JudikaturJustiz8ObS49/00i

8ObS49/00i – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Februar 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Scheuch und Ignaz Gattringer in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. Reinhard S*****, als Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren des Ing. Leo D*****, vertreten durch Dr. Christian Tschurtschenthaler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Bundessozialamt K*****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 687.924,99 sA, Insolvenz-Ausfallgeld, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. November 1999, GZ 8 Rs 149/98p-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. Februar 1998, GZ 33 Cgs 55/97w-15, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der Beschluss wird hinsichtlich der Begehren von S 2.178,60 sA und S 2.632,80 sA, zusammen somit hinsichtlich S 4.811,40 sA als nichtig aufgehoben, das diesbezügliche Verfahren für nichtig erklärt und die Klage in diesem Umfang zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die W***** GmbH - eine im Firmenbuch nicht registrierte und daher rechtlich nicht existente GmbH - suchte über das AMS einen Bauleiter. Der an sie vermittelte Ing. Leo D*****, über den während des Berufungsverfahrens das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und für den Dr. Reinhard S***** als Masseverwalter bestellt worden war (in der Folge als Kläger bezeichnet), führte mit Arno K*****, der sich als Geschäftsführer dieser GmbH ausgab, ein Gespräch, das zum Abschluss eines Dienstvertrages führte.

Der Kläger wurde im September 1995 zu einem Nettogehalt von S 26.000,-- monatlich als Bauleiter eingestellt. Weiters wurde die Bezahlung eines Kilometergeldes von 4,60/km und die Übernahme der Kosten des Mobiltelefones des Klägers, das er auch dienstlich nutzen sollte, vereinbart. Im vereinbarten Betrag von S 26.000,-- netto waren keine Überstunden enthalten.

Anlässlich einer Anbotslegung Ende Februar/Anfang März 1996 erfuhr der Kläger, dass die GmbH nicht im Firmenbuch registriert ist und daher rechtlich nicht existiert. Nachdem Arno K***** Ende Mai/Anfang Juni 1996 für den Kläger nicht mehr erreichbar war und dieser schon seit Februar 1996 keine Gehaltszahlungen mehr erhalten hatte, trat er zum 31. 7. 1996 vorzeitig aus dem Dienstverhältnis aus. Zuvor hatte er bereits mit Antrag vom 4. 6. 1996 die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschafter der geplanten GmbH, darunter auch gegen Arno K***** beantragt. Diesen Antrag schränkte er in der Folge auf Arno K***** ein. Der Konkursantrag wurde mit Beschluss vom 18. 11. 1996 mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen.

Existent ist eine W***** S.L.R. mit dem Sitz in Triest, deren Geschäftsführer und einer der Gesellschafter Arno K***** ist und die den Beschluss gefasst hatte, in Österreich eine Zweigniederlassung zu gründen; dazu ist es aber nie gekommen, der diesbezügliche Antrag an das Firmenbuch wurde zurückgezogen. Der Abschluss eines Gesellschaftsvertrages wurde nicht einmal behauptet.

Der Kläger begehrt Gehaltszahlungen von Jänner bis Juli 1996 und Kündigungsentschädigung für zwei weitere Monate, jeweils samt anteiligen Sonderzahlungen, offenes Überstundenentgelt aus dem Jahr 1995 und Urlaubsentschädigung, jeweils auf der Basis eines aus S 26.000,-- netto hochgerechneten Bruttogehaltes von S 42.114,--, monatlich sowie Bauzulage, Trennungszulage für jeweils 179 Tage, Kilometergeld und Telefonkosten im Gesamtbetrag von S 673.570,39 brutto, zuzüglich Vertretungskosten im Konkursverfahren von S 11.321,80; insgesamt ergibt dies ein zunächst begehrtes Insolvenz-Ausfallgeld von S 684.892,19. In der Folge dehnte er die Klage um weitere S 2.642,80 (Einschaltkosten im Konkursverfahren gegen Arno K*****) auf den Betrag von S 687.524,99 sA aus. In rechtlicher Hinsicht bringt er vor, die GmbH habe nie existiert, weshalb für die geltend gemachte Forderung Arno K***** einzustehen habe. Der Beschluss, wonach der gegen diesen eingebrachte Konkursantrag mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden sei, begründet daher den Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld.

