JudikaturJustiz9Os66/84

9Os66/84 – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Mai 1984

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Mai 1984 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Robert A und Franz B wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142, 143 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Robert A und Franz B gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 20. Juli 1983, GZ 20 b Vr 1946/83-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Knob, und der Verteidiger Dr. Nemetz und Dr. Bernhauser, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 28. September 1958 geborene (beschäftigungslose) Robert A und der am 25. September 1956 geborene (gleichfalls keiner Beschäftigung nachgehende) Franz B auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143, erstem Fall, StGB schuldig erkannt. Ihnen liegt zur Last, am 30. August 1982 in Wien in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) der Franziska C mit Gewalt fremde bewegliche Sache , nämlich zumindest 300

S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem Robert A der Franziska C nach dreimaligem Hin- und Herziehen die von ihr unter dem rechten Arm geklemmt getragene Handtasche entriß, wobei Franziska C zu Boden stürzte, während Franz B in unmittelbarer Nähe im PKW zur Aufnahme des Täters mit der Beute wartete. Die Geschwornen hatten die diesem Schuldspruch entsprechenden Hauptfragen I und II jeweils mehrheitlich mit 5 Ja- gegen 3 Neinstimmen bejaht und demgemäß die ihnen des weiteren vorgelegten Eventualfragen (folgerichtig) unbeantwortet gelassen. Die beiden Angeklagten bekämpfen den Schuldspruch mit gesondert ausgeführten - von Robert A auf die Nichtigkeitsgründe der Z 8 und 12, von Franz B auf jene der Z 4, 6, 8 und 12 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten - Nichtigkeitsbeschwerden.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Robert A:

Dieser Angeklagte behauptet 'vorsichtshalber' unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 345 Abs. 1 Z 8 StPO zunächst, daß es unterlassen worden sei, in der Rechtsbelehrung schon bei Erläuterung der (auf Raub gerichteten) Hauptfrage das Wesen des Tatbestandsmerkmals der Gewalt darzulegen. Da jedoch im bezüglichen Teil der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung (vgl. deren S 2- 3, Beilage bei ON 36) ohnedies ausführlich und zutreffend erläutert wird, was unter Gewalt im Sinne des § 142 Abs. 1 StGB zu verstehen ist, daß sich die Gewalt gegen eine Person richten muß und allenfalls nur gegen eine Sache geübte Gewalt (zum Raub) nicht ausreichen würde, geht dieser Einwand ins Leere.

Vom Beschwerdeführer wird aber auch die sich auf den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 12 StPO stützende Rechtsrüge, mit der eine Beurteilung des dem Angeklagten A angelasteten Tatverhaltens bloß als Vergehen des Diebstahls im Sinne des § 127 Abs. 2 Z 1 StGB angestrebt wird, nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht. Denn mit der - unzulässigerweise unter Rückgriff auf einzelne (zudem einer isolierten Betrachtung unterzogene) Angaben der Zeugin Franziska C vor der Polizei - aufgestellten Behauptung, sein Vorsatz habe sich nicht darauf bezogen, Gewalt gegen eine Person zu üben und die tatsächlich geübte Gewalt habe sich astschließlich gegen eine Sache gerichtet, geht der Beschwerdeführer nicht von dem im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten Sachverhalt aus, dem sowohl das Vorliegen der erforderlichen (ausschließlich von den Geschwornen zu konstatierenden) subjektiven Tatbestandserfordernisse als auch des objektiven Tatbestandsmerkmals der Gewaltanwendung gegen eine Person zu entnehmen ist (SSt 22/87, 30/115, 41/61, 43/33, EvBl. 1970/286 u.v.a.).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Franz B:

Der Genannte reklamiert zunächst unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 345 Abs. 1 StPO, sein Verteidiger sei nach der Hauptverhandlung darüber 'informiert' worden, daß der Vorsitzende des Schwurgerichtshofs sich während der Beratung der Geschwornen (allein) in deren Beratungszimmer begeben und dort unter Verletzung der in den §§ 327 und 329 StPO enthaltenen Vorschriften auf die Geschwornen - die angeblich bereits zu der überzeugung gekommen waren, daß kein Raub vorliege - solange eingewirkt habe, bis er schließlich fünf Laienrichter für eine Meinungsänderung im Sinne einer Bejahung der auf Raub gerichteten Hauptfragen gewinnen konnte.

