JudikaturJustiz9ObA333/97d

9ObA333/97d – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Oktober 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer und Dr.Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter MMag Dr.Gerhard Stadler und Brigitte Haumer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ernestine R*****, Dienstnehmerin, ***** vertreten durch Dr.Helmut Malek, Rechtsanwalt in Krems/Donau, wider die beklagte Partei NÖ H*****, vertreten durch Dr.Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kündigungsanfechtung gemäß § 105 ArbVG, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30.Juli 1997, GZ 10 Ra 202/97t-27, womit infolge Rekurses der klagenden Partei die Beschlüsse des Landesgerichtes Krems/Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. Dezember 1996 und 17.Jänner 1997, GZ 8 Cga 16/96i-23, abgeändert wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs und die Revisionsrekursbeantwortung werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit ihrer am 7.2.1996 beim Erstgericht eingelangten Klage ficht die Klägerin die mit Schreiben vom 25.1.1996 ausgesprochene Kündigung ihres Dienstverhältnisses durch die beklagte Partei gemäß § 105 ArbVG an. Die Beklagte habe mit der der Klägerin am 29.1.1996 zugegangenen Kündigung das Dienstverhältnis zum 31.3.1996 aufgelöst. Der von der beklagten Partei verständigte Betriebsrat habe fristgerecht Einspruch erhoben. Am 30.1.1996 habe die Betriebsratsvorsitzende der Klägerin mitgeteilt, daß der Betriebsrat keine Klage einbringen werde. Im Hinblick auf diese Erklärung mache die Klägerin von ihrem Recht der Selbstanfechtung Gebrauch, welches sie innerhalb einer Woche ab Ablauf der dem Betriebsrat eingeräumten einwöchigen Frist ausüben könne. Mit einem am 16.12.1996 beim Erstgericht überreichten Schriftsatz beantragte die Klägerin, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der einwöchigen Frist für die Selbstanfechtung gemäß § 105 Abs 4 ArbVG zu bewilligen; hilfsweise, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Abgabe der Stellungnahme des Betriebsrates zur beabsichtigten Kündigung zu bewilligen. Diesen Wiedereinsetzungsantrag begründete die Klägerin im wesentlichen damit, daß sie erst in der Verhandlung vom 2.12.1996 davon Kenntnis erlangt habe, daß der Betriebsrat die fünftägige Frist zur Abgabe seiner Stellungnahme versäumt habe. Die einwöchige Frist für die Selbstanfechtung durch die Klägerin habe daher bereits mit Zugang der Kündigung an die Klägerin begonnen und sei am 5.2.1996 abgelaufen. Die Klage sei daher verspätet eingebracht worden. Die Klägerin treffe kein Verschulden an der Fristversäumung.

Die beklagte Partei sprach sich mit der Begründung gegen eine Bewilligung der Wiedereinsetzung aus, da einerseits keine prozessuale, sondern eine materielle Frist versäumt worden sei und andererseits die Voraussetzungen des § 146 Abs 1 ZPO nicht erfüllt seien.

Mit gemeinsam ausgefertigten Bechlüssen wies das Erstgericht die Klage und den Wiedereinsetzungsantrag sowie den in diesem Zusammenhang gestellten Eventualantrag zurück. Es ging hiebei von folgenden Feststellungen aus:

Der Betriebsrat der Beklagten wurde am 16.1.1996 von der beabsichtigten Kündigung verständigt. Der Betriebsrat vertrat die Ansicht, daß die fünftägige Frist des § 105 Abs 1 ArbVG am 18.1.1996 beginne und bis 24.1.1996 andauere. Überdies vereinbarte die Vorsitzende des Betriebsrates mit dem Geschäftsführer der beklagten Partei eine "Fristverlängerung" bis 25.1.1996. Anläßlich einer Sitzung des Betriebsrates vom 25.1.1996 faßte dieser den Beschluß, gegen die Kündigung der Klägerin Einspruch zu erheben, der noch am selben Tag als "Einspruch zur beabsichtigten Kündigung" formuliert wurde. Die Klägerin wurde hievon am 25.1.1996 verständigt. Die Klägerin richtete kein Ersuchen an den Betriebsrat, die Kündigung bei Gericht anzufechten, erhielt aber auch keine Mitteilung des Betriebsrates, daß dieser die Kündigung nicht bei Gericht anfechten werde. Der Betriebsrat faßte auch keinen Beschluß, die Kündigung mit Klage anzufechten. Lediglich mündlich verstanden sich die Betriebsratsmitglieder untereinander, keine Klage einzubringen.

