JudikaturJustiz8Ob19/13x

8Ob19/13x – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Juli 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** L*****, vertreten durch Dr. Christoph Schneider, Rechtsanwalt in Bludenz, gegen die beklagte Partei M***** B*****, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in Bregenz, wegen 4.675 EUR sA und Wiederherstellung (Streitwert 25.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. November 2012, GZ 4 R 191/12p 132, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 9. August 2012, GZ 9 Cg 244/08d 121, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.470,24 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 245,04 EUR USt) zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind Eigentümer aneinander grenzender Hanggrundstücke. Zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer des klägerischen Grundstücks (und anderer) besteht aufgrund einer Vereinbarung vom 2. 11. 2005 ein außerbücherliches Geh- und Fahrrecht über die Grundstücke des Beklagten, und zwar „über den im beigehefteten Planentwurf (…) vorgesehenen oder den von … tatsächlich errichteten Zufahrtsweg in einer Breite von 3m“ . Die Kosten für die Errichtung, Erhaltung und Betreibung der Zufahrtsstraße haben alle Nutzungsberechtigten vereinbarungsgemäß ab dem Zeitpunkt, ab dem sie diese Zufahrt dauernd nutzen, anteilig zu tragen, für den Fall der Errichtung der Straße durch den Beklagten (bzw seine Rechtsvorgängerin) sollten die Nutzungsberechtigten von den Errichtungskosten befreit sein.

Der Beklagte errichtete nach Abschluss der Dienstbarkeitsvereinbarung auf seinen vorher unbebauten Grundstücken eine Wohnhausanlage sowie eine Zufahrtsstraße zu den herrschenden Grundstücken. Diese Straße nimmt in der Natur einen vom „Planentwurf“ der Vereinbarung vom 2. 11. 2005 abweichenden Verlauf, außerdem entspricht ihre Ausführung in mehrfacher Hinsicht nicht dem Stand der Technik.

Der Kläger, der über eine anderweitige Zufahrt zu seinem Grundstück verfügt, benützt den vom Beklagten errichteten Weg nicht, sondern hat an dessen Einmündung auf seinem Grundstück eine mannshohe Betonabzäunung mit dahinterliegendem Garten errichtet.

Mit der Klage begehrte er (zuletzt) zusammengefasst, 1. den Beklagten zur Wiederherstellung des ursprünglichen Geländes auf dessen Grundstück zu verpflichten, 2. in eventu seine Haftung für künftige Schäden festzustellen, die dem Kläger durch die vorgenommene Veränderung des Geländes entstehen, 3. den Beklagten zu verpflichten, entlang der Grenze zum Grundstück des Klägers einen tragfähigen Untergrund für eine dort zu errichtende Natursteinmauer herzustellen, 4. die Zahlung von 4.675 EUR. Das Zahlungsbegehren gründet sich auf anwaltliche Vertretungskosten des Klägers, die er für gescheiterte Vertragsverhandlungen mit dem Beklagten aufgewendet hat.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren in den Punkten 1., 3. sowie 4. ab und gab dem Eventualfeststellungsbegehren (Punkt 2.) statt. Der Anspruch, den mangelhaften Weg durch überhaupt keinen Weg zu ersetzen, sei mitsamt den Eventualbegehren durch das Servitutsrecht nicht gedeckt. Auch das Zahlungsbegehren bestehe nicht zu Recht, weil ein pflichtwidriges Verhalten des Beklagten bei den gescheiterten Vertragsverhandlungen nicht erwiesen sei. Allerdings sei es nicht völlig auszuschließen, dass dem Kläger in Zukunft insofern Schaden durch die mangelhafte Errichtung der Zufahrtsstraße entstehen könnte, als eine Anpassung der bestehenden Weganlage an den Stand der Technik den Abbruch massiver Strukturen erfordern würde und deshalb mit erhöhten Kosten verbunden wäre. Der Umstand, dass der Kläger die Einmündung der Zufahrtsstraße mit einem Betonzaun abgetrennt habe, könne noch nicht als schlüssiger Verzicht auf seine Servitutsrechte ausgelegt werden.

