JudikaturJustiz7Ob108/17h

7Ob108/17h – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Januar 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei I***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger ua, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, gegen die beklagte und widerklagende Partei Gemeinde K*****, vertreten durch den Bürgermeister M***** Z*****, dieser vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer ua, Rechtsanwälte in Wels, wegen Feststellung (AZ 6 C 167/16h) und Abgabe einer Erklärung sowie Räumung (AZ 6 C 168/16f), über die Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 15. März 2017, GZ 22 R 320/16i 25, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 27. September 2016, GZ 6 C 167/16h, 6 C 168/16f 19, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende und widerbeklagte I***** GmbH Co KG (fortan: Klägerin) und die beklagte und widerklagende Gemeinde (fortan: Beklagte) haben am 6. 12. 2003/11. 12. 2003 einen vom Gemeinderat der Beklagten genehmigten Vertrag geschlossen. Vereinbarter Vertragszweck war die Sicherstellung der Nahversorgung der Gemeinde und die Schaffung eines Veranstaltungszentrums. Zu diesem Zweck räumte die Beklagte der Klägerin die Nutzung von Grundstücken ein, auf denen die Klägerin auf deren Kosten und Gefahr ein Geschäftsbauwerk (Superädifikat) zur Unterbringung und Führung eines Nahversorgermarkts (Gesamtverkaufsfläche ca 499,70 m²) sowie ein Veranstaltungszentrum errichten sollte. Die Parteien schlossen betreffend das Grundstück für den Nahversorgermarkt einen Bestandvertrag, für den auszugsweise Folgendes gelten sollte:

„ …

III.

Die Gemeinde leistet zu den gesamten Errichtungskosten einschließlich derjenigen für Außengestaltung, Parkplätze und dergleichen, unter der Voraussetzung, dass das Veranstaltungszentrum seitens der Gesellschaft ordnungsgemäß im Sinne dieses Vertrages errichtet wird, einen Beitrag bis zu € 654.055,- … , wobei festgehalten wird, dass bereits der auf das reine Veranstaltungszentrum (ohne Gastgewerbebereich) entfallende Teil der Baukosten diesen Betrag übersteigt.

V.

Der Gesellschaft werden die vertragsgegenständlichen Grundstücke ausschließlich für geschäftliche Zwecke im Sinn dieses Vertrags überlassen und ist diese nur berechtigt, aber auch verpflichtet, auf diesen Grundstücken, insbesondere in dem jeweils von ihr errichteten Superädifikat auf deren Kosten und Gefahr einerseits einen Nahversorgermarkt, andererseits ein Veranstaltungszentrum zu führen bzw. zu betreiben oder zu lassen. Dies nach dem jeweils üblichen Standard. Dabei ist die Gesellschaft verpflichtet, auf die gute Ordnung innerhalb und außerhalb des jeweiligen Objekts Bedacht zu nehmen und alle behördlichen Anordnungen und Vorschriften genau zu erfüllen.

Ein Verstoß gegen diesen Vertragspunkt, insbesondere eine Änderung des vereinbarten Verwendungszwecks ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung der Gemeinde – bei Verstoß gegen behördliche Anordnungen und Vorschriften, sowie gegen die gute Ordnung aber erst nach erfolgloser Abmahnung durch die Gemeinde – stellt einen wichtigen Grund für eine vorzeitige Auflösung dieses Vertragsverhältnisses dar.

Die Gesellschaft ist zur Tragung sämtlicher mit diesen Grundstücken verbundenen öffentlichen Abgaben und Betriebskosten, welcher Art immer, verpflichtet.

Für den Fall, dass die Gesellschaft nach Beendigung des Vertragsverhältnisses mit dem ersten Betreiber des Nahversorgermarktes künftig keinen anderen tauglichen Betreiber findet, ist sie verpflichtet, unverzüglich die Gemeinde davon in Kenntnis zu setzen und steht es der Gemeinde frei einen eigenen Betreiber namhaft zu machen. Die Gesellschaft ist verpflichtet mit diesem einen entsprechenden, branchenüblichen, Bestandvertrag abzuschließen, wenn die Gesellschaft einen Bestandzins in einer solchen Höhe erhält, der demjenigen entspricht, den der letzte Betreiber vertragsgemäß zu entrichten hatte.

