JudikaturJustiz8Ob74/07a

8Ob74/07a – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt *****, vertreten durch Heller Pitzal Rechtsanwälte KEG in Wien, wider die beklagte Partei E. M***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Leopold Boyer, Rechtsanwalt in Zistersdorf, wegen Räumung, über die Rekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 6. Dezember 2006, GZ 38 R 236/06x-26, womit über Berufung der beklagten Partei das Endurteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28. August 2006, GZ 20 C 533/04i-22, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Betreiberin des „***** Marktes" in W*****, I*****. Sie vermietete der Beklagten mehrere Marktplätze und Lagerräume. Mit der am 16. 8. 2004 beim Erstgericht eingelangten Mietzins- und Räumungsklage erklärte die Klägerin den Mietvertrag wegen ziffernmäßig aufgeschlüsselter Bestandzinsrückstände für die Perioden Februar bis August 2004 gemäß § 1118 zweiter Fall ABGB für aufgehoben und begehrte Zahlung des Mietzinsrückstandes von 21.235,07 EUR und Räumung der näher bezeichneten gemieteten Marktplätze und Lagerräume. Mit der Mietzins- und Räumungsklage verband die Klägerin einen Antrag auf pfandweise Beschreibung, der am 16. 8. 2004 vom Erstgericht bewilligt wurde. Die pfandweise Beschreibung wurde am 16. 9. 2004 vollzogen und ein Protokoll über die pfandweise beschriebenen Gegenstände (Kühlgeräte, Arbeitsgeräte, Computer etc) angefertigt. Die Beklagte wendete ein, Mietzinsrückstände bestünden nicht. Nach Ausdehnung des Zahlungsbegehrens um die Bestandzinse (Benützungsentgelte) bis einschließlich November 2004 auf insgesamt 31.565,27 EUR verpflichtete das Erstgericht die Beklagte mit Teilurteil vom 14. 2. 2005 zur Zahlung dieses Betrages. Der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht mit Urteil vom 8. 6. 2005 nicht Folge. Am 29. 6. 2005 eröffnete das Handelsgericht Wien über das Vermögen der Beklagten Konkurs.

Mit Beschluss vom 13. 7. 2005 stellte das Erstgericht fest, dass das Verfahren seit dem Tag der Konkurseröffnung unterbrochen ist. Am 17. 1. 2006 wurde ein Zwangsausgleichsvorschlag der Beklagten angenommen, wonach die Konkursgläubiger eine 20 %ige Quote erhalten. 5 % der Quote waren binnen 14 Tagen nach rechtskräftiger Bestätigung des Zwangsausgleiches zu bezahlen, jeweils weitere 5 % binnen 9, 15 und 24 Monaten nach Annahme des Zwangsausgleiches.

Mit Beschluss des Konkursgerichtes vom 1. 3. 2006 wurde der Zwangsausgleich bestätigt. Am 10. 4. 2006 erfolgte die - rechtskräftige - Konkursaufhebung.

Die Klägerin meldete im Konkursverfahren unter anderem auch die in diesem Verfahren geltend gemachten Mietzinsrückstände als Konkursforderung an, die vom Masseverwalter anerkannt wurde. Am 17. 5. 2006 beantragte die Klägerin die Fortsetzung des Räumungsverfahrens. Sie gestand in der Verhandlungstagsatzung am 3. 7. 2006, in welcher das Verfahren geschlossen wurde, ausdrücklich zu, dass die Beklagte die binnen 14 Tagen nach rechtskräftiger Bestätigung des Zwangsausgleichs zu zahlende Barquote von 5 % geleistet habe. Allerdings sei die Klägerin durch die pfandweise Beschreibung Absonderungsgläubigerin. Die Mietzinsforderung der Klägerin sei daher durch das Konkursverfahren nicht berührt worden. Diese Mietzinsforderung hafte derzeit mit 50.211,52 EUR unberichtigt aus.

