JudikaturJustiz7Ob45/05a

7Ob45/05a – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. März 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Semir S*****, geboren am *****, vertreten durch den Vater Sinan S*****, ebendort, dieser vertreten durch Dr. Robert Wiesler, Rechtsanwalt in Graz, über den Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 1. Februar 2005, GZ 3 R 4/05b 5, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Mürzzuschlag vom 17. Jänner 2005, GZ 1 P 292/03f G2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen

Text

Begründung:

Am 6. 6. 2003 wurde dem Minderjährigen von einem Mitschüler im Polytechnikum M***** ein Schlag mit der flachen Hand auf das rechte Ohr versetzt, wodurch sein Trommelfell zerriss. Der aus diesem Vorfall resultierenden Schadenersatzklage des Minderjährigen gegen den Mitschüler wegen EUR 5.200 sA (Schmerzengeld und Fahrtkosten) und Feststellung (Streitwert: EUR 1.000) erteilte das Erstgericht mit Beschluss vom 21. 3. 2003 die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung.

Mit Urteil vom 29. 12. 2004, GZ 3 C 1852/03k 21, verpflichtete das Erstgericht den dort beklagten Schädiger, dem Minderjährigen EUR 1.200 sA zu bezahlen, stellte fest, dass der dortige Beklagte dem Kläger für drei Viertel der zukünftigen Schäden ersatzpflichtig sei, die dieser aufgrund der gegenständlichen Körperverletzungshandlung erleide, und wies das Mehrbegehren ab.

Am 11. 1. 2005 beantragte der Minderjährige, die von ihm gegen den klageabweisenden Teil dieses Urteils beabsichtigte Berufung im geplanten Umfang (hinsichtlich der - infolge Annahme eines Mitverschuldens des Minderjährigen von einem Viertel - erfolgten Abweisung eines Teilbetrages von EUR 400 bzw der vorgenommenen Teilabweisung des Feststellungsbegehrens) pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen.

Das Erstgericht wies den Antrag zurück. Bei der Einbringung einer Berufung handle es sich um keine genehmigungspflichtige verfahrensrechtliche Verfügung iSd § 154 Abs 3 ABGB. Da die Genehmigung der Klageführung bereits die Rechtsmittelerhebung zur Verfolgung von Ansprüchen mitumfasse, sei der Antrag unzulässig (ON G2).

Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 insgesamt nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG (idF BGBl I 2003/111) zulässig sei. Vertretungshandlungen, die iSd § 154 Abs 3 ABGB der Genehmigung des Gerichts bedürften, seien - soweit sie nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehörten - ua die Erhebung der Klage und alle verfahrensrechtlichen Verfügungen, die den Verfahrensgegenstand an sich (zB durch Anerkenntnis, Anspruchsverzicht, qualifizierte Klagsrücknahme oder Vergleich) beträfen. Bei der Erhebung der Berufung in einem Verfahren über eine - wie hier - bereits pflegschaftsgerichtlich genehmigte Klage, handle es sich um keine derartige Verfügung; in diesem Prozessschritt werde über den Verfahrensgegenstand als solches, im Konkreten also über den Schadenersatzanspruch des Minderjährigen, nämlich nicht verfügt.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil soweit überblickbar - Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der (zusätzlichen) Notwendigkeit der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der Einbringung eines Rechtsmittels in einem bereits pflegschaftsgerichtlich genehmigten Verfahren fehle, dieser Frage aber eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG (nF) zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Minderjährigen mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im antragsstattgebenden Sinn abzuändern; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Auch der Revisionsrekurswerber beruft sich zur Zulässigkeit seines Rechtsmittels auf die angeblich fehlende Rechtsprechung zur Frage, ob bei einem bereits pflegschaftsgerichtlich genehmigten Verfahren zusätzlich die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung für die Einbringung einer Berufung notwendig sei.

Dabei wird jedoch es übersehen, dass der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 8 Ob 76/65 näher begründet hat, dass nicht jede einzelne Prozesshandlung, mag sie auch von noch so entscheidender Bedeutung sein, der gerichtlichen Genehmigung bedarf. darin wurde auch ausgeführt, dass die Forderung einer solchen Genehmigung die Prozessführung mit einem Pflegebefohlenen praktisch undurchführbar machen würde, was auch nicht im Interesse der Pflegebefohlenen gelegen wäre. Im Allgemeinen bedarf daher der gesetzliche Vertreter zur wirksamen Vornahme von Prozesshandlungen namens seines Pflegebefohlenen nicht der Genehmigung des Pflegschaftsgerichtes. Eine solche hat vielmehr nur bei Dispositivhandlungen, das heißt bei positiven Verfügungen des gesetzlichen Vertreters über den prozessgegenständlichen Anspruch (wie etwa durch Verzicht, Anerkenntnis oder Vergleich), einzutreten (SZ 38/40; vgl auch RIS Justiz RS0049197; zuletzt: 2 Ob 180/04s zum Fall der Klageänderung).

Dass demnach weder die Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels noch eine Außerstreitstellung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfen, weil dabei von derartigen Dispositivhandlungen keine Rede sein kann, vertritt der Oberste Gerichtshof schon seit dieser Entscheidung in ständiger Rechtsprechung (RIS Justiz RS0049083), die auch von der Lehre gebilligt wird (vgl Stabentheiner im Rummel³ ErgBd [2003] §§ 154, 154a ABGB Rz 15, wo - wie bereits das Rekursgericht aufzeigt - als Beispiele für Verfügungen über den Anspruch solche "durch Anerkenntnis, Anspruchsverzicht, qualifizierte Klagsrücknahme, Vergleich, nicht aber eine Außerstreitstellung" angeführt werden).

Die Verfügung über einen Prozessgegenstand, der außerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes liegt, bedarf somit zwar der Genehmigung durch das Gericht; ist diese aber wie hier - einmal erteilt, so gilt sie bei unverändertem Streitgegenstand für das " ganze Verfahren " (§ 154a Abs 2 ABGB) bis zu dessen rechtskräftiger Beendigung ( Stabentheiner aaO Rz 19 aE mit Hinweis auf 6 Ob 541/93 = SZ 66/63), also insb auch für ein allfälliges Rechtsmittelverfahren, weil nur dies als sinnvolle Verfahrenseinheit aufgefasst werden kann und Unklarheiten über den Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung vermeidet (6 Ob 541/93; vgl auch RIS Justiz RS0049110 zum prozessualen Alleinvertretungsrecht nach § 154a ABGB).

Da die Beurteilung, dass dies auch für die Erhebung der gegenständlichen Berufung gilt, somit den Grundsätzen der zit stRsp und hL folgt, sind die Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG idF BGBl I 2003/111 (der hier gemäß § 203 Abs 7 AußStrG [nF] im Hinblick auf das nach dem 31. 12. 2004 liegende Datum der Entscheidung erster Instanz bereits anzuwendenden ist) - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes (§ 71 Abs 1 AußStrG [nF]) - nicht erfüllt.

Rechtssätze
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