JudikaturJustiz7Ob602/86

7Ob602/86 – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Juni 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Gerda F***, Hausfrau, Wilhelmsburg, Weinheberstraße 13, vertreten durch Dr. Herbert Hofbauer und Dr. Peter Krömer, Rechtsanwälte in St. Pölten, wider den Antragsgegner Johann F***, Gastwirt, Wilhelmsburg, Herweghstraße 3, vertreten durch Dr. Stefan Gloss und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen §§ 81 ff. EheG und Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb infolge Rekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Kreisgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes vom 7. März 1986, GZ. R 2/86-70, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 27. November 1985, GZ. 1 F 1/82-64, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Keinem der Rekurse wird Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung:

Die am 2.5.1966 von den Streitteilen geschlossene Ehe wurde mit Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 20.10.1981 aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Die Ehewohnung befand sich in einem auf der Liegenschaft EZ 147 KG Göblasbruck stehenden Haus. Alleineigentümer der Liegenschaft ist der Antragsgegner. Dieser betrieb in dem Haus auch seine Gastwirtschaft. Nach den erstrichterlichen Feststellungen sind eheliche Ersparnisse nicht vorhanden. Die Ehewohnung hat in der Zeit vom 15.10.1974 bis zum 20.10.1981 eine Wertsteigerung von S 400.000,- erfahren. Gegen den Antragsgegner wurde im Jahre 1982 ein Finanzstrafverfahren wegen Abgabenverkürzung geführt. Er hat nunmehr Steuerschulden in Millionenhöhe. Soweit der Hausrat nicht schon aufgeteilt wurde, existiert er nicht mehr. In den letzten drei Jahren vor Antragstellung sind der Antragstellerin etwa S 88.500,- für ihre Mitarbeit im Erwerb des Antragsgegners vorenthalten worden. Eine Mitschuld der Antragstellerin an der Steuerhinterziehung des Antragsgegners kann nicht festgestellt werden.

Die Antragstellerin begehrt als Abgeltung ihrer Ansprüche auf das eheliche Gebrauchsvermögen eine Ausgleichszahlung von S 400.000,-, weitere S 300.000,- als Anteil an den ehelichen Ersparnissen und ferner zur Abgeltung ihrer Mitwirkung im Erwerb des Antragsgegners S 400.000,-.

Der Antragsgegner begehrte, die Antragstellerin zur Zahlung von S 950.000,- an ihn zu verpflichten, weil er eine Steuernachzahlung von S 1,9 Millionen Schilling leisten habe müssen und die Antragstellerin verpflichtet sei, die Hälfte dieser Schuld zu übernehmen.

Das Erstgericht hat der Antragstellerin, unter Abweisung des Mehrbegehrens, S 20.500,- zugesprochen.

Das Rekursgericht hat den erstgerichtlichen Beschluß aufgehoben und den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig erklärt. Es erachtete das erstgerichtliche Verfahren in vielen Punkten als mangelhaft, wobei es in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen ausführte:

Aufzuteilen sei nur jenes eheliches Gebrauchsvermögen, das vom Aufteilungsantrag umfaßt sei, doch verlange es das Gebot der Billigkeit, daß bereits früher einem der Streitteile zugekommene Vermögenswerte bei der Aufteilung bzw. bei der Festsetzung einer Ausgleichszahlung zu berücksichtigen seien. Für den Umfang der Aufteilungsmasse sei der Zeitpunkt der Heimtrennung, für die Bewertung jener der Entscheidung erster Instanz maßgebend. Unrichtig sei, daß die Liegenschaft EZ 147 KG Göblasbruck deshalb nicht in die Aufteilung einbezogen werden müsse, weil sie im Alleineigentum des Antragsgegners stehe. Soweit diese Liegenschaft als Ehewohnung gedient habe, müsse sie in die Aufteilung miteinbezogen werden. Allerdings unterliege der Aufteilung nicht die Gastwirtschaft des Antragsgegners, weil es sich hiebei um eine organisierte Erwerbsgelegenheit handle, die ein Unternehmen darstelle. Dies hindere aber nicht die Festsetzung einer Ausgleichszahlung für jenen Teil der Liegenschaft, der als Ehewohnung gedient hat. Bei der Aufteilung der Hausratsgegenstände und der ehelichen Ersparnisse komme es nicht darauf an, inwieweit derartige Gegenstände derzeit noch vorhanden sind, sondern welche Gegenstände zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft vorhanden waren. Die bloße Wertsteigerung der Ehewohnung sei für sich allein keine ausreichende Grundlage für die Festsetzung einer Ausgleichszahlung. Bezüglich der sonstigen Billigkeitskriterien des § 83 EheG fehle es an jeglichen Feststellungen. Gemäß § 81 Abs. 1 EheG seien bei der Aufteilung die Schulden, die mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen und den ehelichen Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stehen, in Anschlag zu bringen. Nach § 83 Abs. 1 EheG sei auf Schulden, die mit dem ehelichen Aufwand zusammenhängen und soweit sie nicht ohnedies nach § 81 EheG in Anschlag zu bringen sind, Bedacht zu nehmen. Wenn auch Steuerschulden mit dem Unternehmen des Antragsgegners zusammenhängen, könne doch nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, daß sie in irgendeiner Form auf die finanzielle Lebensgestaltung der Parteien, solange deren Ehe aufrecht war, Auswirkungen gezeitigt hätten. Es könnte sein, daß die Antragstellerin an den "Schwarzgeldern" direkt oder indirekt (etwa durch besseren Lebensstandard) mitprofitiert hat. Soweit dies der Fall sei, handle es sich bei den Schulden um solche, die mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen und den ehelichen Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stehen. In diesem Umfang könnten daher die Schulden nicht ohne weitere Prüfung aus der Betrachtungsweise, die in erster Linie unter dem Aspekt der Billigkeit zu stehen habe, ausscheiden. Einer Erörterung bedürfe auch die grundbücherliche Belastung der Liegenschaft. Geldstrafen, die einem der ehemaligen Ehepartner auferlegt worden sind, könnten jedoch keinesfalls auf den anderen überwälzt werden.

Nach § 98 ABGB habe derjenige Ehegatte, der im Erwerb des anderen mitgewirkt hat, einen Anspruch auf angemessene Abgeltung. Diese Bestimmung berühre jedoch gemäß § 100 ABGB nicht vertragliche Ansprüche des Ehegatten gegen den anderen aus einem Mit- oder Zusammenwirken im Erwerb. Solche Ansprüche schließen einen Anspruch nach § 98 ABGB aus. Demnach müsse bezüglich der behaupteten Ansprüche der Antragstellerin wegen Mitwirkung im Gewerbe des Antragsgegners geprüft werden, ob diesbezüglich ein vertraglicher Anspruch bestehe, wobei ein derartiger Anspruch gemäß § 863 ABGB auch schlüssig begründet worden sein könnte. Soweit ein solcher Anspruch bestehe, scheide in diesem Umfang ein Anspruch nach § 98 ABGB aus. Ansprüche nach § 100 ABGB seien im streitigen Rechtsweg geltend zu machen. Soweit Ansprüche nach § 98 Abs. 2 ABGB bestehen, komme es nicht darauf an, wie das Entgelt für gleichartige Tätigkeiten im allgemeinen bemessen wäre, sondern darauf, wie die Tätigkeit des einen Ehegatten im Betrieb des anderen zu werten sei. Durch die Formulierung des § 98 Abs. 2 ABGB werde der sich aus dem Wesen der Ehe als umfassender Lebens- aber auch Risikogemeinschaft ergebende familienrechtliche Charakter des Abgeltungsanspruches betont. Die Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen begründe daher nicht einen Vergütungsanspruch wie bei einem Arbeitsverhältnis, sondern einen Gewinnbeteiligungsanspruch ähnlich dem Anspruch aus einem Gesellschaftsverhältnis. Dem mitwirkenden Ehegatten stehe ein angemessener Anteil an einem gemeinsamen erzielten Gewinn zu. Haben die Bemühungen beider Ehegatten zu keinem Gewinn geführt, dann komme auch ein Anspruch auf Abgeltung der Mitwirkung nicht in Betracht. Bei der Ermittlung des Gewinnes aus dem Betrieb der Gastwirtschaft seien vom Bruttoerlös nicht nur die Ausgaben für die Führung des Betriebes, sondern auch alle Aufwendungen zur Tilgung eines aufgenommenen Kapitals und die Aufwendungen für die Erhaltung oder Erneuerung des Hauses, als der Quelle des Erwerbes, aber auch alle öffentlichen Abgaben abzuziehen. Nur wenn dann noch ein Gewinn verblieben ist und die Antragstellerin nicht einen ihrem Beitrag entsprechenden Anteil erhalten hat, habe sie einen Abgeltungsanspruch.

