JudikaturJustiz7Ob143/14a

7Ob143/14a – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. September 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei minderjährige M***** F*****, vertreten durch die Mutter S***** F*****, beide *****, vertreten durch Mag. Dr. Brigitta Braunsberger Lechner, Rechtsanwältin in Steyr, gegen die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch Dr. Christian Gamauf, Rechtsanwalt in Wien, wegen 7.880 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts Steyr als Berufungsgericht vom 28. November 2013, GZ 1 R 118/13s 39, womit das Urteil des Bezirksgerichts Steyr vom 1. März 2013, GZ 13 C 479/12b 35, teilweise bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Teilurteil wird dahin abgeändert, dass es unter Einbeziehung des in Rechtskraft erwachsenen Zuspruchs von 1.200 EUR sA insgesamt lautet:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 1.200 EUR samt 4 % Zinsen seit 18. 5. 2012 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere 4.360 EUR samt 4 % Zinsen seit 18. 5. 2012 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.128,98 EUR (darin enthalten 74,66 EUR an USt und 681 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der im Dezember 2011 verstorbene Zahnarzt Dr. P***** S***** betrieb eine Zahnarztpraxis mit dem Schwerpunkt Kieferorthopädie. Zwischen ihm und der Beklagten bestand ein Berufshaftpflichtversicherungsvertrag, dem die AHVB 2009 und EHVB 2009 zugrundelagen.

Die AHVB lauten auszugsweise:

„Art 1

Was gilt als Versicherungsfall und was ist versichert? ...

2. Versicherungsschutz

2.1. Im Versicherungsfall übernimmt der Versicherer

2.1.1. Die Erfüllung von Schadenersatz-verpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen oder Sachschaden zurückzuführen ist, aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts erwachsen. ...

Art 7

Was ist nicht versichert? (Risikoausschlüsse)

1. Unter die Versicherung gemäß Art 1 fallen insbesondere nicht

1.1. Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;

...

1.3. Die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung.

...“

Die EHVB lauten auszugsweise:

„Abschnitt B ergänzende Regelungen für spezielle Betriebs und Nichtbetriebsrisiken

1. Deckung reiner Vermögensschäden

Falls in den nachstehenden Bestimmungen oder in einer besonderen Bedingung die Deckung reiner Vermögensschäden vorgesehen ist, so gilt Folgendes:

1.1. Reine Vermögensschäden sind solche, die weder Personenschäden noch Sachschäden sind (Art 1.2.2. AHVB), noch sich aus solchen Schäden herleiten.

...

9. Ärzte, Dentisten, Tierärztin (Tierkliniken)

...

9.3. Die Versicherung erstreckt sich abweichend von Art 1.2. AHVB auch auf Schadenersatzverpflichtungen aus reinen Vermögensschäden bis zu einer Versicherungssumme von 30.000 EUR.

...“

Die Klägerin wurde erstmals vom Versicherungsnehmer der Beklagten im Zeitraum Oktober 2006 bis September 2007 zur Korrektur des in Kreuzbiss stehenden Zahnes 12 behandelt. Wegen einer weiteren Kreuzbissstellung war die Klägerin von Mai 2010 bis November 2011 beim Versicherungsnehmer in festsitzender kieferorthopädischer Behandlung. Dabei wurden von ihm nicht genügend therapeutische Elemente zum Lückenschluss bei den Frontzähnen im Unterkiefer und zur harmonischen Einstellung der beiden Zahnreihen zueinander eingesetzt. Hätte der Versicherungsnehmer im Behandlungsjahr diese Maßnahmen gesetzt, so wäre die aktive Behandlungszeit bestenfalls nach 24 bis 26 Monaten beendet gewesen. Für die bei der Klägerin bestehenden Einzelzahnfehlstellungen im Ober und Unterkiefer bei Rücklage der Zahnreihe des Unterkiefers in Beziehung zu der des Oberkiefers ist zur Korrektur eine neuerlich festsitzende kieferorthopädische Behandlung erforderlich, die von der nunmehr behandelnden Ärztin durchgeführt wird. Die Klägerin trägt seit Anfang November 2012 eine neue festsitzende Zahnspange. An Behandlungskosten hat die Klägerin einen Betrag in Höhe von insgesamt 4.150 EUR und für die Diagnose, die Planung und die Herstellung des Heilungskostenplans einen Betrag von 210 EUR an die nunmehr behandelnde Zahnärztin zu entrichten.