VIII.

Dieses Vertragsverhältnis beginnt mit Unterfertigung dieser Vertragsurkunde durch beide Vertragsteile.

Dieses wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

Es kann von jedem Vertragsteil unter Einhaltung einer 6 monatigen Kündigungsfrist jeweils zum 30. 6. und 31. 12. eines jeden Jahres aufgekündigt werden.

Die Gemeinde verzichtet auf die Dauer von 60 (sechzig) Jahren auf eine Aufkündigung.

IX.

Die Gemeinde ist berechtigt, das Vertragsverhältnis jedenfalls aus folgenden Gründen zur sofortigen Auflösung zu bringen:

a) grob nachteiliger Gebrauch vom Vertragsobjekt, und zwar auch nur eines der bezüglichen Grundstücke, sowie Verstoß gegen solche Bestimmungen dieses Vertrags, bei denen die vorzeitige Auflösung des Vertragsverhältnisses jeweils festgelegt wurde;

b) Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft oder Abweisung eines diesbezüglichen Antrags mangels kostendeckenden Vermögens;

c) Unterlassung der ordnungsgemäßen Betreibung des Nahversorgermarktes, der dem jeweils üblichen Standard zu entsprechen hat, in einer 3 Monate übersteigenden Dauer, trotz schriftlicher Abmahnung.

X.

Bei Beendigung des Vertragsverhältnisses, gleichgültig aus welchem Grund und zu welcher Zeit, gehen sämtliche als Superädifikat errichteten Baulichkeiten samt Nebensachen und Zubehör und allen Baumaßnahmen über Verlangen der Gemeinde entschädigungslos und vollkommen frei von Lasten, die von der Gesellschaft verursacht wurden, in ihr Eigentum über bzw. sind an diese zu übertragen. Die in diesem Fall erforderlichen Erklärungen werden seitens der Gesellschaft in der Form abzugeben sein, dass es zu einer rechtswirksamen Vereinigung der diesbezüglichen Baulichkeiten mit Grund und Boden kommen kann. Ist aufgrund einer solchen Forderung das Superädifikat an die Gemeinde zu übergeben, so erfolgt die Übergabe im bestehenden Zustand samt allem Zubehör, wobei es sich in einem, unter Berücksichtigung der normalen Abnützung, ordentlichen Zustand zu befinden hat. Nach Ablauf von fünfundzwanzig Jahren ab Vertragsbeginn kann die Gemeinde aber auch die Wiederherstellung des zu Beginn des Vertragsverhältnisses bestehenden Zustandes durch die Gesellschaft auf deren Kosten ganz oder teilweise verlangen. In diesem Fall ist die Gesellschaft zur Durchführung der entsprechenden Maßnahmen verpflichtet.

XX.

Abänderungen und Ergänzungen dieses Vertrags bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform. Mündliche Nebenabreden wurden nicht getroffen.

…“

Der Bürgermeister der Beklagten richtete am 23. 12. 2015 ein Schreiben an die Klägerin mit folgendem Wortlaut:

„…

Als Vertreter der Gemeinde bin ich als Bürgermeister verpflichtet, die Erfüllung des zwischen Ihnen und der Gemeinde … geschlossenen Vertrags abzumahnen. Ich fordere sie demnach auf, eine ordnungsgemäße Betreibung eines Nahversorgermarktes binnen 3 Monaten sicherzustellen. Die Gemeinde wird sonst das Vertragsverhältnis mit Datum 23. März 2016 zur Auflösung gemäß Punkt IX c des Vertrags ... bringen.