Die beklagte Partei, die den Anspruch des Klägers auf Insolvenz-Ausfallgeld mit Bescheid vom 8. 1. 1997 zur Gänze abgelehnt hatte, wendete ein, der Kläger sei in keinem Beschäftigungsverhältnis zu Arno K***** gestanden. Dieser sei nur nach handelsrechtlichen Vorschriften haftbar, weshalb kein anspruchsbegründender Tatbestand für die Auszahlung von Insolvenz-Ausfallgeld bestehe. Im Übrigen habe der Kläger im Verwaltungsverfahren nur Vertretungskosten von S 9.143,20 geltend gemacht, sodass die Ausdehnung dieses Betrages auf S 11.321,80 in der Klage sowie die weitere Ausdehnung um S 2.632,80 auf den Betrag von S 687.524,99 sA unzulässig sei.

Das Erstgericht sprach dem Kläger den begehrten Gesamtbetrag von S 687.524,99 samt 4 % Zinsen vom 1. 8. 1996 bis 2. 6. 1997 zu und wies nur das Zinsenmehrbegehren über den 2. 6. 1997 hinaus ab. Rechtlich war es der Meinung, dass der Abschluss des Dienstvertrages mit dem Kläger Arno K***** als Eigengeschäft zuzurechnen sei, weil er sich als geschäftsführender Gesellschafter einer nicht existenten GmbH ausgegeben habe.

Das Berufungsgericht hob nach ordnungsgemäßer Wiederaufnahme des unterbrochenen Rechtsmittelverfahrens (vgl Beschluss des OGH vom 9. 9. 1999, 8 ObS 42/99y) infolge der Berufung der beklagten Partei das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Sozialrechtssache zur Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass der Arbeitgeber als Pendant zum Arbeitnehmer im Arbeitsrecht nicht gesetzlich definiert sei. Bei der Lösung eines konkreten Falles sei gemäß der für Verträge geltenden Vertrauenstheorie zu prüfen, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers objektiv gesehen darauf vertrauen durfte, dass der Erklärende im eigenen Namen als Arbeitgeber bzw als Vertreter für einen bestimmten Arbeitgeber aufgetreten sei. Der Vertragspartner des Klägers Arno K***** habe sich als Geschäftsführer einer nicht existenten GmbH ausgegeben; er ließ aber jedenfalls keinen Zweifel offen, mit dem Kläger einen Arbeitsvertrag abzuschließen, der von beiden Seiten zumindest einige Monate hindurch erfüllt wurde. Nach der erwähnten Vertrauenstheorie sei daher Arno K***** selbst als Vertragspartner des Klägers anzusehen. Der Beschluss vom 18. 11. 1996 auf Abweisung des Konkurses gegen Arno K***** mangels kostendeckenden Vermögens eröffnet daher dem Kläger grundsätzlich die Möglichkeit, Insolvenz-Ausfallgeld zu begehren.

Es sei eine sogenannte echte Nettolohnvereinbarung getroffen worden, die zulässig sei. Der Kläger habe daher seine Ansprüche auf der Basis des vereinbarten Nettogehaltes geltend zu machen, jedoch sei vom Erstgericht kein diesbezüglicher Auftrag an den Kläger erteilt worden. Das erstgerichtliche Verfahren sei somit in einem wesentlichen Punkt mangelhaft geblieben, der schon allein zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen müsse. Im angefochtenen Urteil sei unbekämpft festgestellt, dass der Kläger ab Februar 1996 kein Entgelt mehr erhalten habe; es sei daher nicht nachvollziehbar, warum das Erstgericht den Kläger bereits ab Jänner 1996 ausstehende Gehaltszahlungen zuspreche. Weiters sei festgestellt, dass eine Bauzulage und Trennungszulage nach den kollektivvertraglichen Bestimmungen für Angestellte im Baugewerbe vereinbart sei. Es werde daher das Erstgericht zu erörtern und festzustellen haben, inwieweit nach diesen Bestimmungen dem Kläger eine solche Bauzulage und Trennungszulage zustehe, zumal aus den Verfahrensergebnissen hervorgehe, dass er vielfach Kalkulationstätigkeiten durchgeführt habe, die üblicherweise nicht auf der Baustelle erfolgten.