Die Klägerin begehrte zuletzt insgesamt 4.360 EUR an Behandlungskosten und 3.520 EUR an Schmerzengeld. Die vom Versicherungsnehmer der Beklagten vorgenommene Behandlung sei nicht lege artis erfolgt, sie sei vielmehr frustriert. Die Kosten für die weitere notwendige Behandlung würden 4.360 EUR betragen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Wäre der Versicherungsnehmer nicht verstorben, hätte er die Behandlung kunstgerecht zu Ende geführt. Die Klägerin mache Ansprüche wegen Nichterfüllung oder Schlechterfüllung und somit Leistungsstörungsansprüche geltend. Diese seien jedoch vom Versicherungsvertrag nicht umfasst. Die eingeklagte Forderung stelle zudem ein Erfüllungssurrogat dar, wofür nach Art 7 AHVB kein Versicherungsschutz bestehe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Der Versicherungsnehmer der Beklagten hätte etwa ein halbes Jahr nach Behandlungsbeginn weitere therapeutische Elemente einsetzen müssen. Da er dies unterlassen habe, habe er gegen die Regeln der Kunst verstoßen und den Schaden der Klägerin herbeigeführt. Als Berufshaftpflichtversicherer sei die Beklagte zum Ersatz der daraus resultierenden Schäden verpflichtet.

Der Zuspruch von 1.200 EUR sA an Schmerzengeld erwuchs in Rechtskraft.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im Umfang des Zuspruchs der Behandlungskosten von 4.360 EUR. Im Übrigen, sohin im Ausmaß weiterer 2.320 EUR an Schmerzengeld hob es das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Durch die nicht lege artis durchgeführte Behandlung seien der Klägerin (zusätzlich) Kosten für die weiterführende Behandlung entstanden. Diese Kosten stellten ein Erfüllungssurrogat dar, weil die Klägerin damit so gestellt werde, wie sie bei ordnungsgemäßer Erfüllung gestanden wäre. Diese Kosten seien von den AHVB nicht umfasste reine Vermögensschäden im Sinn von Mangelfolgeschäden. Da die Parteien aber eine besondere Vereinbarung über die Deckung von reinen Vermögensschäden bis zu einer Versicherungssumme von 30.000 EUR in Punkt 9.3. im Abschnitt B der EHVB getroffen hätten, seien die Behandlungskosten doch mitversichert.

Das Berufungsgericht ließ nachträglich (§ 508 Abs 1 ZPO) die ordentliche Revision zu, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob Vermögensschäden von Abschnitt B Punkt 1. EHVB erfasst seien.

Gegen dieses Teilurteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin begehrt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, sie ist auch berechtigt.

1. Gegenstand der Revision sind die Kosten der weiterführenden Behandlung der Klägerin in Höhe von insgesamt 4.360 EUR.

2. Zwischen dem Arzt und dem Patienten liegt ein zivilrechtliches Verhältnis vor, der sogenannte ärztliche Behandlungsvertrag. Es handelt sich dabei um ein im Gesetz nicht näher typisiertes Vertragsverhältnis, welches Elemente des Beratungsvertrags umfasst (RIS Justiz RS0021335). Im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrags schuldet der Arzt Diagnostik, Aufklärung und Beratung nach den Regeln der ärztlichen Kunst, wofür der aktuell anerkannte Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft maßgeblich ist (RIS Justiz RS0123136). Als Gegenstand des jeweiligen Behandlungsfalls ist im Regelfall grundsätzlich ein bestimmter „Krankheitsfall“ des Patienten anzusehen und nicht bloß ein einzelner Behandlungsabschnitt (RIS Justiz RS0123378). Der zahnärztliche Behandlungsvertrag enthält (je nach vereinbarter Leistung) Elemente des Werkvertrags (RIS Justiz RS0021338) und des freien Dienstvertrags (RIS Justiz RS0021339, RS0021759).

3. Die Direktklage gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer ist im Revisionsverfahren unstrittig - zulässig (§ 26c Abs 6 ZÄG).

