JudikaturJustiz7Ob81/14h

7Ob81/14h – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. Juni 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr.

Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Urbanek und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei „Z*****“ ***** GmbH, *****, vertreten durch Simma Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, und die Nebenintervenientin U***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Engelhart Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Herausgabe, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. März 2014, GZ 1 R 7/14k 119, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die T***** Handels GmbH (kurz: T*****) als Alleinvertriebsbefugte der Klägerin lieferte am 27. 10. 2004 eine von dieser produzierte Metallbearbeitungsmaschine in das Werk der Beklagten.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Herausgabe einer Maschine (hilfsweise die Zahlung von 34.900 EUR), die unter Eigentumsvorbehalt an die T***** geliefert und dann an die Beklagte verkauft worden sei (verlängerter Eigentumsvorbehalt). Diese habe den Kaufpreis nicht gezahlt und sei daher herausgabepflichtig. Außerdem hätten sich die Streitteile unter Einbeziehung der T***** geeinigt, dass die Maschine von der Klägerin als Produzentin zurückgenommen werde, weshalb auch eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Herausgabe bestehe.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin hielten dem entgegen, es sei die Nebenintervenientin gewesen, die die Maschine von der T***** gekauft habe, ohne dass ein Eigentumsvorbehalt vereinbart worden sei. Die AGB der T***** seien nicht Vertragsinhalt geworden. Spätestens durch Verkauf der Maschine an die Nebenintervenientin und die Auslieferung an die Beklagte sei die Nebenintervenientin gutgläubig Eigentümerin der Maschine geworden. Diese habe der T***** eine Anzahlung von 180.000 EUR geleistet. Selbst bei Rückabwicklung des Vertrags zwischen ihr und der T***** wäre die Nebenintervenientin nur verpflichtet, Zug um Zug gegen Rückzahlung der geleisteten Kaufpreiszahlung die Maschine an die T***** rückzuübereignen. Die Beklagte und die Nebenintervenientin bildeten eine einheitliche Streitpartei, weshalb auch die Nebenintervenientin mitgeklagt hätte werden müssen. Eine schuldrechtliche Vereinbarung, dass die Beklagte der Klägerin die Maschine wieder zurückgebe, sei nicht getroffen worden.

Das Berufungsgericht hat die Abweisung des Klagebegehrens im zweiten Rechtsgang bestätigt. Nach der abschließenden Klärung im ersten Rechtsgang, dass ein primär auf das Eigentumsrecht gestützter sachenrechtlicher Herausgabeanspruch der Klägerin nicht bestehe (weil sie ihre Eigentümerstellung verloren habe), sei zu prüfen, ob aus schuldrechtlichen Gründen die Herausgabe gefordert werden könne. Da sich allfällige Herausgabepflichten der Beklagten weder kraft Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses noch kraft gesetzlicher Vorschrift auf die Nebenintervenientin erstrecken würden, bildeten diese und die Beklagte keine einheitliche Streitpartei im Sinn des § 14 ZPO. Zwischen der T***** und der Beklagten sei (zwar) zunächst ein Vertrag abgeschlossen worden, dieser sei später jedoch einvernehmlich aufgehoben worden; stattdessen sei ein Vertrag zwischen der T***** und der Nebenintervenientin geschlossen worden. Diese habe gutgläubig Eigentum erworben (weshalb keine sachenrechtliche Herausgabepflicht der Beklagten bestehe). Mangels diesbezüglicher Einigung bestehe auch kein schuldrechtlicher Herausgabeanspruch. Das auf § 1041 ABGB gestützte Eventualbegehren sei schon deshalb abzuweisen, weil die Nebenintervenientin und nicht die Beklagte Eigentümerin der Maschine geworden sei. Eine Bereicherung hätte daher allein bei der Nebenintervenientin eintreten können.

