JudikaturJustiz8ObS8/06v

8ObS8/06v – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Juli 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Glawischnig und die fachkundigken Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Josef Sinzinger als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Parteien

1. mj. Astrid W*****, 2. mj. Felix W*****, vertreten durch die Mutter Astrid W*****, diese vertreten durch Dr. Charlotte Lindenberger, Rechtsanwältin in Steyr, gegen die beklagte Partei IAF-Service GmbH, Operngasse 17-21, 1040 Wien, wegen EUR 106,40 sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. März 2006, GZ 10 Rs 173/05t-11, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 14. September 2005, GZ 35 Cgs 182/05v-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Parteien wird nicht Folge gegeben. Die klagenden Parteien haben die Kosten der Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind je zur Hälfte Erben nach ihrem am 6. Jänner 2005 verstorbenen Vaters Alfred W*****. Der Vater der Kläger war vom 1. 10. 2004 bis 3. 12. 2004 als Angestellter bei der C***** AG beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete am 3. 12. 2004 durch Austritt gemäß § 25 KO. Im Konkursverfahren meldete der Vater der Kläger Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 4. 12. 2004 bis 15. 1. 2005 an. Er verstarb am 6. 1. 2005.

Mit Bescheid vom 7. 7. 2005 lehnte die Beklagte den Antrag der Kläger auf Insolvenz-Ausfallgeld für den Zeitraum vom 7. 1. bis 15. 1. (im Betrag von EUR 106,40) mit der Begründung ab, dass ihr Vater am 6. 1. 2005 verstorben sei.

Die Kläger begehren jeweils EUR 53,20 an Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 7. 1. bis 15. 1. 2005. Der nach § 25 KO austretende Dienstnehmer leite seine Ansprüche aus §§ 1162b ABGB und 29 AngG ab. Danach werde die Kündigungsentschädigung für einen 3-Monate nicht übersteigenden Zeitraum sofort fällig. Einer allfälligen anteiligen Rückforderung nach dem Tod des Dienstnehmers hätten die Erben die Einrede des gutgläubigen Verbrauchs entgegenhalten können. Die Beklagte bestritt und wendete ein, dass der Tod des Dienstnehmers einen Fall der gesetzlichen Beendigung des Dienstverhältnisses darstelle, auf den auch während der Kündigungsfrist Bedacht zu nehmen sei. Daher sei nicht allein der Zeitpunkt der Fälligkeit der Kündigungsentschädigung beachtlich, sondern sei der nachträgliche Eintritt gesetzlicher Endigungsgründe zu berücksichtigen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Anspruch auf Kündigungsentschädigung sei ein Ersatzanspruch des Arbeitnehmers für die Zeit bis zu dem durch ordnungsgemäße Kündigung herbeigeführten fiktiven Vertragsende. Der Arbeitnehmer sei finanziell so zu stellen, als wenn sein Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß aufgelöst worden wäre. Die sich aus § 29 AngG ergebenden Ansprüche seien als Schadenersatzansprüche zu qualifizieren. Durch den Tod des Arbeitnehmers während des Zeitraums, für den ein Anspruch auf Kündigungsentschädigung bestanden hätte, sei der ersatzfähige „Schaden", den der Arbeitnehmer erlitten habe, begrenzt. Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und ließ die ordentliche Revision zu.

Durch den Tod des Angestellten werde das Arbeitsverhältnis ipso jure beendet. In einer vergleichbaren Entscheidung (9 ObA 297/92) betreffend einen Lehrling der nach Konkurseröffnung gemäß § 25 KO vorzeitig ausgetreten war, habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass auch die damals vorliegende gesetzliche Beendigung des Lehrverhältnisses nach § 14 Abs 2 lit d BRG ein Ablauf der Vertragszeit im Sinn des § 1162b ABGB sei, dem Lehrling daher Kündigungsentschädigung als Schadenersatz nur bis zur Entziehung der Gewerbeberechtigung des Lehrherrn zuerkannt werden könne. Für den vorliegenden Falle ergebe sich, dass der Tod des Vaters der Kläger zu einer ipso iure Beendigung des Dienstverhältnisses geführt habe, sodass kein darüber hinausgehender Anspruch auf Kündigungsentschädigung bestehe.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil soweit die überblickbar keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, inwieweit der Tod des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist Einfluss auf die ihm zustehende Kündigungsentschädigung habe. Die Revision der Kläger ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Es ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig, dass sich aus § 25 Abs 1 KO in der hier anzuwendenden Fassung ergibt, dass der Arbeitnehmer nicht anders gestellt werden sollte, als bei sonstiger berechtigter vorzeitiger Lösung des Dienstverhältnisses. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 8 ObS 16/04t darauf hingewiesen, dass eine nicht zu übersehende Parallelität dieser gesetzlichen Anordnung zu den Bestimmungen der §§ 1162b ABGB und 29 AngG besteht. Argumente für eine differenzierende Behandlung des nach § 25 Abs 2 KO zustehenden Schadenersatzes bestünden nicht mehr. Es sei daher auch der Anrechnungsausschluss des § 1162b letzter Satz ABGB (§ 29 Abs 2 AngG) auf diesen Anspruch uneingeschränkt anzuwenden.