Da jedoch der erwähnten 'Information' zuwider eine Anwesenheit des Vorsitzenden bei der Abstimmung der Geschwornen nicht aktenkundig und auch der schriftlichen Stellungnahme (S 327 bis 329) des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofs nicht zu entnehmen ist, liegt der behauptete Verfahrensmangel, der Nichtigkeit nur im Falle einer Anwesenheit von Mitgliedern des Schwurgerichtshofs bei der Abstimmung, nicht aber auch im Falle einer - selbst durch die Bestimmungen der §§ 324 und 327 StPO nicht gedeckten - Anwesenheit bei der Beratung der Geschwornen bewirken würde (vgl. EvBl 1970/275, 10 0s 28/77), nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Den weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 6 StPO erblickt der Angeklagte B darin, daß den Geschwornen nicht auch eine Eventualfrage wegen Unterlassung der Verhinderung der (von Robert A verübten) mit Strafe bedrohten Handlung (§ 286 StGB) vorgelegt wurde. Der Hinweis auf seine Verantwortung, auf Grund derer eine solche Fragestellung seiner Ansicht nach indiziert gewesen wäre, schlägt jedoch nicht durch. Denn diese Verantwortung ging in der Hauptverhandlung dahin, daß die von ihm nicht beobachtete Tat von A zwar angekündigt worden sei (S 248), er von deren Ausführung aber erst nachträglich erfahren habe (S 249), sowie daß er die Tat Robert A gar 'nicht zugetraut' (S 250) und die 'Hoffnung' gehabt habe, A werde sie nicht ausführen (S 251). Auch den - durch die Darstellung in der Hauptverhandlung zudem überholten

-

Angaben des Angeklagten B im Vorverfahren (S 61, 63 = 145, 147, 85,

89) ist keineswegs zu entnehmen, daß dieser Angeklagte - ohne eine Ausführungs-, Bestimmungs- oder Beihilfehandlung zu setzen - eine im § 286 StGB beschriebene Unterlassung mit dem Vorsatz begangen haben sollte, daß von Robert A ein Raub verübt werde (vgl. hiezu EvBl. 1983/176).

Es kann somit keine Rede davon sein, daß in der Hauptverhandlung - wenn auch nur mittelbar durch die darin vorgeführten Beweismittel - Tatsachen vorgebracht worden wären, die, wären sie im Sinne des § 314 Abs. 1 StPO erwiesen, ein der Bestimmung des § 286 Abs. 1 StGB zu unterstellendes Verhalten des Angeklagten Franz B wenigstens in den näheren Bereich der Möglichkeit rücken würden (EvBl. 1978/119, 1980/222 u.v.a.).

Unzutreffend ist aber auch die weitere, auf den Nichtigkeitsgrund des Par 345 Abs. 1 Z 8 StPO gestützte Beschwerdebehauptung, in der Rechtsbelehrung finde sich kein Hinweis darauf, daß 'die Unterstützung am Tatort nicht nur objektiv sondern auch subjektiv' (gemeinsamer Täterwille) vorliegen müsse.

Denn in der Rechtsbelehrung kommt ohnedies unmißverständlich zum Ausdruck, daß die an einem 'Gesellschaftsraub' (§ 143 1. Fall StGB) beteiligten Personen vom 'gleichen Vorsatz beseelt' sein und im 'Einverständnis' (das allerdings auch ohne vorherige Verabredung spontan erst bei der Tatbegehung zustande kommen kann) handeln müssen (S 6 der Rechtsbelehrung).

Der vom Beschwerdeführer B vertretenen Ansicht zuwider ist die Rechtsbelehrung auch in Ansehung jener Erläuterungen, die sich auf das bei der Tatbegehung nötige räumliche Naheverhältnis zwischen den Raubgenossen beziehen, keineswegs unrichtig. Insoweit wurde in der Rechtsbelehrung nicht etwa ausgeführt, daß die Entfernung vom Tatort überhaupt keine Rolle spiele, sondern im Gegenteil (zutreffend) darauf hingewiesen, daß das Zusammenwirken die Anwesenheit der Beteiligten am Tatort oder in dessen Nähe - die allerdings nicht von einer generell begrenzbaren Entfernung abhängig gemacht werden kann (vgl. Leukauf-Steininger Komm. zum StGB 2 , § 127 RN 77, § 143 RN 7) - erfordert (S 6 der Rechtsbelehrung).

Da die Rechtsbelehrung im übrigen nur rechtliche Umstände, nicht aber für die Beweiswürdigung in Betracht kommende Umstände tatsächlicher Art zum Gegenstand haben kann (Mayerhofer-Rieder, § 345 Z 8 Nr 14 ff), erübrigte es sich, auf die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage einzugehen, ob im konkreten Fall der gemeinsame Täterwille allenfalls nur auf den Diebstahl von Benzin gerichtet und das räumliche Naheverhältnis lediglich zufällig gegeben gewesen sein könnte.