Im Zuge der sukzessiven Kompetenz sei es dem Kläger im Verfahren nach § 65 Abs 1 Z 7 ASGG verwehrt, sein Begehren vor Gericht auf einen anderen Rechtsgrund zu stützen, als vor dem Bundessozialamt. Auch im Rahmen einer Klagsänderung oder Klagsausdehnung sei es nicht zulässig, das Begehren auf einen neuen Rechtsgrund zu stützen. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei § 86 ASGG für Sozialrechtssachen nach § 65 Abs 1 Z 7 ASGG nicht anwendbar, was zur Folge habe, dass jede Änderung der Klage hinsichtlich des Ausmaßes der Versicherungsleistung unzulässig sei. Diese Rechtsansicht widerspreche aber nach Ansicht des Berufungsgerichtes dem Wortlaut des § 86 ASGG, weshalb es dennoch eine Klagsausdehnung oder -erweiterung gegenüber dem beim Bundessozialamt gestellten Antrag für zulässig halte, soweit sie sich auf denselben Rechtsgrund beziehe. Dies sei hinsichtlich der Vertretungskosten im Rahmen der Bestellung eines Zustellkurators der Fall. Hinsichtlich der Klagsausdehnung um S 2.632,80 bedürfe es aber näherer Feststellungen, um beurteilen zu können, ob dieser Betrag noch zu den Vertretungskosten zähle und daher vom ursprünglichen Rechtsgrund mitumfasst sei.

Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren auch zu berücksichtigen haben, dass von den zuerkannten Kostenforderungen keine Zinsen gebührten, da § 1 Abs 2 Z 4 IESG und § 3 Abs 2 Z 2 IESG nicht zitiert seien.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil den Fragen der Erweiterung des Anspruchs gegenüber dem Antrag vor dem Bundessozialamt und der Zulässigkeit einer Klagsausdehnung erhebliche Bedeutung zukomme und eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss hinsichtlich der Beträge von S 2.178,60 und S 2.632,80 wegen Nichtigkeit aufzuheben, das diesbezügliche Verfahren für nichtig zu erklären und die Klage insoweit zurückzuweisen; im Übrigen in der Sache selbst dahin zu entscheiden, dass der angefochtene Beschluss im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens abgeändert werde, oder aber den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass das gesamte Klagebegehren abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist zulässig und hinsichtlich der Unzulässigkeit der Klagserweiterung im gerichtlichen Sozialgerichtsverfahren auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Seit der Entscheidung 8 ObS 1, 10/96 (DRdA 1996, 426 = WBl 1996, 367

= ZIK 1997, 33), in der der Oberste Gerichtshof seine frühere

Rechtsprechung (9 ObS 28-30/93, DRdA 1994, 271 = ecolex 1994, 419 =

WBl 1994, 201) ausführlich begründet ablehnte, vertritt er nunmehr in ständiger Rechtsprechung (8 ObS 2153/96t; 8 ObS 354/97k; 8 ObS 113/98w) die Ansicht, dass auch eine quantitative Klagsänderung unzulässig ist. Entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts hat sich der Oberste Gerichtshof in der zuerst genannten Entscheidung ausführlich mit dieser Frage auseinandergesetzt und ist zu Recht zum Ergebnis gelangt, dass diese Bestimmung dahingehend teleologisch zu reduzieren ist, dass sie im gerichtlichen Sozialrechtsverfahren nach dem IESG nicht zur Anwendung gelangt. Der Kläger hat im Verwaltungsverfahren nach dem IESG Vertretungskosten gemäß § 1 Abs 2 Z 4 lit f IESG von S 9.143,20 geltend gemacht. In der Klage hingegen hat er Vertretungskosten in Höhe von S 11.321,80 geltend gemacht. Für den Differenzbetrag, ds S 2.178,60 liegt daher jedenfalls Unzulässigkeit des Rechtsweges vor, weil dieser Betrag nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens nach dem IESG war. Gleiches gilt hinsichtlich des Betrages von S 2.632,80 (Ausdehnung des Klagebegehrens um Barauslagen des Konkursverfahrens in der Tagsatzung vom 6. 11. 1997).