Da das Erstgericht diese Fragen überhaupt nicht erörtert und die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen habe, sei sein Verfahren ergänzungsbedürftig.

Keiner der beiden von den Parteien gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobenen Rekurs ist berechtigt.

A) Zum Rekurs des Antragsgegners:

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht hat die Rechtslage erschöpfend und richtig dargestellt. Wie sich aus diesen Darlegungen ergibt, sind nur mit der gemeinsamen Lebenshaltung in Verbindung stehende Verbindlichkeiten bei der Aufteilung des Gebrauchsvermögens zu berücksichtigen. Maßgebend für die Aufteilung ist, wie das Rekursgericht richtig dargelegt hat, der Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft. Nach diesem Zeitpunkt vom Antragsgegner eingegangene Schulden können bei der Aufteilung nicht berücksichtigt werden.

Die weiteren Ausführungen des Rekurses erschöpfen sich in der Behauptung, das erstgerichtliche Verfahren reiche zu einer abschließenden Entscheidung aus. Dies wurde vom Rekursgericht mit Recht verneint. Im übrigen kann auch im Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse einem Auftrag des Rekursgerichtes zu einer Ergänzung des Verfahrens und des Sachverhaltsbildes, um bei richtiger rechtlicher Beurteilung entscheidungswesentliche Umstände klarzustellen, nicht entgegengetreten werden (7 Ob 513/85, 2 Ob 555/82 ua.).

B) Zum Rekurs der Antragstellerin:

Soweit auch dieser Rekurs die Feststellungen des Erstgerichtes im Zusammenhang mit der Aktenlage als ausreichend für eine abschließende Entscheidung erachtet, ist auf das oben Gesagte zu verweisen, nämlich daß der Oberste Gerichtshof dem Ergänzungsantrag des Rekursgerichtes infolge der Richtigkeit der Rechtsansicht dieser Instanz nicht entgegentreten kann.

Weitgehend kann auch hier auf die zutreffenden Rechtsausführungen des Rekursgerichtes verwiesen werden. Nur ergänzend ist noch folgendes auszuführen:

Der Aufteilung unterliegt die eheliche Errungenschaft. Es ist dies, was die Ehegatten während der Ehe erarbeitet oder erspart haben. Auch Erträge eines ererbten oder geschenkten Vermögens zählen daher zu den ehelichen Ersparnissen und sind demnach in die Aufteilung einzubeziehen (SZ 55/163 = JBl. 1983, 316 ua.). Gerade darüber fehlen aber im vorliegenden Fall die Entscheidungsgrundlagen. Dies gilt auch für die Frage, inwieweit eine Vermögensvermehrung durch "Konsumverzicht" der Antragstellerin stattgefunden hat. Inwieweit Billigkeitserwägungen die Aufteilung des Gebrauchsvermögens in einem anderen Verhältnis als 1 : 1 rechtfertigen würden, kann vor Abschluß der notwendigen Feststellungen nicht gesagt werden. Zutreffend hat das Rekursgericht darauf verwiesen, daß nahezu alle nach dem Gesetz erforderlichen Umstände für die Billigkeitsentscheidung nicht einmal erörtert worden sind. Auf die Notwendigkeit der Feststellung der zum Stichtag vorhandenen Ersparnisse hat das Rekursgericht ohnedies verwiesen. Das Rekursgericht hat auch richtig auf den notwendigen inneren Zusammenhang der Schulden mit der ehelichen Lebensführung verwiesen. Es hat richtig erkannt, daß reine Unternehmensschulden, soweit sie keinen Einfluß auf die eheliche Lebensführung hatten, bei der Aufteilung nicht zu berücksichtigen sind. Wohl aber würde eine Nichtberücksichtigung solcher Schulden dem Gebot der Billigkeit widersprechen, die der Antragsgegner in seinem Unternehmen eingegangen wäre, um dadurch den Lebensstandard der beiden Ehegatten, also auch der Antragstellerin, erheblich zu erhöhen. In einem solchen Fall könnten die Schulden bei der Billigkeitsentscheidung nicht außer Betracht bleiben. In welchem Ausmaß sie hiebei zu berücksichtigen sind und inwieweit sie auf die Billigkeitsentscheidung Einfluß haben, kann erst nach Abschluß sämtlicher hiezu erforderlichen Erhebungen gesagt werden. Richtig hat das Rekursgericht auch die sich aus § 98 ABGB ergebenden Voraussetzungen für einen Anspruch nach dieser Gesetzesstelle dargelegt. Allein schon das Bestehen eines vertraglichen Anspruches läßt in dessen Umfang den Abgeltungsanspruch nach § 98 ABGB nicht zu (EvBl. 1979/110, 2 Ob 662/85 ua.). Nur für einen Unterschiedsbetrag zwischen dem Abgeltungsanspruch nach § 98 ABGB und dem für die erbrachten Dienstleistungen vereinbarten Entgelt bleibt es bei der Grundsatzregelung des § 98 ABGB (3 Ob 501/84). Daß grundsätzlich verjährte Entlohnungsansprüche in die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens einzubeziehen sind, kann in dieser Allgemeinheit nicht gesagt werden. Die im Revisionsrekurs zitierte Stelle bei Pichler in Rummel (Rdz 5 zu §§ 83, 84 EheG) hat offensichtlich nur einen häufig auftretenden Fall im Auge. Es darf nämlich nicht verkannt werden, daß die bloße Anmeldung eines Familienmitgliedes bei der Gebietskrankenkasse häufig aus betriebsinternen Gründen erfolgt, ohne daß tatsächlich ein Arbeitsverhältnis zwischen diesen Familienangehörigen vorliegt. Maßgebend für die Beurteilung eines Lohnanspruches ist aber nicht, wie die Streitteile ihr Verhältnis gegenüber einem Außenstehenden deklariert haben, sondern die zwischen den Streitteilen getroffene Vereinbarung ( 7 Ob 681/85). Erfolgte also eine Meldung bei der Gebeitskrankenkasse ohne daß tatsächlich die Absicht der Begründung eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses bestand, so hat der eine Ehegatte gegen den anderen keinen Lohnanspruch, weshalb ihm ein Anspruch nach § 98 ABGB verbleibt. Hat er dagegen einen echten Lohnanspruch, so wird dieser auch dann nicht in einen Anspruch nach § 98 umgewandelt, wenn er verjährt ist. Ist allerdings die Verjährung nur darauf zurückzuführen, daß der mitarbeitende Ehegatte in Wahrheit gar kein Dienstverhältnis begründen wollte, weshalb er die nach außenhin deklarierten Lohnansprüche nicht eingeklagt hat, so liegt gar kein Dienstverhältnis vor, das nach § 100 ABGB einen Anspruch nach § 98 ABGB ausschließen würde. Ferner könnte man einen verjährten Entgeltanspruch dann nach § 98 ABGB allenfalls berücksichtigen, wenn zwar ein solcher Lohnanspruch tatsächlich bestanden hätte, die Ehegatten jedoch im Hinblick auf den Betrieb beschlossen hätten, daß dieser Lohnanspruch nicht geltend gemacht wird. In einem solchen Fall läge in Wahrheit ein Verzicht auf einen Lohnanspruch vor, weshalb für den Zeitraum des Verzichtes ein Anspruch nach § 98 ABGB gegeben sein könnte.

Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an jeglichen Feststellungen über allfällige vertragliche Ansprüche der Antragstellerin, sodaß eine abschließende Beurteilung auch in diesem Punkt nicht möglich ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 234 AußStrG. Da der Ausgang des Verfahrens auch noch nicht annähernd abgeschätzt werden kann, ist es derzeit unmöglich abzuschätzen, inwieweit die Verpflichtung einer der Parteien zum Kostenersatz dem Gebot der Billigkeit entsprechen würde.

Rechtssätze
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