JudikaturJustiz8ObA62/16z

8ObA62/16z – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Juni 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Nicolai Wohlmuth und Dr. Ingomar Stupar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen 22.174,92 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 14. April 2016, GZ 15 Ra 66/15s 30, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits und Sozialgericht vom 11. Juni 2015, GZ 16 Cga 129/13w 25, Folge gegeben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, verworfen.

Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben und die Entscheidung des Berufungsgerichts mit der Maßgabe bestätigt, dass sie zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 22.174,92 EUR brutto samt 8,38 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag ab 1. 7. 2012 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 10.273,64 EUR (darin enthalten 917 EUR Barauslagen und 1.559,44 EUR USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.934,56 EUR (darin 307,46 EUR USt und 1.088 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.489,86 EUR (darin enthalten 248,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war von 10. 9. 1990 bis 30. 6. 2012 bei der Beklagten als Flugkapitän beschäftigt. Auf das Beschäftigungsverhältnis war der Kollektivvertrag für das Bord Personal der A***** und L***** (im weiteren: KV Bord) samt Garantieerklärung sowie der Zusatzkollektivvertrag 2 und der Zusatzkollektivvertrag „Einsparungspaket“ anzuwenden.

Im Betrieb der Beklagten herrschte aufgrund diverser Berichte über die wirtschaftliche Lage und interner Mitteilungen durch die Geschäftsleitung und den Betriebsrat große Unsicherheit. Die Geschäftsleitung entschloss sich, um Planungssicherheit darüber zu erhalten, wie viele Piloten im Unternehmen verbleiben, bei entsprechendem Interesse einvernehmlichen Auflösungen des Arbeitsverhältnisses zuzustimmen, was mündlich kolportiert wurde. Die einzelnen Piloten, darunter der Kläger, bekundeten Interesse an einer einvernehmlichen Auflösung durch Eintragung in eine Liste in der Personalabteilung. In einem E Mail wurde der Kläger über die Konditionen einer solchen einvernehmlichen Auflösung informiert. Unter anderem hieß es darin: „Sie erhalten die zum Austrittsstichtag gemäß Punkt 8, Unterpunkt 60.2.1 Zusatz KV 2 zustehende Abfertigung (die Versteuerung des Abfertigungsbetrags erfolgt nach geltender Rechtslage mit 6 %). (...) Über diese Konditionen hinaus können keine weiteren Vereinbarungen getroffen werden. Sie haben die Möglichkeit, uns bis spätestens 15. 4. 2012 rechtsverbindlich Bescheid zu geben, ob Sie ihr Dienstverhältnis zu den oben angeführten Konditionen einvernehmlich auflösen möchten.“

Am 15. 4. 2012 unterfertigten Verantwortliche der Beklagten sowie der Kläger ein Schreiben in dem es auszugsweise heißt: „Wir beziehen uns auf die mit Ihnen geführten Gespräche und halten hiermit fest, dass das mit Ihnen bestehende Dienstverhältnis, auf Initiative des Unternehmens, einvernehmlich per 30. 6. 2012 (d.i. der Austrittstag) aufgelöst wird. Es wird ausdrücklich festgehalten, dass die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses einer Dienstgeberkündigung gleichzuhalten ist.

(...)

Sie erhalten zum Austrittstag, gegen Abgabe des vollständig unterschriebenen Austrittsscheines, ihre Endabrechnung beinhaltend eine kollektivvertragliche Abfertigung gemäß Punkt 60.2.1 des KV Bord im Ausmaß des 36 fachen Bruttomonatsgehalts (d.i. Grundgehalt plus Flugzulage, jedoch ohne anteilige Sonderzulagen).“