4.1 Nach Art 1.2.1.1. AHVB bezieht sich das Leistungsversprechen nicht auf den Gesamtbereich des Schadensbegriffs des § 1293 ABGB, sondern nur auf die Deckung von Personen und Sachschäden und von solchen Vermögensschäden, die auf einen versicherten Personenschaden oder Sachschaden zurückzuführen sind. Demgegenüber sind sogenannte „reine“ Vermögensschäden, das sind Schäden, die weder durch einen versicherten Personenschaden noch durch einen versicherten Sachschaden entstanden sind, nicht mitversichert. Es kommt auf den Ursachenzusammenhang an. Ist der betreffende Vermögensschaden ein Schaden, der mit dem versicherten Personenschaden oder Sachschaden in einem ursächlichen Zusammenhang im Sinne der Lehre der Adhäsionstheorie steht, so ist ein solcher Vermögensschaden als nicht „reiner“ Vermögensschaden regelmäßig gedeckt (vgl zu den wortgleichen Bestimmungen AHVB 1978, 1986: 7 Ob 257/06d; AHVB 1997: 7 Ob 147/07d; RIS Justiz RS0081414).

4.2 Es entspricht ganz allgemein dem Grundgedanken der Haftpflichtversicherung, das Unternehmerrisiko im Allgemeinen nicht auf den Versicherer zu übertragen; es soll grundsätzlich nicht versicherungsfähig sein (RIS Justiz RS0081518). Zur Absicherung dieses Grundsatzes dienen die Haftungsausschlüsse des Art 7.1. AHVB (7 Ob 262/02h mwN). Nach Art 7.1.1. fallen unter die Versicherung gemäß Art 1. insbesondere nicht Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel. Art 7.1.3. AHVB schließt Versicherungsschutz für die Erfüllung von Verträgen und für die an deren Stelle tretende Ersatzleistungen aus.

Von der Ausschlussbestimmung des Art 7.1. AHVB sind auch Schadenersatzansprüche umfasst, die an die Stelle der Gewährleistung treten (sie surrogieren), also den sich mit Gewährleistungsbehelfen zu liquidierenden Mangel vergüten ( Zankl , Haftpflichtversicherung, Gewährleistung und Schadenersatz, ecolex 1990, 278; 7 Ob 111/05g, 7 Ob 128/08m).

Als Erfüllungssurrogat werden dabei diejenigen Schadenersatzansprüche bezeichnet, durch die ein unmittelbares Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand eines abgeschlossenen Vertrags geltend gemacht wird ( Späte , Haftpflichtversicherung § 4 Rz 174). Ausgeschlossen sind diejenigen Schadenersatzansprüche, die auf das Vertragsinteresse gerichtet sind, den Gläubiger also in den Genuss der ordnungsgemäßen Leistung bringen sollen. Gedeckt sind hingegen Schäden aus mangelhafter Vertragserfüllung (Mangelfolgeschäden, Begleitschäden), die jenseits des Erfüllungsinteresses des Gläubigers liegen (7 Ob 177/06i, 7 Ob 147/07d). Der Begriff „Erfüllungssurrogat“ deckt sich nicht mit dem haftungsrechtlichen Begriff des Schadenersatzrechts wegen Nichterfüllung. Das Erfüllungssurrogat ist eine eigenständige versicherungsrechtliche Rechtsfigur ( Fenyves Gewährleistungsklausel, Erfüllungsklausel und „Nachbesserungsbegleitkosten“ in der Haftpflichtversicherung, NZ 2001, 246; 7 Ob 46/13k).

5. Mit Punkt 9.1. im Abschnitt B EHVB erfolgt abweichend von Art 1.2.1.1. AHVB ein sekundärer Risikoeinschluss für „reine“ Vermögensschäden.

Die Parteien bezweifeln nicht, dass es sich bei den geltend gemachten Behandlungskosten um derartige „reine“ Vermögensschäden handelt.

6. Der Anspruch auf Ersatz der Kosten der weiterführenden Zahnbehandlung der Klägerin stellen einen Schadenersatzanspruch gegenüber dem Versicherungsnehmer dar, der die Klägerin in den Genuss der ordnungsgemäßen Leistung (Zahnregulierung) bringen soll. Sie sind auf das Vertragsinteresse gerichtet und stellen damit im Sinn der obigen Ausführungen ein Erfüllungssurrogat dar.

7. Zu prüfen bleibt, ob der Ausschluss des Art 7.1.3. AHVB auch in Bezug auf die durch Punkt 9.3. im Abschnitt B EHVB eingeschlossenen „reinen“ Vermögensschäden gilt.

