JudikaturJustiz7Ob125/16g

7Ob125/16g – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. September 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadtgemeinde H*****, vertreten durch Haslinger/Nagele Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. H*****Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in Wien und 2. H***** GmbH, *****, vertreten durch die Lansky, Ganzger + partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. April 2016, GZ 4 R 3/16i 42, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Ein Vertrag, der gegen das Gebot hoheitlichen Handelns verstößt, ist nach § 879 ABGB als nichtig zu beurteilen (RIS Justiz RS0014752). Es besteht keine generelle Wahlfreiheit zwischen öffentlich rechtlichen und privatrechtlichen Handlungsformen, jedenfalls dort nicht, wo der Gesetzgeber zu erkennen gibt, dass die hoheitliche Gestaltung zwingend ist (RIS Justiz RS0038475). Wenn die Privatwirtschaftsverwaltung gewählt wird, um der materiell gegebenen öffentlich rechtlichen Bindung zu entgehen, liegt Missbrauch der Form und daher ein essentieller Verstoß gegen die Grundsätze des Rechtsstaats vor, der gemäß § 879 Abs 1 ABGB zur Nichtigkeit der privatrechtlich getroffenen Vereinbarung führt (RIS Justiz RS0034713).

2. Eine Sonderstellung nehmen verwaltungsrechtliche Verträge ein. Das sind Vereinbarungen über Rechte und Pflichten auf der Grundlage des öffentlichen Rechts zwischen einem Verwaltungsorgan in behördlicher Funktion und einem Privaten (Rechtsunterworfenen) (vgl RIS Justiz RS0013916 [T1]). Sie bedürfen – als eine Form der nicht obrigkeitlichen Hoheitsverwaltung – zu ihrer Wirksamkeit einer gesetzlichen Ermächtigung (vgl RIS Justiz RS0013916).

3. Der Verwaltungsgerichtshof sprach aus, wenn eine zwischen dem Grundeigentümer und der Gemeinde geschlossene Vereinbarung Voraussetzung für die Abänderung des Flächenwidmungsplans der Gemeinde sei und (auch) dem Zweck diene, sicherzustellen, dass die festgesetzte Baulandwidmung in absehbarer Zeit zu einer Bebauung führe, so seien Gegenstand der Vereinbarung und sohin des diese Vereinbarung genehmigenden Beschlusses des Gemeinderats eindeutig Maßnahmen, die in den Vollzugsbereich des (dort Oö) ROG fallen würden (VwSlg 13.625A/1992). Davon ausgehend beurteilte der Oberste Gerichtshof schon bisher die Erstellung eines Bebauungsplans, eines Flächenwidmungs-plans und auch eines Bebauungsvorschlags als zum Vollzug des (auch dort Oö) ROG gehörige Aufgaben (2 Ob 511/95, 3 Ob 181/12g, RIS Justiz RS0034713).

4.1 Die Klägerin brachte im erstgerichtlichen Verfahren ausdrücklich vor, die Vereinbarung mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten über die maximale Abbauhöhe eines Steinbruchs zum Schutz des Gemeindegebiets vor Immissionen im Hinblick auf eine beabsichtigte Änderung des Flächenwidmungsplans abgeschlossen zu haben. Die Vereinbarung habe dazu gedient, eine Umwidmung in Bauland zu ermöglichen. Es steht weiters fest, dass die Vereinbarung tatsächlich Grundlage der örtlichen Raumplanung und in den beschlossenen Flächenwidmungsplan eingearbeitet wurde.

4.2 Die Beurteilung der Vorinstanzen, die Vereinbarung sei schon nach dem Vorbringen der Klägerin im Rahmen der Raumordnungsplanung erfolgt, hält sich im Rahmen der oberstgerichtlichen Judikatur.

Dass den von den Vorinstanzen herangezogenen Entscheidungen kein identer Sachverhalt zugrunde lag, schadet nicht. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt insbesondere dann nicht vor, wenn die für vergleichbare Sachverhalte entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung auf den konkreten Sachverhalt anwendbar sind und ohne grobe Subsumtionsfehler auch angewendet wurden (RIS Justiz RS0107773 [T3]). Im Übrigen verdeutlichen die Revisionsausführungen, wonach der Rückgriff auf ein privatrechtliches Instrument für den Grundeigentümer günstiger gewesen sei, weil die Umwandlung in eine Widmungsart, die keinen Materialabbau ermöglicht hätte, zu einem gänzlichen Abbauverbot geführt hätte, die Zugehörigkeit der Maßnahme zu den Vollzugsaufgaben.

5.1 Mit ihren Ausführungen „mittlerweile“ seien in sämtlichen raumordnungsrechtlichen Landesgesetzen Vertragsraumordnungen (Kombination von Flächenwidmung mit privatrechtlichen Verträgen) geregelt, erkennt die Klägerin selbst, dass eine derartige Möglichkeit zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung im Jahr 1981 nicht gegeben war. Die nunmehrige Zulässigkeit von Vertragsraumordnungen stützt – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht ihren Standpunkt. Vielmehr spricht die ausdrückliche Regelung der genannten Vertragsraum-ordnungen durch den Gesetzgeber erst Jahre nach dem Abschluss der gegenständlichen Vereinbarung geradezu dafür, dass eine derartige Möglichkeit damals nicht bestand.

5.2 Nach § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück; sie haben auf vorhergehende Handlungen und vorher erworbene Rechte keinen Einfluss (RIS-Justiz RS0008745 [T1]). Der Vertragsabschluss war – als Tatbestand – bereits vor Inkrafttreten der Novellen des Nö ROG, die Vertragsraumordnungen unter bestimmten Voraussetzungen einführten, abgeschlossen. Maßgeblich für die Beurteilung der Nichtigkeit nach § 879 ABGB ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (RIS Justiz RS0017936, insbesondere 3 Ob 181/12g).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist auch die weitere Schlussfolgerung der Vorinstanzen, die Vereinbarung sei – beurteilt nach der damals geltenden Rechtslage – nichtig im Sinn des § 879 ABGB, nicht zu beanstanden. Soweit die Klägerin argumentiert, hier handle es sich eigentlichen um einen Vertrag zugunsten Dritter, übersieht sie, dass auch ein solcher eine privatrechtliche Vereinbarung darstellt.

6. Zusammengefasst erweist sich damit die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die privatrechtliche Vereinbarung über die bestimmte Nutzung in Form der Festlegung einer konkreten Abbauhöhe als Voraussetzung für die beabsichtigte Änderung des Flächenwidmungsplans falle in den Vollzugsbereich der Nö Raumordnung und sei daher nichtig, als nicht korrekturbedürftig.  Davon ausgehend erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob die Vereinbarung auf die Beklagten überhaupt übergegangen ist.

7. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtssätze
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