Der Kläger begehrt die Zahlung von 22.174,92 EUR sA und bringt vor, ihm und anderen Kapitänen sei die einvernehmliche Auflösung des von der Beklagten als besonders teuer empfundenen Dienstverhältnisses zu den Bedingungen einer Arbeitgeberkündigung angeboten worden. In der Vereinbarung sei festgehalten worden, dass die einvernehmliche Beendigung des Dienstverhältnisses einer Dienstgeberkündigung gleichzuhalten sei. Er habe daher Beendigungsansprüche wie bei einer objektiv betriebsbedingten Kündigung im Sinn von Punkt 4 des Zusatzkollektivvertrags „Einsparungspaket“. Die Abfertigung sei daher von jener Bemessungsgrundlage zu errechnen, die gegolten hätte, wenn kein Einsparungspaket vereinbart worden wäre. Im Übrigen sei der Zusatzkollektivvertrag „Einsparungspaket“ mit 20. 3. 2012 einvernehmlich beendet worden und habe daher zum Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses des Klägers nicht mehr gegolten.

Die Beklagte bestritt und brachte vor, die Abfertigung richte sich sowohl aufgrund des Gesetzes als auch nach dem Kollektivvertrag nach dem letzten Bruttomonatsgehalt. Auf dieser Basis, dem um den Krisenbeitrag auf 95 % gekürzten Entgelt, sei sie auch ausbezahlt worden. Nach dem Zusatzkollektivvertrag „Einsparungspaket“ stehe die ungekürzte Bemessungsgrundlage für die Abfertigungsberechtigung nur dann zu, wenn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf einer „objektiv betriebsbedingten Kündigung“ beruhe. Die Beklagte sei aber an keinem Personalabbau interessiert gewesen, betriebliche Erfordernisse hätten vielmehr eine Weiterbeschäftigung erfordert. Die Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses seien daher beim Arbeitnehmer gelegen. Hinsichtlich einer Beendigung des Zusatzkollektivvertrags „Einsparungspaket“ sei es zu keiner Einigung gekommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Zusatzkollektivvertrag „Einsparungspaket“ sehe eine Auszahlung des höheren, vom Kläger begehrten Betrags an Abfertigung nur für den Fall einer objektiv betriebsbedingten Kündigung vor. Die Initiative für die einvernehmliche Auflösung sei aber vom Kläger ausgegangen. Es sei daher nur von einer Gleichstellung mit einer Dienstgeberkündigung, nicht einer objektiv betriebsbedingten Dienstgeberkündigung auszugehen.

Der Zusatzkollektivvertrag „Einsparungspaket“ habe zum Zeitpunkt der einvernehmlichen Auflösung noch gegolten. Es sei befristet gewesen und könne daher nicht einseitig aufgelöst werden, zu einer einvernehmlichen Auflösung sei es nicht gekommen.

Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht Folge und änderte das Ersturteil dahingehend ab, dass es dem Klagebegehren stattgab. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass es zu keiner einvernehmlichen Beendigung des Zusatzkollektivvertrags „Einsparungspaket“ gekommen sei. Die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung sei jedoch anders als vom Erstgericht auszulegen. Zwar lasse sich aus der Formulierung, die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses sei einer „Dienstgeberkündigung gleichzuhalten“, nicht eindeutig ableiten, ob es sich um eine Kündigung im Sinn des Punkt 4 des Zusatzkollektivvertrags „Einsparungspaket“ handle, da die Formulierung auch als klarstellende Anführung der Rechtsgrundlage verstanden werden könne. Im Vertragstext heißt es jedoch auch, dass das Dienstverhältnis „auf Initiative des Unternehmens“ beendet werde. Dies könne aber nur dahingehend verstanden werden, dass die einvernehmliche Auflösung nicht nur wie eine Dienstgeberkündigung, sondern wie eine objektiv betriebsbedingte Dienstgeberkündigung im Sinne des Zusatzkollektivvertrags „Einsparungspaket“ zu verstehen sei. Dem Kläger stünde daher die Differenz im Abfertigungsbetrag zu.

Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil die Entscheidung auch die Auslegung kollektivvertraglicher Normen zum Gegenstand habe, denen über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das klagsabweisende Ersturteil wiederherzustellen, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Die Beklagte sieht eine Nichtigkeit des Berufungsurteils darin, dass der Zuspruch der Zinsen nach § 49a ASGG nicht begründet wurde. Eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt aber nur dann vor, wenn die Fassung des Urteils so mangelhaft ist, dass sich dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vornehmen lässt oder das Urteil mit sich selbst im Widerspruch steht oder für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind. Eine mangelhafte Begründung oder das Fehlen einer rechtlichen Begründung zu einzelnen Fragen begründet hingegen keine Nichtigkeit (RIS Justiz RS0042203). Die Revision war daher, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, zu verwerfen.

2.1. Die Beklagte behauptet weiters eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, weil das Berufungsgericht dadurch, dass es eine bestimmte Wendung der Auflösungsvereinbarung zur tragenden Grundlage seiner rechtlichen Beurteilung gemacht habe, seinen Nachprüfungsrahmen überschritten habe.

Richtig ist, dass der Grundsatz, dass aus Anlass der Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung durch ein Rechtsmittelgericht die Gesetzmäßigkeit einer Entscheidung nach allen Richtungen zu prüfen ist, dann nicht gilt, wenn ein Tatbestand von mehreren selbständigen rechtserzeugenden Tatsachen abgeleitet wird und sich die Rechtsausführungen nur auf eine dieser Tatsachen, nicht aber auch auf die anderen beziehen (RIS Justiz RS0043338; RS0043352 [T23, T26, T34]). Rechtsgründe, denen in sich geschlossene, also selbständige rechtserzeugende Tatsachen zugrunde liegen, muss der Rechtsmittelwerber geltend machen, damit sie nicht aus dem Nachprüfungsrahmen herausfallen.

Dabei übersieht die Beklagte aber, dass das Berufungsgericht – so wie der Kläger in seiner Berufung – den Anspruch auf die höhere Abfertigung aus der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung ableitet, die einvernehmliche Auflösung sei einer Dienstgeberkündigung gleichzuhalten. Zur Auslegung des Begriffs „Dienstgeberkündigung“ ist jedoch nicht nur dieser Satz, sondern wie es den noch darzulegenden Regeln der Vertragsauslegung entspricht – unter anderem – der gesamte Urkundeninhalt heranzuziehen. Insoweit liegt keine Überschreitung der geltend gemachten Anspruchsgrundlage vor.

2.2. Die Beklagte moniert weiters eine Überraschungsentscheidung durch das Berufungsgericht. Dieses hätte seine Rechtsansicht in Bezug auf das Verständnis der Wendung „auf Initiative des Unternehmens“ mit den Parteien zu erörtern gehabt.

§ 182a ZPO normiert die Pflicht des Gerichts, das Sach und Rechtsvorbringen der Parteien mit diesen zu erörtern. Außer in Nebenansprüchen darf das Gericht seine Entscheidung auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, nur stützen, wenn es diese mit den Parteien erörtert und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Kommt das Gericht dieser Verpflichtung nicht nach, kann dies einen Verfahrensmangel darstellen. Ein solcher kann aber nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er zumindest abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu verhindern. In einer Verfahrensrüge wegen Verletzung der Pflichten des § 182a ZPO hat der Rechtsmittelwerber darzustellen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er aufgrund der von ihm nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte. Solches Vorbringen verstößt nicht gegen das Neuerungsverbot, weil es noch nicht als Prozessvorbringen zu werten ist. Der Rechtsmittelwerber muss aber dartun, dass der Verfahrensmangel erheblich ist, sich auf das Ergebnis des Verfahrens auswirken kann. Dies kann er nur durch Ausführung jenes Vorbringens, das er, über die relevante Rechtsansicht informiert, erstattet hätte (RIS Justiz RS0120056 [T2]). Ein derartiges Vorbringen wird von der Beklagten in der Revision aber nicht dargestellt. Sie verweist vielmehr auf ein Vorbringen in Punkt III.2., der aber in der Revision nicht enthalten ist. Auch aus dem übrigen Revisionsinhalt lässt sich ein entsprechendes Vorbringen nicht erkennen.