Mit seiner auf den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 12 StPO gestützten Rechtsrüge schließlich versucht der Angeklagte Franz B darzutun, daß das ihm angelastete Tatverhalten lediglich nach den §§ 286

und 164 StGB zu beurteilen sei. Wie schon der Angeklagte Robert A hält auch er dabei nicht in der zur gesetzmäßigen Ausführung einer Rechtsrüge erforderlichen Weise an dem im Wahrspruch der Geschwornen festgestellten Sachverhalt fest, wonach - den Beschwerdebehauptungen zuwider - gegen Franziska C sehr wohl (räuberische) Gewalt geübt worden ist, und aus dem auch hervorgeht, daß der Vorsatz des Angeklagten B keineswegs auf den Diebstahl von Benzin, sondern vielmehr auf die Ausführung eines Raubes gerichtet gewesen ist, sowie daß B sich nicht etwa im Sinne der Beschwerdeausführungen zur Tatzeit bloß zufällig, unbeteiligt und passiv am Tatort aufgehalten hat, sondern 'in unmittelbarer Nähe im PKW zur Aufnahme des Täters (Robert A) mit der Beute wartete', d.h. die Ausführung des von Robert A unternommenen Raubes durch Offenhalten des Fluchtweges und durch Ermöglichen des raschen Wegschaffens der Beute vom Tatort gefördert und unterstützt hat, was zur Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses im Sinne des § 143 Abs. 1 StGB genügt. Die demnach zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagter waren mithin zu verwerfen.

Zu den Berufungen:

Der Geschwornensenat verurteilte nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB Robert A unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26. Mai 1983, AZ 9 d Vr 8362/82, zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von vier Jahren und Franz B (ohne dies im Urteilsspruch zum Ausdruck zu bringen, unter Anwendung des § 41 StGB und) unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. November 1982, AZ 1 b E Vr 9894/82, und vom 26. Mai 1983, AZ 9 d Vr 8362/82, zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von neunzehn Monaten. Bei der Strafbemessung wurden Robert A die einschlägigen und rückfallsbegründenden Vorstrafen als erschwerend und kein Umstand als mildernd zugerechnet. Bei Franz B waren ebenfalls die (nicht rückfallsbegründenden) Vorstrafen erschwerend, mildernd hingegen das Geständnis, die in der Hauptverhandlung für ihn vorgenommene Schadensgutmachung und der Umstand, daß er an der Tat AS nur in entfernter Weise beteiligt war.

Beide Angeklagte begehren mit ihren Berufungen die ('empfindliche') Herabsetzung der Freiheitsstrafe, A unter Anwendung des § 41 StGB. Beiden Berufungen kommt Berechtigung nicht zu.

Wenn Robert A für sich ins Treffen führt, er habe den Tatentschluß spontan gefaßt, weil ihm die Gelegenheit besonders günstig erschien, kann er hiemit den reklamierten Milderungsumstand nach § 34 Z 8 StGB nicht darlegen, da er den Entschluß, sich unrechtmäßig (durch Begehung eines Benzindiebstahls) zu bereichern, längst vor der Tat gefaßt hatte und der Umstand, daß eine behinderte Frau allein auf die Straße geht, wohl keine besonders verlockende Gelegenheit für die Begehung eines Raubes sein kann. Vielmehr ist dem einschlägig vorbestraften Berufungswerber nachteilig anzulasten, daß er seinen kriminellen Entschluß sofort änderte, als er die alte und etwas behinderte Frau des Weges kommen sah. Der Schaden wurde vom Verteidiger des Mitangeklagten für diesen gutgemacht (S 273), sodaß A auch den Milderungsumstand des § 34 Z 14 StGB nicht für sich in Anspruch nehmen kann.

Der (eher geringe) Unrechtsgehalt der Tat wurde vom Geschwornengericht aber ausdrücklich gewertet und daher die insgesamt (für alle gemäß § 31 StGB zu berücksichtigenden Straftaten) ausgesprochene Strafe nur knapp über der Untergrenze des Strafrahmens ausgemessen.

Aber auch die von Franz B angeführten Umstände, insbesondere das Geständnis und die mindere Beteiligung hat das Erstgericht ausreichend berücksichtigt und in (eher großzügiger Auslegung des § 41 StGB) die außerordentliche Strafmilderung zur Anwendung gebracht, sodaß für eine Reduzierung der (entgegen der Berufungsbehauptung im Sinne des Abstimmungsergebnisses auch richtig verkündeten) Zusatzstrafe kein Anlaß besteht.

Es war daher beiden Berufungen der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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