JudikaturJustiz9Ob411/97z

9Ob411/97z – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Februar 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer, Dr.Spenling, Dr.Hradil und Dr.Hopf als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Kinder 1. Marijam St*****, geboren 2. September 1983, und 2. Natasa St*****, geboren 3.Juni 1985, beide *****, beide vertreten durch die Mutter Svetlana St*****, ebendort, diese vertreten durch Dr.Hans-Jörg Vogl, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Genehmigung einer Klageführung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 4. November 1997, GZ 44 R 764/97x-8, womit infolge Rekurses der Minderjährigen der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 26.August 1997, GZ 8 P 125/97k-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß die zu 23 Cg 275/96i des Landesgerichtes für ZRS Graz erhobene Klage gegen den Fachverband der Versicherungsunternehmungen Österreichs pflegschaftsgerichtlich genehmigt wird.

Text

Begründung:

Die beiden Minderjährigen sind jugoslawische Staatsangehörige und leben in der Schweiz. Ihr Vater wurde bei einem Verkehrsunfall am 18.2.1995 getötet. Er war Insasse eines Schweizer Omnibusses, gegen den im Gemeindegebiet G*****, Bezirk F*****, ein von Hubert P***** in Selbstmordabsicht gelenkter PKW stieß. Da die für den Unfall ersatzpflichtigen Versicherer die Erbringung einer Schadenersatzleistung ablehnten, klagen die Mutter und die beiden Minderjährigen den Fachverband der Versicherungsunternehmen auf Feststellung, daß die beklagte Partei den Klägern für sämtliche zukünftige Schäden und Nachteile, welche aus diesem Verkehrsunfall resultieren, hafte.

Den Minderjährigen wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 15.4.1997, GZ 23 Cg 275/96i-6, aufgetragen, die erforderliche pflegschaftsgerichtliche Genehmigung für die Klageführung beizubringen.

Der diesbezügliche Antrag wurde vom Erstgericht abgewiesen. Die inländische Gerichtsbarkeit sei zwar zu bejahen, weil eine Schadenersatzforderung gegen ein inländisches Haftpflichtunternehmen ein im Inland befindliches Vermögen darstelle. Die Wirkungen der Pflegschaft gemäß § 27 Abs 1 IPRG seien nach dem Personalstatut des Pflegebefohlenen zu beurteilen. Dazu gehöre auch die behördliche Genehmigungspflicht von Vertretungshandlungen. Infolge der jugoslawischen Staatsbürgerschaft der Minderjährigen sei "serbisches" Recht anzuwenden. Nach diesem stehe das Elternrecht der Mutter nach dem Tod des Vaters zu. Eine Genehmigungspflicht sehe Art 121 des Gesetzes über die Ehe- und die Familienbeziehungen vom 5.6.1980 für das engere Serbien aber nur für den Bereich der Veräußerung oder Belastung des Vermögens des Kindes vor. Eine dem § 154 Abs 3 ABGB vergleichbare Bestimmung, wonach die Erhebung einer Klage der Genehmigung des Gerichtes bedürfe, fehle.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Minderjährigen nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige; der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig.

In seinen Rechtsausführungen teilte das Rekursgericht die Rechtsmeinung des Erstgerichtes über die Anwendung des serbischen Rechtes und auch den Umstand, daß nur Veräußerung oder Belastung des Vermögens des Kindes genehmigungspflichtig seien. Das Kostenrisiko in einem von den Minderjährigen eingeleiteten Prozeß könne nicht als Veräußerung oder Belastung des Vermögens des Kindes gesehen werden. Die Feststellungsklage diene bloß der Abwendung der Verjährung künftiger Schäden. Eine solche Maßnahme bedeute jedoch keine Belastung des Vermögens, sondern wäre im Gegenteil das Unterlassen einer Absicherung entsprechender Ansprüche genehmigungspflichtig. Da nach dem Personalstatut der Minderjährigen die Genehmigung der Vertretungshandlung nicht erforderlich sei, sei der Antrag abzuweisen. Nach österreichischem Recht hätte eine Genehmigung der Klageführung nicht erfolgen können, weil eine Klage auf Feststellung der Haftung für sämtliche künftigen Schäden und Nachteile nach der Judikatur unzulässig sei. Im übrigen beginne die Verjährung nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen. Die bloße Möglichkeit eines späteren Schadenseintrittes löse den Verjährungslauf nicht aus. Da der Eintritt eines Schadens überhaupt noch nicht behauptet worden sei, sei eine Feststellungsklage nicht notwendig, um die Verjährung künftiger Schadenersatzansprüche zu vermeiden.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Minderjährigen, dem schon zufolge der Notwendigkeit der nicht auf den Einzelfall beschränkten Auslegung ausländischen Rechts erhebliche Bedeutung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStG zukommt.

Der Rekurs ist auch berechtigt.