2.3. Soweit die Beklagte eine Überraschungsentscheidung darin sieht, dass vom Berufungsgericht Zinsen nach § 49a ASGG zugesprochen wurden, ohne dass diese erörtert wurde, so übersieht sie, dass § 182a ZPO ausdrücklich die Entscheidung über Nebenansprüche, zu denen Zinsen gehören, ausnimmt.

2.4. Eine weitere Mangelhaftigkeit sieht die Beklagte darin, dass das Zinsenbegehren nicht begründet wurde.

Von einer mangelnden Begründung wird gesprochen, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt. Ein Urteilsmangel muss nicht solcherart sein, dass die Überprüfbarkeit völlig ausgeschlossen ist. Es genügt vielmehr eine Unklarheit, die logisch begründete Zweifel an der Überprüfungsfähigkeit des Urteils auftauchen lässt. Dass das Berufungsgericht im Gesetz vorgesehene Zinsen zugesprochen hat, ohne sich mit dem nicht näher substantiierten Einwand der Beklagten, ihre Rechtsansicht sei „vertretbar“ auseinanderzusetzen, macht das Urteil aber nicht unüberprüfbar.

2.5. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass das Berufungsgericht im Urteil kein Datum für den Beginn des Zinslaufs festgelegt hat, ist dies zwar richtig. Es handelt sich jedoch um einen nach § 419 ZPO berichtigungsfähigen Mangel.

3. Vor Eingehen auf die Rechtsrüge ist festzuhalten, dass weder die Beklagte, noch der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts wenden, dass es zu keiner einvernehmlichen Auflösung des Zusatzkollektivvertrags „Einsparungspaket“ gekommen sei. Auf diesen Punkt muss daher nicht weiter eingegangen werden. Der Vollständigkeit halber ist zusätzlich aber darauf zu verweisen, dass der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 8 ObA 77/15d diese Rechtsansicht des Berufungsgerichts, auf Grundlage vergleichbarer Feststellungen geteilt hat.

3.1. Zur Auslegung der einvernehmlichen Auflösung verweist die Beklagte darauf, dass diese einer objektiv betriebsbedingten Kündigung nicht gleichgesetzt werden dürfe. Dieser Begriff sei entsprechend § 105 ArbVG auszulegen. Es gebe nicht nur objektiv betriebsbedingte und subjektiv betriebsbedingte Kündigungen. Vielmehr müsse es auch weitere Formen der Arbeitgeberkündigung geben. Die Beklagte habe keinen Grund gehabt, den Kläger zu kündigen, die Initiative für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei vielmehr von ihm ausgegangen. Die Formulierung des Einleitungssatzes des Schreibens habe steuerrechtliche Gründe gehabt.

3.2. Unstrittig wurde das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien einvernehmlich aufgelöst. In der einvernehmlichen Auflösung wurde vereinbart, dass dem Kläger die kollektivvertragliche Abfertigung zusteht. In welcher Höhe, ist daher durch Vertragsauslegung zu ermitteln. Nach § 914 ABGB ist dabei nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (RIS Justiz RS0017797). Ziel der einfachen Auslegung ist die Ermittlung der Absicht der Parteien. Es ist also zwar zunächst vom Wortsinn und seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, aber in weiterer Folge auch der Wille der Parteien im Sinn der dem Erklärungsempfänger erkennbaren Absicht des Erklärenden zu beurteilen. Die Auslegung der Erklärung ist am Empfängerhorizont zu messen, wobei die aus der Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen sind, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen und verständigen Menschen zu verstehen war. Auf konkrete Umstände, namentlich auf den Geschäftszweck und die Interessenlage ist hiebei Bedacht zu nehmen (RIS Justiz RS0113932).