Der erkennende Senat sieht sich durch die Ausführungen des Berufungsgerichtes nicht veranlasst, von seiner wohl durchdachten Rechtsprechung abzugehen, die auch von der Lehre (Liebeg IESG2 260 und 264 f) geteilt wird.

Infolge dessen war in diesem Umfang der Beschluss des Berufungsgerichtes als nichtig aufzuheben, das diesbezügliche Verfahren für nichtig zu erklären und die Klage insoweit zurückzuweisen.

Im Übrigen bekämpft die beklagte Partei den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts in einem einzigen weiteren Punkt und legt hierauf das Schwergewicht ihrer Rechtsausführungen, nämlich ob im Rahmen der "Handelndenhaftung nach § 2 GmbHG" Insolvenz-Ausfallgeld gebühre; hiezu fehle eine explizite Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, sodass der Rekurs auch wegen dieser weiteren erheblichen Rechtsfrage zulässig sei.

Die Revisionswerberin gesteht zu, dass dem Kläger dann Insolvenz-Ausfallgeld aus Anlass der Abweisung des Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens gegen Arno K***** zustehen könnte, wenn man die Ansicht vertrete, im Rahmen der Handelndenhaftung iSd § 2 GmbHG gebühre ebenfalls Insolvenz-Ausfallgeld. Sie meint aber, dass nach dem IESG ausschließlich Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gegen den (ehemaligen) Arbeitgeber gesichert seien. Mit der Verweisung auf die "gegen den Arbeitgeber" zustehenden Ansprüche habe das Gesetz abschließend den Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld bei Bestehen von gegen den Nichtarbeitgeber zu richtenden Ansprüchen verneint. § 2 Abs 1 zweiter Satz GmbHG ordne bloß eine Haftung - und nicht etwa ein primäres Schuldverhältnis (in concreto: Arbeitsvertrag) - an. Diese Haftung habe Sicherungsfunktion und werde als eine Art Garantiehaftung angesehen. Gerade die Sicherungsfunktion und das Vorliegen einer Art Garantiehaftung sprächen gegen die Sicherung der geltend gemachten Ansprüche nach dem IESG, weil keine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gegen den Arbeitgeber, sondern solche gegen einen Dritten, dessen Haftung explizit normiert werde, vorlägen.

Dass keine ausdrückliche oberstgerichtliche Rechtsprechung zur hier strittigen Frage vorliegt, stimmt nur insofern, als zur Zeit der Revisionserhebung keine vorgelegen ist. Die Revision muss daher auch aus diesem Grunde als zulässig angesehen werden. Sie ist aber in diesem Punkt nicht berechtigt, auch wenn der erkennende Senat nicht ganz die diesbezügliche Begründung der Vorinstanzen teilt, Vertragspartei des Klägers sei nach der Vertrauenstheorie Arno K***** gewesen.

Der erkennende Senat hatte sich erst kürzlich in der Entscheidung vom 10. 12. 1998, 8 ObS 162/98a (DRdA 1999, 291 mit kritischer Glosse von Geist) mit dieser Frage zu befassen und führte dort zusammengefasst aus:

"Zweck des IESG ist die sozialversicherungsrechtliche Sicherung von Entgeltansprüchen und sonstigen aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden Ansprüchen von Arbeitnehmern im Falle der Insolvenz ihres Arbeitgebers. Es sind nur jene Ansprüche gesichert, die mit den ein Arbeitsverhältnis kennzeichnenden Haupt- und Nebenpflichten in einem solchen Sachzusammenhang stehen, dass davon ausgegangen werden kann, die Ansprüche hätten ihren Entstehungsgrund letztlich im Arbeitsverhältnis (DRdA 1992, 383; SZ 69/195 ua). Voraussetzung des Anspruchs auf Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld ist daher gemäß § 1 Abs 1 IESG unter anderem, dass über das Vermögen des Arbeitgebers (ehemaligen Arbeitgebers) im Inland der Konkurs eröffnet wird oder dieser Tatsache gleichzusetzende vom Gesetz aufgezählte Maßnahmen getroffen werden.

