JudikaturJustiz9ObA27/03s

9ObA27/03s – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Gerhard Prochaska als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Erwin B*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Georg Josef Reich, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. Horst Reitböck, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter im Konkurs der H***** Co, *****, wegen Feststellung einer Konkursforderung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Dezember 2002, GZ 10 Ra 332/02w 19, womit aus Anlass der Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 17. April 2002, GZ 24 Cga 98/01h 13, teilweise als nichtig aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 665,66 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin EUR 110,94 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit seiner am 11. 6. 2001 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger von der späteren Gemeinschuldnerin S 600.778,04 brutto sA sowie die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung weiterer (noch nicht fälliger) S 370.001,97 brutto sA. Beim Klagebetrag handle es sich um offene Entgeltforderung aus einem mit 26. 3. 2001 beendeten Arbeitsverhältnis.

Mit Beschluss vom 30. 8. 2001 wurde über das Vermögen der ursprünglich beklagten Partei das Konkursverfahren eröffnet; zum Masseverwalter wurde der Beklagte bestellt.

Der Kläger meldete im Konkursverfahren Forderungen von S 970.780,04 brutto an Arbeitsentgelt (= EUR 70.549,34 brutto), S 26.917,19 brutto an Zinsen (= EUR 1.956,15 brutto) und S 28.607,60 netto an Kosten des bisherigen Verfahrens (= EUR 2.079, netto) an, wobei in der Anmeldung neben der eben wiedergegebenen Aufschlüsselung in Brutto- und Nettobeträge von einer "Summe" von S 1,026.304,83 die Rede ist.

Der Masseverwalter anerkannte die angemeldete Forderung im Umfang von EUR 41.343,51 und bestritt die Restforderung. Im Anmeldungsverzeichnis ist die angemeldete Forderung mit EUR 74.584,48 angegeben und als "brutto angemeldet" ausgewiesen. Tatsächlich entspricht der angegebene Betrag jedoch der Summe der angemeldeten Brutto- und Nettobeträge. Der anerkannte Forderungsteil ist mit "EUR 41.343,51" ausgewiesen, der bestrittene Forderungsteil mit "EUR 33.240,97".

Auf Grund dieser Erklärungen des Masseverwalters verständigte das Konkursgericht den Kläger, dass die von ihm angemeldete Forderung von S 1,026.304,83 (Anm: EUR 70.549,34) im Ausmaß von S 457.405,79 (Anm: EUR 33.240,98) bestritten worden sei.

Daraufhin beantragte der Kläger, das durch die Konkurseröffnung unterbrochene Verfahren fortzuführen, wobei er nunmehr die Feststellung einer (restlichen) Konkursforderung von S 457.405,79 (EUR 33.240,98) begehrte.

In der daraufhin durchgeführten Tagsatzung vom 16. 1. 2002 stellte der Masseverwalter klar, dass es sich beim vom ihm im Konkurs anerkannten Forderungsteilbetrag von EUR 41.343,51 (S 568.899,04) um einen Nettobetrag handle, der einem Bruttobetrag von S 682.960,38 (EUR 49.632,67) entspreche. Gleichzeitig legte er eine detaillierte Berechnung der anerkannten Brutto- und Nettobeträge vor, die diese Behauptung untermauert.

Der Kläger brachte daraufhin vor, dass aus der Benachrichtigung über die Bestreitung der Forderung nicht hervorgegangen sei, ob es sich bei den bestrittenen und anerkannten Beträgen um Brutto- oder Nettobeträge gehandelt habe; er behalte sich eine entsprechende Änderung des Klagebegehrens vor.

Eine solche Änderung ist jedoch nicht erfolgt.

Mit Urteil vom 17. 4. 2002 stellte das Erstgericht fest, dass dem Kläger im Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eine weitere Konkursforderung von EUR 24.902,32 brutto zustehe. Das Mehrbegehren auf Feststellung einer weiteren Konkursforderung von EUR 8.338,66 brutto wies es ab.