…“

Die Beklagte legte dem Erstgericht einen Auszug aus der Verhandlungsschrift ihres Gemeinderats vom 7. 7. 2016 vor. Punkt 3. der damaligen Tagesordnung lautete:

„Nahversorgermarkt: Einbringung einer Klage zur Abgabe einer Erklärung und Räumung. Beratung und Beschlussfassung.“

Der Bürgermeister berichtete nach diesem Protokoll, dass der Mietvertrag mit der Klägerin zum 31. 3. 2016 aufgekündigt und bereits eine Klage eingebracht worden sei, weshalb nunmehr nachträglich ein entsprechender Gemeinderatsbeschluss gefasst werden sollte. Er stellte sodann den Antrag, der Gemeinderat möge nachträglich den Beschluss fassen, dass betreffend den Nahversorgermarkt die Klage zur Abgabe einer Erklärung und Räumung gemäß dem vorliegenden und vom Gemeinderat vollinhaltlich zur Kenntnis genommenen Entwurf … eingebracht wird und (der Beklagtenvertreter) mit der rechtsanwaltlichen Vertretung beauftragt werde. Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen.

Die Klägerin begehrt die Feststellung des aufrechten Bestandes des mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrags betreffend das für den Nahversorgungsmarkt bestimmte Grundstück. Zunächst habe die Firma S***** als Mieterin den Markt betrieben, den von der Klägerin mit ihr vereinbarten Bestandvertrag aber mit 31. 12. 2015 beendet. Die Klägerin habe sich dann bemüht, einen neuen Marktbetreiber zu finden. Die von der Beklagten erklärte Vertragsauflösung sei grundlos und vertragswidrig erfolgt, weil die Klägerin nicht gegen ihre Vertragspflichten verstoßen habe. Bei einer Besprechung zwischen ihrem Geschäftsführer und dem damaligen Bürgermeister sowie dem Amtsleiter anlässlich des Vertragsabschlusses sei nämlich vereinbart worden, dass die Klägerin nicht verpflichtet sei, den Nahversorgermarkt auf die Dauer von 60 Jahren zu betreiben. Für den Fall, dass der Erstbetreiber des Markts kündige und die Klägerin keine Nachmieter finde, sei der Beklagten das Recht zugestanden, selbst einen Nahversorger namhaft zu machen. In diesem Sinn sei auch der Vertragspunkt V. ergänzt worden, sodass sich Vertragspunkt IX. gerade nicht auf den Fall beziehe, dass die Klägerin keinen Marktbetreiber finde. Die Beklagte habe selbst nie einen Marktbetreiber präsentiert. Die Klägerin habe alle zumutbaren Anstrengungen unternommen, einen weiteren Marktbetreiber zu finden. Da sie kein Verschulden daran treffe, dass dies nicht gelungen sei, sei die Beklagte nicht zur Vertragsauflösung berechtigt, vielmehr sei diese sittenwidrig. Der Rechtsvertreter der Beklagten habe die Klägerin arglistig darüber getäuscht, dass er den besprochenen Wegfall der Betriebspflicht nicht ausdrücklich in die Vertragsurkunde aufgenommen habe. Auf den Bestandvertrag seien überdies die Bestimmungen des MRG analog anzuwenden, weshalb dieser nur aus den Gründen des § 1118 ABGB vorzeitig aufgelöst werden könne. Schließlich habe die Gemeinde die Vertragsauflösung nicht wirksam erklärt, sei diese doch ebenso wenig wie die Klagsführung vom Gemeinderat ordnungsgemäß genehmigt worden und seither bis zum erstinstanzlichen Verhandlungsschluss jedenfalls die dreimonatige vertragliche Nachfrist nicht abgelaufen. Es sei letztlich auch die Vereinbarung sittenwidrig, dass das Superädifikat entschädigungslos in das Eigentum der Beklagten übergehen solle, weshalb sie nur Zug um Zug gegen eine angemessene Entschädigung zur Räumung verpflichtet werden dürfe.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und begehrt im verbundenen Verfahren von der Klägerin die Abgabe einer näher bezeichneten Erklärung zum Zweck des Erwerbs des Superädifikats sowie die Räumung des betreffenden Grundstücks. Nach Ende Juni 2015 sei die Klägerin trotz wiederholter Aufforderungen ihrer vertraglichen Verpflichtung, zur Führung eines Nahversorgermarkts nicht nachgekommen. Es sei der Klägerin dann mit dem Schreiben vom 23. 12. 2015 bei sonstiger Auflösung des Bestandvertrags gemäß Vertragspunkt IX. c) eine Frist von 3 Monaten eingeräumt worden, einen Marktbetreiber zu finden. Die Beklagte sei bloß berechtigt, aber nicht verpflichtet gewesen, selbst einen Nahversorger namhaft zu machen. Da die Klägerin keinen Nahversorger gefunden habe, sei das Bestandverhältnis berechtigt aufgelöst worden und habe mit 31. 3. 2016, jedenfalls aber mit Einbringung der Räumungsklage geendet und mit Vorlage des genehmigenden Gemeinderatsbeschlusses habe der Beklagtenvertreter neuerlich die sofortige Auflösung des Bestandverhältnisses erklärt. Das Superädifikat als „Einobjekt-Bauwerk“ falle nach § 1 Abs 2 Z 5 MRG nicht in dessen Anwendungsbereich. Die beharrliche Vertragsverletzung der Klägerin durch Unterlassen der Betreibung eines Nahversorgermarkts seit nunmehr über einem Jahr sei ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Auflösung des Bestandvertrags nach § 1118 ABGB. Die Gemeinde habe die Vertragsauflösung schon durch die ursprüngliche Vertragsgenehmigung, jedenfalls aber mit ihrem Beschluss vom 7. 7. 2016 genehmigt.

