JudikaturJustiz7Ob40/22s

7Ob40/22s – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Mai 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen M* P*, geboren * 2014, *, vertreten durch den Kinder und Jugendhilfeträger Magistrat der Stadt Krems, 3500 Krems an der Donau, Obere Landstraße 4, Mutter A* P*, vertreten durch Dr. Georg Retter, Rechtsanwalt in Krems an der Donau, Vater Dipl. Ing. B* P*, wegen Kontaktrechts, Antragsteller Mag. M* S*, vertreten durch Dr. Martin Neuwirth, Dr. Alexander Neurauter, Rechtsanwälte in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom 26. Jänner 2022, GZ 2 R 126/21y 84, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Minderjährige ist die eheliche Tochter von A * und Dipl. Ing. B* P*.

[2] Der Antragsteller bringt vor als biologischer Vater in Frage zu kommen und begehrt die Einräumung von Kontakten zur Minderjährigen. Weiters beantragte er die Einholung eines DNA Gutachtens zur Verifizierung der Vaterschaft.

[3] Für die Minderjährige ist ein Kollisionskurator zur Vertretung in diesem Verfahren bestellt.

[4] Mit Beschluss vom 31. 5. 2021 beauftragte das Erstgericht einen Sachverständigen damit, ein Gutachten darüber zu erstatten, ob der Antragsteller aufgrund der klassischen Blutmerkmal und Serum Systeme, sowie des HLA und DNA Systems als Vater der Minderjährigen auszuschließen ist (oder seine Vaterschaft weniger wahrscheinlich ist als die eines anderen Mannes).

[5] Der Sachverständige lud die Mutter und die Minderjährige zunächst für den 21. 6. 2021 zur Probeabnahme vor den Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Krems. Am 21. 6. 2021 langte beim Erstgericht eine mit demselben Tag datierte Äußerung der Mutter ein, in der sie ihre Verweigerung, am Probeentnahmetermin teilzunehmen, erklärte.

[6] Der Sachverständige teilte dem Erstgericht in weiterer Folge mit, dass er als neuen Termin für eine Probeentnahme den 12. 7. 2021 organisiert habe. Er ersuchte das Gericht um „gerichtliche Vorladung/Vorführung“ der beiden. Das Erstgericht lud daraufhin die Mutter zu diesem Termin und ordnete an, dass auch die Minderjährige mitzubringen sei. Für den Fall des unentschuldigten Fernbleibens drohte es die Verhängung einer Ordnungsstrafe in Höhe von 200 EUR über die Mutter an. Auch zum Termin am 21. 7. 2021 erschienen die Mutter und die Minderjährige nicht, wovon der Sachverständige das Erstgericht wiederum in Kenntnis setzte und mitteilte, einen weiteren Termin zur Probeentnahme für den 2. 8. 2021 organisiert zu haben. Der Sachverständige ersuchte neuerlich um „gerichtliche Vorladung/Vorführung“ der Mutter und der Minderjährigen.

[7] Daraufhin ordnete das Erstgericht zunächst mit Beschluss vom 23. 7. 2021 die Vorführung der Mutter und der Minderjährigen durch den Gerichtsvollzieher zum Amtsarzt für den 2. 8. 2021 – unter gleichzeitiger Verhängung einer Ordnungsstrafe von 200 EUR – an. Aufgrund der Verhinderung des Gerichtsvollziehers hielt das Erstgericht in einem Aktenver merk vom 28. 7. 2021 fest, den Termin auf den 9. 8. 2021 zu „verlegen“ und verfügte, den Vorführbefehl vom 23. 7. 2021 nicht abzufertigen.

[8] Mit Beschluss vom 28. 7. 2021 ordnete das Erstgericht die Vorführung der Mutter und der Minderjährigen durch den Gerichtsvollzieher zum Amtsarzt für den 9. 8. 2021 unter gleichzeitiger Verhängung einer Ordnungsstrafe von 200 EUR an.

[9] Mit Beschluss vom 2. 8. 2021 beraumte es den Termin vom 9. 8. 2021 ab und widerrief den Vorführbefehl vom 28. 7. 2021.

[10] Das Rekursgericht wies den Rekurs der Mutter gegen die Anordnung der Vorführung zurück und gab ihm im Übrigen nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

[11] 1.1 Nach ständiger Rechtsprechung setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer – also ein Anfechtungsinteresse – voraus (RS0002495). Kann ein Rechtsmittel seinen eigentlichen Zweck, die Rechtswirkungen der bekämpften Entscheidung durch eine Abänderung oder Aufhebung zu verhindern oder zu beseitigen, nicht mehr erreichen, dann fehlt es am notwendigen Rechtsschutzinteresse (RS0002495 [T43]). Die Beschwer muss zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels gegeben sein und zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen; andernfalls ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RS0041770; RS0006880). Diese Grundsätze gelten auch im Verfahren außer Streitsachen (RS0002495 [T81]; RS0006598).

[12] 1.2 Die Beurteilung des Rekurs gerichts, der Mutter fehle die Beschwer zur Bekämpfung des Vorführungsbefehls, weil dieser zum Zeitpunkt der Erhebung ihres Rekurses (11. 10. 2021) und zum Zeitpunkt der Entscheidung des Rekursgerichts (26. 1. 2022) bereits widerrufen gewesen sei, entspricht der oberstgerichtlichen Rechtsprechung.