Die Beklagte wendet ein, dass sie an den eingetretenen Mietzinsrückständen kein grobes Verschulden treffe. Durch den schleppenden und eingeschränkten Geschäftsgang habe sie lediglich die laufenden Mietzinse ab Konkurseröffnung bezahlen können. Die Zwangsausgleichsraten laut Zwangsausgleichsverfahren würden bezahlt. Mit seinem Endurteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte zur Räumung der gemieteten Marktplätze und Kühlräume. Das Erstgericht ging davon aus, dass nach wie vor ein qualifizierter Zinsrückstand der Beklagten gegeben sei, der die Klägerin zur Aufhebung des Mietvertrages berechtige. Die Beklagte gestehe selbst zu, dass von den insgesamt als Konkursforderungen angemeldeten Mietzinsforderungen ein Betrag von 50.211,52 EUR aushafte. Die Beklagte habe lediglich die Zwangsausgleichsquote bezahlt.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung Folge, hob das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Rekursgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung dazu bestehe, ob dem Mieter die Rechtswohltat des § 33 Abs 2 und 3 MRG im Zwangsausgleich zugute komme, wenn er die fälligen Raten zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz bezahlt habe und die Forderung nicht wieder aufgelebt sei. Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, dass der Schuldner gemäß § 156 Abs 1 KO durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich von der Verbindlichkeit befreit werde, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen. Allerdings werde gemäß § 156 Abs 4 KO der Nachlass für diejenigen Gläubiger hinfällig, gegenüber welchen der Schuldner mit der Erfüllung des Ausgleichs in Verzug gerate. Ob ein solcher Verzug der Beklagten eingetreten sei, stehe nicht fest. Insoweit sei das erstinstanzliche Verfahren ergänzungsbedürftig. Das Erstgericht werde die Frage zu erörtern haben, ob die Beklagte die vereinbarten Zahlungsbedingungen eingehalten habe oder nicht. Nur im letzteren Fall könne von einem Wiederaufleben der gesamten Mietzinsforderung ausgegangen werden. Sei die Mietzinsforderung der Klägerin nicht wieder aufgelebt, bedürfe es einer Prüfung, ob die Beklagte an den eingetretenen Rückständen ein grobes Verschulden getroffen habe.

Die dagegen von beiden Parteien erhobenen Rekurse sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 1118 zweiter Fall ABGB kann der Bestandgeber die frühere Aufhebung des Vertrages fordern, wenn der Bestandnehmer nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, dass er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat. Diese Voraussetzungen lagen hier unzweifelhaft vor: Die Erklärung der Vertragsauflösung ist vor Einbringung der Räumungsklage nicht erforderlich, da § 1118 ABGB das Begehren auf Aufhebung des Vertrages lediglich von der vorherigen Einmahnung des rückständigen Zinses abhängig macht. Rechtsgrund der Aufhebung ist die mangelnde Vertragserfüllung durch den Bestandnehmer. Durch die Geltendmachung des Räumungsanspruches bringt der Bestandgeber zum Ausdruck, dass er wegen der mangelhaften Erfüllung des Vertrages dessen Aufhebung begehrt. In dem Begehren ist aber gleichzeitig auch die im § 1118 ABGB erforderte Einmahnung gelegen. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - in der Klage der Zinsrückstand hinreichend bestimmt angeführt wird (RIS-Justiz RS0021229; 1 Ob 685/90, SZ 64/127 uva). Eine Einmahnung im Sinne des § 1118 ABGB ist in der Zustellung einer Zins- oder Räumungsklage zu erblicken, sofern die Mietzinsschuldigkeit darin hinreichend konkretisiert ist (1 Ob 11/04f). In diesem Fall wird die in der Räumungsklage abgegebene Auflösungserklärung als Weiterführung des Verfahrens gesehen (Würth in Rummel³, § 1118 ABGB Rz 18 mwN; 3 Ob 556/89).

Darauf, ob die Klägerin die Beklagte vor Klageeinbringung mahnte, kommt es daher hier nicht an.

