JudikaturJustiz8Ob184/02w

8Ob184/02w – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. März 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling, Dr. Kuras und Dr. Lovrek als weitere Richter in der Abwesenheitspflegschaftssache des Johann A*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Dr. Oliver Kühnl, Rechtsanwalt, 6020 Innsbruck, Anton-Melzer-Straße 9/1, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 18. Juni 2002, GZ 51 R 50/02f-10, womit infolge Rekurses des Dr. Oliver Kühnl der Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 25. März 2002, GZ 4 P 25/02t-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag der Antragstellerin T*****, vertreten durch Dr. Markus Purtscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, für Johann A***** einen Abwesenheitskurator zu bestellen,

zurückgewiesen

wird.

Der Antrag des Revisionsrekurswerbers auf Zuspruch der Rechtsmittelkosten wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Beim Landesgericht Innsbruck behängt ein Rechtsstreit zwischen der dort klagenden Antragstellerin und dem Beklagten, der an seiner letzten bekannten Anschrift nicht mehr aufhältig ist. Es wurde daher für ihn im Verfahren gemäß § 116 ZPO ein Rechtsanwalt zum Kurator bestellt. In weiterer Folge wurde das Verfahren gemäß § 6a ZPO unterbrochen. In dem daraufhin vom Erstgericht eingeleiteten Verfahren zur Prüfung des Erfordernisses einer Sachwalterbestellung konnte die Erstanhörung wegen unbekannten Aufenthalts des Betroffenen nicht durchgeführt werden.

Mit ihrem am 12. 3. 2002 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz begehrte die Antragstellerin "einen Kurator (§§ 271 ff ABGB) zu bestellen, wobei angeregt wird, hiefür auch den gemäß § 116 ZPO bestellten Zustellkurator in Betracht zu ziehen." Nach dem Inhalt des Zivilaktes seien die Voraussetzungen für die Bestellung eines Kurators gemäß § 276 ABGB gegeben. Der im Zivilverfahren Beklagte sei zwar polizeilich gemeldet, an dieser Anschrift aber nicht aufhältig. Nach seinen eigenen Angaben im Prozess wohne er seit 2 ½ Jahren nicht mehr an dieser Adresse, sondern in verschiedenen Ferienwohnungen in Italien und Österreich. Er habe auch in einer näher bezeichneten Pension gewohnt, "er werde wo anders hinfahren und wieder irgendwo Tourist sein".

Das Erstgericht bestellte den bereits im Zivilverfahren gemäß § 116 ZPO bestellten Kurator nun auch zum Abwesenheitskurator. Es nahm den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt als bescheinigt an und leitete daraus das Vorliegen der Voraussetzungen zur Bestellung eines Abwesenheitskurators gemäß § 276 ABGB ab.