Das Berufungsgericht gab mit seiner angefochtenen Entscheidung der Berufung des Klägers teilweise und jener des Beklagten zur Gänze Folge. Es bestätigte die Klagsabweisung zu den Punkten 1. und 3., und wies auch das zu Punkt 2. erhobene Feststellungsbegehren ab. Hinsichtlich des Zahlungsbegehrens (Punkt 4.) hob es das angefochtene Urteil ohne Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurück.

Über Antrag des Klägers nach § 508 Abs 1 ZPO erklärte das Berufungsgericht nachträglich die ordentliche Revision für zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Rechtsfrage fehle, ob in eine noch nicht ausgeübte Dienstbarkeit eingegriffen werden kann und dem Berechtigten dagegen die Servitutsklage zusteht.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

1. Die Entscheidung, ob eine Berufungsverhandlung im Einzelfall erforderlich ist, steht im Ermessen des Berufungsgerichts. Ist eine abschließende Sachentscheidung ohne Berufungsverhandlung möglich, verwirklicht die Erledigung des Rechtsmittels in nichtöffentlicher Sitzung keinen Verfahrensmangel (RIS Justiz RS0125957; RS0126298; zur Verwertung von Urkunden vgl RIS-Justiz RS0121557).

2. Die Revision vermag nicht schlüssig zu begründen, weshalb eine zwischen den Parteien über den Ersatz für eine vom Beklagten rechtswidrig abgetragene Mauer des Klägers ergangene zweitinstanzliche Entscheidung für das vorliegende Verfahren, das obligatorische Ansprüche aus einem Vertrag vom 2. 11. 2005 zum Gegenstand hat, von rechtlicher Bedeutung sein sollte.

3. Der Klagegrund der Servitutenklage ist der Bestand der Dienstbarkeit und die Störung oder Bestreitung dieses Rechts. Die Klage setzt daher begrifflich eine Störung der Ausübung oder eine Bestreitung des Bestands der Servitut voraus (RIS-Justiz RS0012116; RS0012123; RS0015034). Beide Varianten liegen nach dem Klagsvorbringen nicht vor, sodass die Rechtsansicht des Berufungsgerichts in keinem die Revisionszulässigkeit begründenden Widerspruch zur höchstgerichtlichen Rechtsprechung steht.

4. Der Kläger stützt sich auf kein dingliches Recht, weil seine Servitut weder im Grundbuch eingetragen ist, noch jemals offenkundig (vgl 1 Ob 259/02y) ausgeübt wurde, sondern auf die ihm im Schenkungsvertrag vom 2. 11. 2005 obligatorisch eingeräumte Rechtsposition, einen Weg auf bestimmter Trasse für seinen Gebrauch selbst zu errichten oder einen vom Beklagten tatsächlich in natura errichteten Zufahrtsweg zu benützen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass dieser Vertrag keine Grundlage für das Klagebegehren bietet, ist jedenfalls vertretbar und keine im Einzelfall nach § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung.

5. Auch die Ausführungen über das vom Berufungsgericht verneinte Feststellungsinteresse des Klägers zeigen keine über die Umstände des Einzelfalls hinausgehende erhebliche Rechtsfrage auf (RIS-Justiz RS0039177 [T1]). Ausgehend vom unstrittigen Wortlaut der Vereinbarung vom 2. 11. 2005 wäre zwar der Kläger berechtigt gewesen, die noch nicht existente Zufahrtsstraße laut Plan auf dem Grundstück des Beklagten errichten zu lassen, der Beklagte selbst war zur Einhaltung der Planvorgaben aber keineswegs verpflichtet, sondern das Wegerecht letztlich auf die in natura errichtete Straße beschränkt.

Soweit der Kläger drohende Verjährungsfolgen zur Begründung seines rechtlichen Interesses heranziehen will, übersieht er, dass der Bestand des Wegerechts nicht Gegenstand des Feststellungsbegehrens ist. Die kurze Verjährungsfrist des § 1488 ABGB gilt auch nur, wenn sich der verpflichtete Teil der Ausübung des Rechts widersetzt, was bei einer nicht in Anspruch genommenen Servitut ausgeschlossen ist (RIS-Justiz RS0034271; Bydlinki in Rummel³ § 1488 ABGB Rz 2). Unmöglichkeit der künftigen Ausübung liegt nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen nicht vor.

Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Rechtssätze
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