Das Erstgericht ging in tatsächlicher Hinsicht noch davon aus, dass der Gemeinderat nur den schriftlichen Vertragstext genehmigt habe, sodass auch nur dieser der rechtlichen Beurteilung zugrundezulegen sei. Allfällige Nebenvereinbarungen seien nicht abgeschlossen und dem Gemeinderat auch nicht vorgelegt worden. Wenngleich der Gemeinde ein Vorschlagsrecht für einen Nahversorger eingeräumt worden sei, so sei ihr doch auch die Auflösung des Vertrags nach dreimonatigem Leerstand als „ultima ratio“ zugestanden. Diese Rechtsfolge sei wegen Nichterfüllung des Vertragszwecks für die Beklagte sachgerecht und weder schikanös noch unangemessen. Durch den Gemeinderatsbeschluss der Beklagten vom 7. 7. 2016 sei nicht nur die Klagsführung, sondern die gesamte Vorgangsweise betreffend die Vertragsauflösung genehmigt und saniert worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, stellte den aufrechten Bestand des von den Streitteilen geschlossenen Vertrags fest und wies die Begehren der Beklagten auf Abgabe einer Erklärung zum Erwerb des Superädifikats und auf Räumung ab. Es war rechtlich der Ansicht, dass dahingestellt bleiben könne, welche Absicht die Parteien mit der Aufnahme des letzten Absatzes des Vertragspunkts V. verfolgt hätten, ob unter Berücksichtigung dieser Vertragsbestimmung tatsächlich eine zur vorzeitigen Vertragsauflösung berechtigende Verletzung der Betriebspflicht vorliege, ob die Vereinbarung des entschädigungslosen Übergangs des Superädifikats ins Eigentum der Beklagten bei Vertragsauflösung sittenwidrig sei und ob die Klägerin ein Verschulden daran treffe, keinen weiteren Nahversorger gefunden zu haben. Die Klägerin berufe sich nämlich zu Recht auch darauf, dass die für die vorzeitige Auflösung des Bestandvertrags erforderliche Genehmigung des Gemeinderats nicht vorliege. Die Beklagte habe nach Vertragspunkt IX. c) dann, wenn tatsächlich ein Grund für die sofortige Auflösung des Vertragsverhältnisses wegen Unterlassung der ordnungsgemäßen Betreibung eines Nahversorgermarkts vorgelegen habe, zunächst vor Ausspruch der vorzeitigen Vertragsauflösung die Klägerin schriftlich abmahnen müssen. Diese Abmahnung sei mit Schreiben des Bürgermeisters vom 23. 12. 2015 allerdings ohne den dafür erforderlichen Beschluss des Gemeinderats erfolgt, der auch nicht bis 31. 3. 2016 nachgeholt worden sei. Diese Abmahnung sei daher nicht wirksam erfolgt. Es könne auch keine Rede davon sein, dass die Auflösung des Bestandverhältnisses bereits durch die ursprünglichen Gemeinderatsbeschlüsse aus dem Jahr 2003 genehmigt worden sei, hätten sich diese doch ausschließlich auf die Genehmigung des Vertragsabschlusses bezogen. Das Fehlen einer wirksamen Auflösungserklärung habe die Beklagte auch selbst erkannt und deshalb in der mündlichen Streitverhandlung neuerlich die vorzeitige Auflösung des Bestandvertrags erklärt. Diese sei allerdings vom Gemeinderatsbeschluss vom 7. 7. 2016 nicht gedeckt gewesen, habe sich dieser doch nur auf die Einbringung der Klage zur Abgabe einer Erklärung und auf Räumung bezogen. Mit diesem Gemeinderatsbeschluss sei daher nur der bis dahin vorgelegene Mangel der gesetzlichen Vertretung der Beklagten im Prozess saniert und die zum 31. 3. 2016 ausgesprochene Beendigung des Bestandvertrags genehmigt worden, was aber für einen bereits vergangenen Zeitpunkt nicht mehr wirksam möglich gewesen sei. Der neuerliche Ausspruch der vorzeitigen Auflösung des Bestandvertrags in der mündlichen Streitverhandlung sei dagegen nicht genehmigt worden, sodass er ebenso wirkungslos sei. Selbst wenn man im Gemeinderatsbeschluss vom 7. 7. 2016 auch eine Genehmigung einer neuerlichen Auflösungserklärung in der mündlichen Streitverhandlung erblicken wollte, würde eine genehmigte Abmahnung fehlen bzw wäre anschließend die für die Wirksamkeit der Abmahnung erforderliche Frist von 3 Monaten nicht verstrichen gewesen. Sollte die in der mündlichen Streitverhandlung erklärte Vertragsbeendigung als solche gemäß § 1118 1. Fall ABGB gemeint gewesen sein, wäre auch eine solche vom Gemeinderatsbeschluss nicht gedeckt gewesen. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Bestandvertrag sei daher mangels wirksamer Beendigung nach wie vor aufrecht, weshalb der Berufung der Klägerin und damit deren Klagebegehren stattzugeben gewesen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich jedes der drei Klagebegehren 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Es liege keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vor, „ob in einem Fall wie dem vorliegenden die nachträgliche Genehmigung einer Klage, mit der auf eine bis dahin vom Gemeinderat nicht genehmigte vorzeitige Auflösung eines Bestandvertrags gestützte Ansprüche geltend gemacht wurden, durch den Gemeinderat auch die Genehmigung zu einer in der folgenden Verhandlung neuerlich erklärten vorzeitigen Auflösung des Vertrags enthält und ob auch für die vertraglich vorgesehene vorherige schriftliche Abmahnung die Genehmigung des Gemeinderats erforderlich ist“.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitige Revision der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils. Hilfsweise stellt die Beklagte auch einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und in ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