Das Gericht zweiter Instanz gab mit dem angefochtenen Beschluss dem dagegen erhobenen Rekurs des Abwesenheitskurators keine Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es ergänzte die erstinstanzlichen Feststellungen dahin, dass nach Scheitern der Erstanhörung das Sachwalterschaftsverfahren mit Beschluss vom 30. 4. 2002 wegen Unmöglichkeit der Durchführung der Erstanhörung eingestellt worden sei. Es sei zutreffend, dass die Bestellung eines Abwesenheitskurators die Geschäfts- bzw Handlungsfähigkeit der Person voraussetze, für die der Kurator bestellt werden solle. Verdichtete Hinweise auf das Bestehen einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung des Abwesenden lägen im gegenständlichen Verfahren aber nicht vor. Dass das Erstgericht implizit von der Geschäfts- bzw Handlungsfähigkeit des Abwesenden ausgegangen sei, stelle keine rechtliche Fehlbeurteilung dar.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Abwesenheitskurators ist zulässig, es kommt ihm auch Berechtigung zu.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Bestellung eines Kurators nach § 116 ZPO ein Spezialfall der allgemeinen Abwesenheitskuratel nach bürgerlichem Recht (RIS-Justiz RS0049230). Der - anstelle der üblichen Benennung als Zustellkurator wohl besser als prozessualer Abwesenheitskurator zu bezeichnende (Rassi, Der prozessuale Abwesenheitskurator, RZ 1996, 215, 217; Fasching LB2 Rz 543) - Kurator gemäß § 116 ZPO ist nicht nur zur Empfangnahme der Zustellung berufen, sondern hat den Abwesenden im Rechtsstreit solange auf dessen Gefahr und Kosten zu vertreten, bis dieser selbst im Prozess auftritt (Fasching aaO). Er ist gesetzlicher Vertreter des Abwesenden mit einem auf die Vertretung im Prozess umfänglich beschränkten Wirkungskreis und darf daher in diesem Rahmen rechtswirksam alle Handlungen mit unmittelbarer Wirkung für den Abwesenden setzen (Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht, 80). Während der Kurator nach § 276 ABGB die Person des Abwesenden uneingeschränkt vertritt, vertritt der Prozesskurator den Betroffenen nur in einem konkreten Rechtsstreit. Außerdem ist § 276 ABGB insoweit weiter gefasst, als Abwesenheit auch dann vorliegt, wenn trotz Bekanntheit des Aufenthaltsorts des Abwesenden die Rechte Dritter gehemmt sind, etwa weil die Zustellung unmöglich ist (Stabentheiner in Rummel ABGB3 § 276 Rz 4).

Weder dem Antrag noch dem sonstigen Akteninhalt kann entnommen werden, dass es hier auf eine über das Zivilverfahren hinausgehende Vertretung ankäme oder dass bei bekannter Abgabestelle im Sinne des § 276 ABGB beachtliche Zustellhindernisse vorliegen. Es wäre Sache der Antragstellerin gewesen, das Erfordernis eines derartigen über die Vertretungsbefugnis nach § 116 ZPO hinausgehenden erweiterten Aufgabenkreises zumindest zu behaupten. Da dies nicht geschehen ist, kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass das Zivilverfahren mit dem gemäß § 116 ZPO bestellten Kurator fortgeführt werden kann. Das auch noch im Revisionsrekurs relevierte Problem, ob nach Vorgehen des Gerichts gemäß § 6a ZPO überhaupt eine Kuratorbestellung gemäß § 276 ABGB möglich ist, ist für die hier zu treffende Entscheidung bedeutungslos, weil es dem Prozessgericht seit Inkrafttreten des Sachwaltergesetzes verwehrt ist, die Prozessfähigkeit von der inländischen Pflegschaftsgerichtsbarkeit unterliegenden, möglicherweise geistig behinderten Personen, für die kein Sachwalter bestellt ist, zu prüfen und zu verneinen. Gemäß § 6a dritter Satz ZPO ist das Prozessgericht an die Entscheidung des Pflegschaftsgerichts, auch wenn damit das Verfahren gemäß § 243 AußStrG eingestellt wurde, gebunden (RIS-Justiz RS0035228, RS0035270). Auch die Einbeziehung eines gemäß § 276 ABGB bestellten Abwesenheitskurators in das Zivilverfahren könnte an dieser Rechtslage nichts ändern. Zwar steht nach ständiger Rechtsprechung dem Kläger die Wahl zu, ob er die Bestellung eines Prozesskurators nach § 116 ZPO oder die eines Abwesenheitskurators nach § 276 ABGB beantragen will (RIS-Justiz RS0049227). Dieses Wahlrecht ist aber jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn bereits ein Prozesskurator bestellt worden ist, weil in diesem Falle nicht mehr gesagt werden kann, dass ohne Bestellung eines Abwesenheitskurators die Rechte des anderen in ihrem Gang gehemmt würden (SZ 24/15). Ein derartiger Antrag ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses zurückzuweisen (Knell aaO 80). Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben.

Der Antrag des Revisionsrekurswerbers, ihm für sein Rechtsmittel Kosten zuzusprechen und diese der Antragstellerin aufzuerlegen, ist abzuweisen, weil ein Kostenzuspruch im außerstreitigen Rekursverfahren nicht vorgesehen ist (RIS-Justiz RS0005964).