gilt allerdings nur für jene Fälle, in denen nach der Aktenlage feststeht, dass aufgrund der objektiven Unmöglichkeit der Erbringung der Gegenleistung die betriebene Hauptleistung (ganz oder teilweise) erloschen ist oder aufgrund der Verweigerung der titelmäßigen Gegenleistung durch den Betreibenden die Fälligkeit der Hauptleistung aufgeschoben ist (etwa Verweigerung der Zug um Zug geschuldeten Herausgabe oder der Zug um ZugZurverfügungstellung einer bestimmten Ersatzwohnung; 3 Ob 7/05h; Jakusch in Angst/Oberhammer, EO 3 § 8 Rz 8).
[11] 1.5 Demgegenüber ist im vorliegenden (Sonder-)Fall einer Zug um ZugVerpflichtung aufgrund einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung zufolge eines gescheiterten Vertrags (zB wegen einer Irrtumsanfechtung oder der Geltendmachung von laesio enormis oder Nichtigkeit) nach der Rechtsprechung von der „Zweikondiktionentheorie“ auszugehen, wonach die wechselseitigen Kondiktionen voneinander unabhängig sind und der Bestand der Hauptleistungspflicht (Rückzahlung des Kaufpreises) nicht von der Bewirkung der Zug um Zug geschuldeten Gegenleistung (Herausgabe der Sachleistung) abhängt (3 Ob 7/05h; 3 Ob 220/07k; 3 Ob 202/12w).
[12] 1.6 Im hier vorliegenden Fall der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung ist der betriebene Anspruch (die Hauptleistung) der Betreibenden durch die Veräußerung des Schwimmbaggers somit nicht erloschen, weshalb der Exekutionsantrag entgegen der Ansicht des Verpflichteten nicht abgewiesen werden kann.
[13] 2.1 Darüber hinaus vertritt der Verpflichtete die Ansicht, es müsse der Umstand, dass er den betriebenen Anspruch nur gegen eine Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung des Betreibenden zu erfüllen habe, in der Exekutionsbewilligung zum Ausdruck gebracht werden, und zwar auch dann, wenn dies im Exekutionsantrag nicht beantragt worden sei.
[14] 2.2Bei der Exekution wegen eines betriebenen Anspruchs, den der Verpflichtete nur gegen eine ihm Zug um Zug zu gewährende Gegenleistung zu erfüllen hat, ist nach der Rechtsprechung zur Klarstellung der beiden Verpflichtungen – auch ohne entsprechenden Antrag (RS0002032 [T8 und T9]) – in die Exekutionsbewilligung grundsätzlich ein Hinweis auf die Zug um ZugVerpflichtung aufzunehmen (RS0000268 [T1 und T2]; RS0002032; 3 Ob 121/21x). Dies dient dem Schutz des Verpflichteten und ist Voraussetzung dafür, dass dieser von den Rechtsbehelfen, die ihm vom Gesetz zur Wahrung seines Anspruchs auf die Gegenleistung eingeräumt sind, erfolgreich Gebrauch machen kann ( Jakusch in Angst/Oberhammer, EO 3 § 8 Rz 6).
[15] 2.3 Von der Aufnahme der Zug um ZugVerpflichtung in die Exekutionsbewilligung kann im Allgemeinen nur dann abgesehen werden, wenn der Gläubiger schon im Exekutionsantrag durch Vorlage einer öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde (§ 7 Abs 2 bzw § 9 EO) den Beweis der Erbringung oder Sicherstellung der Gegenleistung erbringt (RS0002032 [T5, T6 und T8]; 3 Ob 121/21x). Die Aufnahme der Zug um Zug Verpflichtung in die Exekutionsbewilligung ist darüber hinaus auch dann entbehrlich, wenn sich der Verpflichtete hinsichtlich der Gegenleistung im Annahmeverzug befindet ( Jakusch in Angst/Oberhammer, EO 3 § 8 Rz 6/2; Klicka in Deixler Hübner, EO § 8 Rz 8b).
[16] 3.1 Im vorliegenden Fall hat das Rekursgericht von der Aufnahme eines Hinweises auf die Zug um ZugVerpflichtung in die Exekutionsbewilligung abgesehen und dies unter Hinweis auf die Entscheidung zu 3 Ob 202/12w damit begründet, dass in den Fällen einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der Verpflichtete im Hinblick auf den Untergang der ihm geschuldeten Sachleistung eine Gegenforderung habe, die an die Stelle der Sachleistung trete, und die Aufnahme der Zug um Zug Verpflichtung in die Exekutionsbewilligung nicht zu erfolgen habe, weil die Betreibende den durch den Verkauf des Schwimmbaggers erzielten Erlös von der titelmäßig geschuldeten Leistung in Abzug gebracht habe.
[17] Diese Rechtsansicht erweist sich als zutreffend.
[18] 3.2 Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines gescheiterten Vertrags gilt nach der Rechtsprechung die Zweikondiktionentheorie, wonach sich zwei grundsätzlich selbständige Bereicherungsansprüche gegenüberstehen, die nur durch das Band der Zug um Zug Abwicklung „locker“ miteinander verknüpft sind. Aus diesem Grund führt die Unmöglichkeit der Gegenleistung nicht zum Erlöschen der Hauptleistung. Daraus folgt, dass die exekutive Betreibung der (nicht erloschenen) Hauptleistung trotz des an sich geltenden Zug um Zug Prinzips auch dann möglich ist, wenn die Zug um ZugGegenleistung untergegangen ist (3 Ob 202/12w).