1. Zum Wirkungsbereich der Gemeindeorgane:

1.1. Gemäß § 43 Abs 1 Oö. GemO 1990 obliegen dem Gemeinderat alle in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallenden Angelegenheiten, soweit sie nicht ausdrücklich anderen Organen der Gemeinde vorbehalten sind.

1.2. Nach § 58 Abs 1 Oö. GemO 1990 vertritt der Bürgermeister die Gemeinde nach außen. Unbeschadet sonstiger gesetzlicher Vorschriften obliegen dem Bürgermeister im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde ferner die in § 58 Abs 2 Oö. GemO 1990 bezeichneten Angelegenheiten. Dazu gehören ua die Verwaltung des Gemeindeeigentums (§ 58 Abs 2 Z 4 Oö. GemO 1990) und die Einbringung von Mahnklagen für Beträge bis einschließlich 2.000 EUR (§ 58 Abs 2 Z 10 Oö. GemO 1990).

2. Zur Prozessführung durch die Gemeinde:

2.1. Nach dem durch die § 43 Abs 1 und § 58 Oö. GemO 1990 festgelegten Wirkungsbereich der Gemeindeorgane bedurfte sowohl die Erhebung der Klage durch die Gemeinde im verbundenen Verfahren als auch die Erhebung der Revision im Passivprozess (vgl dazu 6 Ob 7/13t) eines Gemeinderatsbeschlusses.