Es muss hier nicht näher darauf eingegangen werden, dass nach neuerer Rechtsprechung zwischen der Vorgründungsgesellschaft, also dem Zusammenschluss von Personen, die eine GmbH erst gründen wollen, und der Vorgesellschaft, also dem Gesellschaftsverhältnis, das zwischen dem Abschluss des die GmbH errichtenden Gesellschaftsvertrages und der Eintragung dieser Gesellschaft im Firmenbuch besteht, unterschieden wird. Die Handelndenhaftung des § 2 Abs 1 zweiter Satz GmbHG findet dabei lediglich für die Vorgesellschaft Anwendung, während die Vorgründungsgesellschaft, die kein Vollhandelsgewerbe betreibt, als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu beurteilen ist, für deren Verbindlichkeiten alle Gesellschafter persönlich unbeschränkt und solidarisch haften (SZ 54/69; SZ 60/221; EvBl 1998/168 je mwH).

Gemäß § 2 Abs 1 erster Satz GmbHG besteht die Gesellschaft vor der Eintragung in das Firmenbuch als solche nicht. Nach dem zweiten Satz dieses Absatzes haften die Handelnden persönlich zur ungeteilten Hand (Gesamtschuldner), wenn vor diesem Zeitpunkt im Namen der Gesellschaft gehandelt wird. Kommt es zur Entstehung der GmbH, so kann nach § 2 Abs 2 GmbHG die ins Leben getretene Gesellschaft, soweit kein "automatischer Übergang" etwa für Gründungskosten stattfindet, mit dem für sie Handelnden den Eintritt in die vor ihrer Eintragung in ihrem Namen eingegangenen Verbindlichkeiten (Schuldübernahme) auch ohne Zustimmung der Gläubiger binnen drei Monaten nach der Eintragung vereinbaren und dem Gläubiger mitteilen.

Wenngleich sich die Haftungsbestimmung des § 128 HGB, wonach die Gesellschafter der Personengesellschaften des Handelsrechts für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich haften, im Wesentlichen mit jener des § 2 Abs 1 zweiter Satz GmbHG deckt, besteht doch aus arbeitsrechtlicher Sicht der wesentliche Unterschied, dass die Personengesellschaften des Handelsrechts selbst Dienstgeber sein können und somit die Haftung ihrer Gesellschafter zur bestehenden Haftung des Arbeitgebers hinzutritt. Folgerichtig hat der erkennende Senat daher in SZ 69/19 ausgesprochen, dass die Pflicht der Gesellschafter zur Lohnzahlung sich nicht auf den mit der Gesellschaft abgeschlossenen Arbeitsvertrag gründe, sondern außerhalb desselben auf die gesetzliche Haftungsbestimmung, weshalb im Konkurs der Gesellschafter die gegen sie gerichteten Lohnzahlungsansprüche nicht nach dem IESG gesichert seien. Der Fall der Vorgesellschaft im Sinn des § 2 GmbHG stellt sich aber insoweit völlig anders dar, als im Stadium vor Eintragung der Gesellschaft in das Firmenbuch die noch nicht bestehende Gesellschaft nicht Arbeitgeber sein kann, sondern tatsächlich der für sie Handelnde in dieser Funktion auftritt. Dass § 2 Abs 1 zweiter Satz GmbHG nicht die Haftung eines zahlungspflichtigen Dritten normiert, ergibt sich klar aus § 2 Abs 2 GmbHG, wonach die eingetragene Gesellschaft an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in RdW 1988, 290 ausgesprochen, dass dann, wenn die Gründung einer GmbH in Wahrheit nicht beabsichtigt gewesen sei, der Handelnde unbeschadet der Bestimmung des § 2 Abs 1 zweiter Satz GmbHG selbst Vertragspartner werde, weil nicht gesagt werden könne, dass er im Namen der Gesellschaft gehandelt habe. Es ist nicht zu erkennen, welchen Unterschied es für den darüber uninformierten Arbeitnehmer machen kann, ob die Eintragung der GmbH von vornherein nicht geplant war oder ob die Eintragung in der Folge aus anderen Gründen unterblieb. In beiden Fällen erscheint der Arbeitnehmer gleich schutzwürdig, zumal der Gesetzgeber für letzteren Fall im § 2 GmbHG ausdrücklich Vorsorge getroffen hat (vgl SZ 48/141; DRdA 1979, 295; 1 Ob 565/87). Der erkennende Senat tritt daher der Entscheidung WBl 1995, 207 bei, in welcher, wenngleich im Zusammenhang mit der Richtigstellung einer Parteienbezeichnung, ausgesprochen wurde, dass der im Rahmen der Vorgesellschaft als Geschäftsführer aufgetretene Beklagte und nicht die nicht existent gewordene GmbH Partner des Arbeitsvertrages mit dem Kläger sei und deshalb für dessen Entgeltforderungen einzustehen habe (vgl auch SZ 60/221). Die Ansicht Liebegs, Insolvenzentgeltsicherungs- gesetz2 § 1 Rz 138, der unter Berufung auf die zitierte Entscheidung ecolex 1994, 561 die Handelndenhaftung gemäß § 2 GmbHG mit jener des Scheinarbeitgebers oder des zahlungspflichtigen Dritten gleichsetzt, kann daher nicht geteilt werden."