Soweit die Beklagte wiederholt darauf verweist, dass schon aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses handelt, die der Zustimmung des Arbeitnehmers bedarf, diese nicht als objektiv betriebsbedingte Dienstgeberkündigung „zu qualifizieren“ sein könne, verkennt sie, dass es nicht um die „Qualifizierung“ der Beendigungsvereinbarung geht, sondern um die Auslegung der darin enthaltenen Formulierung, dass die einvernehmliche Auflösung „einer Dienstgeberkündigung“ gleichzuhalten ist. Daraus lässt sich ableiten, dass, sofern in der Vereinbarung nicht ausdrücklich anderes festgehalten ist, die Parteien wollten, dass die Ansprüche des Arbeitnehmers aus der einvernehmlichen Auflösung denen einer Arbeitgeberkündigung entspricht. Im Fall der Abfertigung sieht Punkt 4 Abs 3 des Zusatzkollektivvertrags „Einsparungspaket“ vor, dass bei objektiv betriebsbedingten Dienstgeberkündigungen die Abfertigung von der ungekürzten Bemessungsgrundlage zu berechnen ist. Bereits in der Entscheidung 8 ObA 77/15d hat der Oberste Gerichtshof zu dieser Kollektivvertragsbestimmung ausgeführt, dass bei einem offenen Begriffsverständnis alle vorstellbaren Gründe für die Kündigung eines Dienstverhältnisses entweder unter „betriebsbedingte“ oder „personenbedingte“ eingeordnet werden können. Nach dem arbeitsverfassungsrechtlichen Begriffsverständnis beziehe sich eine „objektiv betriebsbedingte“ Kündigung auf betriebsbezogene Umstände oder Vorgänge, die nichts mit der Person des Gekündigten zu tun haben. Es handle sich allgemein um wirtschaftliche, technische oder organisatorische Belange, die auch keine Notlage voraussetzten, sondern der freien unternehmerischen Entscheidung des Dienstgebers überlassen seien. Aufgrund dieser Auslegung wurden die Ansprüche nach einer privilegierten Dienstnehmerkündigung gemäß § 3 Abs 5 AVRAG wie bei einer „objektiv betriebsbedingten“ Kündigung errechnet. Dem folgte auch die Entscheidung 9 ObA 76/16s.

Nun ist der Beklagten darin zu folgen, dass diese Ausführungen hier nicht zugrunde gelegt werden können, weil es sich um keine Dienstgeberkündigung oder privilegierte Dienstnehmerkündigung, sondern um eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses handelt. Sie können aber insofern nutzbar gemacht werden, als sich daraus ergibt, dass letztlich jede Kündigung einem betriebsbedingten oder personenbedingten Grund zugeordnet werden kann. Wenn daher in der Vereinbarung die Formulierung enthalten ist, dass die Auflösung des Dienstverhältnisses einer Dienstgeberkündigung gleichzuhalten ist, muss, da daran unterschiedliche Rechtsfolgen anknüpfen, versucht werden, durch Auslegung zu ermitteln, ob die Parteien damit auf eine „objektiv betriebsbedingte“ oder „subjektive“ also in der Person des Arbeitnehmers gelegene Dienstgeberkündigung abstellen wollten.

Wie die Beklagte mehrfach betont, hatte sie keine Veranlassung, den Kläger zu kündigen, es lagen daher keine subjektiven Gründe für eine Kündigung vor. Der Kläger hatte daher keine Veranlassung anzunehmen, dass die Beklagte durch die Aufnahme dieser Formulierung auf eine subjektive Dienstgeberkündigung abstellen wollte. Dazu kommt, wie vom Berufungsgericht betont, dass in der Vereinbarung sogar ausdrücklich festgehalten wurde, dass die Initiative für die Kündigung vom Unternehmen ausgeht. Mag dies auch nicht den Tatsachen entsprochen haben, wird damit der Eindruck verstärkt, dass der Dienstnehmer durch die einvernehmliche Auflösung so gestellt werden soll, wie bei einer aus betrieblichen Gründen erfolgten Auflösung des Dienstverhältnisses. Die Beklagte selbst hat im Übrigen in ihrem Vorbringen (ON 6) darauf verwiesen, dass diese Formulierung ausdrücklich gewählt wurde, um die Voraussetzungen für die Abfertigung nach dem Zusatzkollektivvertrag 2 zu sichern. Dafür allein wäre aber ein solcher Hinweis nicht erforderlich gewesen, da die Vereinbarung ohnehin ausdrücklich festhält, dass der Kläger einen Anspruch auf die Abfertigung laut Zusatzkollektivvertrag 2 hat.