2.2. Eine Gemeinde ist dann, wenn nach den für sie geltenden Organisationsvorschriften für die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens (bzw für die Erhebung eines Rechtsmittels) ein Gemeinderatsbeschluss vorgesehen ist, dieser aber nicht vorliegt, gesetzlich nicht gehörig vertreten (6 Ob 59/06d; 6 Ob 7/13t). Die von einer Gemeinde ausgestellte Prozessvollmacht muss zu ihrer Gültigkeit den Formvorschriften entsprechen, die die Gemeindeordnung für Urkunden, mit denen sie privatrechtliche Verpflichtungen übernimmt, vorsieht (RIS Justiz RS0031560 [T3]). Hingegen handelt es sich beim Nachweis der (nachträglichen) Genehmigung der Prozessführung durch den Gemeinderat um einen dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Akt, für den Gemeindeordnungen regelmäßig keine besondere Formvorschrift vorschreiben (vgl 1 Ob 9/13z; 6 Ob 7/13t).

2.3. Der Beschluss eines Gemeinderats ist objektiv nach dem Aussagewert des Textes, dem Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung und im Zusammenhalt mit dem zugrunde gelegenen Geschäftszweck auszulegen (vgl 9 ObA 83/00x). Der Beschluss des Gemeinderats vom 7. 7. 2016 erging gegen Schluss der mündlichen Streitverhandlung in den verbundenen Verfahren. Er deckt nach dem verfolgten Geschäftszweck, nämlich der beabsichtigten Rechtsverfolgung im Zusammenhang mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses der Streitteile, das gesamte bis dahin abgelaufene und auch das weitere (Rechtsmittel-)Verfahren in den verbundenen Rechtssachen. Der anfängliche Mangel der gesetzlichen Vertretung in den verbundenen Verfahren ist demnach durch den Beschluss des Gemeinderates vom 7. 7. 2016 saniert.

3. Zur formellen Vertragsauflösung durch die Gemeinde:

3.1. Nach Vertragspunkt IX. c) des Vertrags ist die Gemeinde berechtigt, das Vertragsverhältnis jedenfalls bei „Unterlassung der ordnungsgemäßen Betreibung des Nahversorgermarktes, der dem jeweils üblichen Standard zu entsprechen hat, in einer 3 Monate übersteigenden Dauer, trotz schriftlicher Abmahnung“, zur sofortigen Auflösung zu bringen. Dabei ist die Wortfolge „trotz schriftlicher Abmahnung“ ihrem Sinn entsprechend als dreimonatige Unterlassung „nach Abmahnung“ zu verstehen. Die wirksame Vertragsauflösung erforderte daher die Abmahnung, die dreimonatige „Unterlassung der ordnungsgemäßen Betreibung des Nahversorgermarktes“ und eine Auflösungserklärung der Gemeinde.

3.2. Dem Berufungsgericht kann nicht gefolgt werden, soweit es für die nach Vertragspunkt IX. c) erforderliche Abmahnung einen Gemeinderatsbeschluss verlangte. Diese Abmahnung hat selbst noch keine unmittelbare Auswirkung auf den Bestand des Vertragsverhältnisses, sondern wahrt lediglich die aus einer angeblichen Vertragsverletzung der Gemeinde vermeintlich zustehenden Rechte. Die Abmahnung bewirkt selbst noch nicht die Vertragsauflösung und sie zwingt die Gemeinde auch nicht zu einer solchen Vorgangsweise. Die Abmahnung ist daher eine bloße Verwaltungsmaßnahme, die nach § 58 Abs 2 Z 4 Oö. GemO 1990 zum selbstständigen Wirkungsbereich des Bürgermeisters gehört. Daraus folgt zunächst, dass die mit dem Schreiben des Bürgermeisters vom 23. 12. 2015 erfolgte Abmahnung wirksam war.

3.3. Allerdings hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, dass die Auflösung des zwischen den Streitteilen begründeten Vertragsverhältnisses nicht zu einem der in § 58 Abs 2 Oö. GemO 1990 bezeichneten Angelegenheiten gehört, folglich in den Wirkungsbereich des Gemeinderats fällt. Die Erklärung der Vertragsauflösung bedurfte daher eines Gemeinderatsbeschlusses.