Die Zulassungsbeschwerde der Klägerin macht zunächst geltend, die Vorinstanzen hätten zu Unrecht Gutgläubigkeit der Nebenintervenientin angenommen.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist zu erwidern, dass das Gericht in jedem Einzelfall nach freiem, pflichtgemäßen Ermessen prüfen muss, welche Anforderungen an die Sorgfalt des Erwerbers einer beweglichen Sache zu stellen sind, um das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit beurteilen zu können (RIS-Justiz RS0010168). Eine allgemeine Nachforschungspflicht besteht nicht, es sind nur dann Erkundigungen einzuziehen, wenn besondere Verdachtsmomente vorliegen. Die im Einzelfall festzustellenden Sorgfaltspflichten sind um so größer, je stärker die Verdachtsmomente sind (RIS-Justiz RS0010168 [T3]). Welche Anforderungen an die Sorgfalt des Erwerbers zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Daher wäre eine erhebliche Rechtsfrage nur bei einer vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierenden rechtlichen Fehlbeurteilung gegeben (RIS Justiz RS0080033 [T8]; RS0010891 [T9]), wovon hier jedoch keine Rede sein kann:

Ist doch die Beurteilung, die Schlechtgläubigkeit sei zu verneinen, schon deshalb nicht von Bedeutung, weil die T***** aufgrund der Vereinbarung mit der Klägerin ohnehin selbst verfügungsbefugt war. Auf die Argumente der Zulassungsbeschwerde gegen die Gutgläubigkeit kommt es also gar nicht an; ihnen käme nur dann Relevanz zu, wenn die T***** objektiv nicht verfügungsbefugt im Sinn des § 366 HGB gewesen wäre.

Nicht überzeugend ist auch das Argument der Revisionswerberin, ein Gutglaubenserwerb liege nicht vor, weil die Nebenintervenientin noch nicht zur Gänze den Kaufpreis bezahlt habe: Rechtsprechung und überwiegende Lehre lassen es nämlich für die Annahme von Entgeltlichkeit im Sinn des § 367 ABGB (egal ob alte oder neue Fassung) genügen, dass ein Entgelt vereinbart wurde, mag es auch noch nicht bezahlt worden sein (RIS-Justiz RS0116643; Leupold in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang³ § 367 ABGB Rz 45 ff mwN). Die von der Revision zitierte Literaturstimme ( Bollenberger , Veräußerung von Vorbehaltsgut, ÖJZ 1995, 641 [651 f]), wonach für den gutgläubigen Eigentumserwerb tatsächliche Zahlung des Entgelts notwendig sei, blieb in der Minderheit; und auch aus der im Rechtsmittel zitierten Entscheidung 8 Ob 606/92 ist für den Standpunkt der außerordentlichen Revision nichts zu gewinnen.

Die Zulässigkeit der Revision wird weiters damit begründet, dass nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Wien zu 1 R 228/09w das Geschäft durch das Unbrauchbarmachen der Maschine in das Stadium vor Lieferung, mithin in ein Stadium des „unerfüllten Vertrags“ zurückgetreten sei. Auch die Unterinstanzen gingen nunmehr erkennbar von diesem „Schwebezustand“ aus; der geschlossene Vertrag sei nie aufgehoben worden. Diese Rechtsauffassung habe sich insofern überholt, als „Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz“ im Jahr 2009 gewesen sei, mithin bereits vier bis fünf Jahre nach Lieferung der Maschine. Die [beim Landesgericht St. Pölten eingebrachte] Klage der T***** auf Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag sei abgewiesen worden. Es wäre somit an der Beklagten oder der Nebenintervenientin gelegen gewesen, Erfüllung zu verlangen und ein entsprechendes Verfahren anzustrengen. Bis zur Konkurseröffnung über das Vermögen der T***** sei es dazu jedoch nicht gekommen. Ein derartiger Schwebezustand könne nicht permanent andauern; früher oder später sei entweder der Vertrag rückabzuwickeln oder auf Erfüllung zu klagen. Da weder die Nebenintervenientin noch die Beklagte versucht hätten, von der T***** (vor Konkurseröffnung) Vertragserfüllung zu verlangen, sei nunmehr dieser Schwebezustand in Richtung einer Vertragsauflösung zu werten. Die Abklärung der Frage, was mit einem derartigen Schwebezustand bei langanhaltender Säumnis geschehe, sei von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung und bedürfe höchstgerichtlicher Klärung.