Der auch für Räumungsklagen nach § 1118 zweiter Fall ABGB im Bereich des Kündigungsschutzes des MRG anzuwendende § 33 Abs 2 MRG bestimmt, dass die Kündigung aufzuheben ist, wenn ein Mieter, dem aus dem Grund des § 30 Abs 2 Z 1 MRG gekündigt wurde und den an dem Zahlungsrückstand kein grobes Verschulden trifft, vor Schluss der der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz unmittelbar vorangehenden Verhandlung den geschuldeten Betrag entrichtet. Der urteilsmäßige Ausspruch über das Begehren auf Zahlung des Mietzinsrückstandes ersetzt für das auf § 1118 ABGB gestützte Räumungsbegehren die beschlussmäßige Entscheidung nach § 33 Abs 2 letzter Satz MRG (RIS-Justiz RS0070349 - T2).

Ein solches rechtskräftiges Teilurteil hat das Erstgericht gefällt. Im Regelfall steht damit die Höhe des Rückstandes bindend fest. Nur wenn der Mieter vor Schluss der Verhandlung erster Instanz diesen rechtskräftig festgestellten (durch Teilurteil rechtskräftig zugesprochenen) Betrag bezahlt, kann er sich darauf berufen, dass ihn kein grobes Verschulden an dem zunächst eingetretenen Mietzinsrückstand trifft.

Hier gilt allerdings zu beachten, dass nach Fällung des Teilurteiles über das Vermögen der beklagten Mieterin Konkurs eröffnet und in der Folge ein Zwangsausgleich geschlossen wurde. Gemäß § 156 Abs 1 KO wird der Gemeinschuldner durch den rechtskräftig bestätigten Ausgleich von der Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen. Durch den Zwangsausgleich wird der Schuldner berechtigt, seine Verbindlichkeit nur mehr nach dem Inhalt des Zwangsausgleiches zu erfüllen (RIS-Justiz RS0065316). Die Wirkungen des von der Beklagten geschlossenen Zwangsausgleiches erstrecken sich auf die im Verfahren von der Klägerin geltend gemachten Mietzinsrückstände, weil es sich dabei unstrittig ausschließlich um Konkursforderungen handelt. Im Zivilprozess ist ein Zwangsausgleich auf Einwand des Schuldners zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0001231). Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass die Beklagte durch den geschlossenen Zwangsausgleich von jenem Teil des gemäß § 33 Abs 2 MRG „geschuldeten Betrages" befreit wurde, der die Ausgleichsquote übersteigt. Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung bedarf es keiner Prüfung, ob ein Wiederaufleben der Forderung eingetreten ist: Ein solches Wiederaufleben wurde nicht nur nicht behauptet, vielmehr brachte die Klägerin selbst ausdrücklich vor, dass die Beklagte die zunächst zu leistende 5 %ige Barquote erbracht habe. Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz waren die weiteren Quotenzahlungen noch gar nicht fällig. Ein Wiederaufleben der Forderung konnte daher schon denkmöglich nicht erfolgen. Daraus folgt aber, dass die Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung von dem mit Teilurteil rechtskräftig zugesprochenen Mietzinsbetrag nur noch die Quote schuldete und im Umfang des Differenzbetrages durch den geschlossenen Zwangsausgleich von der Mietzinsschuld befreit wurde. Insofern unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall grundsätzlich von der in 2 Ob 213/99h (siehe dazu Konecny, Auflösung von Bestandverträgen wegen Mietzinsrückständen trotz Konkurses des Bestandnehmers, wobl 2001, 241) behandelten Frage, ob der Vermieter im Konkurs des Bestandnehmers wegen rückständiger Mietzinse, die Konkursforderungen darstellen, die Vertragsaufhebung nach § 1118 zweiter Fall ABGB erklären kann. Die Bejahung dieser Frage hängt damit zusammen, dass die bis zur Konkurseröffnung aufgelaufenen Mietzinsforderungen im Konkurs des Bestandnehmers nach wie vor geschuldet werden, der Zahlungsverzug des Bestandnehmers also durch die Konkurseröffnung nicht beseitigt wird. Hingegen schuldet der Schuldner nach Abschluss eines Zwangsausgleichs nur noch die Ausgleichsquote. Die vor Konkurseröffnung bereits ausgelöste Verzugsfolge fällt somit deshalb weg, weil der Gesetzgeber der KO die Nichtbezahlung des Gesamtmietzinsrückstandes durch § 156 Abs 1 KO ausdrücklich für rechtmäßig erklärte. Unter dem in § 33 Abs 2 MRG verwendeten Begriff des „geschuldeten Betrages" ist somit im Fall des Abschlusses eines Zwangsausgleiches des Mieters die auf die Mietzinsforderung entfallende Quote zu verstehen, weil der Schuldner nur für diese persönlich haftet.