3.4. Der Beschluss des Gemeinderats vom 7. 7. 2016 deckt nach seinem völlig eindeutig auf die Beendigung des Vertrags der Streitteile gerichteten Geschäftszweck jedenfalls die auch im Räumungsbegehren der Beklagten mitenthaltene und die bei der Streitverhandlung am 10. 8. 2016 neuerliche erfolgte Erklärung der Vertragsauflösung. Diese ist demnach bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz (vgl dazu RIS Justiz RS0041085) wirksam erfolgt.

4. Zur Berechtigung der vorzeitigen Vertragsauflösung:

Die Vorinstanzen haben nicht ausreichend geklärt, ob die von der Beklagten formal wirksam vorgenommene Auflösungserklärung auch materiell berechtigt ist:

4.1. Die Beklagte stützt die vorzeitige Vertragsauflösung auf Vertragspunkt IX. c). Zwischen den Parteien besteht im Ergebnis Uneinigkeit darüber, wie dieser Vertragspunkt unter Berücksichtigung der im Zuge der Vertragsverhandlungen geführten Gespräche zu verstehen ist, insbesondere das Verhältnis des erst später zum Vertragsinhalt gemachten letzten Absatzes des Vertragspunkts V. zum Auflösungsgrund nach Vertragspunkt IX. c) und ob ein ernstliches und nur unverschuldet erfolgloses Bemühen der Klägerin um einen Betreiber des Nahversorgermarkts der vorzeitigen Vertragsauflösung entgegenstehen könnte.

4.2. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts kann es dabei nicht allein auf den Wortlaut des von den Parteien am 6. 12. 2003/11. 12. 2003 geschlossenen Vertrags ankommen. Diesen Vertrag hat der Gemeinderat nachträglich genehmigt, womit auch davon auszugehen ist, dass sich die Beklagte das Verhalten jener Organe (Vertreter) zurechnen lassen muss, die für die Beklagte die Aushandlung des späteren von ihr genehmigten Vertrags vorgenommen haben (vgl 6 Ob 661/86 = EvBl 1988/128 = RIS Justiz RS0031234). Der Inhalt der seinerzeitigen Vertragsverhandlungen ist daher auch dann, wenn er nicht unmittelbar im späteren Vertragstext seinen Niederschlag gefunden hat, für die Auslegung relevant. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht daher zu klären und aussagekräftige Feststellungen darüber zu treffen haben, was von den Beteiligten betreffend den Inhalt der Vertragspunkte V. und des IX. c) sowie zum Inhalt der „Betriebspflicht“ der Klägerin gegebenenfalls erörtert wurde. Erst dann wird abschließend geklärt werden können, unter welchen Voraussetzungen der Auflösungsgrund nach Vertragspunkt IX. c) im Lichte des vertraglichen Gesamtzusammenhangs und insbesondere unter Bedachtnahme auf den letzten Absatz des Vertragspunkts V. gegeben sein sollte.

5. Zur Anwendbarkeit des MRG:

5.1. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass es sich bei ihrem Vertragsverhältnis um einen Bestandvertrag handelt. Auf einen Bestandvertrag über ein Grundstück, auf dem sich ein mit Zustimmung des Grundeigentümers errichtetes Superädifikat befindet, das nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien der dauernden geschäftlichen Betätigung des Mieters dienen soll, wird nach herrschender Rechtsprechung (zumindest) betreffend die Kündigungsbeschränkungen das MRG analog angewendet (vgl dazu RIS Justiz RS0069261; RS0069454).

5.2. Im Geltungsbereich des Kündigungsschutzes des MRG kann der Vermieter nach § 29 Abs 1 Z 5 MRG bei Vorliegen der dort genannten Fälle, nämlich bei erheblich nachteiligem Gebrauch und – hier nicht relevantem – qualifiziertem Mietzinsrückstand nach § 1118 ABGB, das Bestandverhältnis ohne Rücksicht auf die Einhaltung von Kündigungsfristen oder -terminen durch eine außerordentliche Kündigung vorzeitig auflösen.