Inhaltlich erachtete das Erstgericht die gesamte vom Kläger geltend gemachte Forderung als berechtigt. Allerdings unterlief ihm insofern ein Irrtum, als es die als Nettobetrag begehrten Verfahrenskosten als Bruttobetrag zusprach (siehe die Berechnung S 18 des Ersturteils). Dass es dessen ungeachtet einen Teil des Feststellungsbegehrens abwies, liegt darin, dass der Berechnung des vom Kläger begehrten Forderungsbetrages nach wie vor die Annahme zugrunde liegt, dass der Masseverwalter im Konkurs die angemeldete Forderung des Klägers im Umfang von EUR 41.434,51 brutto anerkannt hat, während das Erstgericht - der Klarstellung des Masseverwalters entsprechend - von einem anerkannten Forderungsteil von EUR 41.434,51 netto ausging.

Gegen die Abweisung des Feststellungsbegehrens im Umfang von EUR 8.338,66 erhob der Kläger Berufung mit dem Antrag, das Ersturteil im Sinne der vollinhaltlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise stellte der Kläger einen Aufhebungsantrag.

Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Berufungsgericht im Umfang der Anfechtung das angefochtene Urteil und das ihm vorangegangene Verfahren bis einschließlich des Fortsetzungsbeschlusses des Erstgerichtes auf und wies den Fortsetzungsantrag im Umfang des den Gegenstand des Berufungsverfahrens bildenden Teilbetrags von EUR 8.338,66 brutto zurück.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass der Masseverwalter im Konkursverfahren die angemeldete Forderung im Umfang von EUR 412.434,51 anerkannt habe. Nach der Rechtsprechung sei ein auf einen Bruttobetrag gerichtetes Begehren mit einem Begehren auf den diesem Bruttobetrag entsprechenden Nettobetrag ident. Da die Fortsetzung des durch die Konkurseröffnung unterbrochenen Verfahrens nur dann zulässig sei, wenn die eingeklagte Forderung im Konkurs angemeldet und in der Prüfungstagsatzung bestritten worden sei, könne bei einem Nettoanerkenntnis des Masseverwalters infolge Identität der Begehren nicht von einer bestrittenen (Brutto )Forderung ausgegangen werden, sodass im zu beurteilenden Umfang der Prozessweg unzulässig ist. Dies sei auch hier der Fall: Das Erstgericht habe in Wahrheit nur die Differenz zwischen dem Netto- und dem Bruttobetrag der Forderung abgewiesen, für die jedoch mangels Bestreitung der Rechtsweg unzulässig sei. Der dennoch fortgesetzte Prozess sei - ungeachtet des Aufnahmebeschlusses - für nichtig zu erklären.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die zweite Instanz (hilfsweise an die erste Instanz) zurückzuverweisen. Eventualiter wird beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem noch offenen Klagebegehren stattzugeben.

Der Beklagte beantragte, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Dem Rekurswerber ist beizupflichten, dass Arbeitnehmer ihre Ansprüche im Konkurs als Bruttoforderungen anmelden können. Eine solche Anmeldung ist im Allgemeinen dahin zu interpretieren, dass damit nur der um die gesetzlichen Abzüge verminderte (Netto )Betrag in Anspruch genommen wird; daher liegt keine teilweise Doppelanmeldung vor, wenn diese Abzugsposten ihrerseits von den dazu berechtigten Gläubigern angemeldet werden. Damit muss jedoch der Arbeitnehmer seine Forderung ausdrücklich oder schlüssig auf Bruttozahlung beschränken. Nur wenn dies nicht geschieht, liegt ein Begehren auf volle Inanspruchnahme des gesamten Betrags durch den Arbeitnehmer vor, das im Umfang der gesetzlich vorgeschriebenen Abzugsposten unberechtigt ist (Konecny in Konecny/Schubert , KO § 103 Rz 3 mit zahlreichen Nachweisen aus Lehre und Rechtsprechung).