7.1 Nach ständiger Rechtsprechung sind Allgemeine Versicherungsbedingungen nach Vertragsauslegungsgrundsätzen (§ 914f ABGB) auszulegen. Die Auslegung hat sich am Maßstab eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (RIS Justiz RS0050063). Der einzelnen Klauseln sind, wenn sie nicht auch Gegenstand oder Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS Justiz RS0008901). Stets ist aber der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Versicherungsbedingungen zu berücksichtigen (RIS Justiz RS0112256). Nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Klauseln müssen daher so ausgelegt werden, wie sie ein durchschnittlich versierter Versicherungsnehmer verstehen musste, wobei Unklarheiten im Sinn des § 915 ABGB zu Lasten des Verwenders der Bedingungen, regelmäßig also des Versicherers gehen (RIS Justiz RS0050063).

7.2. Die EHVB enthalten zu den AHVB ergänzende Regelungen; im Wesentlichen wird der Versicherungsschutz erweitert. So werden auch in Punkt 9.3. im Abschnitt B EHVB „reine“ Vermögensschäden in den Versicherungsschutz einbezogen, und zwar abweichend von Art 1.2.1.2. AHVB. Bereits der ausdrückliche Hinweis auf die von Art 1.2. AHVB abweichende Regelung zeigt unmissverständlich, dass ausschließlich der in der genannten Bestimmung umschriebene Versicherungsschutz erweitert werden soll, aber keine Abänderung der übrigen Bestimmungen der AHVB vor allem der Risikoausschlüsse des Art 7 AHVB vorgenommen werden soll. Schon der Wortlaut des Punkts 9.1. im Abschnitt B der EHVB im Zusammenhang mit Art 1.2.1.1. und Art 7.1.3. AHVB lässt nicht darauf schließen, dass für „reine“ Vermögensschäden die genannten Risikoausschlüsse abbedungen werden sollten. Vielmehr kann der verständige Versicherungsnehmer diese Bedingungslage nur so auffassen, dass ihm durch den Einschluss der „reinen“ Vermögensschäden in den Versicherungsschutz nicht das unternehmerische Risiko abgenommen wird und Erfüllungssurrogate nicht ersetzt werden.

8. Demnach besteht kein Versicherungsschutz für die geltend gemachten Behandlungskosten, sodass der Revision der Beklagten Folge zu geben ist.

9. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO; über einen Teil des Klagebegehrens wurde endgültig entschieden (RIS Justiz RS0035972).

Rechtssätze
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  • RS0123136OGH Rechtssatz

    21. November 2023·3 Entscheidungen

    a) Im Rahmen des ärztlichen Behandlungsvertrags schuldet der Arzt Diagnostik, Aufklärung und Beratung nach den aktuell anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst. Die pränatale Diagnostik dient nicht zuletzt der Ermittlung von Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des ungeborenen Kindes und soll damit auch der Mutter (den Eltern) im Falle, dass dabei drohende schwerwiegende Behinderungen des Kindes erkannt werden, die sachgerechte Entscheidung über einen gesetzlich zulässigen, auf § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB beruhenden Schwangerschaftsabbruch ermöglichen. Dass in einem solchen Fall die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch auch wegen der erheblichen finanziellen Aufwendungen für ein behindertes Kind erfolgen kann, ist objektiv voraussehbar, weshalb auch die finanziellen Interessen der Mutter (der Eltern) noch vom Schutzzweck des ärztlichen Behandlungsvertrags umfasst sind. b) Wird beim Organscreening im Rahmen pränataler Diagnostik ein Hinweis auf einen beginnenden Wasserkopf als Folge einer Meningomyelozele nicht entdeckt und unterbleibt eine Wiederbestellung der Schwangeren, obwohl diagnoserelevante Strukturen nicht einsehbar waren, dann liegt ein ärztlicher Kunstfehler vor. Hätten sich die Eltern bei fachgerechter Aufklärung über die zu erwartende schwere Behinderung des Kindes und einen deshalb gesetzlich zulässigen Schwangerschaftsabbruch gemäß § 97 Abs 1 Z 2 zweiter Fall StGB zu Letzterem entschlossen, haftet der Arzt (der Rechtsträger) für den gesamten Unterhaltsaufwand für das behinderte Kind. In einem solchen Fall stünden sowohl die Ablehnung eines Schadenersatzanspruchs mit der Behauptung, es liege kein Schaden im Rechtssinn vor, als auch der bloße Zuspruch nur des behinderungsbedingten Unterhaltsmehraufwands mit den Grundsätzen des österreichischen Schadenersatzrechts nicht im Einklang.