Entgegen der im Rekurs der Klägerin vertretenen Auffassung ändert sich an dieser Beurteilung nichts dadurch, dass die Klägerin, die bereits mit der Klage ihr Bestandgeberpfandrecht nach § 1101 ABGB geltend machte, als Absonderungsgläubigerin zu behandeln ist: Das im § 48 Abs 4 KO geregelte Absonderungsrecht des Bestandgebers nach § 1101 ABGB führt zwar dazu, wie die Klägerin in ihrem Rekurs zutreffend erkennt, dass ihr Anspruch auf völlige vorzugsweise Befriedigung aus den pfandweise beschriebenen Gegenständen auch durch den Zwangsausgleich erhalten bleibt (RIS-Justiz RS0064234; 3 Ob 229/99v, SZ 73/99). Damit ist allerdings für die Klägerin nichts gewonnen: § 48 Abs 3 KO bestimmt, dass Absonderungsgläubiger, denen zugleich ein persönlicher Anspruch gegen den Gemeinschuldner zusteht, ihre Forderung gleichzeitig als Konkursgläubiger geltend machen können. Die Wirkungen des Zwangsausgleichs erstrecken sich nur auf jene Ansprüche gegen den Gemeinschuldner, die der Anmeldung im Konkurs unterliegen. Die Rechte der Absonderungsberechtigten bleiben unberührt (3 Ob 229/99v uva). Hier wurde die „persönliche Forderung" vom Schuldner erfüllt. Das eine reine Sachhaftung begründende Absonderungsrecht der Klägerin wird zwar dadurch nicht berührt, ändert aber nichts an der Höhe des im Sinne des § 33 Abs 2 MRG" geschuldeten Betrages". Unter diesem Betrag ist nur jene Forderung zu verstehen, die der Bestandgeber gegen den Bestandnehmer persönlich hat. Das ist aus den dargelegten Gründen im vorliegenden Fall nur die Zwangsausgleichsquote, nicht aber ein diese Quote allenfalls übersteigender möglicher Verwertungserlös aus dem Absonderungsgut. Die Klägerin kann sich somit nicht darauf berufen, dass die beklagte Mieterin mehr als die Zwangsausgleichsquote schuldet. Im Übrigen ist der Klägerin, die auf die „Säumigkeit" der Beklagten bei Herausgabe der pfandweise beschriebenen Gegenstände hinweist, zu entgegnen, dass es ihr freigestanden wäre, eine exekutive Pfändung der zugunsten der Mietzinsforderung pfandweise beschriebenen Einrichtungsgegenstände und Fahrnisse vorzunehmen, die im Umfang des § 48 Abs 4 KO nach § 11 KO zulässig gewesen wäre (EvBl 1982/153).

Aus den dargelegten Gründen ist somit davon auszugehen, dass die Beklagte den geschuldeten Betrag im Sinne des § 33 Abs 2 MRG (Zwangsausgleichsquote) entrichtet hat und es daher im fortgesetzten Verfahren vor dem Erstgericht ausschließlich einer Ergänzung des Verfahrens dazu bedarf, ob die Beklagte - die dafür die Behauptungs- und Beweislast trifft (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21 § 33 MRG Rz 28 mwN) - sich auf mangelndes grobes Verschulden an den eingetretenen Zinsrückständen berufen kann.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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