Nicht beizupflichten ist dem Rekurswerber allerdings, wenn er von der Zulässigkeit und Üblichkeit von "Mischanmeldungen" ausgeht, worunter er offenkundig die Anmeldung einer einheitlichen Summe aus Brutto- und Nettobeträgen versteht, die dann seiner Ansicht nach weder als Brutto- noch als Nettobetrag anzusehen sei. Vielmehr muss der Anmeldung - wie auch einem entsprechenden Klagebegehren - klar zu entnehmen sein, ob nun ein Nettobetrag oder - was durch Anfügen des Zusatzes "brutto" zum Ausdruck gebracht wird - eine Bruttobetrag in Anspruch genommen wird. Dies entspricht auch der Praxis, die entsprechende Klagebegehren dahin formuliert, dass der Zuspruch eines bestimmten Bruttobetrages "zuzüglich" (oder auch "abzüglich") eines bestimmten Nettobetrages begehrt wird.

Es trifft auch nicht zu, dass es sich beim vom Erstgericht zugesprochenen Betrag um einen im Sinne der Rekursausführungen zu verstehenden "Mischbetrag" handelt. Nach der völlig eindeutigen Formulierung des Urteilsspruchs hat das Erstgericht einen Bruttobetrag zugesprochen. Dass im zugesprochenen Betrag auch die als Nettobetrag geltend gemachten Verfahrenskosten enthalten sind, ändert daran nichts. Dies ist zwar unzutreffend, kann aber nicht mehr aufgegriffen werden, weil das Ersturteil insoweit unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist. Da die Verfahrenskosten der einzige als Nettoforderung geltend gemachte Teil der Anmeldung und des Klagebegehrens waren, spielt im übrigen die Problematik der Kombination von Brutto- und Nettoforderungen im Rechtsmittelverfahren überhaupt keine Rolle mehr.

Ebenso unrichtig ist die Meinung des Rekurswerbers, vor einer ausdrücklichen Einigung zwischen den Parteien oder einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung könne keine Identität zwischen einer auf einer Bruttoforderung gerichteten Anmeldung (oder einem solchen Klagebegehren) und einem auf einen dem Bruttobetrag entsprechenden Nettobetrag bestehen. Richtig ist nur, dass derjenige, der sich - etwa im Zusammenhang mit einer von ihm zur Tilgung einer Bruttoforderung geleisteten Nettozahlung - auf eine solche Identität beruft, entsprechende Behauptungen aufzustellen und erforderlichenfalls Beweise anzubieten hat (RIS Justiz RS0109287; 9 ObA 288/98p). Dem hat der Beklagte hier durch die Vorlage der Beilage ./1 Rechnung getragen, in der die anerkannten Brutto- und Nettobeträge detailliert aufgeschlüsselt und auch die dabei berücksichtigten gesetzlichen Abzüge detailliert ausgewiesen sind. Die Richtigkeit dieser Berechnung hat der Kläger nie substantiiert bestritten. Er hat zwar insofern auf sein Vorbringen verwiesen, dazu aber - wie das Berufungsgericht richtig ausführt - kein Vorbringen erstattet. Der dagegen im Rekurs vorgebrachte Hinweis auf die von ihm als Beil ./D vorgelegte Berechnung der Arbeiterkammer ist verfehlt. Zwar ist richtig, dass diese Berechnung von jener des Masseverwalters abweicht. Dies liegt aber darin, dass der Masseverwalter Behauptungen über eine dem Kläger zugesagte Gehaltserhöhung zunächst bestritten und die entsprechenden Gehaltsdifferenzen daher in seiner Berechnung des anerkannten Betrages nicht berücksichtigt hat. Darüber, dass hinsichtlich der anerkannten Beträge die Umrechnung der Bruttobeträge in Nettobeträge unrichtig sein soll, ist aber der Beilage ./D nichts zu entnehmen. Dies wurde vom Kläger in erster Instanz auch mit keinem Wort behauptet. Selbst in seinem Rekurs stellt er eine entsprechende Behauptung nicht auf, sondern verweist nur auf die bereits oben erörterte Notwendigkeit einer "Einigung" oder eines rechtskräftigen Urteils.