[19] 3.3 In der Entscheidung zu 3 Ob 99/92 wird festgehalten, dass die Bewilligung der Exekution (bei fehlendem Nachweis über die Bewirkung oder Sicherstellung der Gegenleistung) den Hinweis auf die Beschränkung der Exekution durch die Zug um ZugVerpflichtung gemäß § 8 Abs 1 EO (vgl 3 Ob 111/99s) zu enthalten hat, weil auch noch beim Exekutionsvollzug auf die Verpflichtung zur Gegenleistung Bedacht zu nehmen ist. Die bewilligte Fahrnisexekution ist nämlich zu vollziehen, dem Verpflichteten aber die Gelegenheit zu einem Aufschiebungsantrag nach dem § 42 Abs 1 Z 4 EO zu geben. Nicht nur die Exekutionsbewilligung, sondern auch die Einleitung des Vollzugs, also etwa die Pfändung und Verwahrung beweglicher Sachen bei der Exekution zur Sicherstellung, ist vom Nachweis der Bewirkung oder Sicherstellung der Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung insofern unabhängig, als die Rechte des Verpflichteten durch die Möglichkeit der Exekutionsaufschiebung gewahrt sind und der betreibende Gläubiger, der zur Gegenleistung bereit ist, nicht durch verspäteten Vollzug, also etwa die Erlangung eines späteren Pfandranges, geschädigt werden darf. Zur Wahrung der Rechte und Rechtsbehelfe des Verpflichteten ist aber in der Exekutionsbewilligung die Zug um Zug Verpflichtung zum Ausdruck zu bringen.
[20] Der Zweck der Aufnahme des Hinweises auf die Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung in die Exekutionsbewilligung besteht somit darin, die Leistungsbereitschaft des die Gegenleistung schuldenden Betreibenden auch im Rahmen des Exekutionsvollzugs berücksichtigen zu können und dem Verpflichteten die Ergreifung der damit im Zusammenhang stehenden Rechtsbehelfe zu wahren. Im Anlassfall hat die Betreibende bereits im Exekutionsantrag darauf hingewiesen, dass der von ihr zurückzustellende Schwimmbagger verkauft wurde und sie den sich daraus ergebenden Erlös zugunsten des Verpflichteten von der betriebenen (Haupt-)Forderung in Abzug gebracht hat. Durch dieses Antragsvorbringen der Betreibenden ist der Informationszweck des Zug um Zug Hinweises für den Verpflichteten insofern erfüllt, als er aus diesem bekannt gegebenen Verhalten der Betreibenden Rechtsbehelfe ableiten kann. Die Aufnahme eines Hinweises auf die Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung in die Exekutionsbewilligung ist damit entbehrlich .
[21] 4.1 Hat der Betreibende bei Rückabwicklung eines gescheiterten Vertrags aufgrund einer im Exekutionstitel enthaltenen Zug um ZugVerpflichtung eine bestimmte Sache zurückzustellen, so kann der Verpflichtete allfällige Mängel oder Wertverluste ob der zurückzustellenden Sache zwar nicht im Verfahren über die Exekutionsbewilligung einwenden. Aus der vom Betreibenden zu verantwortenden Verschlechterung der Zug um Zug zurückzustellenden Sache, der Unmöglichkeit der Rückstellung oder des Untergangs der Sache abzuleitende Wertersatzansprüche können aber als Gegenforderungen und damit als Einwendungen nach § 35 EO geltend gemacht werden (vgl RS0119939; vgl auch 3 Ob 202/12w; 3 Ob 202/23m), womit der Verpflichtete seine Rechte in Bezug auf die zurückzustellende Sache zu wahren vermag.
[22] 4.2 Die sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen, ob und gegebenenfalls in welchem Betrag dem hier Verpflichteten im Zusammenhang mit der Unmöglichkeit der von der Betreibenden Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung zufolge Verkaufs der zurückzustellenden Sache eine Gegenforderung (Wertersatz in Geld) zusteht und ob eine Aufrechnung durch den Verpflichteten erfolgen wird, sind aber nicht im Verfahren über die Exekutionsbewilligung zu prüfen.
[23] 4.3 Das Gleiche gilt für den im Revisionsrekurs vom Verpflichteten erhobenen Einwand, dass die Betreibende allenfalls einzelne Teile des Schwimmbaggers (Schwimmbänder) nicht verkauft habe, sondern über diese noch verfüge. Da sich dazu weder dem Exekutionstitel noch dem Exekutionsantrag Hinweise entnehmen lassen, steht diesen Behauptungen das Neuerungsverbot entgegen. Es können auch daraus nur Schadenersatzansprüche resultieren, die gegebenenfalls als Gegenforderungen geltend zu machen wären.
[24] 5. Ausgehend von den dargelegten Grundsätzen ist die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichts nicht zu beanstanden. Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.
[25]Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO i Vm§ 78 Abs 1 EO.