JudikaturJustiz7Ob18/95

7Ob18/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Juli 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** Versicherungsaktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Walter Brunner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Ingrid W*****, vertreten durch Dr.Otfried Fresacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 116.872,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 2.Februar 1995, GZ 8 R 22/94-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 10.Mai 1994, GZ 24 Cg 45/94-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1.) zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird insoweit nicht Folge gegeben, als das Klagebegehren mit einem Teilbetrag von S 16.872,-- samt 4 % Zinsen seit 1.1.1988 abgewiesen wurde.

Die Kostenentscheidung wird der Entscheidung vorbehalten;

und 2.) den

Beschluß

gefaßt:

Im übrigen wird der Berufung Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden hinsichtlich des Teilbetrages von S 100.000,-- samt 4 % Zinsen seit 1.1.1988 aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte hat bei der klagenden Partei eine Einbruchsdiebstahlversicherung betreffend ihr Geschäftslokal, in dem sie von Mai 1985 bis April 1986 einen Videoverleih betrieb, abgeschlossen. Mit Schadensmeldung vom 25.10.1985 machte sie bei der klagenden Partei einen Schaden von rund S 350.000,-- bis S 400.000,-- mit der Begründung geltend, daß in der Zeit vom 23. auf den 24.10.1985 durch unbekannte Täter ein Einbruchsdiebstahl in ihrem Geschäftslokal verübt worden sei. Aufgrund der Erklärung der Beklagten, daß sie dringend Geld benötige, weil sie das Geschäft fortführen wolle, zahlte ihr die beklagte Partei am 6.11.1985 eine "Akontozahlung" in Höhe von S 100.000,-- aus. Im Jänner 1986 überwies die klagende Partei weitere S 16.872,-- aus diesem Schadensfall an Rechtsanwalt Dr.P*****, dem die Beklagte ihre Forderung gegen die klagende Partei bis zu dieser Höhe abgetreten hatte. Die polizeilichen Erhebungen waren auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Mit Schreiben vom 30.1.1986 teilte die klagende Partei der Beklagten mit, daß sie annehme, daß es sich um keinen Einbruchsdiebstahl gehandelt habe; es werde aber noch die Strafanzeige abgewartet. Mit Schreiben vom 26.11.1987 und vom 15.12.1987 ersuchte die klagende Partei um Rücküberweisung von S 116.872,-- oder um die Erstattung eines geeigneten Rückzahlungsvorschlages binnen 10 Tagen.

Im Verfahren ***** Cg ***** des *****gerichtes ***** begehrte Horst G*****, dem die Beklagte inzwischen die Restforderung abgetreten hatte, von der klagenden Partei S 84.852,-- mit der Behauptung, daß der Beklagten zumindest noch dieser Betrag aus der Diebstahlversicherung zustehe. In diesem Verfahren wurde das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, daß es Horst G***** nicht gelungen sei, zu beweisen, daß ein Einbruchsdiebstahl vorliege. Es könne nicht festgestellt werden, auf welche Weise der oder die Täter in das Geschäftslokal gelangt seien. Insbesondere könne nicht festgestellt werden, daß der oder die Täter eine Tür eingedrückt oder aufgebrochen hätten oder mittels eines falschen Schlüssels oder eines anderen nicht zum ordnungsgemäßen Öffnen bestimmten Werkzeuges eingedrungen wären.