Im Übrigen gehen die im Rekurs erhobenen Einwände am Kern der prozessentscheidenden Frage vorbei. Darüber, dass dem Kläger sämtliche in der Klage und in der Anmeldung geltend gemachten Ansprüche zustehen, besteht überhaupt kein Streit mehr. Der eigentliche Unterschied zwischen den Standpunkten des Berufungsgerichtes und des Rekurswerbers betrifft den vom Masseverwalter im Konkurs anerkannten Betrag. Dieser wird vom Berufungsgericht - der Klarstellung des Masseverwalters entsprechend - als Nettobetrag behandelt, während der Rekurswerber der Berechnung seines Klagebegehrens das Anerkenntnis eines Bruttobetrages zugrunde legte.

In diesem Zusammenhang ist dem Rekurswerber zuzubilligen, dass die Erklärungen des Masseverwalters im Konkursverfahren überaus undeutlich waren. Zwar spricht schon nach dem Inhalt des Anmeldungsverzeichnisses einiges dafür, den vom Masseverwalter anerkannten Betrag, der nicht mit dem Zusatz "brutto" versehen ist (während darauf hingewiesen wird, dass ein Bruttobetrag angemeldet wurde), als Nettobetrag zu deuten. Die Anführung des gesamten Betrages der Anmeldung - der angeführte Betrag umfasst die geltend gemachten Bruttobeträge ebenso wie den angemeldeten Nettobetrag - und die Angabe des bestrittenen Betrages als Differenz zwischen dem Gesamtbetrag der Anmeldung und dem anerkannten Betrag mussten jedoch für erhebliche Unklarheit sorgen, weil damit in Wahrheit nicht erkennbar ist, was überhaupt anerkannt und was bestritten ist.

Voraussetzung für die Fortsetzung des durch die Konkurseröffnung unterbrochenen Verfahrens ist die Identität zwischen dem in der Forderungsanmeldung geltend gemachten und dem nunmehr begehrten Anspruch; im fortgesetzten Verfahren dürfen überdies nur solche Ansprüche geltend gemacht werden, die vom Masseverwalter bestritten wurden. Daher ist eine Prozessfortsetzung unzulässig, solange die betroffene Forderung nicht ordnungsgemäß angemeldet und in der Prüfungstagsatzung bestritten wurde. Bis dahin fehlt es an der Zulässigkeit des Prozesswegs; ein dennoch fortgesetzter Prozess ist - ungeachtet eines Aufnahmebeschlusses - für nichtig zu erklären (Konecny in Konecny/Schubert , KO § 113 Rz 4 und 5 mwN).

Damit erscheint es fraglich, ob die Erklärungen des Masseverwalters in der Prüfungstagsatzung ohne Aufklärung der aufgezeigten Unklarheiten überhaupt eine taugliche Grundlage für die Fortsetzung des Verfahrens waren. Verneint man dies, wäre das gesamte in der Folge durchgeführte Verfahren nichtig, was im Umfang des in Rechtskraft erwachsenen Zuspruchs nicht mehr aufgegriffen werden könnte und zur Bestätigung der berufungsgerichtlichen Entscheidung führen müsste. Erachtet man aber die im fortgesetzten Verfahren erfolgte Klarstellung durch den Masseverwalter als beachtlich - dieser hat ausdrücklich erklärt und dargetan, dass es sich bei dem von ihm anerkannten Betrag um einen Nettobetrag handelt - führt dies dazu, dass der anerkannte Betrag höher war als vom Rekurswerber bei der Fassung seines Fortsetzungsantrages angenommen und dass daher im Umfang der Differenz das erstgerichtliche Verfahren nicht hätte fortgesetzt werden dürfen. Auch unter dieser Voraussetzung erweist sich daher die angefochtene Entscheidung als zutreffend, sodass dem Rekurs ein Erfolg zu versagen war.

All dies ändert aber nichts am bereits erörterten Umstand, dass dem Kläger - unterstellt man die (inhaltlich nie bestrittene) Umrechnung der anerkannten Bruttobeträge in Nettobeträge durch den Masseverwalter als richtig - bereits vom Erstgericht die gesamte von ihm geltend gemachte Forderung zugesprochen wurde.

Rechtssätze
4