Die Rechtsmittelwerberin irrt jedoch, wenn sie meint, früher oder später sei entweder der Vertrag rückabzuwickeln oder auf Erfüllung zu klagen (wobei sie im Übrigen unerwähnt lässt, wer zu einer solchen Vorgangsweise wodurch verpflichtet sein sollte); widerspräche dies doch der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, der zum Fall genehmigungsbedürftiger, aber jahrelang nicht genehmigter Verträge daran festhält, dass selbst eine jahrelange Dauer des Schwebezustands nicht zur Ungültigkeit des Vertrags führe (8 Ob 58/69; 8 Ob 595/92; 7 Ob 511/95). Wenn wie hier keine Bedingung den Schwebezustand bewirkt hat, sondern der Umstand, dass beide Vertragsparteien (T***** und Nebenintervenientin) die Möglichkeit hätten, durch Klagsführung oder Gebrauch von Gestaltungsrechten eine Klärung herbeizuführen, dies aber nicht tun, tritt bei entsprechender Dauer des „Schwebezustandes“ eine Klärung der Rechtslage durch Verjährung ein.

Es unterliegen nämlich wie die Entscheidung 4 Ob 245/12a (in P 1.2.) darlegt auch Gestaltungsrechte der Verjährung, was auch der überwiegenden Lehre entspricht (eingehend Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang³ § 1451 ABGB Rz 3 f [insb FN 15 und 16] und § 1478 ABGB Rz 33 mwN). Die Behauptung, derartige Schwebezustände könnten nicht permanent andauern, steht daher mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (4 Ob 245/12a) und der überwiegenden Lehre nicht in Widerspruch. Die zitierte, mehrfach veröffentlichte Entscheidung (Zak 2013/506; wobl 2013, 276; JBl 2014, 267) ist im Schrifttum nicht auf Kritik gestoßen und es liegen auch keine gegenteiligen Entscheidungen vor.

Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist daher auch in diesem Zusammenhang zu verneinen, weil die Rechtsmittelwerberin keine neuen Argumente aufzeigt, die erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung wecken könnten (vgl RIS-Justiz RS0103384 [T4]): Sie hat dazu nämlich nur behauptet, es könne nicht sein, dass der Schwebezustand permanent andauere, ohne sich mit dem Verjährungsrecht auseinanderzusetzen oder Argumente vorzubringen, weshalb dieses in solchen Fällen keine Lösung bieten sollte.

Den Rechtsmittelausführungen zur von der Klägerin aufgeworfenen Frage, ob die zu ihrer Absicherung erfolgte Globalzession vielleicht Auswirkungen habe, wenn der Zedent (T*****) das Vertragsverhältnis zu seinem Kunden (Beklagte) auflöste, ist schon wegen der Unwirksamkeit der Zession von vornherein die Grundlage entzogen. Da ihnen somit nur rein akademische Bedeutung zukäme, ist die außerordentliche Revision auch insoweit nicht zulässig (RIS-Justiz RS0041896 [T2]).

Auch die zuletzt bekämpfte Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung:

Bindungswirkung an einen Vorprozess setzt jedenfalls Parteienidentität voraus (RIS-Justiz RS0039843 [T18]; RS0041572; RS0041157 [T10]; RS0041118 [T4]). Bereits aus diesem Grund scheidet eine Bindungswirkung aus. Auf den weiteren Hinweis des Berufungsgerichts, dass das Berufungsgericht „nur einen sehr beschränkten Sachverhalt“ für entscheidungsrelevant erachtet habe, womit angedeutet werde, dass jedenfalls nur den tragenden Feststellungen Bindungswirkung zukommen könne (vgl Fasching , Lehrbuch² Rz 1520), kommt es daher nicht mehr an. Ein Grund für die Zulässigkeit der Revision wird somit auch nicht durch den Hinweis auf eine „weite europäische Auslegung des Streitgegenstandsbegriffs“ dargetan.

Die außerordentliche Revision ist daher mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen, was nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung bedarf.

Rechtssätze
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