Ob und in welchem Umfang der Dienstnehmer Anspruch auf „Kündigungsentschädigung" hat, hängt davon ab, inwieweit ihm bei ordnungsgemäßer Beendigung des Dienstverhältnisses vertragsmäßige Ansprüche auf das Entgelt zugestanden wären. Der Arbeitnehmer soll das bekommen, was ihm ohne seine berechtigte Auflösungserklärung zugekommen wäre (Arb 10.041; 8 ObS 4/96; 8 Ob 2092/96x; 8 ObS 2261/96z ua). Richtig ist zwar, dass bereits entstandene Ansprüche grundsätzlich durch nachträglich entstandene Umstände nicht mehr wegfallen oder verringert werden können, doch wird die auf dem Schadenersatzprinzip beruhende Kündigungsentschädigung vom Gesetz selbst in ihrer Höhe und ihrer Dauer von dem Zeitraum abhängig gemacht, der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Ablauf der Vertragszeit oder durch ordnungsgemäße Kündigung hätte verstreichen müssen (§§ 1162b ABGB, 29 AngG). Da der Arbeitnehmer das bekommen soll, was ihm ohne ungerechtfertigte Auflösungserklärung des Arbeitgebers oder seine eigene, durch Umstände auf Seiten des Arbeitgebers veranlasste berechtigte Austrittserklärung zugekommen wäre, ist bei der Begrenzung der Ansprüche durch den (fiktiven) Ablauf der Vertragszeit nicht nur auf den Zeitablauf im Sinn des § 1158 Abs 1 ABGB, § 19 Abs 1 AngG, sondern auch auf vorher tatsächlich eingetretene Endigungsgründe, mit denen ein Verlust künftiger Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verbunden ist, bedacht zu nehmen (9 ObA 297/92; 8 ObS 299/00d = Arb 12.074; 8 ObS 2/05k). Auch die gesetzliche Endigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers (§ 24 AngG) ist ein Ablauf der Vertragszeit im Sinn des § 29 AngG (§ 1162b ABGB). Wie in den übrigen Fällen der ex-lege-Beendigung (vgl 9 ObA 297/92; 8 ObS 299/00d) gebührt auch in diesem Fall für den restlichen Teil der fiktiven Kündigungsfrist keine Kündigungsentschädigung.

Das in § 29 Abs 2 (§ 1162b ABGB angeordnete Verbot der Vorteilsausgleichung setzt nämlich voraus, dass für die maßgebende Zeit überhaupt ein vertragsmäßiger Anspruch auf Entgelt bestanden hätte. Der Dienstnehmer soll dadurch, dass er vorzeitig ausgetreten ist, nicht besser gestellt werden, als wenn das Dienstverhältnis noch bis zum Verstreichen der gesetzlichen Kündigungsfrist (oder der zuvor erfolgten ex-lege-Beendigung) gedauert hätte. Aus §§ 1162b ABGB und 29 AngG ergibt sich klar, dass der Gesetzgeber eine Bereicherung des Dienstnehmers verhindern wollte (Arb 10.041; 8 Ob 2092/96x; 8 ObS 2261/96z ua). Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass die Entgeltansprüche des Arbeitnehmers, der nach ordnungsgemäßer Kündigung durch den Arbeitgeber (Masseverwalter) während der Kündigungsfrist verstirbt, mit dessen Tod enden.

Die von den Rechtsmittelwerbern vertretene Rechtsansicht, dass zukünftige Entwicklungen zwar zu berücksichtigen seien, allerdings nur dann, wenn sie bei Beendigung des Dienstverhältnisses „bereits absehbar sind bzw höchstwahrscheinlich eintreten werden" kann nicht überzeugen. Diese Rechtsansicht würde zu dem unvertretbaren Ergebnis führen, dass nicht absehbare künftige Entwicklungen - wie hier der Tod des Dienstnehmers - zu der vom Gesetzgeber gerade nicht beabsichtigten Bereicherung des Dienstnehmers bzw seiner Erben führen würde.

Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.

Gründe für einen Kostenersatzanspruch der Kläger nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b wurden nicht dargelegt.

Rechtssätze
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