5.3. § 1118 ABGB ist grundsätzlich dispositives Recht (RIS Justiz RS0025898 [T1]). Die darin enthaltene Regelung der Auflösungsgründe unterliegt daher – außerhalb des Kündigungsschutzes des MRG – der Parteiendisposition (2 Ob 2062/96s). Daher können die Vertragsparteien, soweit kein gesetzlich kündigungsgeschütztes Bestandverhältnis vorliegt, infolge Vertragsfreiheit auch andere, für den Bestandgeber auch günstigere, über die Auflösungsgründe des § 1118 ABGB hinausgehende, an deren Stelle tretende oder diese modifizierende Gründe vereinbaren, die das Abstehen vom Vertrag rechtfertigen. In einem solchen Fall müssen die von den Parteien vereinbarten Auflösungsgründe nicht die Bedeutung eines wichtigen Kündigungsgrundes im Sinn des MRG haben (RIS Justiz RS0021001).

5.4. Die Beklagte hat einerseits behauptet, das Objekt sei ein solches nach § 1 Abs 2 Z 5 MRG und falle deshalb nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Anderseits sieht die Beklagte selbst für den Fall eines kündigungsgeschützten Bestandverhältnisses in der „Verletzung der Betriebspflicht“ einen erheblich nachteiligen Gebrauch iSd § 1118 1. Fall ABGB. Die Klägerin hält dem entgegen, dass nach dem Inhalt der seinerzeitigen Vertragsverhandlungen zufolge der Aufnahme des letzten Absatzes des Vertragspunkts V. die Beklagte jedenfalls nicht zur Vertragsauflösung berechtigt sei, wenn sich die Klägerin um einen neuen Nahversorger bemüht, einen solchen aber unverschuldet nicht habe finden können und die Beklagte selbst keinen Betreiber namhaft macht.

5.5. Im fortgesetzten Verfahren wird zu klären sein (vgl Punkt 4.2.), welche Verpflichtungen die Klägerin im Zusammenhang mit der Gewährleistung eines Betriebs eines Nahversorgermarkts treffen sollten. Ergibt sich insoweit eine Vertragsverletzung der Klägerin, die qualitativ als nachteiliger Gebrauch iSd § 1118 1. Fall ABGB zu werten ist, spielt die Anwendbarkeit des MRG für die Berechtigung des Räumungsbegehrens keine Rolle, andernfalls wird auch diese Frage zu klären sein.

6. Zur Irreführung und zu m entschädigungslosen Eigentumsübergang:

6.1. Für die von der Klägerin behauptete Irreführung durch den Beklagtenvertreter fehlt eine zureichende Tatsachengrundlage.

6.2. Die Beklagte hatte nach Vertragspunkt III. für die Errichtung des Superädifikats erhebliche Mittel zur Verfügung zu stellen und die Klägerin konnte aus dem Objekt wohl auch bereits Einnahmen erzielen. Bei dieser Sachlage kann für eine Sittenwidrigkeit im Sinn einer groben einseitigen Benachteiligung (vgl etwa RIS Justiz RS0045886) durch einen entschädigungslosen Eigentumsübergang im Fall eines von der Klägerin zu vertretenden Auflösungsgrundes ohne weitere Anhaltspunkte kein ausreichender Grund erkannt werden.

7. Ergebnis:

7.1. Die Beklagte hat mit dem Schreiben ihres Bürgermeisters vom 23. 12. 2015 die Klägerin wirksam abgemahnt sowie mit ihrer Räumungsklage und nochmals in der Streitverhandlung am 10. 8. 2016 durch den Beschluss des Gemeinderats vom 7. 7. 2016 gedeckt und somit formal wirksam die vorzeitige Vertragsauflösung erklärt. Ob diese vorzeitige Vertragsauflösung auch materiell berechtigt ist, hängt davon ab, wie der von den Vertragsparteien vereinbarte Vertragsauflösungsgrund nach Vertragspunkt IX. c) im Lichte der darüber geführten Vertragsverhandlungen zu verstehen ist. Dies wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren zu klären haben.

7.2. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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