Im Gesetz über die Ehe- und die Familienbeziehungen vom 5.6.1980 für das engere Serbien bedarf die Veräußerung oder Belastung des Vermögens des Kindes der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde, ansonsten verwalten die Eltern (nach dem Tod des Vaters die Mutter) das Vermögen der Kinder bis zu deren Volljährigkeit zum Vorteil derselben. Im Gegensatz zur österreichischen Bestimmung des § 154 Abs 3 ABGB unterscheidet das ausländische Recht im Bereich des Elternrechts nicht zwischen Maßnahmen, die die ordentliche Geschäftsführung überschreiten und daher schon aus diesem Grunde der Genehmigung der Vormundschaftsbehörde bedürfen und anderen Maßnahmen, die diese nicht überschreiten. Während § 154 Abs 3 ABGB die Genehmigung des Gerichtes für Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils in Vermögensangelegenheiten, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, vorschreibt und eine demonstrative Aufzählung von die Genehmigung erfordernden Vermögensangelegenheiten nennt, darunter auch die Erhebung einer Klage, beschränkt sich das hier maßgebende ausländische Gesetz darauf, die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde für die Veräußerung oder Belastung des Vermögens zu fordern.

Belastung des Vermögens ist aber nicht nur eine grundbücherliche Belastung, sondern jede Maßnahme, die geeignet ist, das Vermögen der Minderjährigen zu mindern bzw Minderjährige zu einer Leistung zu verpflichten, ihnen wirtschaftliche Belastungen aufzuerlegen. Damit gebietet es aber der in Art 119 des zitierten Gesetzes genannte Vorteil des Kindes, zu dem die Verwaltung des Vermögens zu führen ist, daß auch Maßnahmen, die zu einer Belastung mit erheblichen Prozeßkosten führen können, der Genehmigung der Vormundschaftsbehörde auch nach Art 119 des zitierten Gesetzes bedürfen. Es ist daher zu prüfen, ob die beabsichtigte Prozeßführung im wohlverstandenen Interesse der Minderjährigen liegt oder daraus mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Vermögensnachteil etwa durch Belastung mit Prozeßkosten droht (EFSlg 51.231; 10 ObS 2158/96t, 4 Ob 200/97h).

Da jegliches Mitverschulden des beim Unfall getöteten völlig unbeteiligten Vaters der Minderjährigen als Businsasse ausscheidet, ist die Klageführung weder unnütz noch von vornherein aussichtslos, so daß nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Vermögensnachteilen zu rechnen ist. Der bisherigen Judikatur, daß die Feststellung einer Ersatzpflicht für Schäden, auf deren Beseitigung zum Zeitpunkt der Kapitalzahlung noch kein Rechtsanspruch besteht, unzulässig ist, weil die Entschädigung nach § 5 Verkehrsopferschutzgesetz durch eine einmalige Kapitalzahlung zu erfolgen hat (VR 1992/267), ist durch die Novelle zu diesem Gesetz BGBl 1993/94 dadurch der Boden entzogen worden, daß diese Gesetzesbestimmung aufgehoben wurde (Heiss/Lorenz, Versicherungsvertragsgesetz2 493; Grubmann, Die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung 161).

Das Rekursgericht hat das Feststellungsinteresse der Minderjährigen mangels Eintrittes eines Schadens und Behauptung eines solchen verneint. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Feststellungsinteresse schon dann zu bejahen, wenn die Möglichkeit offen bleibt, daß das schädigende Ereignis den Eintritt eines künftigen Schadens verursacht (SZ 68/5). Es genügt, daß sich ein Vorfall, durch den ein konkreter Schaden hätte eintreten können, bereits ereignet hat oder in Zukunft ein Schaden ohne weiteres Zutun des Schädigers eintreten kann, weil die Feststellungsklage nicht nur den Ausschluß der Verjährung, sondern auch die Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach dient (ZVR 1985/51; ÖBl 1990, 91; SZ 68/156; 5 Ob 549/93; 4 Ob 2197/96h, 2 Ob 79/97z; 2 Ob 197/97b; 1 Ob 2201/96z). Es ist dabei auf die objektive Vorhersehbarkeit abzustellen (2 Ob 93/95). Daß durch den bereits eingetretenen Tod des Vaters als schadensauslösendes Ereignis Ansprüche der Gattin und der mj.Kinder entstehen können, ist offenkundig. Auch wenn konkrete künftige Schäden noch nicht behauptet worden wären, wäre dies dann nicht erforderlich, wenn die objektive Vorhersehbarkeit künftiger Schäden, allenfalls durch Unterhaltsausfälle gegeben ist (2 Ob 2165/96p).

Das vorbeugende Rechtsschutzbegehren ist schon dann zulässig, wenn aufgrund des bestreitenden Verhaltens der Beklagten eine erhebliche objektive Ungewißheit über den Bestand der Ersatzpflicht entstanden ist und diese Ungewißheit durch die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils beseitigt werden kann. Die Feststellungsklage ist schon dann zulässig, wenn sie der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde dient. Daß bereits eingetretene Schäden mit Leistungsklage geltend zu machen sind, hindert die Feststellungsklage dann nicht, wenn durch den Leistungsanspruch der Feststellungsanspruch - hier auch wegen künftig eintretender Nachteile - nicht erschöpft ist (ZVR 1985/51).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtssätze
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