Mit Schreiben vom 25.1.1996 kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis der Klägerin zum 31.3.1996 auf. Das Kündigungsschreiben ging der Klägerin am 29.1.1996 zu. Am 30.1.1996 verständigte sie die Betriebsratsvorsitzende davon. Der Klägerin wurde dabei empfohlen, die Kündigung anzufechten; Fristen wurden nicht erörtert.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß mangels rechtzeitiger Stellungnahme des Betriebsrates die Frist zur Kündigungsanfechtung bereits mit dem Zugang der Kündigung an die Klägerin begonnen habe und am 5.2.1996 abgelaufen sei. Die erst am 7.2.1996 überreichte Klage sei daher verspätet. Der Wiedereinsetzungsantrag sei zurückzuweisen, da es sich bei der Frist des § 105 Abs 4 ArbVG um eine nicht restituierbare materielle Frist handle; überdies treffe die Klägerin an der Versäumung der Frist grobes Verschulden.

Das Rekursgericht änderte infolge Rekurses der Klägerin die angefochtenen Beschlüsse dahin ab, daß es der klagenden Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Klagefrist bewilligte, und die Zurückweisung des Eventualantrages und - zufolge der Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - auch den Beschluß, mit dem die Klage zurückgewiesen wurde, ersatzlos behob. Mit ihrem Rekurs gegen den Beschluß auf Zurückweisung der Klage verwies es die Klägerin auf diese Entscheidung. Die Frist des § 105 Abs 4 ArbVG sei eine prozessuale, gegen deren Versäumung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig sei (ZAS 1990, 166 f). Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin sei auch berechtigt, da sie durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis an der Einhaltung der Klagefrist gehindert gewesen sei. Selbst ein allfälliger Fehler bei der Informationsaufnahme durch den Klagevertreter könne kein grobes Verschulden darstellen. Da dem Hauptbegehren des Wiedereinsetzungsantrages stattgegeben werde, habe eine Entscheidung über den Eventualantrag zu entfallen, so daß die darüber getroffene Entscheidung des Erstgerichtes ersatzlos zu beheben sei. Zufolge der Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei auch der Beschluß, mit welchem die Klage zurückgewiesen wurde, aufzuheben (MGA ZPO14 § 150 E.2). Mit ihrem Rekurs gegen den Beschluß auf Zurückweisung der Klage könne die Klägerin daher nur auf diese Entscheidung verwiesen werden.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die Beschlüsse des Erstgerichtes wiederhergestellt werden.

Die Klägerin erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung, in der sie beantragte, den Revisionsrekurs der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen; in eventu, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs und dessen Beantwortung sind unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 153 ZPO ist gegen die Entscheidung, wodurch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt wird, ein Rechtsmittel nicht zulässig. Dies gilt auch dann, wenn die Wiedereinsetzung durch ein Instanzgericht bewilligt wird (stRspr; Gitschthaler in Rechberger ZPO Rz 1 zu § 153 mwH). Der Rechtsmittelausschluß des § 153 ZPO kommt nur dann nicht zum Tragen, wenn die Wiedereinsetzung ohne gesetzliche Grundlage bewilligt wurde.

Das Rekursrecht bezieht sich in diesem Fall nur auf die Zulässigkeit

des Wiedereinsetzungsantrages, nicht aber auf seine materielle

Berechtigung. Dies muß insbesondere dann gelten, wenn "elementare

Verfahrensgrundsätze" verletzt wurden (4 Ob 27/97t in RIS-Justiz

RS00107387). Ein solcher Ausnahmetatbestand liegt hier nicht vor: Der

Oberste Gerichtshof hat schon mehrmals ausgesprochen (9 ObA 289/89 =

EvBl 1990/75 = RdW 1990, 113 = ecolex 1990, 106 = ZAS 1990/20

[Andexlinger] = RZ 1992/60 = WBl 1990, 144 = AnwBl 1990, 390; 8 ObA

2045/96k = RIS-Justiz RS0052033, als obiter dictum auch zu 8 ObA

133/97k), daß die einwöchige Frist zur gerichtlichen Anfechtung der Kündigung eine formellrechtliche Frist darstellt, gegen deren Versäumung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig ist. Die Ausführungen der beklagten Partei in ihrem Revisionsrekurs bieten keine Veranlassung, von dieser Judikatur abzugehen.

Das Fehlen eines Ausnahmetatbestands zum Rechtsmittelausschluß des § 153 ZPO bringt daher die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses der beklagten Partei mit sich.

Die Bewilligung der Wiedereinsetzung hat die Aufhebung der infolge der Versäumnis ergangenen, das Verfahren beendenden Entscheidungen - hier der Klagezurückweisung - zur Folge. Nur dann, wenn die verfahrensbeendende Entscheidung selbst nicht auf die Säumnis zurückzuführen ist, wird sie durch die Aufhebung nicht erfaßt (RIS-Justiz RS0036707). Daraus folgt, daß auch die Aufhebung der Klagezurückweisung, die nur in der Säumnis begründet war, die durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung weggefallen ist, keiner gesonderten Anfechtung unterliegt.

Demzufolge erweist sich auch die Revisionsrekursbeantwortung als unzulässig, weil ein Ausnahmefall des § 521 a ZPO nicht gegeben ist und dort, wo nichts Gegenteiliges angeordnet wird, das Rekursverfahren einseitig ist (RS-Justiz RS0043937).

Rechtssätze
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