Die klagende Partei begehrte die von ihr an die Beklagte und an Dr.P***** geleisteten Zahlungen von insgesamt S 116.872,-- samt 4 % Zinsen seit 1.1.1988 von der Beklagten zurück, weil sich in den Verfahren "vor der Staatsanwaltschaft R*****" und dem *****gericht ***** herausgestellt habe, daß kein Einbruchsdiebstahl vorliege, sodaß die Zahlungen irrtümlich erfolgt seien.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Der Täter habe sich den Zugang zum Geschäftslokal gewaltsam und heimlich verschafft und der Beklagten einen Schaden von S 388.456,20 zugefügt. Die klagende Partei habe sich nicht im Irrtum befunden. Sie habe nach den von ihr durchgeführten Erhebungen an Ort und Stelle mit der Behauptung, daß der zum Schaden führende Tathergang unklar und insbesondere nicht genau eruierbar sei, ob nach dem Versicherungsvertrag Deckung bestehe, lediglich S 100.000,-- an die Beklagte bezahlt. Der darüber hinausgehende Schaden sei nach wie vor nicht gedeckt worden. Mehr als S 100.000,-- habe die Beklagte nicht erhalten. Außerdem sei der Klagsanspruch verjährt.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben. Es vertrat die Ansicht, daß sich der mangelnde Beweis für den Einbruchsdiebstahl aus dem Akt ***** Cg ***** des *****gerichtes ***** ergebe und daß der klagenden Partei der Beweis gelungen sei, daß sie sich bei der Zahlung in einem Irrtum befunden habe, weil sie die Meinung vertreten habe, es werde sich ein Einbruchsdiebstahl im Sinn der Versicherungsbedingungen nachweisen lassen. Es sei nicht davon auszugehen, daß eine Versicherung zahle, wenn sie wisse, daß sie etwas nicht schuldig sei. Der Rückforderungsanspruch nach § 1431 ABGB verjähre erst in 30 Jahren.

Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil im Sinn einer Klagsabweisung ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Aus dem vorliegenden Sachverhalt lasse sich zwar kein Anerkenntnis der klagenden Partei ableiten. Ein solches Anerkenntnis sei auch nicht behauptet worden, sodaß die Rückforderung wegen irrtümlicher Zahlung nach § 1431 ABGB grundsätzlich zulässig sei. Die klagende Partei sei jedoch den ebenfalls von ihr zu erbringenden Beweis schuldig geblieben, daß kein Einbruchsdiebstahl vorgelegen sei und daher kein Versicherungsschutz bestanden habe. Aus ihrem einzig relevanten Beweisanbot hiezu, nämlich dem Akt ***** Cg ***** des *****gerichtes *****, ergebe sich lediglich eine "unentschiedene Beweislage". Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine hinreichende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Beweislastverteilung hinsichtlich des hier entscheidungswesentlichen Beweises der Nichtschuld vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und teilweise berechtigt.

Nach neuerer Rechtsprechung und überwiegender Ansicht der Lehre ist bei bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung, wenn die betroffene Forderung zediert wurde, grundsätzlich der Zessionar und nicht der Zedent vom debitor cessus in Anspruch zu nehmen (vgl insb WBl 1987, 123; BA 1988, 1225, 1227 ff je mwN sowie die Zusammenfassung des Meinungsstandes bei Koziol-Welser I10, 430 f, und Karollus in JBl 1994, 573 f). Hinsichtlich des an Dr.P***** abgetretenen und seitens der klagenden Partei an ihn ausgezahlten Betrages von S 16.872,-- ist die Beklagte somit nicht passiv legitimiert, sodaß ihrem diesbezüglich sinngemäß erhobenen Einwand Rechnung zu tragen war. Insoweit wurde daher das Klagebegehren vom Gericht zweiter Instanz im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Hinsichtlich des diesen Betrag übersteigenden Begehrens von S 100.000,-- ist die Rechtssache aber entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz noch nicht spruchreif. Zunächst ist klarzustellen, daß das Erstgericht zu Recht ausführte, daß der Rückforderungsanspruch wegen irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld nach 30 Jahren verjährt (EvBl 1988/81). Hinsichtlich des in der Tagsatzung vom 19.4.1994 in zeitlicher Hinsicht ausgedehnten Zinsenbegehrens wurde der Verjährungseinwand in erster Instanz nicht erhoben, sodaß eine sofortige Abweisung des Teilzinsenbegehrens, soweit es für längere als drei Jahre rückständige Zinsen erhoben wurde, nicht in Betracht kommt.