Insgesamt bestehen daher keine Bedenken gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Formulierung der Vereinbarung in ihrer Gesamtheit bei objektiver Betrachtungsweise für einen redlichen Erklärungsempfänger – einen davon abweichenden übereinstimmenden Parteiwillen hat das Verfahren nicht ergeben – dahingehend zu verstehen ist, dass der Kläger so gestellt werden soll, wie bei einer „objektiv betriebsbedingten“ Dienstgeberkündigung, die Abfertigung daher entsprechend dem Punkt 4 Abs 3 des Zusatzkollektivvertrags „Einsparungspaket“ auf Basis der ungekürzten Bemessungsgrundlage zu berechnen ist. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die Formulierung der Bedingungen für die einvernehmliche Auflösung von der Beklagten stammt, daher auch dann, wenn man von einer undeutlichen Formulierung ausgehen würde, diese im Zweifel zum Nachteil der Beklagten auszulegen wäre (§ 915 Satz 2 ABGB). Der Berufung war daher in der Hauptsache nicht Folge zu geben.

4.1. Nach § 49a ASGG idF BGBl I 2002/118 betragen die gesetzlichen Zinsen für Forderungen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis acht von Hundert pro Jahr über dem am Tag nach dem Eintritt der Fälligkeit geltenden Basiszinssatz. Seit der Novelle BGBl I 2013/50 betragen sie 9,2 von Hundert pro Jahr über dem am Tag nach dem Eintritt der Fälligkeit geltenden Basiszinssatz. Beruht die Zahlung auf einer vertretbaren Rechtsansicht des Schuldners, so sind nur die sonstigen Bestimmungen über die gesetzlichen Zinsen anzuwenden. So gebühren die gemäß § 49a Satz 1 ASGG erhöhten Zinsen nicht, wenn die Verzögerung der Zahlung auf einer objektiv vertretbaren Rechtsansicht des Schuldners beruht. Eine solche liegt etwa dann vor, wenn Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen fehlt oder die Vorinstanzen eine komplexe Materie zu beurteilen hatten oder einen anderen Rechtsstandpunkt als der Oberste Gerichtshof vertraten oder eine komplexe Materie zu beurteilen war, zu der Rechtsprechung fehlt (RIS Justiz RS0125438). Es ist Sache des Schuldners Behauptungen darüber aufzustellen, warum der in § 49a erster Satz ASGG festgelegte Zinssatz nicht zusteht. Die Beklagte hat sich allerdings ausschließlich darauf berufen, ihre Rechtsansicht sei jedenfalls „vertretbar“, dazu aber keine näheren Ausführungen erstattet. Eine Darlegung, weshalb im konkreten Fall von einer vertretbaren Rechtsansicht auszugehen ist, ist daher nicht erfolgt. Zu Recht hat daher das Berufungsgericht Zinsen nach § 49a ASGG zugesprochen.

4.2. Richtig ist, dass das Berufungsgericht keinen Beginn des Zinsenlaufs in den Spruch aufgenommen hat. Dabei handelt es sich aber, wie bereits ausgeführt, um eine offensichtliche Unrichtigkeit die durch eine Berichtigung nach § 419 ZPO behoben werden kann. Dementsprechend war das Berufungsurteil mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Beginn des Zinsenlaufs in den Spruch aufzunehmen war.

5. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.

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