[13] 2.1 In seiner Entscheidung 3 Ob 130/17i bejahte der Oberste Gerichtshof die Möglichkeit der inzidenten Vaterschaftsfeststellung als Vorfrage im Kontaktrechtsverfahren nach § 188 Abs 2 ABGB mit bloßer Wirkung für die Parteien des Verfahrens. Er nahm weiters Stellung dazu, dass die Gewährung des Kontaktrechts nach § 188 Abs 2 ABGB unter anderem sowohl vom Bestehen eines besonderen Verhältnisses (biologische Vaterschaft des Antragstellers) als auch davon abhängt, ob es dem Kindeswohl dient, wobei es grundsätzlich im Ermessen des Gerichts steht, ob es im Einzelfall zunächst die biologische Vaterschaft oder das Kindeswohl prüft, wobei er weiters bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigende Aspekte anführte.

[14] 2.2 Im vorliegenden Fall entschieden sich die Vorinstanzen dafür, zunächst die biologische Vaterschaft zu klären, wobei sie weiters die Verpflichtung der Mutter zur Mitwirkung am Sachverständigenbeweis (Probeentnahme, B ringen der Minderjährigen zum Sachverständigen) bejahten. Gegen das Bestehen dieser Verpflichtungen bringt die Mutter keine Argumente vor, weshalb sich ein weiteres Eingehen erübrigt.

[15] 2.3 Sie vertritt aber, aus der Entscheidung 3 Ob 130/17i folge, dass die hier in Frage stehenden Mitwirkungspflichten nicht durchsetzbar seien.

[16] 2.3.1 Der Oberste Gerichtshof hat in dieser Entscheidung die analoge Anwendung des § 85 AußStrG auf die inzidente Vaterschaftsfeststellung im Kontaktrechtsverfahren nach § 188 Abs 2 AußStrG verneint. Er hielt weiters fest, dass der in § 35 AußStrG enthaltene Globalverweis auf konkrete Bestimmungen der ZPO auch § 359 ZPO erfass e . Dieser s ehe in Abs 2 Mitwirkungspflichten der Parteien und dritter Personen vor, zu denen ein nicht anfechtbarer Auftrag des Gerichts an die Parteien erteilt werden k önne , dessen zwangsweise Durchsetzung allerdings nicht möglich sei .

[17] 2.3.2 Die genannte Entscheidung befasst sich jedoch nicht mit der allgemeinen Möglichkeit der Anordnung der Zwangsmittel nach § 79 Abs 1 AußStrG.

[18] 2.4.1 Nach § 79 Abs 1 AußStrG hat das Gericht Verfügungen, die für den Fortgang des Verfahrens notwendig sind, gegenüber Personen, die sie unbefolgt lassen, von Amts wegen durch angemessene Zwangsmittel durchzusetzen. Voraussetzung für die Anwendung ist eine durchsetzbare Pflicht (RS0124115).

[19] 2.4.2 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann auch die aus § 35 AußStrG iVm § 359 ZPO abzuleitende Pflicht zur Mitwirkung an einem „Sachverständigenbeweis“ mit Zwangsmittel durchgesetzt werden (5 Ob 257/09v, 8 Ob 89/13 s , 6 Ob 179/16s, 10 Ob 46/15k, 3 Ob 28/22x).

[20] 2.4.3 Soweit das Rekursgericht somit die Zulässigkeit der Durchsetzung der allgemeinen Verpflichtung zur Mitwirkung an eine m Sachverständigenbeweis bejaht, hält es sich im Rahmen der bestehenden oberstgerichtlichen Judikatur.

[21] 2.5.1 Der Oberste Gerichtshof hat aber auch bereits dahin Stellung genommen, dass – anders als im Abstammungsverfahren – für die Belange des Sorgerechtsverfahrens keine besonderen Regelungen über die Mitwirkung an einem medizinischen Sachverständigenbeweis bestehen, weshalb es zur Frage, wo die Grenzen der durchzusetzenden Mitwirkungspflicht zu ziehen sind, gerade im Fall der Anordnung medizinischer Untersuchungen einer Interessensabwägung bedarf (8 Ob 89/13s). Dies gilt auch für das hier vorliegende Kontaktrechtsverfahren nach § 188 Abs 2 AußStrG.

[22] 2.5. 2 In diesem Zusammenhang argumentiert die Mutter nicht mit Interessen, die der medizinischen Untersuchung entgegenstehen, sondern ausschließlich mit Beeinträchtigungen durch das (befürchtete) Ergebnis. In Bezug auf die Minderjährige übersieht sie, dass der m it Beschluss vom 3. 3. 2021 zur Vertretung des Kindes in diesem Verfahren bestellte Kollisionskurator ausdrücklich seine Zustimmung zur Vaterschaftsfeststellung unter Hinweis darauf erteilte, dass diese im I nteresse des Kindeswohls liege.

[23] 3. Dieser Beschluss gründet auf keiner weiteren Begründung (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Rechtssätze
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