JudikaturJustiz9ObA157/16b

9ObA157/16b – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Januar 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn und Dr. Weixelbraun Mohr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und KR Karl Frint als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz Rechtsanwältinnen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Barbara Auzinger, Rechtsanwältin in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Oktober 2016, GZ 10 Ra 73/16b 30, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Revisionswerberin macht erkennbar einen Mangel des Berufungsverfahrens wegen Verletzung des Verbots der Überraschungsentscheidung geltend. Die Unterlassung der Erörterung eines bisher unbeachtet gebliebenen rechtlichen Gesichtspunkts stellt aber nur dann einen Verfahrensmangel dar, wenn dadurch einer Partei die Möglichkeit genommen wurde, zur bisher unbeachtet gebliebenen Rechtslage entsprechendes Tatsachenvorbringen zu erstatten. In der anderen rechtlichen Wertung eines im Verfahren erster Instanz unübersehbar behandelten Standpunkts liegt hingegen keine Verletzung des § 182a ZPO (RIS Justiz RS0037300 [T44, T51]).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger bereits zu Beginn des erstinstanzlichen Verfahrens vorgebracht, die Beklagte habe ihm nie eine andere Position angeboten oder ihn aufgefordert, sich eine andere Stelle im Unternehmen zu suchen (ON 6, S 4). Die Feststellung, nach der dem Kläger kein Ersatzarbeitsplatz angeboten wurde, hat die Beklagte im Berufungsverfahren nicht beanstandet (RIS Justiz RS0112020 [T15]). Da das Verbot von Überraschungsentscheidungen auch nicht bedeutet, dass das Gericht seine Rechtsansicht vor der Entscheidung kundtun muss und anderes nur dann gilt, wenn – anders als hier – rechtserhebliche Tatsachen nicht vorgebracht wurden (RIS Justiz RS0122749), bestand ein besonderer Erörterungsbedarf zu diesem Punkt weder für das Erst- noch für das Berufungsgericht.

2.1 Auf das Dienstverhältnis des Klägers zur Beklagten (bzw deren Rechtsvorgängerin) ist unstrittig die als Kollektivvertrag gemäß § 19 Abs 4 PTSG geltende Dienstordnung 2009 (DO) anwendbar. Der in § 48 Abs 2 lit g DO geregelte Kündigungsgrund entspricht im Wesentlichen der Kündigungsmöglichkeit nach § 32 Abs 4 VBG.

Zum Kündigungsgrund des § 32 Abs 4 VBG hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass dieser nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nur vorliegt, wenn im Versetzungsbereich der Personalstelle des Dienstnehmers eine Weiterbeschäftigung nicht möglich ist, wofür der Beweis dem Dienstgeber obliegt. Sofern die Prüfung durch den Dienstgeber geeignete Möglichkeiten für eine Weiterbeschäftigung ergibt, ist der Dienstgeber verpflichtet, dem Vertragsbediensteten den Ernst der Lage dadurch vor Augen zu führen, dass er ihm solche freien Arbeitsplätze mit dem Hinweis auf die sonst erforderliche Kündigung anbietet (8 ObA 26/15d; 8 ObA 8/13d).

2.2 In der angefochtenen Entscheidung ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, der Beklagten sei der ihr obliegende Beweis dafür nicht gelungen, dass sie vor der – allein gestützt auf § 48 Abs 2 lit g DO erklärten – Kündigung des Klägers die Möglichkeiten seiner Weiterbeschäftigung im Unternehmen hinreichend geprüft habe, was auch ein Anbieten von (vorhandenen) geeigneten Ersatzarbeitsplätzen an den Kläger erfordert hätte. Nach den (zusammengefassten) Feststellungen sei dem Kläger kein Ersatzarbeitsplatz angeboten worden, obwohl die Beklagte im gleichen Zeitraum neue Arbeitnehmer im Tätigkeitsbereich des Klägers aufgenommen habe. Die Negativfeststellungen zum Anforderungsprofil einiger dieser Positionen und zur Eignung des Klägers dafür seien zu Lasten der Beklagten zu werten, weil damit die Notwendigkeit der Kündigung des Klägers gerade nicht erwiesen sei.

Die Frage, ob ein Arbeitgeber seiner sozialen Gestaltungspflicht nachgekommen ist, stellt aufgrund ihrer Einzelfallbezogenheit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS Justiz RS0051942). Gleiches gilt für die Anforderungen, die an den Arbeitgeber vor einer Kündigung wegen Organisationsänderungen im Sinn des § 32 Abs 4 VBG zum Nachweis der Notwendigkeit einer konkreten Kündigung zu stellen sind. Eine gravierende Fehlbeurteilung, die dessen ungeachtet im Anlassfall die Zulässigkeit der Revision rechtfertigen würde, zeigt die Beklagte in ihrem Rechtsmittel nicht auf.

3. Andere Argumente werden in der Revision nicht geltend gemacht.

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss gemäß § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO nicht.