Die Kondiktion ist ausgeschlossen, wenn die Vermögensverschiebung durch einen zureichenden Rechtsgrund gedeckt ist (§ 1431 ABGB: "......Wozu er gegen den Leistenden kein Recht hat"). Die Beweislast für die Rechtsgrundlosigkeit liegt beim Rückfordernden (Rummel in Rummel2 II, Rz 4 zu § 1431 ABGB). Der einen Bereicherungsanspruch nach § 1431 ABGB geltendmachende Kläger hat - abgesehen von der Erbringung der Leistung - zu beweisen, a) daß die Leistung zum Zweck der Erfüllung einer Schuld erfolgte, die in Wirklichkeit nicht bestand, und b) daß er sich bei der Leistung in einem Irrtum befand (1 Ob 152/72 ua). Die Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz, daß bei einem auf irrtümliche Zahlung gegründeten Rückforderungsanspruch der klagende Versicherer - im Gegensatz zur Klage des Versicherungsnehmers auf Erbringung der Versicherungsleistung - den Nachweis zu erbringen hat, daß das Schadensereignis nicht von der primären Risikoabgrenzung umfaßt ist und daher kein Versicherungsschutz bestand, steht daher im Einklang mit Rechtsprechung und Lehre (Prölss-Martin, VersVG25, 426, Rz 3 c zu § 55 VersVG).

Die klagende Partei zeigt in ihrer Revision aber insoweit zu Recht eine Aktenwidrigkeit des Urteiles des Gerichtes zweiter Instanz auf, als dieses davon ausging, daß die klagende Partei allein den Akt des Handelsgerichtes Wien als Beweis für die Richtigkeit ihrer diesbezüglichen Behauptungen angeboten habe. Es ist zwar richtig, daß das dortige Verfahrensergebnis nicht geeignet ist, die Behauptung, es habe sich nicht um einen Einbruchsdiebstahl gehandelt, zu bestätigen. Die klagende Partei weist in ihrer Revision aber zu Recht darauf hin, daß sie sich auch zu diesem Vorbringen auf den Akt ***** der Staatsanwaltschaft R***** und auf die Zeugen N.R***** und N.B***** berufen hat, wie sich aus dem Inhalt des Tagsatzungsprotokolls vom 19.4.1994 ergibt.

Zugleich zeigt die klagende Partei damit auch eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz, das die Aufnahme dieser Beweise unterlassen hat, auf. Da das Gericht zweiter Instanz diese Mangelhaftigkeit bereits - aktenwidrig und daher zu Unrecht - verneint hat, war nicht in die zweite Instanz, sondern sogleich in die erste Instanz aufzuheben, damit diese Mangelhaftigkeit beseitigt werden kann.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht im Zusammenhang mit dieser Frage aber auch auf Vorlage der Versicherungsbedingungen zu dringen und entsprechende Feststellungen über deren Inhalt, betreffend die Risikoumschreibung, zu treffen haben, damit beurteilt werden kann, ob tatsächlich ein Einbruchsdiebstahl im Sinn der Versicherungsbedingungen vorlag oder nicht.

Zudem kann aber derzeit entgegen der Ansicht der Vorinstanzen auch noch nicht abschließend beurteilt werden, ob sich die klagende Partei bei Zahlung der S 100.000,-- an die Beklagte in einem ihren Bereicherungsanspruch rechtfertigenden Irrtum befand.

Entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht läßt sich zwar aus § 11 VersVG zur Frage, ob Zahlungen oder Teilzahlungen des Versicherers, die vor oder nach Beendigung der Erhebungen des Versicherers geleistet wurden, aus dem Titel des § 1431 ABGB rückforderbar sind, nichts gewinnen. Die zitierte Bestimmung steht der Rückforderung bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen des § 1431 ABGB grundsätzlich nicht entgegen. Es ist aber nicht nachvollziehbar, aus welchen Umständen das Erstgericht den in seiner rechtlichen Beurteilung enthaltenen Schluß zog, die klagende Partei habe im Zeitpunkt der Zahlung die Meinung vertreten, es werde sich ein Einbruchsdiebstahl im Sinn der Versicherungsbedingungen nachweisen lassen. Daraus, daß bei erwiesener Rechtsgrundlosigkeit eine "praktische Vermutung" für den Irrtum sprechen wird (vgl Rummel in Rummel2 II, Rz 5 zu § 1431 ABGB mwN), kann hier nicht das Fehlen jeglicher Feststellungen, ob oder inwieweit die klagende Partei über die bis dahin vorliegenden Erhebungsergebnisse der Polizeibehörde informiert war, ob sie bereits selbst Erhebungen gepflogen hatte (wie seitens der Beklagten behauptet wird) und mit welchen Ergebnis der polizeilichen Erhebungen sie im konkreten Fall tatsächlich rechnete, ersetzen. Die Tatsache allein, daß die Beklagte mit dem Hinweis auf ihre Geldnot auf Auszahlung drängte, läßt nicht den Schluß zu, daß die klagende Partei über das Vorliegen eines Versicherungsfalles irrte. Es ist durchaus denkbar, daß die klagende Partei trotz der Ungewißheit hierüber eine Kulanzzahlung erbringen wollte. Auch die Bezeichnung der Zahlung als "Akontozahlung" bringt keinen Anhaltspunkt in die eine oder andere Richtung.

Die Ausführungen der Beklagten in ihrer Klagebeantwortung, die klagende Partei habe mit der Behauptung, daß die Frage der Versicherungsdeckung wegen des unklaren Tatherganges nicht genau eruierbar sei, lediglich einen Betrag von S 100.000,-- gezahlt, lassen kein Eingeständnis erkennen, daß bei der klagenden Partei irrtümlich eine Nichtschuld bezahlt worden sei. Ein bloßer Zweifel am Bestehen der Schuld schließt zwar nach herrschender Lehre die Rückforderung grundsätzlich nicht aus. In der vorbehaltlosen Zahlung kann jedoch ein Anerkenntnis liegen. Der Empfänger kann unter Umständen berechtigt darauf vertrauen, daß die vorbehaltlose Zahlung als Verzicht auf den Einwand, daß der Schaden nicht in das versicherte Risiko falle, aufzufassen ist (vgl Rummel in Rummel2 II, Rz 7 zu § 1432 ABGB). Hatte der Schuldner Zweifel über den Bestand der Schuld und dennoch geleistet, so ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn die Zahlung den rechtgeschäftlichen Zweck hatte, einen zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden Streit endgültig zu erledigen. Wenn der Schuldner in einem solchen Fall vermeiden will, daß die Zahlung in diesem Sinn ausgelegt wird, muß er bei der Zahlung einen Vorbehalt machen; sonst ist eine Rückforderung vom gutgläubigen Empfänger unter Berufung auf § 1431 ABGB ausgeschlossen (SZ 44/75; JBl 1972, 51; 1 Ob 152/72). Die Rückforderung ist nicht mehr zulässig, wenn die Zahlung aus der Sicht des Empfängers als schlüssiges Anerkenntnis verstanden werden durfte (WBl 1992, 402).

Wenn sich die Beklagte auch nicht ausdrücklich auf den Rechtsgrund des Anerkenntnisses berufen hat, geht doch aus ihrem bereits in erster Instanz erstatteten Vorbringen hervor, daß sie die Zahlung von S 100.000,-- in diesem Sinne auffaßte. Im fortgesetzten Verfahren wird daher dieses Vorbringen einer Prüfung zu unterziehen sein. Sollte sich zudem herausstellen, daß die klagende Partei selbst Erhebungen gepflogen hat, die Zweifel am Einbruchsdiebstahl offenließen, wird der Beklagten umso eher zuzubilligen sein, daß sie die komentarlose und vorbehaltelose Zahlung eines Teiles ihrer an die klagende Partei herangetragenen Forderung als Anerkenntnis zumindest in diesem Umfang auffassen konnte.

Sollte sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen, daß der Rückforderungsanspruch der klagenden Partei schon am Erfordernis des Nachweises der irrtümlichen Zahlung scheitert, wird sich eine Beweisaufnahme darüber, ob der Schadensfall tatsächlich nicht unter den Versicherungsschutz fiel, erübrigen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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