Diese Entscheidung wurde kürzlich von Geist (DRdA 1999, 293) aus dogmatischen Gründen heftig kritisiert; sie befinde sich aus der Sicht der Vorgesellschaftsdogmatik "auf dem Stand des vorigen Jahrhunderts" und nehme zuwenig auf die (durchaus nicht einhellige [siehe die zahlreichen Nachweise bei Geist aaO 293 f]) Lehre zu § 2 GmbHG Rücksicht. Hätte man diese berücksichtigt, hätte man mit ihm (Geist) und anderen zur Auffassung gelangen müssen, dass die Vorgesellschaft auch rechtsfähig und somit Arbeitgeber sei oder sie zumindest als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (bzw, wenn bereits ein Vollhandelsgewerbe gegeben sei, als OHG) qualifizieren müssen, sodass, soweit eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vorliege, dieser in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit die Funktion des Arbeitgebers zukomme.

Mit dieser rein gesellschaftsrechtlichen Argumentation übergeht Geist völlig den Zweck des IESG, die Arbeitnehmer gegen die typischerweise nicht anwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche zu sichern, auf die sie zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhaltes sowie des Lebensunterhaltes ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind. Dieser Zweck erfordert es, dem Arbeitnehmer die Inanspruchnahme dieser Sicherung in zumutbarer Weise auch dann zu ermöglichen, wenn sein in Aussicht genommener Arbeitgeber rechtlich nicht existent wird.

Kam es, wie im vorliegenden Fall, nicht einmal zum Abschluss des Gesellschaftsvertrages und damit zur Gründung der als Arbeitgeber vorgesehenen GmbH, wäre es für die auf das vorenthaltene Entgelt angewiesenen Arbeitnehmer in der Regel unzumutbar, vorerst zu erkunden, für welche allfälligen Gesellschafter die als Vertreterin der nicht existenten GmbH auftretende natürliche Person tätig wurde, ob diese nach ihrem Erklärungsverhalten beabsichtigten, sich an der Gesellschaft zu beteiligen und ob sie die für die zu gründende Gesellschaft auftretende Person mit ihrer Vertretung beim Abschluss des Arbeitsvertrages betraut hatten, um sodann gegen diese Personen unter Bescheinigung dieser ihre Haftung für die Entgeltforderungen begründenden Umstände - als Voraussetzung für die Erlangung der Sicherung nach dem IESG - Konkursantrag zu stellen.

Der Oberste Gerichtshof hält daher ungeachtet der nur gesellschaftsrechtliche Aspekte berücksichtigenden Kritik Geists daran fest, dass - jedenfalls im Fall einer bloßen Vorgründungsgesellschaft als Partner des Arbeitsvertrages - der Arbeitnehmer Insolvenzausfallgeld bereits beanspruchen kann, wenn bezüglich des für die Gesellschaft Handelnden ein Tatbestand nach § 1 Abs 1 IESG vorliegt, sofern die beklagte Partei nicht beweist, dass dem Arbeitnehmer die Inanspruchnahme der (übrigen) Gesellschafter möglich und zumutbar gewesen wäre, da der für die nicht existent gewordene Gesellschaft Handelnde regelmäßig der einzige Haftende ist, auf den der Arbeitnehmer ohne unzumutbare Nachforschungen und nicht zu erbringende Beweise greifen kann.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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